soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 4 (2009) / Rubrik "Sozialarbeitswissenschaften"
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/163/228.pdf


Ren L. Kellem & Sandra Hasenburger:

Qualitätsmanagement als soziale Norm.


Implementierung und Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen in der Sozialen Arbeit zwischen Sozialtechnik, Legitimation, Qualitätspopulismus und Entwicklungsorientierung

Es ist wie mit dem Parfum. Wenn wir Qualität sagen, meinen wir Qualität. Wenn es um Parfum geht, akzeptieren wir, dass dasselbe Parfum nicht nur bei verschiedenen Menschen anders riecht, sondern es an einem Menschen für andere unterschiedlich riecht. Und wissend, dass Parfumgeruch an einem Menschen je nach dessen psycho-physischer Verfassung und nach den situativen Bedingungen variiert. Den wasserähnlichen, alkoholangereicherten Stoff mit ätherischen Ölen jedoch anhand seiner chemischen Zusammensetzung dahingehend zu analysieren, wie "angenehm" er riecht, wäre wohl kaum eine geeignete Ermittlung der für das Parfum relevanten Eigenschaft. Bestenfalls ist eine Kategorisierung möglich. Wie ist das mit Leistungen in der Sozialen Arbeit? Worin bestünde die Qualität einer fürsorglichen Begleitung eines Jugendlichen? Und wie ließe sich eine solche verlässlich managen?

Der Beitrag problematisiert eingangs den auf Standardisierungen begründeten Ansatz der ISO-Normierungen, wenn ein komplexes und situatives Leistungsgeschehen nur unzureichend und simplifizierend dargestellt wird und betrachtet danach die Triebkräfte der Qualitätsmanagementbemühungen und die Grenzen der Qualitätssicherung innerhalb der Sozialen Arbeit. Implementierungsprozesse von ISO-Qualitätsmanagementsystemen in der Praxis und deren betriebliche Konsequenzen zeigen anschließend die Bedeutung der Organisationskultur und den Umstand auf, dass in der Organisationspraxis Normabsicht und Normrealisierung voneinander abweichen.1 In seinen empirischen Illustrationen greift der Beitrag auf die qualitativ-explorative Studie von Hasenburger (2006) zurück, zu der von April bis Juni 2006 zehn themenzentrierte Interviews - drei Experten und Expertinnen2 und sieben in der Sozialarbeit tätige Personen3 - in Graz und Wien durchgeführt werden. Die Analyse der Interviewtranskripte orientiert sich an Grundsätzen einer qualitativen strukturierenden, kategorialen Inhaltsanalyse (vgl. Atteslander 2000; Gläser & Laudel 2004; Mayring 2002).4

1. Qualitäten implementieren - Kritik zum QM-Ansatz a la ISO
Im Alltag meinen wir mit Qualität in der Regel, dass etwas "gut" sei, einem etwas "gefällt", eine Leistung "gut klingt" oder etwas "gut riecht". Professionalistische Bemühungen bestreben, ein Produkt oder eine Leistung "zu verbessern"; etwa den prozentualen Fettgehalt eines Nahrungsmittels zu reduzieren oder die "Durchlaufzeit" einer Sozialberatung zu erhöhen. Qualität bedeutet dann, dass ein bestimmtes Merkmal mehr oder weniger vorhanden ist, dass eine Leistung bzw. Leistungserbringung bestimmte Eigenschaften (strukturell, prozessual, personell, ausführungs-/leistungsbezogen oder (leistungs-)wirkungsbezogen) aufweisen möge.5 Welche Merkmale aber erstens überhaupt als Qualität vorzulegen (z.B. "Anzahl von Aufzügen pro Heimbewohner/-innen" oder "Anzahl von diplomierten Sozialarbeiter/-innen pro Heimbewohner/-innen" oder "Sozialbetreuungsstunden pro Tag pro Heimplatz") und dann zweitens "gut" seien (z.B. "1:30" oder "1:50" oder "0,5/Tag"), wird gesellschaftlich formuliert. Was nun "Qualität" gewiss meinen würde, sie entzieht sich einer Konkretisierung und bleibt in der Handlungspraxis vage beschreibbar. Qualität stellt eine Rahmenorientierung dar, die in der Handlungspraxis "Abweichungen" sichtbar von einer Norm machen soll.

" ... ich würde sagen, für mich ist Qualität - Dienstleistungsqualität haben Sie gemeint - also, in der Arbeit ... Ich würde sagen, die Arbeit, die sich nach gewissen Parametern messbar macht. Das heißt, für mich ist Qualität dann, wenn ich meine Eckpunkte habe, und sage, das und das und das sind so meine Kriterien, was ich erreichen möchte; ist das Ziel, und das sind so gewisse Kriterien, die ich erfüllen muss, damit ich das erreichen kann. Ist Qualität für mich so, der Weg dorthin, würde ich sagen. Das heißt, alle Schritte, die ich setzte, damit ich dieses Ziel erreiche. Und dabei, wenn es Abweichungen gibt, das irgendwie bewusst im Kopf zu haben, um dagegen steuern zu können. Das heißt, Qualität ist für mich so ... so ein Endprodukt, die - sage ich einmal - optimal angeboten werden kann. Das ist so, was für mich eben Qualität heißt." (I5: 10)

Qualität würde eher als "Steuerung" oder "Handlungen orientierende Größe", denn als "Regulierung" oder "regulierende Größe" auszulegen sein. Wünschenswerte Merkmale, respektive Qualitäten, folgen sozialen Orientierungen, welche sich in Normen, Vorstellungen und Handlungen danach ausprägen, wie Produkte, Leistungen oder Leistungswirkungen beschaffen sein sollen.6 Zu unterscheiden wäre bei Qualitätsorientierungen in verschiedene Ebenen:

