soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 2 (2009) / Rubrik "Thema" / Standortredaktion Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/118/158.pdf
Josef Bakic:
Die Versuche der Herstellung einer ökonomisch rationalen Kontrolle durch Qualitätssicherung zielen auf messbare Ergebnisparameter ab, die davon ausgehen müssen, dass Sozialpädagogik über kausal wirkende Techniken zur Veränderung von Menschen verfügt. Dieser neue Anspruch an pädagogische Arbeit steht jedoch im Gegensatz zur bisherigen theoretischen Einsicht der Offenheit von Bildungs- und Erziehungsprozessen. Dabei gibt sich dieses Neue "betont forsch und selbstbewusst und betrachtet seine Absichten als etwas längst Fälliges", aber, so die Analyse von Speck: "Bei näherem Hinsehen entdeckt man aber viel Ideologie, von der ein enormer Konformitätsdruck zum Mitmachen ausgeht: Qualitätsmanagement - was auch immer damit gemeint ist - ist 'in'. Wer nicht mitmacht oder Skepsis anmeldet, sieht sich der Lächerlichkeit preisgegeben." (Speck 1999, 21) Man habe, so Speck weiter, das Gefühl, an der Nase herumgeführt zu werden, denn was das Neue nun dem Menschen an Verbesserung bringe, wird nicht erklärt.
Wenn durch Qualitätssicherung als Grundlage von Leistungsbeschreibungen ein bewertender Vergleich zwischen verschiedenen Trägern ermöglicht werden soll, stellt sich in Folge die Frage, ob in Zukunft nur noch der billigste Anbieter ausgewählt wird und somit eine Unterschiedlichkeit in der Gestaltung sozialpädagogischer Tätigkeit nicht nur nicht erwünscht, sondern unmöglich gemacht werden soll. Ein Motiv dürfte darin liegen, dass die öffentliche Verwaltung durch die Einführung einer wirtschaftsmarktangepassten Struktur sich eine Kostensenkung1 aufgrund eines künstlich forcierten Wettbewerbs erhofft. Wenn man sich die gegenwärtige Ausdünnung der Leistungsvergabe ansieht, kurz formuliert also mehr Arbeit um weniger Geld, dann dürfte es auch um ein Ausloten der Möglichkeit von Rationalisierung gehen, frei nach dem Motto, wie viel Druck kann ausgeübt werden, bevor das Sozialsystem kollabiert.
Der Begriff Qualität bietet sich hier als Zauberformel an. Als eine aus der Wirtschaft gewohnte Messgröße wird sie mit darstellbaren Ergebnisziffern in Verbindung gebracht, mit deren Hilfe günstige Kosten-Nutzen-Verhältnisse hergestellt werden sollen. Die Darstellung dieser Messgrößen erfolgt in der Regel in Form quantitativer Werte, Differenzierungen in der jeweiligen besonderen Form der sozialpädagogischen Tätigkeit sind hier nur sehr schwierig einzuführen und die Vergabe von Gewichtungskriterien liegt außerhalb der Zuständigkeit von Fachexpertinnen.
Die Diskussion um Qualität vermittelt als Lösung eine einfache und ökonomisch rationale Kontrolle. Was dabei zwangsläufig außer Acht gelassen wird, ist der personale Aspekt erzieherischer Tätigkeit. Der Trend scheint aber auf eine Vision standardisierter Einheitspraxis von Sozialpädagogik und Sozialarbeit abzuzielen. Eine offene Frage bei der Forderung nach Qualitätssicherungssystemnachweisen ist also die erziehungswissenschaftliche Zielfrage. Liegt es in der Absicht öffentlicher Vergabestellen, dass alle Anbieter sozialer Arbeit nur mehr nach standardisierten wirtschaftlichen Normen verglichen werden können? Zählt bei der Bewertung von Anbietern im Sozialbereich nur mehr der Kostenfaktor, der nun gleichgesetzt wird mit Qualität?
Der Drang auf diese Diskussion aufzuspringen dürfte vorwiegend in der Legitimationsnot und dem scheinbaren Theoriedefizit der Sozialpädagogik zu sehen sein. Auch die Ertragsseite für die allen Ortes aufzeigenden Qualitätssicherungs-Beraterinnen im Sozialbereich dürfte nicht zu vernachlässigen sein. Zumindest schaffen sich eine erkleckliche Zahl an Diplompädagogen und Betriebswirten eine neue berufliche Perspektive in der Übersetzung und Formulierung der neuen Anforderungen als Berater und Herausgeber von Umsetzungsliteratur wie "Erfolgreich arbeiten mit QfS", wonach doch nur folgenden Leitsätzen zu entsprechen ist: "to do the right things" bezogen auf Fachlichkeit und "to do the things right" (Majewski/Seyband 2002, 39) bezogen auf Qualitätsmanagement. Aus der 'Output-Perspektive' gesehen, klingt dies ja verführerisch einfach. Das Anpassen an Best-Case-Szenarios entspricht jedoch einem Kurzschluss von Theorie und Praxis.
Die Qualitätsdebatte scheint vor allem zu einem vielseitig einsetzbaren Vehikel für die Professionalisierungsdebatte in der Sozialpädagogik/Sozialarbeit tauglich, weil die Sozialpädagoginnen neben höheren Qualifizierungsansprüchen einen höheren Professionalitätsgrad erreichen wollen (vgl. Thole/Cloos 2000, 561), woran sichtbar wird, "dass auf Seiten der Professionellen ein Bedarf an sinn- und sicherheitsstiftenden berufspraktischen Orientierungsmustern und Handlungsrezepten nicht zu leugnen ist und offenbar die bisherige, in Ausbildung und Berufspraxis vermittelte Handlungskompetenz nicht ausreicht, um eine verlässliche Orientierung im alltäglichen Arbeitsvollzug zu gewährleisten." (Köpp/Neumann 2003, 178) Es geht also um einen mehrfachen Gewährleistungsanspruch. Alle wollen vorher wissen, was nachher rauskommt und gleichzeitig eine Garantie, dass das, was zu erreichen ist, auch erreicht wird. Soweit so praktisch, bedauerlich ist nur, dass viele Vertreter der Erziehungswissenschaft diese Wünsche auch reflexartig und nicht reflexionsartig bedienen wollen2 . Das Eindringen technischer Verfahrensweisen unter dem Label 'Qualitätssicherung' ist demnach nicht nur als Oberflächenphänomen für eine Neuausrichtung der Organisationsstrukturen sozialer Einrichtungen zu fassen, es zielt auf die Substanz pädagogischer Akte. Zentrale Thematisierungen des Sozialpädagogischen lassen sich dort erkennen, wo nach dem Wesen, der Wirkung und der Darstellung sozialpädagogischer Tätigkeit gefragt wird. Diese für die Akteure und Akteurinnen sozialer Arbeit nicht leicht zu beantwortenden Fragen werden durch ökonomische Zwänge, also durch den Versuch, bei gleicher oder steigender Arbeitsbelastung die Finanzierung zu kürzen, erheblich verschärft und in betriebswirtschaftlich fassbare Richtungen geführt. Zentrale Bedeutung erlangt hier die jeweils erst zu erschließende Bedeutung des Begriffs Qualität: Dieser Begriff scheint zunächst selbstevident und daher in jeder Diskussion bedeutsam zu sein, ja er verspricht, eine gemeinsame Klammer für unterschiedlichste Perspektiven herzustellen und ist für unterschiedlichste Projektionen tauglich, wie sich an einer schier endlosen Publikationsflut zum Thema Qualität in der Sozialen Arbeit3 zeigt.
Inhaltlich wird uni sono eine Implementierung der betriebswirtschaftlichen Sichtweise gefordert und die Übersetzungsarbeit für die Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagoginnen als eigener Punkt gekennzeichnet. Die Gewinnung der Kriterien für die Bestimmung von Qualität könne einerseits normativ, in der Ableitung einschlägiger Gesetzesvorgaben erfolgen, andererseits empirisch, also auf statistisch erhebbaren Erfahrungswerten beruhend. Aus diesen Kriterien sollen dann Standards abgeleitet werden, die schließlich konkrete Verhaltensregeln folgern lassen. Hier wird bereits erkannt, dass die Ausformulierung von Verhaltensanleitungen nicht einfach ist. Meinhold expliziert dies am Beispiel psychosozialer Einrichtungen, wonach die Frage der Toleranz etwa des Drogenkonsums von abhängigen Jugendlichen von einzelnen Mitarbeiterinnen sowohl als Zeichen guter, als auch mangelnder Qualität professionellen Handelns gesehen werden könne (vgl. Meinhold 1996, 11). Als Vorschlag für eine praxistaugliche Umsetzung von Qualitätssicherungsrichtlinien wird angeführt, dass diese Verhaltensregeln von den MitarbeiterInnen sozialer Einrichtungen selbst auszuhandeln seien, damit die konstruierten Standards der geübten Handlungspraxis gerecht werden. Das 'Soll' hat sich also aus dem 'Ist' abzuleiten. Was in einem Fall dienlich gewesen ist, wird zur Vorgabe für alle weiteren Fälle, die dabei auftretenden Widersprüche sind von den PraktikerInnen selbst zu lösen.
Obwohl die Besonderheiten sozialpädagogischer Entscheidungen als je individuell zu gestaltende Interventionsformen hervorgehoben werden, diese sich also eindeutig gegenüber der stationären Pflege unterscheiden, wird bei der Qualitätssicherung besonders auf die bekannten Methoden der klinischen Praxis verwiesen. "Die Maßnahmen zur Qualitätssicherung (...) lassen sich unterscheiden in solche der 'internen' und in solche der 'externen Qualitätssicherung'. Für beide Formen liegen ausreichend Erfahrungen aus dem Pflegebereich vor, auf die zurückgegriffen werden kann." (Meinhold 1996, 12, Hervorhebungen im Orig.). Diese Orientierung an Sicherungsmaßnahmen wurde nicht zuletzt vom 'Lainz-Skandal' 1989 ausgelöst4 . Der Bezug zum Pflegebereich kommt nicht von ungefähr. Historisch gesehen entspringt ein großer professioneller sozialarbeiterischer und sozialpädagogischer Bereich - die heutige Jugendwohlfahrt oder Soziale Arbeit mit Familien - dem Gesundheitsbereich. Die Vorläuferinnen der Fürsorgerinnen hießen dementsprechend auch Pflegerinnen (vgl. Arlt 1921, Wolfgruber 1997) und die Bereiche Gesundheit und Soziales werden bis heute vielfach in einen Bereich zusammengefasst5 . Leitlinien für die Sozialpädagogik und Sozialarbeit kommen somit traditioneller Weise zunächst aus dem klinisch-pflegerischen Bereich.
Qualitätssichernde bzw. -weiterentwickelnde Maßnahmen in der Betreuung pflegebedürftiger Menschen werden zunehmend verpflichtend aus einer sogenannten §15a Vereinbarung6 zwischen dem Bund und den Ländern abgeleitet. Darin wird zwischen Bund und Ländern vereinbart, dass die Vorsorge für pflegebedürftige Personen bundesweit nach gleichen Zielsetzungen und Grundsätzen zu regeln ist. Dazu gehören: finanzielle Standards im Pflegegeld, die Erbringung von Sachleistungen durch die Länder entsprechend dem Leistungskatalog und den Qualitätskriterien für die ambulanten, teilstationären, z.B. Hauskrankenpflege, Tages- und Nachteinrichtungen und stationären Dienste, Pflegeheime, Altenheime, Seniorenwohngemeinschaften, sowie die Erstellung von Bedarfs- und Entwicklungsplänen durch die Länder innerhalb von drei Jahren, zur langfristigen Sicherung der genannten Mindeststandards. So haben die Länder fachlich qualifiziertes Personal und Hilfspersonal - jeweils entsprechend dem gebotenen Sorgfaltsmaßstab - in ausreichender Anzahl sicherzustellen. Die Rechtsträger haben ebengleich eine subsidiäre Sicherstellungspflicht betreffend der ärztlichen Versorgung mit möglichst freier Arztwahl (vgl. Allmer 2002). Dieser Zugriff auf die Qualitätsstandards und Tendenzen im Pflegebereich zeigt sich an vielen Orten der Sozialpädagogik. Auch der DBSH, der deutsche Berufsverband für SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen und Sonder- u. HeilpädagogInnen, greift in seiner Formulierung von Qualitätsstandards auf ursprünglich klinische Konzepte zurück. Die Strukturierung erfolgt hier nach den drei Bereichen Ergebnis, Struktur und Prozess und wurde von Avedis Donabedian, der amerikanischen Leitfigur für Qualitätssicherung im Pflege- und Spitalswesen, Anfang der 1980er in den USA eingeführt (vgl. Donabedian 1982). Sie ist für den klinischen Bereich konzipiert und hat sich auch in der deutschen Qualitätsdiskussion weitgehend durchgesetzt. Donabedians Konzept ist fester Bestandteil der Diskussionen zum Thema Qualität in der Sozialen Arbeit (vgl. u.a. Gerull 2000, 25ff).