Nun stellen sich Qualitäten nicht selbsttätig ein, und es ist zu fragen, wie sich Qualitätsorientierung und Qualitätsrealisierung zueinander verhalten. Jedenfalls sind soziale Orientierung und Handlung kategorial zu trennen, und Handlungsanleitungen oder Handbücher zum Qualitätsmanagement kennen wir inzwischen ausreichend. Folgen wir beispielsweise der vielzitierten Zusammenstellung von Zollondz (2002, S. 189), so soll Qualitätsmanagement sechs Elemente beinhalten, um wirksam zu sein. Betriebliche Prozesse sollen erkannt, beschrieben und auf ihre Qualitätsfähigkeit hin gemessen werden. Das Management, oder die "oberste Leitung", sollte die Qualitätspolitik und die daraus abgeleiteten Ziele formulieren und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der jeweiligen Einrichtung vorleben. Jene Ressourcen sind abzusichern, für deren Verteilung und Sicherstellung das Management zur Durchführung von QM zuständig gemacht wird. Auch und gerade die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ein Qualitätselement; ihre Zufriedenheit spielt eine große Rolle, da ihnen eine große Verantwortung bei der Durchsetzung der Qualitätsmanagementphilosophie obliegt. Daraus wird auch abgeleitet, es wäre wesentlich, ein Bewusstsein für Qualität bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu fördern. Dann sollen die Kundinnen und Kunden entsprechend berücksichtigt werden, da sie schließlich doch die Leistungsempfänger/-innen sind, die zentrale Basis der Anforderungen an die Qualität des Unternehmens darstellen sowie die "Messlatte" der personenbezogenen Dienstleistungsqualität markieren. Ob eine dann gemessene "Kunden- und Kundinnenzufriedenheit" die bestrebte und zu realisierende Qualität - z.B. oft recht zähe, herausfordernde und auf Selbsteinsicht begründete Verhaltensänderungen von suchtkranken Menschen durch sozialtherapeutische Interventionen - abbilden, bleibt in den meisten Fällen mehr als fraglich.8 Verbesserungen werden eigens genannt, die in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess in das Qualitätsmanagement implementiert werden, um möglichen Fehlerbildungen entgegen zu wirken.

Solche oder ähnliche Modelle kennen wir vielgestaltig. Dabei ist die Entscheidung für die Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems, das den Anforderungen der ISO 9000ff Standards entspricht, in der Praxis nicht zwingend notwenig. Auch andere Modelle und Qualitätsmanagementkonzepte können je nach Anforderung eine sinnvolle Lösung der Qualitätsmanagement-Diskussion in einer Organisation darstellen. (Vgl. Bobzien/ Stark/ Straus 1996, S. 46)9

Qualitätsmanagement soll dann jedenfalls die erforderlichen Akte bzw. Handlungen zur Leistungserbringungen bündeln und Leistungen und Leistungsermittlungen bzw. -bewertungen objektivieren. Qualitätsmanagementmodelle, wie v.a. die Norm ISO 9001:2000, sind solche vorgefertigten Muster, die Anhaltspunkte zur Erreichung von Produkt- bzw. Dienstleistungsqualität geben und Qualitätserhöhungen ermöglichen sollen. Betrachten wir die industrielle Standardisierung, hierin die ISO 9000 Normenreihe und die ÖNORM ISO 9001:2000, in der acht Grundsätze zur Erreichung von Qualitätszielen formuliert sind. (Vgl. ÖNORM ISO 9000-1, 1999, S. 2) Die Normierung nach ISO 9001:2000 zielt darauf ab, Fehler zu vermeiden und fehlerlose Produkte beziehungsweise Dienstleistungen zu erzeugen. Durch die Normierung aller Prozessabläufe und die detaillierten Forderungen an ein Qualitätsmanagementsystem wird ein Unternehmen in ein Korsett gedrängt, das nur wenige Spielräume offen lässt bzw. offen lassen soll. Bei wiederkehrenden und Regelprozessen bzw. bei standardisierbaren Leistungserbringungsmerkmalen (z.B. der Bearbeitung eines Formulars) mag das funktional sein; ebenso bei infrastrukturellen Qualitätsdimensionen - aber selbst einfache Ausstattungsmerkmale (z.B. Farbe oder Beschaffenheit des Bodens in einem Beratungszentrum) werden nicht allerorts und allzeit gleich zu beurteilen sein. Geht es um die personelle Leistung, so etwa eine Beratung eines arbeitsuchenden Menschen, so wird ersichtlich, dass ein die Belange der Person rein administrierendes und "ausführungsnormbezogenes" Verhalten bzw. an Qualitätsnormen orientiertes Verhalten die Leistungsqualität rasch brüchig macht. Wenngleich ISO-Standards und Normwerke weiterentwickelt werden, wurde gerade in den Anfangsphasen der QM-Implementierungen in den 1990er Jahren das komplexe Entfaltungsgeschehen eines Dienstleistungsprozesses in der Sozialarbeit fälschlich simplifiziert - ein Umstand, der im Denken über Leistungsqualitäten noch nicht gänzlich zurückgenommen wurde. Die Anschlussfähigkeit eines QM-Systems á la ISO zur sozialarbeiterischen Fachpraxis bleibt nach wie vor fraglich.

"Nein, das hat nicht immer gepasst. Vor allem, wie wir begonnen haben, das war 1995, war noch die alte Norm ISO 9001:1994 geltend, und wir waren damals überhaupt die erste Organisation im deutschsprachigen Raum im Sozialbereich, die mit dem QM begonnen hat. Und die Berater, die wir gehabt hatten, waren natürlich daher aus der Technik. Und die haben viele Dinge gemacht, die Irrwege sind. Einfach Abläufe beschrieben, die eigentlich nicht zu beschreiben wären, weil sie so komplex sind, aber da haben uns sozusagen - und das ist kein Vorwurf - die Techniker einfach aus Unwissenheit in die Irre geführt. Denn die haben es auch bei einer sozialen Einrichtung noch nie gemacht gehabt. Und damals hat es die 20 Elemente der Norm gegeben, die waren einfach für die Zertifizierung abzuhaken. Und dann hat man eigentlich nicht gewusst, was man beispielsweise mit dem Normelement Wartung und Service in einer Einrichtung meint. Und da hat man eben irgendetwas herbeigezaubert, was dann aber nicht gepasst hat." (E1: 3f)

Verhaltensrelevante Standardisierung ist einer Qualitätssicherungsabsicht folgend gewünscht - Verlässlichkeit und Handlungssicherheit sollen hergestellt werden. Eine extern "verordnete" und dann fügsam, korrekt und geflissentlich angewendete Qualitätsnorm wie "Die Beraterin / Der Berater verhält sich kunden-/kundinnenfreundlich." schlägt jedoch unmittelbar ins Gegenteil um. Denn nur wenige Elemente in der Erbringung personenbezogener - nicht nur - sozialarbeiterischer, psychologischer, therapeutischer, sozialpädagogischer u.a. Leistungen lassen sich in regelhaften Verhaltensvorschriften fixieren. Ein größerer Anteil sozialarbeiterischer Dienstleistungsqualitäten entfaltet sich individuell und situativ, wobei zum einen die Handhabung der Situation alles andere als normlos erfolgt und zum anderen handlungsorientierende Leitdimensionen geschaffen werden können. Ob aber - obwohl die Entwicklung eines prozessorientierten Ansatzes der ISO 9001:2000 mit dem systemischen Denken in der lernenden Organisation grundsätzlich vereinbar wäre - , handlungsnormierende Standards, wie vor allem ISO 9001:2000, mit situativen Erfordernissen zum einen und kontextuellen Veränderungen und organisationalem Lernen zum anderen vereinbar sind, bleibt fraglich. So geht es etwa nach Senge (2004: 145f) beim Prinzip der lernenden Organisation nicht länger um adaptives Lernen, sondern um schöpferisches Lernen, das systemisches Erkennen und die Bereitschaft zur Betrachtung der Ursachen von Problemen erfordert.10 Das Konzept der lernenden Organisation erweitert Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung um die Überlegung, in wie weit Qualitätsmanagement-Systeme Lernprozesse in der Organisation befördern oder hemmen; inwieweit Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement "Fügsamkeiten" oder "Engagement" befördern; oder weiter gedacht, inwieweit "Handlungsregeln" befolgt und auf eine Situation übertragen oder Handlungserfordernisse aus der konkreten Situation im Korridor der "Qualitätsorientierungen" abgeleitet werden.

Erfahrungen zeigen, dass Qualitätsmanagement-Konzepte, die "verfahrenskonzentriert" oder "sozialtechnisch" angelegt sind und den Aspekt der lernenden Organisation unzureichend berücksichtigen, kaum überdauernde Implementierungschancen haben. Zum Erfolgskriterium hierfür wird nämlich, ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Einführungen von Qualitätsmanagementsystemen ausreichend involviert sind, wie sie die Veränderungen durch das neue Organisationssystem wahrnehmen, und ob sie positive Effekte für sich selber und die eigene Arbeit erfahren (vgl. Majewski/ Seyband 2002, S. 11ff). Zu oft werden bei QM-Implementierungen Grundlagen von Organisationslehre und -praxis missachtet: die Betroffenen bleiben außen vor und sind demotiviert, Orientierungen können nicht weitergetragen und in Handlungsnormen realisiert werden; Veränderungen können nicht adaptiert werden, Widerstände der Betroffenen werden aktiviert, Qualitäten leiden.

Welches Qualitätsmanagementkonzept auch vorliegt, Qualitätskategorien wie "Prozesse", "Strukturen" oder "Ergebnisse" sind uns vertraut. Doch werden diese im Hinblick auf die darin umschlossenen Arten von Qualitäten selten so nachdrücklich unterschieden, wie sie das müssten. Orientierungen und Akte existieren im organisatorischen Leistungserbringungskontext und zielen doch immer auf Eigenschaften von Leistungen, Personen bzw. Ergebnisse. Nun kann aber von Prozess- oder Strukturqualitäten nicht so ohne Weiteres auf Ergebnisqualitäten geschlossen werden wie dies gemeinhin unterstellt wird. Ohne solche Kausalannahmen würden Kategorien wie Prozess- und Strukturqualität haltlos sein. Schwerer wiegt dabei der Umstand, dass sich die handlungsleitenden sozialen Orientierungen verschieben weg von der "Leistung" hin zur Einhaltung bestimmter Prozesse und Strukturen. Vom Leistungsinhalt zur Leistungsform. Die Eigenschaft eines Prozesses bzw. einer Struktur ersetzt dann jene der Leistung; die der Form jene des Inhalts. Gesichert oder gemanagt werden danach nur mehr der eigentlichen Leistung oder Leistungswirkung entäußerte und diese stellvertretende Eigenschaften.

2. Qualitätsmanagement und Soziale Arbeit - Triebkräfte und Grenzen
Inzwischen sind Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement also zu einem Selbstverständnis auch in der Sozialen Arbeit geworden, zumindest zu einem papierenen. Stellenanzeigen11 lassen uns wissen, dass die Aufgaben von Qualitätsmanager/innen in der Prozessverantwortung für Kunden-/Kundinnenprozesse, der Festlegung von Qualitätsstandards für Prozesse im Bereich Kunden-/Kundinnenservice und in der Optimierung und Weiterentwicklung dieser Prozesse liegt. Diskussionsanfänge und erste praktische Implementierungen von Qualitätsmanagementsystemen in der Sozialen Arbeit werden in die 1980er (Meinhold 1998: S. 118) datiert. Ab den 1990er Jahren werden Differenzierungen und Diskussionsstränge sichtbar (Schaarschuch 1999 zit.n. Bauer 2001: S. 2), die als "ökonomische Modernisierung der Sozialadministration" einerseits und "paradigmatische Neuorientierung der Sozialarbeit / Sozialpädagogik" markiert werden (Bauer 2001: S. 2).