In diesem Konzept wird unter 'Strukturqualität' der organisationsbezogene Rahmen sowie die Ausstattung beschrieben, also Personalsituation, Aus- und Weiterbildungsstand der MitarbeiterInnen, die Konzepte, nach denen gearbeitet wird und allgemein bauliche und technische Ausstattungen. Die 'Prozessqualität' bezieht sich auf die Bedingungen jener Aktivitäten, mit denen ein bestimmtes Ziel der Leistung erreicht werden soll, also etwa Zieltransparenz, Dienstplangestaltung, Teambesprechungen, Partizipation der KundInnen/KlientInnen, Interaktionsgestaltung. Schließlich wird bei der 'Ergebnisqualität' die Zielerreichung, die Wirkung der Maßnahme beachtet. Hier eröffnet sich eine weite Diskussion über die Kosten-Nutzen-Relation von sozialpädagogischen Maßnahmen. Methodische Probleme wie etwa die Messtechnik, die Form der Operationalisierbarkeit von pädagogischen Zielen in messbare Indikatoren beschäftigen sehr viele theoretische Erörterungen zu diesem Thema, wobei auch alte Streitpunkte in pädagogischer Sicht hervortreten. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang auf die Unterscheidung zwischen den Wirkungen von äußeren Einflüssen und intendierten pädagogischen Handlungsweisen, wie dauerhaft und einschätzbar pädagogische Interventionen ablesbar sein können, verwiesen. Während in klinischen Abläufen und industriellen Produktionslinien annähernd 'Laborbedingungen' hergestellt werden können, ist das Feld der Sozialpädagogik vor allem durch nicht kalkulierbare Faktoren gekennzeichnet wie Gruppenbeziehungen, Wirkungen der Beziehung von ErzieherInnen auf Jugendliche, Wechsel von Bezugspersonen, individuelle Entwicklungslinien, sozialpolitische Rahmenbedingungen usw.
Es wäre jedoch verfehlt, die Problematik der Qualitätssicherungsdiskussion darauf zu reduzieren, dass sie mit Verfahren aus der Industrie oder der Optimierung klinischer Handlungsabläufe produziert werden würde. Viel auffallender ist die Tatsache, dass die Qualitätsdebatte in weiten Strecken nicht theoretisch-systematisch geführt, sondern schon immer als Umsetzungsproblem diskutiert wird.
Kurze Geschichte der Qualitätssicherung
'Qualität'; scheint einen guten Klang zu haben. Gute Qualität wird als erstrebenswert konnotiert, keine Institution wird sich schlechte Qualität als Ziel der Arbeit setzen. Qualität ist somit ein wichtiges Thema in allen sozialen Bereichen und kaum mehr aus Weiterbildungsveranstaltungen im Sozialpädagogik-, Sozialarbeits- oder Pflege- und Gesundheitsbereich wegzudenken. Ihre Thematisierung stellt darüber hinaus einen fixen Bestandteil aller höheren Sozialausbildungen dar, insbesondere Ausbildungen für Führungskräfte sowie postgraduale Studien7 .
Interessant zu beobachten ist zunächst, dass in der Praxis die Einführung von Qualitätsstandards, die durch Qualitätsmanagementsysteme und -handbücher implementiert werden sollen, bereits vollzogen wird, ohne etwas Genaues darüber aussagen zu können, was der Begriff Qualität bezogen auf Sozialpädagogik tatsächlich meint. Was ist eigentlich Qualität? Ist sie die Beschaffenheit eines Produktes, beurteilt nach seinen zentralen Merkmalen? Sind es die wesentlichen Eigenschaften einer erwünschten Leistung? Wer bestimmt und beurteilt Qualität?
Qualität bedeutet soviel wie Beschaffenheit, Güte oder Eigenschaft - allgemein das Wesen einer Sache. Während sich im theoretischen Diskurs die Frage nach dem Wesen der Sozialpädagogik als metatheoretische Auseinandersetzung zur Legitimation allgemeiner Aussagen über Funktion und Aufgabe stellt, verbindet man mit Qualität alltagssprachlich Eigenschaften, die emotional mit persönlichen Werten wie Lebensqualität, Solidität und Gründlichkeit verbunden werden (vgl. Bakic 2006). Im praktisch wirtschaftlichen Sinn wird versucht, Messbarkeit mit dem Begriff Qualität zu erreichen. Dieser Versuch grenzt sich explizit gegen das Alltagsverständnis von Klasse, Güte, Hochwertigkeit ab und wird etwa nach dem österreichischen Normungsinstitut (ÖNORM), der internationalen Standardisierungsorganisation (ISO/DIS 8402:1991) bzw. nach der Deutschen Industrie Norm (DIN 55350) folgendermaßen definiert: "Qualität ist die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Tätigkeit, die sich auf deren Eignung zur Erfüllung gegebener Erfordernisse beziehen." (DIN 55350)
Als Produkt ist hier jede Art von Waren oder Rohstoffen, wie auch der Inhalt von Entwürfen, Plänen und Projekten zusammengefasst, während die Tätigkeiten verschiedenste Dienstleistungen und Prozesse bezeichnen. In weiterer Folge kommt es auch hier zu Reduktionen, so stellt sich beispielsweise die Qualitätsdefinition von Joseph Moses Juran als "Quality is fitness for use" (Juran 1992, 24) dar.
Die Aufgaben des Qualitätssicherungswesens umfassen im wirtschaftlich-industriellen Sinn mehr als die Endkontrolle von Produkten. Als Aufgabengebiet des betrieblichen Qualitätswesens nennt etwa Hans-Ulrich Frehr die folgenden Aktivitäten: Konzeption und ständige Aktualisierung des unternehmensweiten Qualitätssicherungssystems, Ermittlung und Einführung der 'Qualitätswerkzeuge', 'Know-how-Zentrum' für alle Qualitätsbelange, Aufstellung jährlicher Qualitätszielsetzungen, Definition von Messgrößen, Verbreitung der erzielten Verbesserungsergebnisse, Durchführung von Audits, Durchführung von Qualitäts-Schulungsprogrammen, Erstellen von Fehleranalysen und Repräsentation der Qualitätsfunktion nach außen (vgl. Frehr 1999, 41ff).
Dazu bedarf es verschiedener Maßnahmen bzgl. Transparenz und Information. Allen MitarbeiterInnen muss im Zuge einer unternehmensumfassenden Qualitätspolitik der Qualitätsgedanke und das Verständnis für die Notwendigkeit dieser Bemühungen nahe gebracht werden. Dies erfolgt in Seminarschulungen aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Schwerpunktsetzung je nach Tätigkeitsbereich, der Schulung der Qualitätszirkel-LeiterInnen, der Ausbildung von eigenen SystemdiagnostikerInnen, der Verbreitung von Druckschriften und Informationstafeln und Vortragsveranstaltungen zum Thema Qualität. Hinzu kommt, dass in diesen Konzepten die ständige interne und externe Kommunikation in einem System mit kontinuierlichen Verbesserungsanstrengungen als unerlässlich bezeichnet wird. Absprachen mit KundInnen und LieferantInnen über mögliche Verbesserungen sollen das gegenseitige Vertrauen stärken, interne 'Kunden-Lieferanten-Beziehungen' die Zusammenarbeit (vgl. Scharrer 1991).
Im Zuge der Einführung von Qualitätssicherungsverfahren werden auch Standards und Normen vorgegeben. Diese sollen sich primär an den Kunden orientieren, um deren Anforderungen zu genügen. Zu nennen sind hier insbesondere das Qualitätshandbuch, ständig aktualisierte Vorschriften zum operativen System (Liefer-, Produktions-, Mess-, und Eichvorschriften), die Codierung und etwaige nationale (ÖNORM, DIN) und internationale Standards (ISO).
In gleichmäßigen Abständen findet die Überprüfung sämtlicher Standards vor allem durch Audits statt. Ein Team des Qualitätswesens prüft hierbei eine Abteilung gemeinsam mit deren LeiterInnen und erstellt einen Bericht für die Qualitätslenkgruppe. In weiterer Folge sind auch Materialaudits beim Lieferanten möglich. Die Verwendung statistischer Verfahren in allen Bereichen des Qualitätswesens ergänzt seine Möglichkeiten um ein weiteres Instrument.
Die Erfüllung der Aufgaben des Qualitätswesens findet im Rahmen der vom jeweiligen Unternehmen verfolgten, so bezeichneten 'Qualitätsphilosophie' statt. In diesem Zusammenhang wurden im Laufe der Zeit verschiedene Konzepte zur systematischen Verfolgung der Qualitätsanstrengungen erdacht. Die Geschichte der betrieblichen Qualitätssicherungskonzepte nimmt ihren Anfang im Jahre 1962, als der erste - von den Amerikanern William Edwards Deming und Joseph Moses Juran propagierte - Qualitätszirkel in einem japanischen Unternehmen eingeführt wird (vgl. Deming 1986 und Juran 1995). Dabei beraten die Mitglieder einer Arbeitsgruppe regelmäßig und sehr detailliert über prozessbezogene (Qualitäts-) Verbesserungsmöglichkeiten für den Ablauf industrieller Fertigung. Leitgedanke ist aber auch die MitarbeiterInnenmotivation durch deren Einbeziehung in Planung und Entscheidung. Derartige Qualitätszirkel kommen in Europa erst sehr viel später zur Anwendung. So führt etwa Philips Eindhoven im Jahr 1984 erstmals Qualitätszirkel und -audits ein (vgl. Scharrer 1991). In Japan gibt es eine intensivere Weiterentwicklung der Maßnahmen im Qualitätssektor. Als Beispiele dienen TQC (Total Quality Control), CWQC (Company Wide Quality Control), SQC (Statistical Quality Control), TQM (Total Quality Management) und eine Reihe von Zertifizierungsverfahren durch externe Prüfinstanzen (vgl. Masing 1999).