"Qualität" meint nicht gleich "Qualität", so unterscheidet Bauer (2001: S. 4ff) in seiner länderübergreifenden Bestandsaufnahme der Qualitätsdiskussion im Bereich personenbezogener sozialer Dienstleistungen drei Qualitätsverständnisse: Qualität als Managementphilosophie (instrumentell), Qualität als Gütekriterium Sozialer Dienstleistungen (objektiv) und das Qualitätsziel des Sozialleistungssystems (normativ). Für Deutschland stellt Bauer (2001: 18f) fest, dass "der Qualitätsdiskurs [..] im Zeichen der Rationalisierung von Verwaltungen und Dienstleistungsorganisationen [steht], und - damit verbunden - der Herstellung einer gewissen Transparenz bei der Leistungserbringung. Implizit wird dabei der Eindruck vermittelt, die Qualität der Leistungen ergäbe sich im Rahmen eines solchen Reformzuschnittes von selbst, oder aber eine vermeintlich bereits gegebene Qualität der Leistungen werde durch den Reformprozess abgesichert [..]. Ein Hinterfragen von fachlichen Standards der Sozialen Arbeit, das Überdenken des traditionellen Selbstverständnisses findet dabei nicht statt. [...] Die deutsche Ökonomisierungsstrategie bleibt [..] auf halbem Wege stecken. Die Marktorientierung geht nicht so weit [wie im Vergleichsland Großbritanniens], als Voraussetzung des betrieblichen Handelns das hochwertige 'Produkt' - also eine hervorragende Qualität der Dienstleistung - in den Mittelpunkt zu stellen. Vielmehr erlaubt es dieser Ansatz, die Betriebskosten ohne größere Rücksichtnahme auf die 'Produktqualität' zu senken. Negative Konsequenzen des 'Quasi-Marktes' sind hierbei kaum zu befürchten, solange sich die Machtposition der 'Konsumenten' nicht grundlegend ändert." Ebenso kritische und weiterführende Beiträge, insbesondere für die Entwicklung der Qualitätsdebatte und -praxis in Österreich, finden sich im Sammelband der Entwicklungspartnerschaft Donau - Quality in Inclusion (2007).

Befragen wir Leistungen nach deren Qualität, so stehen unmittelbar Fragen nach deren Legitimation, deren Effektivität und deren Effizienz im Raum.

"Effektivität versus Effizienz: nicht nur Dinge richtig tun, sondern auch die richtigen Dinge zum richtigen Zeitpunkt tun. Eine der größten Herausforderungen ist sicher, Indikatoren für die Messbarkeit zu finden - aber das geht. Auch in der Sozialen Arbeit! Wichtig ist, folgende Fragen zu beantworten: Wer braucht unsere Leistungen am dringendsten? Setzen wir unsere Ressourcen und Kapazitäten richtig ein? Wo zeihen wir eine rote Linie, unter die wir nicht gehen können? Mindeststandards, im Zusammenhang mit Kostendruck. Wie viel Bürokratie ist nötig? [...] Dienstleistungsqualität bedeutet, die Bedürfnisse der KlientInnen erheben, unsere Ansprüche definieren und laufend überprüfen, ob wir auf diesem Fahrstreifen unterwegs sind." (I4: 4)

Die Vorgehensweisen zur Sicherung von Effektivität und Effizienz jedoch werden vom Bereich der Privatwirtschaft übernommen (vgl. Schädler 2001, S.13f). Organisationssoziologisch kann die Übernahme der in der Industrie entwickelten Verfahrenssysteme in Sozialen Diensten als (makro-)isomorpher Prozess verstanden werden (Loidl-Keil 2003): Organisationen bzw. Organisationssegmente übernehmen Verfahrensweisen anderer. Institutionalistische Ansätze (vgl. Meyer / Rowan 1977, Zucker 1983, Scott 1988, DiMaggio / Powell 1991; in Schreyögg 2003) gehen davon aus, dass sich Organisationen anpassen und unterscheiden solche Isomorphien nach Zwang, Imitation und Norm. Bemerkt wird, dass Isomorphien in Erwartungen, Vorstellungen und sozialen Normen begründet sind und nichts damit zu tun haben, ob die angepassten Organisationsorientierungen und Organisationsstrukturen nun auch effektiv und effizient wären. Erklärt wird Isomorphismus damit, dass für Organisationsstrukturen nicht mehr nur ein "Produktivitätsdogma" gilt, sondern Schaffung und Stabilisierung externer Legitimität maßgebliche treibende Kräfte werden. Die im Bereich der Implementierung von Qualitätsmanagementsystemen in Sozialen Diensten beobachtbaren Entwicklungen können durchaus als solche Isomorphien verstanden werden.