Die zunächst größte Verbreitung findet das normierte Qualitätssicherungssystem nach ISO 9000ff (vgl. Quality Austria). Aufgabe dieses Qualitätssicherungssystems ist es, die mittelbare Produktqualität mit geeigneten Werkzeugen zu sichern und beurteilen zu können. Ein entscheidender Grund für die Einführung dieser Sicherungssysteme wird darin gesehen, dass die Abnehmer von Waren oder Leistungen, die sie empfangen wollen, den hohen Zeit- und Kostenaufwand für die Prüfung der Güte einsparen. Dazu wurde eine einheitliche Norm der Qualitätssicherung vereinbart, auf die sich Abnehmer grundsätzlich verlassen können sollen. Als Träger einer derartigen Qualitätsnorm soll aber auch der Hersteller im Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern sein.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kommt es vor allem im militärischen Bereich (NATO 1968), aber auch in anderen Gebieten wie beispielsweise der friedlichen Nutzung von Kernenergie, der Raumfahrt oder auch bei staatlichen Behörden, zur Einführung von Normen für Qualitätssicherungsmaßnahmen. Gerade hier wird Verlässlichkeit und gleich bleibende Qualität als unabdingbar gesehen. Anfang der 1980er Jahre wird für die inter- und multinational agierenden privatwirtschaftlichen und halbstaatlichen Konzerne die Überführung nationaler Normen als Maßstab für ihre Qualitätssicherung in eine international anerkannte Normierung zur Erleichterung des globalen Handelns nötig. Diese Aufgabe fällt nach der jahrzehntelangen Vorarbeit der 'European Organisation for Quality' nun der Internationalen Standard Organisation (ISO), dem weltweiten Dachverband der ca. 90 nationalen Normierungsbehörden zu. Mit der Einführung der Normenreihe ISO 9000-9004 auf nationaler Ebene (z.B.: EN/ÖNORM 29000-29004 für Österreich, DIN ISO 9000-9004 für Deutschland) wird schließlich die internationale Normierung von Qualitätssicherungssystemen in allen Industrienationen nationaler Standard. In der Europäischen Union werden die Normen der ISO im Jahr 1993 als EN 29000 - 29004 eingeführt.
Damit überprüft werden kann, ob die jeweilige Institution auch die richtigen Normen einhält, werden eigene Zertifizierungsbetriebe gegründet. In Österreich ist der größte Anbieter die Österreichische Vereinigung zur Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen (ÖQS), die seit März 2004 Mitglied der Quality Austria Trainings-, Zertifizierungs- und Begutachtungs- GmbH ist. Diese Vereinigung überprüft auf Antrag eines Unternehmens dessen Erfüllung der Forderungen der ISO 9000ff-Reihe bzw. neuerdings der ISO 9001:2000. Mit einem positiven Ergebnis der Überprüfung ist die Zertifizierung durch die ÖQS nach ISO 9000ff:2000 verbunden (vgl. Quality Austria).
Die ISO 9000ff:2000 definiert die Kundenzufriedenheit als Hauptkriterium für die Wirksamkeit eines Qualitätsmanagementsystems. Darüber hinaus soll die Normenreihe Mindestanforderungen für die Bewertung eines Qualitätsmanagementsystems und für die regelmäßige Dokumentation in Form eines Qualitätsmanagementhandbuchs geben. Mit Übernahme dieser ISO Norm verpflichtet man sich zur Festlegung von Qualitätszielen und einer eigenen Qualitätsplanung.
Als Grundsätze der neuen ISO-Norm werden von Quality Austria angegeben: Kundenorientierung und Führung, Einbeziehung der Menschen, die in einem Unternehmen tätig sind, prozessorientierter Ansatz, systemorientierter Managementansatz, kontinuierliche Verbesserung, sachbezogener Ansatz zur Entscheidungsfindung, Förderung der Lieferbeziehungen. Darüber hinaus beschäftigt sich die Norm mit den Grundlagen von Qualitätsmanagementsystemen und den Begriffen, Benennungen und Definitionen zum Qualitätsmanagement.
Qualität durch Qualitätssicherung?
Der Organisationszweck sozialpädagogischer Einrichtungen ist primär gekennzeichnet durch gemeinwesenorientierte Interventionsangebote, die nicht auf finanziellen Gewinn abzielen. Fast alle freien Trägerstrukturen sozialer Einrichtungen8 sind 'Non-Profit-Organisationen' (NPOs), auch wenn sie sich heute werbewirksam mitunter 'Social-Profit-Einrichtungen'9 nennen. Lange Zeit wurden Non-Profit-Organisationen betriebswirtschaftlich kaum betrachtet. Allmählich wird auch wirtschaftswissenschaftliche Beschäftigung mit der Kategorie Non-Profit-Organisation in verstärktem Maße betrieben, weil hier auch ein großer Markt an 'Humankapital' besteht. So beschreibt etwa Thomas Rauschenbach die Entwicklung des Berufsfeldes Soziales, Erziehung und Gesundheit in Westdeutschland (vgl. Rauschenbach 1999, 226f) als stetige Zunahme von ca. 3,5% der Beschäftigten 1950, 5% im Jahr 1970 bis zu über 13% im Jahr 1997. Dies entspricht einem Anteil von 3,9 Mio. Beschäftigten im ehemaligen Westdeutschland, was einer Steigerungsrate von mehr als dem 13fachen entspricht.
Der Nutzen von Qualitätssicherungs- und -managementsystemen wird bei der Einführung durch Vergleiche mit erwerbswirtschaftlichen 'For-Profit-Organisationen' dargestellt: So sollen mit Einführung von Qualitätssicherungssystemen Vergleiche der Qualitätskosten ermöglicht und damit eine Kostensenkung durch Effizienzsteigerung erzielt werden. Dadurch würden ganz allgemein Mittel rationeller verwendet. Ebenso wäre eine erhöhte Transparenz der Prozesse für alle MitarbeiterInnen und Externen gegeben, was wiederum zu steigender Kooperationsbereitschaft und Motivation führen sowie Qualitätsmängel verhüten soll. Als Innovationselement sei damit ein laufendes Erkennen von Verbesserungspotentialen ermöglicht. Für einen neu entstehenden sozialen Markt bringe dies der Institution darüber hinaus Vorteile im Wettbewerb, garantiere den 'Kunden' eine gleichbleibende Qualität der Leistung und schaffe internationale Anerkennung.
Die heimischen Wirtschaftsforscher Christian Matul und Dieter Scharitzer, die maßgeblich an der Konzeptentwicklung und Erforschung von Leistungssteigerung im NPO-Sektor bzw. in der Implementierung von Qualitätsmanagement in NPOs beteiligt sind, sehen diese Entwicklung der NPOs hin zu Wettbewerbsorientierung im Spiegel der Marktwirtschaft von zwei Faktoren gekennzeichnet: "Die Herausforderung ist einerseits kundenseitig zu sehen. Durch vermehrte Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Anbietern werden Kunden anspruchsvoller, mobiler und kritischer und stellen dadurch höhere Anforderungen an die Leistungen einer NPO. Andererseits verschärft sich der Wettbewerb beschaffungsseitig, wenn die Vergabe knapper Ressourcen (Förderungen, Spenden, Kostenübernahmen, Subventionen etc.) unter zunehmendem Leistungsdruck erfolgt." (Matul/Scharitzer 1997, 387)
Neben diesen beiden Faktoren bei der Wettbewerbsorientierung sozialpädagogischer Einrichtungen zeitigt die Einführung eines Qualitätssicherungssystems noch andere bedeutsame Folgewirkungen: Durch die notwendige Einhaltung aller zertifizierten Prozesspunkte und deren permanenter Dokumentation kommt es zu einer erheblichen Bürokratisierung von Abläufen. Vieles, was zuvor informell zwischen Sozialpädagoginnen kommuniziert wurde, muss nun schematisch festgeschrieben werden. Es kommt somit auch zu einer Verlagerung der Arbeitsleistung. Unmittelbares pädagogisches Handeln wird gekürzt, die Dokumentationsleistung, die über das Handeln Auskunft geben soll, wird erweitert. Darüber hinaus bindet der Zeitaufwand in der Beschäftigung mit bzw. Entwicklung und Modifizierung von Qualitätssicherungsinstrumenten ein hohes Maß an Arbeitskraft innerhalb der Einrichtung. Die Kosten für die Zertifizierung von Qualitätssicherung sowie die laufende Adaption an immer neu kreierte Standards ist beträchtlich und von kleineren Organisationen kaum leistbar. Auch die anfängliche übertriebene 'Gläubigkeit' an das Zertifikat als Qualitätsmaßstab beginnt sich aufzulösen und selbst in der Industrie werden vermehrt skeptische Stimmen vernommen (vgl. Sprenger 1995). Auf der organisatorischen Ebene kann als erstes Fazit festgehalten werden, dass die Zertifizierungswelle zumindest ein gutes Geschäft für die Zertifizierungsbetriebe darstellt.
Positive und negative Effekte der Einführung von Qualitätssicherungssystemen in Wirtschaft und Industrie dürften überdies keine gültigen Voraussagen für die Wirkung von Qualitätssicherungsverfahren in sozialpädagogischen Einrichtungen zulassen. Dies lässt sich damit erklären, dass die zuvor in Aussicht gestellten Stärken eines genormten Qualitätssicherungssystems für erwerbswirtschaftliche Unternehmen definiert worden sind. Es ist deshalb zusätzlich die Frage zu stellen, ob diese Überlegungen überhaupt auf den Sozialpädagogischen Bereich übertragen werden können. Im Punkt Kostensenkung durch effizientere Mittelverwendung zeigt sich bereits ein großer Unterschied in der Art der Mittel: Die Mittelverwendung, also der Umgang mit liquiden Mitteln, ist in gewinnorientierten Unternehmen hinsichtlich der angestrebten Geringhaltung der Kosten von höchster Priorität. Dieser Faktor ist bei den NPOs, deren oberstes Ziel in der optimalen Bedarfserfüllung gesehen wird, deutlich anders gewichtet. Hier geht es zunächst nicht um die geringst mögliche Beratung, Betreuung, Unterstützung etc. Als prioritäres Ziel kommt dies erst in den Blickpunkt, wenn potentielle Fördergeber die Fördermittel so gering wie möglich halten wollen und damit die Existenz der Institution auf die Probe stellen. Mittelverwendung als Umgang mit anderen Produktionsfaktoren, z. B. Arbeitskraft und Betriebsmittel, spielt vor allem im Hinblick auf die maßgebliche (auch oft freiwillige) menschliche Betätigung in den NPOs wiederum eine größere Rolle als anderswo. Eine penible Kostenkalkulation und permanente Dokumentation von Abläufen beeinträchtigt oder verunmöglicht gar diesen ideellen Faktor. Darüber hinaus werden diese Mittel auch gerne einberechnet, sodass es zu Kostenerstattungskürzungen kommt, wenn Eigenmittel eingebracht werden. Dies erschwert wiederum eine kontinuierliche Planung massiv, da keine Sicherstellung etwa bei ehrenamtlicher Arbeit für eine längere Periode gegeben werden kann und der durch Engagement erzielte Mehrwert sofort durch Kürzung im professionellen Bereich entwertet wird. Das führt die pädagogische Arbeit jedoch ad absurdum. Wenn etwa in einem Ausbildungsprojekt, einem Beschäftigungsprojekt oder einer sozialpädagogisch betreuten Werkstätte ein interessanter und ertragreicher Auftrag mit Erfolg durchgeführt werden kann, dann bedeutet dies in der Folge, dass das laufende Budget um den gewonnenen Betrag gekürzt und hinkünftig ein Eigenmittelertrag in dieser Höhe budgetär im vorhinein zum Abzug kommt. Keine soziale Einrichtung kann aber den wirtschaftlichen Erfolg in dieser Weise im Voraus planen und die pädagogische Betreuungsarbeit leidet mehrfach darunter. Nicht nur, weil die Motivation der SozialpädagogInnen dadurch gebremst wird, neue Außenkontakte herzustellen, sondern vor allem auch aufgrund der veränderten Zielsetzungen in der Klientenauswahl und Begleitung. Ein fix vorgeschriebenes Maß an Eigenertrag erzeugt einen marktwirtschaftlichen Realitätsdruck auf die Arbeit in den Einrichtungen und drängt die pädagogische Übungssituation in den Hintergrund: Scheitern darf nicht sein, Fehler dürfen nicht vorkommen, weil damit die Existenz der Institution gefährdet wird10 .
Eine weitere zentrale Aufgabe des Qualitätssicherungssystems, das Verhüten von Fehlern durch ständige Verbesserungsbemühungen, ist gerade für soziale Einrichtungen in ihrer reflexiven Prozessbetrachtung zum einen bereits oftmals Bestandteil professionellen Arbeitens - etwa Supervision, kontinuierliche Teambesprechungen - und bräuchte zum anderen für das standardisierte Verhüten von Fehlern ein konkretes Wissen über die Planbarkeit z.B. erzieherischer Vorgänge, die ihrem Wesen nach jedoch nicht auf eine rezepthafte Wenn-Dann-Logik reduzierbar sind. Während erwerbswirtschaftliche Unternehmen mit ihrer Geschäftstätigkeit dem freien Wettbewerb am Markt unterliegen, gibt es für die Leistungen von NPOs, insbesondere sozialpädagogische Einrichtungen, in den meisten Fällen einen bereits vordefinierten Bedarfs-Markt.