Die Formulierung fachlicher Standards, die als Mindestvoraussetzungen in der Profession Soziale Arbeit gesehen werden können und ausschließlich Rahmenbedingungen beinhalteten, werden mit der Zeit zur Grundlage für Interventionen. Vernachlässigt werden jedoch häufig die Befragung bzw. Beobachtung von Klientinnen und Klienten zu den tatsächlichen Wirkungen der Interventionen. Ökonomische Fragen und Problemstellungen fanden in der Sozialen Arbeit ebenfalls wenig Rücksicht und waren meist nur auf Verwaltungsebene mit den obersten Akteuren zu klären. "Soziale Arbeit verstand sich als fachlich-pädagogische Tätigkeit." (Schädler 2001, S.14)

Eine Möglichkeit der Erklärung für diese Entwicklung - der Nicht - Berücksichtigung von Effizienz und Effektivität in der Sozialen Arbeit - steckt im "Technologiedefizit". Luhmann und Schorr (1982) verwenden "Technologie" ganz grundlegend für "Verfahrensweisen" und entwickeln diesen Begriff, um die Unmöglichkeit planbarer Einwirkung auf menschliche Entwicklungs- und Bildungsprozesse durch erzieherische Maßnahmen darzustellen. Selbst wenn wir diesem Argument nicht in seiner radikalen Auslegung folgen: menschliche Kommunikation, die Grundlage sozialarbeiterischen und sozialpädagogischen Handelns, bedeutet multiple Selbstreferenz. Die Überprüfbarkeit von Ursache-Wirkungszusammenhängen in der sozial-pädagogischen Arbeit wird aufgrund dieses Mangels unmöglich - oder zumindest nur schwer empirisch prüfbar -, da hier keinerlei technologische Standards vorhanden sind. Weiters ist Soziale Arbeit überwiegend Beziehungsarbeit, die von emotionalen Aspekten abhängig ist und zwischen Klientin / Klient und Professionist/in stattfindet. (vgl. Schädler 2001, S. 14f) Der Steuerbarkeit von sozialpädagogischem und sozialarbeiterischem Einwirken sind in dieser Argumentation enge Grenzen gezogen.

Hintergründe, die zur Forderung nach mehr Qualität in der Sozialen Arbeit führten, werden vielfach aufgezeigt, beispielsweise von Merchel (2004, S. 16f); sie werden auf veränderte Anforderungen hinsichtlich Legitimationsgrundlagen, Effizienz/Ökonomie und Gesetzgebung zurückgeführt.

1) Legitimationsanforderungen: Allgemeine Strukturmängel in allen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit, die in den Professionisten/innen Zweifel an der Wirksamkeit und am Nutzen sozialer Interventionen auslösen sind maßgebliche Hintergründe für die Qualitätsdiskussion. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen, die den Zustand der Handlungsweisen und ihrem Erfolg nachgingen, konnten diese Zweifel ebenfalls nicht aus der Welt räumen. Immer deutlicher wurde dagegen, dass Probleme methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit bestehen und nach mehr Legitimation verlangen.

2) Relevanz betriebswirtschaftlicher Orientierung: Durch die abnehmenden staatlichen Förderungsmöglichkeiten und die Verminderung der öffentlichen Gelder gerät die Soziale Arbeit unter zusätzlichen Legitimationsdruck, bezüglich der effizienten Verwendung der bereitgestellten Gelder. Soziale Organisationen müssen sich immer stärker mit der Frage nach dem Einsatz der Mittel sowie vor allem nach deren Wirksamkeit auseinandersetzen und die Qualität ihrer Arbeit betriebswirtschaftlich überprüfen und nachweisen. Weiters gerät die Produktorientierung in sozialen Organisationen immer stärker in den Mittelpunkt, wonach die Tätigkeiten und Interventionen immer stärker nach messbaren und nachvollziehbaren Qualitätskriterien ausgerichtet werden müssen. Verfahren zur Aufrechterhaltung und Überprüfung der Angemessenheit der Interventionen müssen entwickelt werden, um den Einsatz der Ressourcen zu optimieren. Qualitätsmanagement wurde deswegen auch in sozialen Einrichtungen bedeutender.

3) Veränderungen in den Sozialhilfegesetzen: Mittlerweile wurden die Bezeichnungen Qualitätssicherung, Qualitätsprüfung und Qualitätsentwicklung auch in den für soziale Organisationen grundlegenden Gesetzen implementiert und stellen somit eine Forderung an soziale Einrichtungen dar. Auch die grundlegenden Gesetze verlangen eine absichernde Überprüfung der Mittelverwendung und stellen den Anspruch an soziale Organisationen, sich mit der Frage nach der Qualität von Sozialer Arbeit auseinander zu setzen. Die Begriffe Qualitätssicherung und Controlling sind inzwischen auch in entsprechenden österreichischen Gesetzen verankert; beispielweise sind in Durchführungsverordnungen wie jener des steiermärkischen Jugendwohlfahrtsgesetzes, oder in der Leistungs- und Entgeltverordnung nach dem steiermärkischen Behindertengesetz Bezeichnungen für Qualitätsmanagement zu finden. (Vgl. StJWG - DVO, 2005, § 1; Vgl. LEVO StBHG, 2004, § 1) Bereits die Definition öffentlicher Leistungen stellt sich allerdings als problematisch dar (Fritz 2007).

Brenner (2007) macht eine weitere Triebfeder für Qualitätsbemühungen aus: die Akkreditierungsagenturen und -agenten/innen. In seinem Aufsatz spricht er - für den Bildungsbereich, was für den Sozialbereich in den Grundzügen ebenso gültig sein wird - von "verlockenden Versprechungen von Standardisierungen und festgelegten Qualitäten" (S. 86) und weist auf Konsequenzen nicht nur für die jeweiligen Organisationen, sondern auf die Gesellschaft hin. Quasi im Windschatten der ergebnislosen Suchen öffentlicher Einrichtungen nach "Ankerpunkten" im Leistungsverordnungs- und -erbringungsgeschehen würden Akkreditierungsagenturen leichtes Spiel haben, ihre Interessen zu platzieren. Bei der Einführung, Entwicklung, Akkreditierung, Selbstdarstellung usw. sei es außerordentlich kritisch zu betrachten, dass die Beteiligten und Betreibenden zum Großteil aus dem Wirtschaftsleben kommen; beispielsweise in der Zusammensetzung der Gremien, die Qualitäten fixieren und kontrollieren möchten.12 Ebenso wie für die Dienstleister würden sich für die öffentliche Hand allerdings die Aufwende und Ausgaben letztlich nur erhöhen. Die Regulierungs-, Dokumentations- und Überwachungsabsichten würden zu einem "monströsen Strudel der Selbstbürokratisierung" und nur zu "virtuellen Planungssicherheiten" führen (Brunner 2007: S. 86f). Wird Qualitätskontrolle gewünscht, dann müsste die Frage wesentlich eindringlicher gestellt werden, wer die Qualitäten formuliert und ob dabei eine Interessensunabhängigkeit der Formulierenden und Prüfenden sichergestellt ist. Ausgesprochen fragwürdig ist dann auch die Kontrollpraxis, wenn die fraglichen und zu kontrollierenden Agenden bzw. deren Qualitäten von den sie Ausführenden bzw. Herstellenden selbst festgestellt, kontrolliert und gemanagt werden. Es ist nicht unschwer zu folgern, dass solcherart Qualitätsbestrebungen zu langfristigen Umbauten und Architekturen im gesellschaftlichen Gefüge führen. Deshalb wird ein Wachen darüber wesentlich sein, wie soziale Normen - hier Qualitätsansprüche - hergestellt werden. Eine Qualitätskontrolle durch Bürokratie und durch den öffentlichen Interessen entzogenen Einrichtungen (Gremien) in "anonymer Experten- und Funktionärsherrschaft" (Brunner 2007: S. 88) wird es keinesfalls sein.

Bezüglich der Effektivität und der Effizienz sozialer Dienste13 müssen wir zwei wesentliche Aspekte betrachten (vgl. Loidl-Keil 2003). Zum einen reicht die Effektivitäts- und Effizienzfrage über die Messmethoden und die Auswahl geeigneter Indikatoren zur Beurteilung der Qualität und der Effekte sozialer Dienstleistungen weit hinaus und betrifft deren "Messbarkeit" an sich. Konsequenterweise bedeutet dies auch, dass die Beurteilungen, Wirkungsfeststellungen und Messungen von sozialen Werten und Zielen allenfalls "relationaler" Natur sind und keine "absoluten" Maßstäbe an sich sein können. Beurteilungen der Effektivität und Effizienz sozialer Dienste müssen also in ihren jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten gesehen werden. Darüber hinaus fallen zum anderen die Antworten darauf, ob ein soziales Ziel im Vergleich zu anderen angemessen gewichtet ist und sich dessen Verfolgung auch "lohnt", denkbar unterschiedlich aus. In der Urteilsfindung darüber, mehr oder weniger öffentliche Mittel in die Versorgung von kranken Menschen, oder blinden Menschen, oder tauben Menschen, oder gebrechlichen, oder alten, oder jungen, oder arbeitslosen, oder psychisch beeinträchtigen Menschen, zu realisieren, spielen die persönliche Betroffenheit und das eigene Interesse eine maßgebliche Rolle, ebenso wie deren Zyklus auf der politischen Agenda. Wenn auch die politische - und zuweilen kontroversiell argumentierte - Einflussnahme bei der Allokation öffentlicher Ressourcen auf verschiedene Bereiche sozialer Dienstleistungen verständlich ist, so beruht die Entscheidung zur Gewichtung und Übernahme sozialer Verantwortung letztlich auf unseren jeweiligen moralischen Grundsätzen und sozialen Wert- bzw. Normsystemen.

Leistungen, Qualitäten und Qualitätssicherung in der Sozialen Arbeit stellen sich im Kontext moralischer und sozialer Fragen komplex dar (vgl. Speck 1999, S. 13ff). Mit der Einführung von Qualitätsmanagement in die Soziale Arbeit wird der Eindruck vermittelt, dass auch Handlungen, die in diesen Sektor fallen, gesteuert und mittels technischer Instrumente simpel qualifiziert werden können. Orientierungen wie diese kennen wir etwa unter dem fragwürdigen "Management-by-Objectives".14 Die Problematik hierbei liegt allerdings in der Vorstellung, dass es möglich wäre, bestimmte Methoden (Verhaltensweisen) an einen sozialen Vorfall zu binden und somit die Bedingungen für die Eignung der Methode festzulegen (vgl. Merchel 2004, S. 43ff). Soziale Arbeit aber hat keine Produkterzeugung zum Gegenstand, bei der Fehlerquellen eindeutig gemessen, überprüft und verhindert werden könnten. Zirkuläre Kausalität und interaktive Differenzierungen im Menschsein steuern die Erbringung sozialer Leistungen und nachfolgend deren Wirkungen immens. Sozialtechnisch gestrickte Versuche, Qualität in sozialen Organisationen aus dem "Qualitätsmanagement-Cockpit" zu steuern, greifen zu kurz, sie spiegeln die Komplexität dieses Bedingungsfeldes nicht wider. Gegenüber einrichtungsinternen Faktoren heben Autoren zum einen die Bedeutung der subjektiven Faktoren (Werthaltungen, Einstellungen, Erfahrungen) in diesem Bedingungsfeld (vgl. Merchel 2004: S. 44) und kontextuale Faktoren (Loidl-Keil 2003; 2008) hervor.

Es wird argumentiert (Loidl-Keil 2003: S. 83ff), dass ein wiederkehrendes Problem in der Betrachtung der Ökonomie Sozialer Dienste die Eingeschränktheit darstellt, weder Kosten, noch Qualität, noch Nutzen sozialer Dienstleistungen "präzise" beobachten oder messen zu können. Darüber hinaus unterliegt die Zuordenbarkeit der an bestimmten Interventionen beobachteten anschließenden Effekte sozusagen einem "zeitlichen Zerfallsprozess". Dort, wo wir in Analogie zur industriellen Fertigung und den relativ gut standardisierbaren technischen Produktionsprozessen nach ebensolchen festlegbaren Input-Throughput-Output-Verhältnissen und kausal eindeutig zuordenbaren Ursache-Wirkungsketten suchen, laufen wir im Bereich der sozialen Dienstleistungen (derzeit) ins Leere.