Darüber hinaus ist die Herstellung von Konkurrenzverhältnissen zu anderen NPOs ein fraglicher Vorgang. Je nach Leistungsgebiet und Konkurrenzsituation kann ein Qualitätssicherungssystem, etwa bei Vergaben durch die öffentliche Hand, bestimmte Wettbewerbsvorteile bringen, jedoch widerspricht dies dem gemeinsamen Ansinnen sozialer Institutionen, für eine solidarische Gesellschaftsidee einzutreten und unterbindet das für die Professionalisierung so wichtige über die Grenzen des betrieblichen Spielraumes gehende ExpertInnentum, das auch darin begründet ist, dass SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen über ihre institutionellen Grenzen hinweg in fachlichen Austausch treten, ein Vorgang, der im privatwirtschaftlichen Bereich meist dem 'Spionageverdacht' unterliegen dürfte. Somit wird an den Merkmalen von sozialen Einrichtungen deutlich, dass im Vergleich mit den erwerbswirtschaftlichen Unternehmen erhebliche Strukturunterschiede vorliegen, die eine Übertragbarkeit von Systemen unterschiedlicher Denklogiken nicht direkt zulässt.
Pädagogische Aspekte außer Acht lassend geht der Trend in der Förder- und der Trägerlandschaft sozialpädagogischer Einrichtungen jedoch mehr und mehr in Richtung zertifizierte Sicherungsmaßnahmen unter Bezugnahme auf etablierte Qualitätsmanagementverfahren. Während Ausbildungseinrichtungen bzw. Tagesstätten mit Werkstättencharakter sich Normen industrieller Verfahren wie etwa DIN ISO11 aneignen, setzen Einrichtungen der Betreuung wie etwa Kindergärten, Privatschulen, Lernbetreuungsinstitute auf die Einführung sogenannter Gütesiegel12 . Karl Frey, der mit seiner Frey Akademie von Zürich ausgehend laufend Vorschläge für Qualitätskonzepte im Bildungsbereich im deutschsprachigen Raum entwickelt, empfiehlt, auf Einladung des deutschen Bundesministeriums für Familie und Jugend, für außerschulische Jugendeinrichtungen: "Sie sollten sich für ein System entscheiden. Es empfiehlt sich nicht, selber etwas zu entwerfen. Hinter den vorhandenen Systemen stehen viele Jahre Entwicklungsarbeit mit vielen Millionen an Investitionen. Von Vereinigungen oder einzelnen Institutionen entwickelte Verfahren erreichen in aller Regel nicht das Niveau des vorhandenen internationalen Angebotes." (Frey 1997, 31) Explizit werden die Einrichtungsträger also darauf hingewiesen, dass sie sich der Sicherungsverfahren der Wirtschaft bedienen sollen und nachdem es ja auch um die Platzierung eigener Angebote geht, wird besonders engagierten und leistungs- sowie kommunikationsorientierten Betrieben das von der Frey-Akademie selbst entwickelte 2Q empfohlen, um die Qualität und Effizienz noch weiter zu steigern. Das Konzept 2Q verspricht überdies die Arbeitsleistung und Produktivität von Individuen und kleinen Gruppen zu erhöhen und alle Personen des Betriebes beruflich und persönlich weiterzubringen (vgl. Frey 1997, 33). Diese vermeintliche Notwendigkeit führt zu einer Verlagerung in der konzeptiven pädagogischen Arbeit: Nicht die Reflexion pädagogischen Handelns steht im Vordergrund, sondern das Entwickeln verkaufbarer Rezepte.
Soziale Einrichtungen, die diesen Anforderungen entsprechen wollen und aufgrund neuer Förderkriterien auch müssen13 , sind demnach gefordert ihre Qualitätssicherung auszuweisen. Zur Erlangung eines Zertifikates müssen verschiedene Arbeitsschritte eingehalten werden (vgl. Österreichisches Normungsinstitut 1993, 13ff). In einer ersten Phase kommt es zu einem informativen Vorgespräch und der Antragsstellung zum Zertifikat. Danach erfolgt eine, bezogen auf den österreichischen Kontext, Beurteilung durch die Österreichische Vereinigung für Qualitätssicherung (ÖVQ), die den Rahmen zur Erlangung vorgibt. Als erster operativer Schritt wird ein Fragenkatalog zur Selbstbeurteilung ausgearbeitet, der abermals extern durch die ÖVQ beurteilt wird. Im Anschluss erarbeitet der Betrieb ein Qualitätssicherungs-Handbuch und die konkreten Verfahrensanweisungen, die dazu nötig sind. Auch das wird einer Beurteilung durch die ÖVQ unterzogen. Das 'Herzstück' bildet das Zertifizierungsaudit im Unternehmen, das wiederum einer Beurteilung durch den ÖVQ standhalten muss. Wenn die Bedingungen zur Zertifizierungserteilung erfüllt sind, dann wird ein ÖQS Zertifikat ausgestellt, und die Institution wird mit Prüfzeichen und Eintragung in den Zertifizierungskatalog ausgewiesen. Im weiteren Ablauf wird ein jährliches Überwachungsaudit und nach 3 Jahren, vor Ablauf der Gültigkeit, ein Erneuerungsaudit durchgeführt. Zusätzlich unterliegen auch die Formen der Audits und die Bestimmung der Zertifikate einem regelmäßigen Wandel. So sind alle Einrichtungen, die in den 1990ern eine Zertifizierung erlangt haben, mit Beginn 2000 einem neuen Modell unterworfen, das einer Neuzertifizierung entspricht.
Das Hauptstück der Zertifizierung ist die Erarbeitung des Handbuches. Wenn das Qualitätsmanagementverfahren und die Konzepte zu ihrer Umsetzung von der Unternehmensleitung beschlossen sind, der Qualitätsbeauftragte feststeht und eine Zertifizierungsgesellschaft ausgewählt wird, kommt es zur Erstellung des Qualitätssicherungshandbuches. Dieses soll den Besonderheiten der jeweiligen Organisation Rechnung tragen. Es ist obligatorisch aus folgenden Bestandteilen zusammengesetzt: "Aussagen zum Geltungsbereich (Unternehmensbereich, Produktbereich); Aussagen zur Qualitätspolitik des Unternehmens; Die Aufbauorganisation und Kompetenzen der leitenden Mitarbeiter, welche die Qualität beeinflussen können; Die grundsätzlichen organisatorischen Prozesse; Das Überprüfungssystem über die Wirksamkeit der Qualitätssicherung." (ÖVQ 1991, 13f)
Das im Zuge der Zertifizierung von der Einrichtung selbst erstellte Handbuch soll nach der ÖVQ nicht nur für den internen Gebrauch im Qualitätswesen als Nachschlagewerk oder Schulungsunterlage der Organisation gedacht sein. Es soll auch einem externen Personenkreis, z.B.: Kunden, Spendern, Förderern zugänglich sein und sich deshalb auch inhaltlich an diese richten. Beschreibungen von technischen Prozessen und Detailinformationen sollen unter dieser Bedingung keinen Platz im Handbuch haben. Diese werden in den Verfahrensanweisungen dargelegt, die selbst in genaue Arbeitsanweisungen untergliedert sind.
Dass diese Handbücher mitunter gar nicht mehr so handlich sind, zeigen erste Praxisbeispiele aus größeren Einrichtungen14 , die es vermutlich aus mehreren Gründen erschweren, die solcherart entwickelten Grundsätze zu verwirklichen: Haben die MitarbeiterInnen der Einrichtung ausreichend Zeit, diese Handbücher zu lesen? Wer merkt sich das eventuell Gelesene? Was ist zu tun, wenn die Realität der Arbeitsanforderungen mit der Handbuchanweisung nicht übereinstimmen kann? Wenn sich überhaupt - wieder einmal - herausstellt, dass die Pädagogik für konkrete Situationen nicht in der Lage ist, immerwährende Handlungsanleitungen zu geben?
Für die sozialpädagogischen PraktikerInnen haben diese Handbücher zunächst jedoch vordergründig einige Vorteile. Es gibt, zumindest rudimentär, verschriftlichte Leitlinien des Handelns, die bei Unsicherheiten im Vollzug bzw. bei der Einschulung neuer MitarbeiterInnen hilfreiche Erstauskunft sein können. Gleichzeitig erschweren sie den Arbeitsalltag mehrfach. Eine genaue Befolgung aller Anweisungen eines detailreichen Handbuchs ist vergleichbar dem bemühten Lesen eines fremdsprachigen Buches mit Wörterbuchhilfe - der Handlungsfluss wird laufend unterbrochen. In vielen sozialen Einrichtungen dürfte sich auch ein 'pragmatischer' Umgang mit diesen neuen Richtlinien durchsetzen. Die Handbücher gibt es zwar, aber sie werden erst dann hervorgeholt, wenn in Abschlussberichten die richtige Formulierung eingesetzt werden muss. Ein modernes, an Qualitätspapieren ausgerichtetes Berichtswesen nötigt wohl permanent zum Fabulieren. Die geforderten Qualitätssicherungsinstrumente aber völlig zu ignorieren, kann sich keine SozialpädagogIn erlauben, weil es kaum mehr Einrichtungen gibt, die nicht über ein ausgefeiltes Qualitätsmanagementsystem verfügen. Das Mittel des Handbuches als Strukturierung für sozialpädagogische Arbeit dürfte in den meisten Fällen als Belastung erlebt werden. Otto Speck führt in diesem Zusammenhang die Pointe dieser Entwicklung aus, indem er auf die Gefahr der Vorgabe von Standards hinweist: Standards treffen das fachlich Wesentliche kaum, sie schränken jedoch die Handlungsspielräume der PraktikerInnen so sehr ein, dass es eher zu niedrigeren Qualitätsniveaus führt (vgl. Speck 1999, 164f).
Die Kritik an der ISO-Zertifizierungswelle (vgl. u.a. Crosby 1996, Sprenger 2004, Wächter 2001) zeigt, wie bereits erwähnt, auch im wirtschaftlichen Bereich einige Probleme auf. Da die Durchführung an die Kriterien der Internationalen Standard Organisation und ihre einheitliche Normenreihe für betriebliche Qualitätssicherungssysteme gebunden ist, ist deren strikte Einhaltung finanziell und personell sehr aufwändig, da regelmäßig überprüft und nachzertifiziert werden muss. Zudem sagt das Zertifikat nichts über die tatsächliche Arbeit der Einrichtung aus, es bestätigt lediglich, dass alle Punkte zur Erreichung bzw. Erhaltung des Zertifikates den Vorschriften entsprechend eingehalten werden. Das Anspruchsniveau von ISO 9000ff sei darüber hinaus eher trivial, da lediglich 'Banalitäten des täglichen Ablaufs', die in modernen Betrieben zum geregelten institutionalisierten Betriebsablauf gehörten, dort festzuschreiben seien (vgl. Sprenger 2004). Die der ISO 9000ff-Reihe nachgesagten Vorteile einer Kostensenkung durch Effizienzsteigerung und der Erhöhung der Flexibilität seien bereits widerlegt. Die auf Wettbewerbsvorteile abzielende Zertifizierungssuche widerlegt sich auch spätestens dann, wenn die meisten Einrichtungen ein Zertifikat nachweisen können. Neben diesem 'Tribüneneffekt'15 sind Sicherungsverfahren der ersten Zertifizierungswelle vor allem an der Fehlersuche ausgerichtet, führen zu einer ständigen Kontrolle der MitarbeiterInnen und orientieren sich letztlich am Modell einer 'Bad Practice', die es schafft, zunehmend Fehler als das Eigentliche der Arbeit zu thematisieren (vgl. Guaspari 2000, 47f). Das bereitwillige Aufnehmen der ISO-Normen als vermeintlicher Wettbewerbsvorteil zeigt also seine Begrenzung in der standardisierten Umsetzung und der einseitigen Ausrichtung. Dessen ungeachtet führt deren Propagierung zu einer 'nachhaltigen' Umsetzung der Zertifizierungsverfahren in Sozial- und Bildungseinrichtungen. Verstärkt wird dieser Effekt durch das Aufspringen der Finanziers auf diesen Zug, da diese in der Führungsebene die selben Fortbildungsveranstaltungen wie die leitenden Personen der sozialpädagogischen Einrichtungen bzw. der bundes- und landesspezifischen Sozialverwaltungsabteilungen besuchen.
Da die ISO-Zertifizierung aber vor allem auf Herstellungsprozesse abzielt, kommt es zu einer generellen Kritik aus der Dienstleistungsperspektive. Im Sozialbereich ist die Skepsis noch einmal spezifischer, da die Identifizierung der Sozialen Arbeit als Dienstleistung noch nicht lückenlos erfolgt zu sein scheint. Demzufolge wurden parallel weitere Strukturen des Qualitätsmanagements erarbeitet. Unter dem Schlagwort Total Quality Management (TQM) werden neue den ganzen betrieblichen Ablauf umfassende Sicherungskonzepte eingeführt. Auf europäischer Ebene kommt es 1988 zur Gründung der European Foundation for Quality Management (EFQM), die eine Initiative von 14 großen europäischen Unternehmen darstellt16 . In diesem Qualitätsmodell versucht man den Weg eines 'Modells der Exzellenz' zu gehen, das außerordentliche Ergebnisse im Hinblick auf Leistung, Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft durch eine Führung erzielen möchte, die die 'EFQM-Politik' und '-Strategie' mit Hilfe der Mitarbeiter, Partnerschaften und Ressourcen sowie der Prozesse umsetze (vgl. etwa www.deming.de).
Dieser marktkonforme Perspektivenwechsel als Abkehr von traditioneller Bedarfsplanung ist wohl ganz im Sinne der internationalen Normierungsexperten wie dem Direktor für Regulierungsangelegenheiten bei der Europäischen Kommission: "Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit ist das wichtigste Ziel der Europäischen Gemeinschaft, und Normen tragen wesentlich zum Abbau von Regeln und Vorschriften bei. Die Kommission möchte möglichst eng mit dem Europäischen Normungssystem zusammenarbeiten. ... Normung ist der einzige Weg zur Selbstregulierung". (Deutsches Institut für Normierung 2005) Diese Auffassung ist gezeichnet von inneren Widersprüchen und hat nicht weniger zum Ziel als die Gleichschaltung von institutionalisierten Handlungsformen an sich.
Auszüge der erziehungswissenschaftlichen Debatte
Die Qualitätssicherungsdebatte scheint mitunter Ausdruck jener Mode zu sein, wonach Pädagogik nur 'nützliches Wissen' zu bedienen habe17 , Wissen, das zumindest den teildisziplinären Sozialpädagogikdiskurs nach außen anschlussfähig machen soll. Christina Köpp und Sascha Neumann schätzen in ihrer Abhandlung über Sozialpädagogische Qualität den derzeitigen Diskussionsstand dementsprechend ein: "Das Konstrukt 'Qualität' besteht bislang nicht als theoretische Kategorie, sondern repräsentiert augenblicklich nur eine Diskurssemantik, die den Begriff zugleich mit verschiedenen Verfahren identifiziert, welche zum genuinen Reflexionsbestand und Methodenrepertoire der Erziehungswissenschaft keinen Zusammenhang aufweisen." (Köpp/Neumann 2003, 19) Daraus ziehen sie den Schluss, dass Sozialpädagogik auf eigenem Terrain in die Defensive gerät, weil über die Verwendbarkeit des Qualitätsdiskurses noch nicht unter Bezugnahme auf erziehungswissenschaftliche Theorie entschieden wurde.
Köpp und Neumann treten nun an, "sowohl die einseitige Kritik, als auch die unreflektierte Affirmation, die augenblicklich die Debatte (noch) dominieren, in einer deskriptiv-analytischen, mithin erziehungswissenschaftlich fundierten Perspektive aufgehen zu lassen" (Köpp/Neumann 2003, 19). Mit diesem Versuch, die Qualitätsdebatte pädagogisch zu rekonstruieren und theoretisch zu konsolidieren, bedienen sie aber eben diese Diskurssemantik, weil sie hier einen aktiven Beitrag für eine praktische Ausformung versuchen. Ihr Analysefazit ist dementsprechend ein modelltheoretischer Entwurf sozialpädagogischer Qualität (vgl. Köpp/Neumann 2003, 151ff). Dies ist insofern erstaunlich, als sie mit Gaby Flösser (vgl. Flösser 2001, 1462 ff bzw. Köpp/Neumann 2003, 151) zwei notwendige Bedingungen für den erweiterten Rahmen der Problemorientierung anführen. Ein sozialpädagogisches Qualitätsmodell müsse zu allererst "das Kontrollbedürfnis des Staates unter Wettbewerbsbedingungen" befrieden und helfen, "die Güte der Dienstleistungsproduktion intern zu steigern" (Flösser 2001, 1463). Unterläuft hier ein Widerspruch in der eigenen Strategie?
Diese Handlungszwänge werden zu Normen hochstilisiert und zielen auf passgenaue sozialpädagogische Angebote ab, die nach Effektivitätskriterien optimiert werden sollen. Damit wird aber die zuvor über weite Strecken nachvollziehbare Analyse Köpp/Neumanns von ihnen selbst aus erziehungswissenschaftlicher Sicht unterlaufen, der Wettbewerbsgedanke und Dienstleistungscharakter für die Praxis festgeschrieben und die theoretische Hinwendung - da Sozialpädagogik schon immer auf ihre Realitätsperspektive verwiesen sei (vgl. Köpp/Neumann 2003, 20) - geht verloren.
Bei der Bestimmung, wie nun Qualität in sozialpädagogischen Feldern funktioniere, gehen Köpp/Neumann von einem "performativen Qualitätsbegriff" aus, mit dem sie versuchen, "die jeweiligen Logiken pädagogischen 'Tuns' , also die Praktiken in sozialpädagogischen Feldern, mit dem anwendungsbezogenen Qualitätsdenken zu verschneiden" (Köpp/Neumann 2003, 152). Köpp und Neumann greifen also die aus der Qualitätsdebatte entspringenden Imperative auf und machen aus der Not eine Tugend. Die Normativität ergibt sich nicht aus einem pädagogischen Erkenntnisgang, sie schöpft aus von außen stammenden Steuerungsvorgaben. Der Gestaltungsraum wird somit eingeschränkt, wie die vorgeblich natürlichen Gesetzmäßigkeiten eines neuen 'sozialpädagogischen Marktes' es verlangen. Als ein Erfordernis des ökonomischen Wandels ergeben sich scheinbar klare Spielregeln. Bildungs- und Sozialeinrichtungen müssen sich demnach an dem orientieren, was 'der Markt' erfordert. Köpp/Neumann umschreiben dies in ihrem Ansinnen, dass es in erster Linie darum gehe, Qualität nachweisbar zu generieren, um den veränderten Erwartungen der Gesellschaft an die Praxis der Sozialpädagogik gerecht zu werden. Indem aber ein Markt- und Wettbewerbsmodell als allumfassende Therapie für die Lösung gesellschaftspolitischer Probleme hingenommen wird, ist, mit Ulrich Bröckling gesprochen, die dazugehörige Diagnose bereits mitgeliefert (vgl. Bröckling 2000, 133). Diese erziehungswissenschaftliche Quintessenz eines sozialpädagogischen Modells, wie es Köpp/Neumann vorlegen, bedient die Logik der neoliberalen Gouvernementalität, wonach die Institution selbst schuld sei, wenn es Schwierigkeiten gibt, weil sie noch nicht marktförmig genug ist. Handlungsbedarf scheint in jedem Fall gegeben zu sein. Umgesetzt auf Sozialpädagogik heißt dies, dass die Rezepte zum effizienten, wettbewerbsorientierten Handeln erarbeitet und umgesetzt werden müssen. Es interessiert nicht mehr die Sache, nämlich die gegenständliche Bestimmung der Aufgabe der Sozialpädagogik. Sozialpädagogik als wissenschaftliche Disziplin verspielt hier ihren Anteil an einem kritischen Blick, in der Tradition einer Pädagogik der Aufklärung.
Die Zeit sozialidealistischer Entwürfe als normative Orientierung für die Sozialpädagogik scheint mit dieser Unterwerfung unter Markterfordernisse nun auch vorbei zu sein. Wie an anderer Stelle bereits aufgezeigt werden konnte (vgl. Bakic 2005, 264), erkennt man im Inselsystem der Bildungsinstitutionen wie der Institutionen für das Soziale das - von Lyotard skizzierte - "terroristische" System gelehrter und ungelehrter Institutionen (Lyotard 1993). Sie sind von der Absicht geleitet, jenen 'Spielzügen' den Mindestkonsens zu verweigern, die die Spielregeln veränderlich erscheinen lassen würden. Die Daumenschrauben sollen jeden 'Spieler' veranlassen zu schweigen, "nicht weil er widerlegt wurde, sondern weil er bedroht wurde, des Spielens beraubt zu werden" (ebd., 184). Lyotard formuliert dieses Ansinnen der Entscheidungsträger so: "Gleichen Sie ihre Bestrebungen unseren Zielen an, sonst ..." (ebd., 184), und verweist nicht zufällig auf George Orwell, der in "1984" den Bürokraten O`Brien sagen lässt: "Wir geben uns nicht zufrieden mit negativem Gehorsam, auch nicht mit der kriecherischsten Unterwerfung. Wenn Sie sich uns am Schluss beugen, so muss es freiwillig geschehen." (Orwell 1976, 234). Es geht nicht darum, dass sozialpädagogische Qualitätsbemühungen die Sache an sich klären sollen. Qualität ist vielmehr als Spielzug aufzufassen, den Sozialpädagogik mitzuspielen hat, weil sie sonst Gefahr läuft, vom 'Markt' zu verschwinden. Es ist - so gesehen - fast bedauerlich, dass die gegenwärtig amtierenden Bürokraten wohl nicht den Scharfsinn eines O'Brien aufweisen. Die Ernsthaftigkeit, mit der die Qualitätsdiskussion geführt wird, vermittelt eher den Eindruck, als dass die Apologeten der Qualitätssicherung die neuen Verfahren nicht als Unterwerfungsakt sehen, sondern als Beglückung für alle Beteiligten.