Wenn hier kommerzielle mit sozialarbeiterischen Dienstleistungen gegenübergestellt werden, so geschieht dies aus der Position, dass diese nur analytisch getrennt werden können. Gerade eine soziologische Perspektive entwirft kommerzielle bzw. ökonomische Orientierungen und Praxen als "sozial", und ökonomisch-betriebswirtschaftliche Kalküle als eine Ausformung menschlichen Denkens und Handelns. "Kommerziell" sowie "sozialarbeiterisch" meinen dann einen primären Organisations- und Dienstleistungszweck. Die Argumente, die der Beitrag für den Bereich sozialarbeiterischer Leistungen und die Qualitätsdiskussion vorbringt, gelten prinzipiell auch für personenbezogene Dienstleistungen im kommerziellen Bereich. Da wie dort sind nur regelhafte Dienstleistungserbringungen standardisierbar, da wie dort entfalten sich personenbezogene Dienstleistungen im uno-actu-Prinzip, da wie dort sind sie nur schwer oder langfristig sichtbar, da wie dort ist das Leistungsgeschehen komplexer als in den Qualitätsformulierungen angegeben. Und in kommerziellen Organisationen formulierte Qualitätsstandards sind häufig nur vermeintlich "klar".

Sozialtechnische Konzepte greifen deshalb nicht,

Wir würden gerne Kosten, Nutzen und Einsparungen sozialer Dienstleistungen einander gegenüberstellen können, und dann im benchmarking mit Leistungen anderer Dienste vergleichen wollen. Dies geht so einfach aber nicht, um Qualität, Wirkung, Nutzen und schließlich die Vertretbarkeit der eingesetzten Mittel in Relation zu deren Wirkungszeugungen erschließen, prüfen und beurteilen zu können. Zu oft befinden sich Eruierung und Bekanntgabe von organisatorischer Effektivität und Effizienz zudem zwischen Propaganda und spezifischen Interessenslagen und Machtverhältnissen.

Gänzlich "unsteuerbar" sind Qualitäten in der Sozialen Arbeit aber keinesfalls. So beschreibt etwa Meinhold (1998: S. 9ff) drei Aufgaben, die zur Erreichung von Qualität sozialer Dienstleistungen zu bewältigen sind. Als erstes müssen Kriterien zur Bestimmung der Qualität einer Dienstleistung aufgebaut werden. Dies sind möglicherweise Handlungsgrundlagen, die bereits allgemein hin bekannt sind, aber dennoch nicht immer eingehalten werden. Exemplarisch wäre hier die Transparenz der Handlungsweisen gegenüber dem Klientel zu nennen. Der zweite Schritt inkludiert die Entwicklung von Instrumenten zur Erkennung der Qualitätskriterien, beispielsweise eine Unterschrift der Klientin auf der gegenseitigen Vereinbarung zwischen ihr und der Sozialarbeiterin, welche die Ziele in der Arbeit zum Inhalt hat. Als dritten Schritt zur Beschreibung, Überprüfung und Sicherung der Qualität einer sozialen Dienstleistung ist es notwendig, Unterstützungen bei der Planung von Maßnahmen anzubieten, die auf den bereits definierten Qualitätskriterien basieren.

Dabei zeigen bereits betriebswirtschaftliche Modelle neue und erweiterte Modelle auf: Qualitätssicherung und Controlling können mit Habersam & Piber (2009) für kommunale soziale Dienstleistungen umgedacht werden. Im "klassischen" Controlling werden Qualitätsmanagement und Steuerung demzufolge reduziert, simplifiziert und bleiben realitätsfern. Um die Realität sozialer Dienstleistungserstellung adäquater abzubilden, werden Elemente wie: Einführung eines Subjektivismus; Bewusstsein der Urteilsfindung als wertebehafteter, politischer Akt; Anerkennen der Vielfalt konkreter Fälle; Rekontextualisierung des Leistungsgeschehens; Distanzierung von einem Totalitätsanspruch des Controlling-Systems; Enttrivialisierung von Organisationen; Steuerung als "Change Management" bzw. Management im Umgang mit Einzelfällen; Kritik und Selbstkritik der Beteiligten als Innovationselement (Habersam/ Piber 2009: S. 40) genannt. Nicht der Aspekt des "Qualitätswertes" oder "Messwertes" ist hier vorrangig, sondern der Aspekt des "Messens" an sich, der Akt der Aushandlung des Merkmals bzw. des Wertes, der für eine bestimmte Qualität stehen soll, rückt in den Vordergrund.

3. ISO-QM-Implementierungen und deren betriebliche Konsequenzen - Organisationskulturspezifische und organisationskulturübergreifende Aspekte
Wie verlaufen Implementierungsprozesse von ISO-Qualitätsmanagementsystemen in der Praxis und welche betrieblichen Konsequenzen gehen damit einher? Ausgehend von Hasenburger (2006) illustrieren wir die Ergebnisse ihrer qualitativen Studie zu folgenden Aspekten: Einstellungen und Werthaltungen von Belegschaft gegenüber ISO; Absichten zum Erwerb einer Qualitätsmanagementsystems und einer ISO 9001:2000 Zertifizierung; Implementierungsverlauf; Nutzenerfahrungen von ISO 9001:2000 für die Organisation; und Auswirkungen auf die Organisation und die Mitarbeiter/-innen als auch die Arbeit mit den Klienten/-innen.

Ein Grundsatz in der Realisierung von Dienstleistungsqualität in einer Organisation dürfte unzweifelhaft sein, dass hierzu Integration und Identifikation der Mitarbeiter/innen zentrale Größen sind - was in der Praxis nicht immer verwirklicht wird. Ob und wie das ISO-QM-System von den Mitarbeiter/innen anerkannt und überzeugend getragen wird, bleibt offen.