Dem sozialpädagogischen Qualitätsmodell von Christina Köpp und Sascha Neumann kann durchaus zu Gute gehalten werden, dass es davon ausgeht, dass pädagogisches Handeln nicht kategorial ausgewiesen werden kann und sich damit "die Qualitätsfrage aus der Perspektive der professionell Handelnden überhaupt nicht als ein sozialpädagogisches Problem bzw. Handlungsproblem, sondern lediglich als Legitimationsproblem" (Köpp/Neumann 2003, 158) darstellt. Es gehe vielmehr um ein Qualitätssicherungsmanagement, das eine Steigerung der "Rechtfertigungstauglichkeit" (sic!) von Begründungen für pädagogisch bezeichnetes Handeln bewirkt. Pragmatisch stellen sie weiter fest: "Argumentationen, die auf die Priorität allein fachlich bestimmter Qualität pochen (...) setzen sich der Gefahr aus, den disparaten Erwartungen von 'stakeholdern' nicht in hinreichendem Maße gerecht zu werden." (Köpp/Neumann 2003, 158). Angesichts dieses pragmatischen Zugangs wird das sozialpädagogische 'Qualitätsdenken' bei Köpp und Neumann als Verfahrenslogik pädagogischen Handelns umgewendet. Es gehe darum, qualitätsrelevante Praktiken sozialpädagogischer Praxis zu explizieren, um ihnen, mit Verweis auf die Luhmann'sche Systemtheorie, durch ihr faktisches Sein Legitimation zu verleihen (vgl. ebd. 2003, 155). Somit sollen die Akteure der 'hochkomplexen und pluralisierten Gesellschaften' einen Rest an Institutionsglauben retten können. Köpp und Neumann argumentieren, dass die sozialpädagogischen Institutionen sich gegen diesen Trend nicht wehren können, da er sie bereits eingeholt habe. Um nicht in der Orientierungslosigkeit aufgrund fehlender Ziele, mangelnder fachlich entsprungener Werte unterzugehen, bräuchte es eine neue Einsicht und zwar, "...dass der Rückgriff auf die Logik der Legitimation durch Verfahren im Namen des Qualitätsmanagements notwendig ist, um den abstrakten Glauben an die Legitimität dieser Ordnung aufrecht erhalten zu können." (ebd., 155). Das Bedienen abstrakter Erwartungsbilder führt also zu einer bereitwilligen Übernahme aktuellen reformbewegten 'Neusprechs', um noch einmal die Orwell'sche Diktion zu bemühen.
In dem Maße aber, in dem sozialpädagogisches Qualitätsmanagement hier orientiert an einem Konditionalprogramm eingeführt wird, und Sprachspiele im Sinne der Generierung von Erziehungsbedeutsamkeit als metaprozessuale kommunikative Aushandlungsverfahren legitimiert werden sollen, verspielt dieses Konzept seine auf fundierte erziehungswissenschaftliche Basis abzielende Bedeutung. Die Einschätzung: "Qualitätsmanagement im Horizont der pädagogischen Aufmerksamkeit wird zu einer Technologieersatztechnologie" (Köpp/Neumann 2003, 165) erinnert zwar amüsanter Weise an Odo Marquards "Inkompetenzkompensationskompetenz" (Marquard 1991, 23ff), dient letztlich aber wohl nur der Einführung einer neuen Kommunikationsbasis in einem unübersichtlichen Feld mit sehr unterschiedlichen Akteuren, um andockfähig an den derzeitigen Mainstream-Diskurs zu sein. Der Qualitätssicherungsdiskussion wird eine 'neue Denklogik' unterstellt (vgl. Winkler 2000, 148; Köpp/Neumann 2003, 166) wonach sich die Sozialpädagogik programmatisch und faktisch von Inhalten auf Prozesse umzustellen habe. Selbst wenn die Praxis ernsthaft vom taoistischen 'der Weg ist das Ziel' beseelt zu sein scheint, sollte dies nicht mit erziehungswissenschaftlicher Naivität legitimiert werden.
Die Qualitätssicherungsdiskussion wird in der Pädagogik auch als lange fehlender Ordnungsversuch diskutiert. Lutz Galiläer stellt in seiner Analyse die (erziehungs-?) wissenschaftliche Bedeutsamkeit voran: "Qualität ist zu einer für das praktische Tun ebenso wie für das wissenschaftliche Reflektieren zentralen Kategorie geworden." (Galiläer 2005, 107). Der wissenschaftliche Umgang mit dieser neuen Kategorie sei dazu geeignet, die Fachlichkeit der Sozialarbeit/ Sozialpädagogik18 neu zu konzeptualisieren und sie als moderne professionelle Dienstleistungsarbeit darzustellen, die wissenschaftlich fundierte Qualitätsaspekte aufweise.
Auch Galiläer beschreibt, dass das Setzen von Qualitätssicherungsverfahren und -standards aus der Praxis quer durch das Angebot sozialpädagogischer Institutionen nicht mehr weg zu denken ist. Die Analyse konstatiert den Ausgangspunkt der Diskussion im Prozess einer Ökonomisierung Sozialer Arbeit, im Umbau des wohlfahrtsorientierten Staates hin zu neuen Steuerungsmodellen und sozialer Marktorientierung (vgl. Galiläer 2005, 108). Köpp und Neumann verweisen in diesem Zusammenhang auf die Verschleierung durch den Qualitätsbegriff, "indem er als Sinnbild des Erstrebenswerten jeder expliziten Forderung der Legitimation sozialstaatlicher Transformationsprozesse widersteht" (Köpp/Neumann 2003, 51). Ziel sei die Schaffung eines 'aktiven Sozialbürgers', der als Verursacher seiner individuellen Problemlage erkennen soll, dass er nur als 'Unternehmer in eigener Sache', als souveräner Konsument auf den Pfad der Tugend rückführbar sei (vgl. Köpp/Neumann 2003, 50f; Rose 2000, 72ff). Die Tugend, die hier anvisiert ist, bringt auch ein neues Zielgruppenbild der Sozialpädagogik mit sich. Jeder wird potentiell zum Adressaten sozialpädagogischer Arbeit, wenn es darum geht seine Sozialität durch richtiges, gesellschaftlich erwartetes Kaufverhalten auszudrücken. Diese Lesart verweist auf ein ökonomisches Menschenbildideal, das dem herkömmlichen pädagogischen Ringen um das 'recte vivere' mühelos den Rang ablaufen kann.
Galiläer zeigt parallel zu Köpp und Neumann auf, dass die Ziele des Gesetzgebers in der Neuausrichtung im Wesentlichen auf der Kostendämpfung, Kostentransparenz und Erhöhung der Effizienz liegen. Bei Köpp und Neumann heißt die Devise: "Nicht nur billiger, sondern auch besser!" (Köpp/Neumann 2003, 42) Mittels Kontraktmanagement soll die administrative Steuerung erneuert werden, gleichzeitig eine Orientierung an 'Output-Steuerung' vorgenommen und ein Wettbewerb eingeführt werden (vgl. Galiläer 2005, 112f). Die neuen Sozialunternehmen, die ohnedies nur mehr kurzfristig kurz laufende Projekte übertragen bekommen19 , müssen sich dem gemäß in ihrer Managementebene modernisieren, wollen sie weiter beauftragt werden.
Damit werden aber Verteilungsfragen im Gemeinweseninteresse ebenfalls transformiert und der öffentlichen Debatte entzogen. "Gleichwohl Sparpolitik öffentlich immer als eine Politik der Sachzwänge dargestellt wird, handelt es sich hier um eine entpolitisierte Form gesellschaftlicher Konflikte der Umverteilung." (Köpp/Neumann 2003, 45) Galiläer resümiert dazu sehr pragmatisch: "Bei Art und Umfang des sozialstaatlichen Leistungsangebots geht der Trend über Leistungsabbau und stärkere Selbstbeteiligung hin zu einer Grundversorgung auf relativ niedrigem Niveau" (Galiläer 2005, 116). Dies sieht er eingelöst in der Deregulierung des Sozialbereichs hin zu einem Quasi-Markt und der zunehmenden Rationalisierung und Standardisierung. Die Deregulierung sieht er in der Selektivität der Angebote gegeben, d.h. dass zunehmend Bereiche umkämpft werden, die sich gut darstellen lassen und auch gut finanzierbar sind. Kleinere Träger geraten damit unter Druck bzw. werden verdrängt, die Politik verliert ihre Zugriffs- und Ausgleichmöglichkeit und die traditionellen Träger ihre beratende Funktion bei der Maßnahmenplanung, da das Vergabewesen zunehmend zum Selbstläufer wird. Und nicht zuletzt aufgrund der kurzlebigen Finanzierungen geraten die Mitarbeiter in sozialen Projekten immer mehr in prekäre Dienstverhältnisse, kurzsichtig und kurzfristig kommt es zu einer finanziellen Entlastung der staatlichen Förderabteilungen (vgl. Galiläer 2005, 119).
Neben dem Einsparungseffekt als willkommene Möglichkeit, das sozialstaatliche System der Institutionen radikal zu modernisieren, kann das Qualitätskonstrukt auch als Chiffre eines sozialstaatlichen Paradigmenwechsels gesehen werden (vgl. Köpp/Neumann 203, 46f). Die Standardisierung und Produktorientierung, wie sie z.B. in Deutschland in einigen Bereichen bereits gesetzlich vorgeschrieben sind, führen zu einem vordefinierten Aufgabenkatalog, der die fachliche Entwicklung hemmt. Denn die Prozesse werden durch fachfremde Produktvorgaben und Kennzahlensysteme noch stärker der fachlich sozialpädagogischen Kontrolle bzw. Steuerung entzogen. Durch die allgemeine Outputorientierung geraten wesentliche Kriterien nicht quantifizierbarer sozialpädagogischer Leistung aus dem Blick.
Galiläer kommt in seiner Analyse ebenfalls zum Schluss (vgl. Galiläer 2005, 121), dass die bisher eingeführten Qualitätssicherungsverfahren in der Regel der betriebswirtschaftlichen Reorganisation, der Stärkung der Marktposition und der vereinfachten Kommunikation mit dem Kostenträger dienen sollen.
Einige Folgewirkungen der Qualitätssicherungsdebatte aus pädagogischer Sicht
Auch wenn die Diskussion um die Qualitätssicherung in der Sozialpädagogik offensichtlich mit fachfremder Perspektive begonnen hat und ihre wesentlichen Begrifflichkeiten zunächst einer betriebswirtschaftlichen Logik entnommen sind, werden damit neue Ansprüche in die Pädagogik transportiert, die ihr Selbstverständnis maßgeblich verändern.
Einer dieser Trends liegt im Ansinnen klare Werkzeughaftigkeit zu definieren. Im Zusammenhang mit der Implementierung von Qualitätssicherungsverfahren in sozialpädagogische Einrichtungen ist für die Pädagogik nicht in erster Linie eine Technologieersatztechnologie für die Legitimation ihres Tuns auszumachen, sondern es dürfte damit vielmehr der Anspruch im Raum stehen, dass das pädagogische Handeln selbst zum Herstellungsverfahren, zu einem Werkzeug mutieren soll. Hier wird die lange währende Problematik der Differenzierung von gegenständlichen Begriffsfassungen wiederum zugunsten eines behavioristischen Lernbegriffs präjudiziert, der eben diese Instrumentalisierung verspricht. Die pädagogische Bedeutung von Lernen wird hier wie in der Debatte um das sogenannte 'Lernen des Lernens' unterlaufen und erfüllt hier wie dort eine ideologische Funktion (vgl. Schirlbauer 2005, 192). Das Ansinnen, Werkzeuge zu besitzen, vermittelt den wohltuenden Effekt der Passgenauigkeit von Interventionen, womöglich eine Imageaufwertung hin zum Status der MedizinerInnen und DiplomingenieurInnen, dürfte aber verkennen, dass es letztlich um das Auswechseln der gewohnten Terminologie geht. Das Einführen von Qualitätssicherungsmaßnahmen bewirkt eben auch ein Einführen dieser Begrifflichkeiten. New Public Management, Outputsteuerung, Controlling, u.v.m. sind als sozialpädagogisch geflügelte Wörter das Ergebnis des Verlustes der Diskurshoheit auf eigenem Terrain.
Ein weiterer Trend lässt sich in der zum Teil offen, zum Teil impliziten Forderung nach Effizienzsteigerung ausmachen. Im Ansinnen, dass soziale Einrichtungen passfähiger und ertragreicher werden sollen (vgl. Merchel 2003), wird die Zeit- und Kostenfrage zu einem pädagogischen Imperativ. Galten bislang pädagogische Interventionen als auf eine unbestimmte Zukunft gerichtete Einwirkungen aus einer pädagogischen Beziehung heraus, sind in dieser neuen Vorgabe nur jene Handlungen erwünscht, die kurzfristig zu einem vorhersagbaren und berechenbaren Ergebnis führen, letztlich das Unerwünschte, das 'Böse' abschaffen (vgl. Niemeyer 2003 und Niemeyer 2002). So wird nicht mehr gefragt, was sozialpädagogisch ein sinnvoller Rahmen, sowohl zeitlich als auch vom Aufwand her gesehen, wäre, sondern die Orientierungslinien Dauer und Budget hängen allein vom jeweiligen Programm ab20 . Dieser Imperativ 'Optimiere!', der dauerhafte Verbesserungsanspruch, ist Ausdruck politischer Strategie, die das Subjekt einer Verfahrenskontrolle unterstellt, die nicht auf eine Sache abzielt, sondern auf die Effektivierung menschlichen Handelns als Technologie21 . Dies führt soweit, dass aus der Sozialpädagogik heraus eigene Angebote kritisch unter die Lupe genommen werden, ob sie passgenau oder doch bereits, wie Michael Winkler einwirft, eine 'Luxusvariante' seien, die wenig taugen angesichts der "realistischen Perspektiven junger Menschen" (Winkler 2000, 152). Am Beispiel der Jugendhilfe führt Winkler aus: "Ihnen (den Jugendlichen; Anm. J.B.) soll nichts vorenthalten werden, wohl aber muss darüber nachgedacht werden, dass sie für die Bewältigung einer Lebenssituation vorzubereiten sind, die häufig genug unterhalb des Ausstattungsniveaus der Jugendhilfe liegt." (Ebd. 2000, 152)22
Diese normative Aufnahme des Gegebenen als das legitim zu Erreichende verabschiedet Pädagogik als Idee der Hoffnung auf eine bessere, andere Welt - wie sie etwa Siegfried Bernfeld in seinem Erziehungsentwurf formuliert (vgl. Bernfeld 2000[1925]), spricht emanzipatorischen Ansätzen jede Chance ab und ist eine Kurzschließung des Seins mit dem Sollen, des Gegebenen mit dem Möglichen. Damit wird auch eine zentrale Perspektive der Pädagogik suspendiert, die Auseinandersetzung mit der zeitlichen Dimension, da eine offene Zukunft so nicht mehr verhandelbar ist.
So ist es für Winkler folgerichtig, dass die Sozialpädagogik ihren Erziehungsbegriff nicht mehr auf der Ebene von Ziel- und Sollensbestimmungen gewinnen könne, sondern vielmehr ist der Erziehungsbegriff aus der Beschreibung und der Analyse des Erziehungsgeschehens zu gewinnen (vgl. Winkler 2000, 153). Dies schließt den Kreis zu einem auf Einsparung abzielenden neuen Steuerungsmodell in der Sozialpädagogik, das unter anderem mit der Vorgabe antritt, die Effizienz mittels Qualitätssicherung zu steigern und diese neue Erziehungswirklichkeit zu schaffen.
Nicht minder verändernd dürfte sich der Trend zur Produkterzeugung auswirken. Auch die Orientierung an einem imaginierten Erzeugnis, die Sicht, dass pädagogische Prozesse Produkte erzeugen sollen, will neue Maßstäbe setzen. In historischer Sicht gab es zwar ähnlich anmutende Bilder von Erziehung, die den pädagogischen Prozess als reinen Herstellungsakt auffassten. Diese reichten etwa von John Lockes Sicht des Kindes als Tabula rasa (vgl. Locke 1997, 268) - als zu beschreibende Wachstafel - bis zur radikal behavioristischen Annahme John Broadus Watsons, er könne jedes gesunde Kind beliebig formen (vgl. Watson 1968, 123). Die erziehungswissenschaftliche Diskussion des zwanzigsten und beginnenden einundzwanzigsten Jahrhunderts zeigt doch grosso modo eine andere Sichtweise auf und es war zumindest eine zeitlang zu hoffen, dass solche mechanistischen Ansätze überwunden sind.
Die SozialpädagogInnenschaft universitärer Provenienz springt jedenfalls größtenteils auf diese Ansätze auf bzw. resigniert angesichts der Hoffnungslosigkeit, sich in diesem Diskurs Gehör zu verschaffen. "Mit den Qualitätsdebatten etabliert sich eine neue, durchaus selbsternannte, vermeintliche Elite smarter Kontrolleure, die mit ihrer Sprache und ihren kleinen Laptops über Lebensschicksale nicht nur von Klienten der Sozialen Arbeit entscheiden." (Winkler 2000, 153) Die Forderung, Produkte zu liefern, wirkt, wenn man die Diskussion zu Qualitätskonzepten in der Sozialen Arbeit betrachtet. Die Beteiligten mutieren zu 'Stakeholdern'23 , die ein Recht haben, dass sozialpädagogische Arbeit einem Qualitäts-Check durch externe Beraterfirmen unterworfen sind und einen Gütesiegelanspruch nachweisen (vgl. Wanke 2003, 138).
Last but not least dürften Normierung und Standardisierung zentrale Ziele dieser Debatte sein. Da die meisten Verfahren zur Qualitätssicherung aus der industriellen Fertigung übernommen wurden, zielen die Konzepte der Qualitätssicherung sozialer Arbeit auch auf eine gesamte Regelung der Strukturen, Prozesse und Ergebnisse ab. Sozialpädagogisch braucht es zunächst nicht zu interessieren, wie die Arbeitsverträge, die Bezahlung, die Büroausstattung und dergleichen geregelt ist, da dies eine Voraussetzung ist, um überhaupt praktisch tätig zu werden, wie in allen anderen Berufen auch. Oftmals liegt das Hauptgewicht der Diskussion in den sozialen Einrichtungen jedoch auf diesen voraus zu setzenden Bedingungen, verfeinert um das Dokumentations- und Nachweisprozedere. Die Übernahme der Standardisierungsidee soll aber nicht vor der pädagogischen Konzeption halt machen. Michael Hütte, Sozialpädagoge und Leiter einer großen deutschen Jugendhilfeeinrichtung, formuliert stellvertretend für viele Betroffene seine Skepsis so: "Werden über die Kostenschiene das Pluralitätsgebot und die inhaltliche Gestaltungsfreiheit der freien Jugendhilfeträger, wie sie im KJHG (§§ 3 und 4) verankert sind, ausgehebelt? Werden wir nur noch konfektionierte Jugendhilfeleistungen 'von der Stange' produzieren?" (Hütte 1998) Diese geforderten professionellen Standards scheinen zuerst das Aufstellen von Normen als Verhaltensanforderungen für wiederkehrende Situationen zu bedeuten. Blickt man aber zurück und betrachtet die Überlegungen zur DIN ISO-Zertifizierung, dann wird klar, dass primär nicht das Handeln selbst normiert werden soll, sondern die Art ihrer Beschreibung, die Modi im Darüber-Reden - es wird die Verfahrenskontrolle zertifiziert, nicht die Sache selbst.
Abgesehen von dieser formalen Spitzfindigkeit gehen die neueren Qualitätssicherungsmaßnahmen auch bereits aufs Ganze, wie das bereits erwähnte Total Quality Management. Es wird eine Standardisierung der gesamten sozialpädagogischen Handlungsweise gefordert. Die Rede von der Standardisierung ist jedoch nicht einfach zu führen. Eine ähnliche Diskussion erfolgte in den 1970er Jahren im Zuge der Erstarkung der Sozialwissenschaften und der empiristischen Psychologie mit der Rede von der Normalität: Das Anpassen an Normen, gesichert durch Justiz, Polizei, Medizin oder auch Sozialarbeit, die zunehmend mit Managementtechniken angereichert werden, zielte auf eine quantitative Verortung und eine Ermittlung von Mittelmaß ab (vgl. Waldschmidt 2004). Insgesamt bedeutet die Auseinandersetzung mit fachlichen Standards die Orientierung an einem Maß, das gegenwärtig aus keiner 'Normalbiographie' ableitbar ist. Es müssten auch Handlungen bzw. deren Absichten normiert werden, was ein allgemeines pädagogisches Vorgabeschema bedürfte, das aber nicht einmal in hochprofessionalisierten Berufen wie der westlichen Medizinerschaft unumstritten gelingt. Karin Majewski und Elke Seyband führen überdies noch an, dass aus fachlicher Sicht auf die Erfahrung der Profession zurückgegriffen werden müsste (vgl. Majewski/Seyband 2002). Das bedeutet die Bestimmung konkreter Kriterien für den Erfolg sowie eine Bestimmung des professionellen Selbstverständnisses und die Positionierung im Wirkungsdialog angesichts des strukturellen "Technologiedefizits" (Merchel 1999, 12 und Majewski/Seyband 2002, 144) - dass also keine direkten Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im vorhinein sicher erstellt werden können - aus ihrer Praxis erfolgen müsste. Eine Normierung von Praxis als Vorgabeschema müsste überdies an erziehungswissenschaftliche Traditionen anknüpfen, um systematisch an das bereits erreichte Diskussionsniveau der Pädagogik anzuschließen. Bei Durchsicht der aktuellen Beiträge wird dies aber nicht erkennbar.
Die Sozialpädagogik steht gegenwärtig vor dem Dilemma, dass sie auf eine Normalität vorbereiten soll, die es so nicht zu fassen gibt. Der gesellschaftliche Wandel im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert, von Ulrich Beck als "Risikogesellschaft" (Beck 1986) charakterisiert, führt zu einer institutionellen und sozialisatorischen Unsicherheit, die gerade keine Normalität mehr herstellt. Michael Winkler sieht die Individuen in dieser Entwicklung von den traditionellen Bindungen apriorisch freigesetzt und erkennt als neue Form der Autonomieanforderung, dass von ihnen eine 'voraussetzungslose Selbstschöpfung' verlangt wird, zumal eine intergenerative Ablösearbeit nicht mehr möglich ist (vgl. Winkler 1993). Sozialpädagogik wird also mehr und mehr gebraucht, da die solcherart freigesetzten Subjekte mehr und mehr an Unterstützung in ihrem Lebens- und Bildungsgang benötigen. Gleichzeitig kann Sozialpädagogik die durch Qualitätssicherung geforderte Normierung ihrer Prozesshaftigkeit, also das Erstellen einer einfachen verbindlichen Programmatik, immer weniger entwerfen. Sozialpädagogik als Angebot gewinnt zunehmend Zulauf, sie expandiert in allen Handlungsfeldern (vgl. Rauschenbach 1999), sieht sich jedoch mit einem Wandel ihrer institutionalisierten Praxis konfrontiert, die sie auch konzeptiv destabilisiert. Michael Winkler bezeichnet diese gesellschaftliche Ausbreitung sozialpädagogischer Praxis auch als "sich zu Tode siegen" (Winkler 2000, 146). Und so gerät die Sozialpädagogik durch die Qualitätssicherungsdebatte in eine Art Schockzustand, weil die Frage nach der Qualität eine Frage nach ihrer Fachlichkeit ist, die so nicht mehr zu beantworten ist. "Obwohl festzustehen scheint, was Sozialpädagogik auszeichnet, scheint kaum jemand imstande, dies zu erfassen und darzustellen, weil am Ende das Feld der Sozialpädagogik noch unter dem Einfluss sozialpädagogischer Semantik explodiert und auseinander bricht." (Winkler 2000, 146) Es lassen sich also nur mehr Fachlichkeiten ausmachen, Sozialpädagogik kann die verschiedenen Ansätze jedoch nicht integrieren. Die Qualitätssicherungsdebatte führt zwar zu einem Selbstvergewisserungsprozess, der aber Gefahr läuft zur Dauerthematisierung zu werden oder in eine neue Dogmenlehre, die nun aber betriebswirtschaftlich inspiriert ist, abzugleiten.
Verweise
1Und sie bedient sich dabei Marketingstrategien ähnlich dem Elektronikhandel ("Geiz ist geil", "Weg mit dem Speck") oder dem Möbelhandel ("Nur geschenkt ist billiger", "Kost fast nix").
2Davon zeugen hunderte Begleitbücher und Einführungshandbücher zur Implementierung von Qualitätssicherungsverfahren in Schule, Erwachsenenbildung, Sozialpädagogischen Einrichtungen, Behinderteneinrichtungen ... .
3Eine erste Auswahl verweist nur auf jene Monographien bzw. Sammelbände, die sich ganz allgemein und vom Titel her explizit mit Qualität in der Sozialen Arbeit beschäftigen und auch direkt Bezug zur Sozialpädagogik nehmen, so u.a. Bauer 2001, Beckmann et al. 2004, Boeßenecker 2003, Boeßenecker et al. 2004, Brunner et al. 1998, Frerichs et al. 2003, Garms 2000, Heiner 1996, Heiner 2004, Helmke et al. 2000, Hummel et al. 2004, Jost/Böllinger 2004, Knorr/Halfar 2000, Kraemer-Fieger 1997, Maelicke 1996, Maelicke 1997, Matul/Scharitzer 2002, Meinhold 2003, Meinhold/Matul 2003, Merchel 2004, Möller 2003, Mühlhausen 2004 bzw. 2003, Müller-Kohlenberg/Münstermann 2000, Müller/Preisig 2004, Peterander/Speck 2004, Schädler et al. 2001, Speck 1999, Stoll 2003. Die spezifischeren Beiträge, Abhandlungen, Tagungsberichte und Forschungsdokumentationen zu einzelnen Handlungs- bzw. Institutionsfeldern, etwa der Jugendhilfe, der Fremdunterbringung, dem Kindergartenwesen umfassen hunderte Fundstellen allein im deutschsprachigen Raum.
4..., wonach Pflegerinnen mehr als vierzig Patienten ermordet haben sollen, weil sie 'lästig' waren (vgl. http://oe1.orf.at, Archiv).
5Dementsprechend waren bis vor kurzem auch Recht und Medizin und in weiterer Folge Psychologie und Psychotherapie die Leitdisziplinen sozialer Arbeit und werden erst Zug um Zug durch die Betriebswirtschaft ersetzt. Anstatt dass sich Sozialpädagogik aus der Umklammerung durch die 'Bevormundung' seitens anderer Disziplinen befreit, scheint sie ihr Heil gerade im Auflösen unter Fremdbestimmung zu finden ... .
6Gemäß Art 15 a B-VG über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder für pflegebedürftige Personen samt Anlage, festgeschrieben im BGBl 1993/866.
7So gibt es allein in Österreich über ein Dutzend akademischer und postgradualer Lehrgänge (MSc, MBA, MSM, ...) im Bereich Sozialmanagement, große Einrichtungen wie die Caritas betreiben eine eigene Sozialmanagementausbildung, die WU-Wien bietet einen Professional MBA für Sozialmanagement an, die ehemalige Ausbildungsstätte für Sozialpädagogen in Wien ist jetzt eine ARGE Bildungsmanagement und die Zahl der einzelnen Kurse und Weiterbildungsangebote ist österreichweit in den letzten Jahren schier unüberschaubar geworden.
8Erst in letzter Zeit kommt es verstärkt zur Gründung von auf Profit abzielenden wirtschaftlichen Sozialbetrieben. Vorreiter im deutschsprachigen Raum sind etwa ibis acam und European Homecare.
9Vgl. etwa "Von der non-profit Organisation, vom lamentierenden Subventionsknecht, hin zum modernen, selbstbewussten, offenen social-profit Dienstleistungsanbieter - ein Intensivworkshop des Vereins Jugendinfo 2003/4 bzw. "Social Profit" - Soziale Dienste wirtschaftlich führen, eine betriebswirtschaftliche Intensiv-Ausbildung als Follow-Up für AbsolventInnen der LeiterInnenlehrgänge der Akademie für Sozialmanagement der Caritas Wien 2003.
10Ob aber nicht gerade der Umgang mit Scheitern, das Aushalten von Grenzen des Möglichen eine zentrale pädagogische Herausforderung sein sollte, wäre noch genauer zu prüfen ... .
11So hat das BBRZ, das Berufliche Bildungs- und Rehabilitationszentrum mit Gründung in Oberösterreich als erste Einrichtung 1992 DIN ISO 9001 eingeführt, Jugend am Werk, WUK Jugendprojekt, Rettet das Kind, Volkshilfe und viele andere Einrichtungen in Österreich sind gefolgt. Derzeit - Stand 08/2006 - gibt es allein im Sozial- und Erziehungsbereich in Österreich über 100 aktuelle Zertifikate (vgl. www.oeqs.at). Was überdies, gemessen am Arbeits- und Kostenaufwand, bemerkenswert ist, da die Zertifikate ja nur gültig sind, wenn sie laufend überprüft und alle drei Jahre neu zertifiziert werden.
12Im Bereich der Gütesiegel zeigt sich der Trend zum Selbstgestrickten: Die Palette reicht vom Montessori Gütesiegel, über die Standards katholischer Einrichtungen bis zu Auszeichnungen im Alternativ-Kindergruppenbereich. Interessante Plattformen dazu sind der "Kronberger Kreis" bzw. die Ergebnisse von C. Katharina Spieß und Wolfgang Tietze (vgl. etwa Spieß/Tietze 2001), die Arbeiten des Zentrums für Sozialpädagogische Forschung unter der Leitung von Sebastian Honig et al. (vgl. u.a. das Projekt "Qualität von Kindertagesstätten" der Universität Trier) sowie die Arbeiten von Wassilios Fthenakis (vgl. u.a. das Projekt "Konzeptionelle Neubestimmung von Bildungsqualität in Tageseinrichtungen für Kinder mit Blick auf den Übergang in die Grundschule").
13Einige Beispiele: So sieht etwa das Bundesvergabegesetz 2006 explizit den Nachweis von Qualitätssicherungsverfahren vor, auch fordert Bundesminister Bartenstein in seiner Zielvorgabe etwa für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im April 2006, den Nachweis von Qualitätsmessinstrumenten (vgl. www.bmwa.gv.at). Der FSW, der Fonds Soziales Wien, verlangt von geförderten Einrichtungen: "Mit der Anerkennung verpflichtet sich der Betreiber der Einrichtung zur Durchführung von Maßnahmen des Qualitätsmanagements: Z. B. Maßnahmen der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung (inkl. Konzepte zur Entwicklung und Implementierung solcher), Anerkennung von Qualitätsstandards ..." (Spezifische Förderrichtlinie für die Unterbringung und Betreuung wohnungsloser Menschen 2006, [online: http://www.fsw.at]).
14So führt z.B. Otto Speck 1999 das vom Kuratorium Deutsche Altenhilfe herausgegebene "Qualitätshandbuch Wohnen und Heim" aus 1998 an, das immerhin 628 Seiten aufweist und keinen Einzelfall darstellt, in vielen Einrichtungen werden auch Loseblattsammlungen als QM-Handbuch entwickelt, sodass der Umfang nach jeder Sitzung weiter wachsen kann.
15Das lässt sich beispielhaft beim Besuch jeder Veranstaltung nachvollziehen: Die ersten, die sich von ihren Plätzen erheben, sehen für kurze Zeit mehr als die anderen, die noch sitzen. Nun sind aber auch alle anderen gezwungen, sich zu erheben, und bald stehen alle Tribünenzuseher, sodass alle wieder genauso zu einander gestellt sind, wie zu Beginn - mit dem kleinen Unterschied, dass sie jetzt stehen müssen, also die Arbeit an sich nicht verändert wurde, lediglich die Anstrengung größer wird, das selbe zu erreichen.
16Diese sind: Bosch, BT, Bull, Ciba-Geigy, Dassault, Electrolux, Fiat, KLM, Nestlé, Olivetti, Philips, Renault, Sulzer, Volkswagen. Ganz interessant in diesen Zusammenhang ist die Tatsache, dass viele dieser Firmen auch Mitglied des ERT, European Round Table of Industrialists, sind, der u.a. mit seinen Papers for Education maßgeblichen Einfluss auf die Sozial- und Bildungspolitik der europäischen Kommission hat. Näheres dazu unter http://www.efqm.com bzw. http://www.deming.de, aber auch http://www.qualityaustria.com.
17So stellen etwa Heid und Harteis in ihrer Auseinandersetzung mit "Verwertbarkeit" als Qualitätskriterium für Bildungsforschung und Bildungspraxis zunächst fest: "Die Erziehungswissenschaft hat sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Ist die Brauchbarkeit sowohl der Bildungsforschung als auch der Bildung ein Mangel oder ein unverzichtbares Qualitätsmerkmal?" (Heid/Harteis 2005, 7)
18Bezeichnenderweise wird auch hier Sozialarbeit und Sozialpädagogik unproblematisiert unter einen gemeinsamen Schrägstrichbegriff bzw. unter den Oberbegriff Soziale Arbeit gestellt, eine Herangehensweise, die die unscharfe erziehungswissenschaftliche Analyse der Diskussion um die Sozialpädagogik verdeutlicht.
19So kommt es etwa im Bereich von Sozialökonomischen Betrieben oder Jugendausbildungseinrichtungen in der Regel zu Projektausschreibungen durch das AMS, die eine Laufzeit von unter einem Jahr gewähren und der Bewilligungszeitraum sich oft bis nach Beginn der Maßnahme erstreckt. (Vgl. Ausschreibungen online unter: http://www.ams.at bzw. http://www.auftrag.at)
20Dieses Problem stellt sich aktuell auch in den Hochschuleinrichtungen Österreichs und Deutschlands. So haben etwa Andreas Gruschka, Ulrich Herrmann, Frank-Olaf Radtke, Udo Rauin, Jörg Ruhloff, Horst Rumpf und Michael Winkler im Sommer 2005 eine bundesweite Debatte in Deutschland initiiert, um dem scheinbar alternativlos ablaufenden Prozess der Unterwerfung des Bildungs- und Wissenschaftssystems unter die Techniken des Qualitätsmanagements und der Effizienzsteigerung den Einspruch derjenigen entgegenzusetzen, die sich die Frage erlauben, ob sie überhaupt so gesteuert und dirigiert werden wollen (vgl. http://www.forum-kritische-paedagogik.de). In Österreich hat sich aus ähnlichem Anlass eine Autorengemeinschaft zusammengefunden, um die aktuelle Hochschulpolitik erziehungswissenschaftlich zu markieren (vgl. Dzierzbicka/Kubac/Sattler 2005).
21Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in ihrer Dialektik der Aufklärung (vgl. Adorno/Horkheimer 2000) sowie Günther Anders in seiner zweiten Abhandlung über die Antiquiertheit des Menschen (vgl. Anders 1980) haben dieses Phänomen bereits reichlich beschrieben.
22Um nicht fehlinterpretiert zu werden: Winkler ist zuzustimmen, dass es Projekte gibt, die zu überdenken sind bzw. zu ersetzen wären, nicht jedoch, weil sie nicht passgenau für die aktuelle bzw. zukünftige Lebenssituation der Jugendlichen sind, eher umgekehrt: Weil sie außer der Abbildung gegenwärtiger oder erwarteter (trister) Lebenssituationen nichts anzubieten haben und somit pädagogisch sinnlos werden. Es braucht wohl keine Sozialpädagogen, die den Jugendlichen erklären, wie ihre Jugendkultur aussieht, es braucht wohl auch keine Sozialpädagogen, die die Jugendlichen einzig bei dem begleiten, was sie ohnedies immer tun ... .
23Unter 'Stakeholdern' werden alle mit einem Prozess irgendwie in Zusammenhang zu bringenden Beteiligten verstanden. Im Sozialpädagogischen Bereich wären das als neben den Klienten, den Mitarbeitern, den Angehörigen, den zuweisenden Amtsvertretern auch die auftragsgebenden Politiker, die Nachbarn, die Lehrer, die Ausbildner bis hin zu öffentlichen Vertretern aller Art, bis hin zu Gesellschaft. Das Stakeholderprinzip ist somit eine radikale Erweiterung der 'Shareholder-Relations', die ja nur die Eigentümer betrifft (vgl. Horak/Matul/Scheuch 2002, 218f) und bei Licht gesehen auch eine bedeutungslose Angelegenheit, die in ihrer Beliebigkeit zu einer platten Attitüde wird.
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Über den Autor
Mag. Dr. Josef Bakic, Jg. 1966
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