"Ich denke, die Geschäftsführung wird sich sicher einige [Qualitätsmanagementmodelle, d. Verf.] angeschaut haben, und wird zum Schluss gekommen sein: das ist das Beste." (I7: 5)

"Da [zur Entscheidung hinsichtlich des implementierten ISO-QS, d. Verf.] kann ich Ihnen leider keine Antwort geben, das obliegt der Geschäftsführung. Wahrscheinlich wird das für den Sozialbereich, zum damaligen Zeitpunkt, das Passendste gewesen sein - könnte ich mir vorstellen." (I6: 6)

Wenig überzeugend ist die Wahl eines ISO-QM, wenn die Entscheidung lediglich im Phänomen der vorübergehenden Aktualität des QM-Systems begründet wird.

"... weil es gerade "in" ist. (I2: 9)

"... wenn ich mich nicht in den Strom begebe, dann bin ich irgendwann weg." (I6: 6)

In diesem Sinne stellt sich auch die Frage, ob die "Modeerscheinung ISO" einen tatsächlichen Bedarf der Organisation abdeckt, und somit sinnvoll ist, oder der Bedarf erst durch die Popularität des Aufkommens von Qualitätsmanagement im Allgemeinen und von ISO 9001:2000 entstanden ist. Neben dem populistischen Aspekt in der Begründung eines QM-Systems wird hauptsächlich auf einen "Kundinnen-Bedarf" oder eine "Nutzerorientierung" verwiesen - auch wenn meist nebulös bleibt, wie sich diese präzise eruieren ließe und wie eine persönliche Bedarfsäußerung in Relation zu einem fachlich-professionell festgestellten Bedarf zu bringen wäre.

"Es ist ein Bedarf, der entstanden ist. Die Frage, noch einmal, was tut eine Organisation um kundenorientiert zu arbeiten, um Prozesse und ihr System, im Rahmen der Qualität zu entwickeln, und was tut eine Organisation um sich kontinuierlich weiterzuentwickeln." (EI2: 8)

Der Aspekt der Integration und der Werthaltungen der Mitarbeiter/innen bzw. jener Personen, die die Leistungsqualitäten realisieren sollen, kann in seiner verhaltensrelevanten Bedeutung kaum überschätzt werden. Steht nicht die gesamte Organisation - sprich die Mitarbeiter/innen - hinter dem QM-System, kann Qualität kaum verlässlich realisiert werden bzw. funktioniert das QM-System nicht. "... weil diese Personen im Endeffekt auch für die Durchführung einen wesentlichen Beitrag leisten." (I6: 10f) Werden die betreffenden Personen nicht beteiligt, kann mit einem interviewten Experten von einer "Implementierungsfalle" (EI2: 14) gesprochen werden. Ausschließen oder außer Acht lassen kann unter Umständen gar zu gegenläufigen Effekten hinsichtlich einer potentiellen Qualitätsrealisierung führen, insbesondere dann, wenn die QM-Implementation keine Distinktion zur vorangegangenen Leistungserbringung machen kann: zur Unzufriedenheit der Mitarbeiter/innen bis hin zur Resignation.

"... dass mit der Einführung des Qualitätsmanagementsystems die Unzufriedenheit unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Organisation gewachsen ist." (I2: 13)

"Inzwischen gibt es das halt, aber man macht es eh so wie vorher." (I2 13)

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Implementierung bzw. Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems nach ISO 9001:2000 durchaus Auswirkungen auf die Organisation selbst, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Klientel der Organisation hat. In der Praxis scheinen Implementierung und Zertifizierung von ISO 9001:2000 aber nahtlos ineinander über zu gehen: die interviewten Personen können diese Trennlinie weder ausmachen noch konkretisieren.

ISO 9001:2000 bewirke mehr Struktur und Transparenz innerhalb der Organisation - ob die Leistungen auch für die Leistungsempfänger bzw. Klientinnen transparenter wird, sei dahin gestellt. Hinzu kommt, dass Sozialarbeit mitunter Leistungen erbringt, deren Wirken das Intransparenthalten über die zu erreichenden Leistungsziele bedingt. Durch die genaue Beschreibung der Prozesse und die Zuteilung der dafür verantwortlichen Personen würden Abläufe transparenter und "Soll-Werte" durch die Erstellung des Qualitätsmanagement-Handbuches für jeden zugänglich. Auch Regelungen, die bereits informell innerhalb der Organisation existierten, können nun schriftlich festgehalten werden, um eine größere Sicherheit bezüglich Legitimation und Nachvollziehbarkeit von Handlungen zu erhalten. So geschmeidig Transparenz klingt, bedeutet deren Entwicklung in der Organisation jedoch ein Umlernen sowohl der Führungsebene als auch der Mitarbeiter/innen sowie eine Verschiebung in den Interessenslagen.

"wir [die obere Leitungsebene, d. Verf.] bei gewissen Dingen schon auch genauer hinschauen, was auch so die Sicherheit betrifft beispielsweise..." (I1: 11).

"Anfangs lösten diese Veränderungen [durch das neue ISO-QM, d. Verf.] Unstimmigkeiten unter dem Personal aus, die sich mit der Zeit allerdings gelegt haben. Durch die einheitliche und auch sehr klare Handhabung der Abläufe ist zum späteren Zeitpunkt eine Erleichterung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingetroffen." ( I1: 7ff)

"Es führt generell einfach zu Klarheit, und auch ... [Pause] ... wie könnte man sagen ... Ja, es ist natürlich auch mehr Kontrolle möglich." (I3: 4)

Die vorgeschriebenen internen und externen vorgeschriebenen Audits zur Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems nach ISO 9001:2000 ermöglichten dem Unternehmen eine Evaluierung der vorhandenen Prozessabläufe und Strukturen. Vor allem das externe Audit eröffnet eine fremde Sichtweise, die bestehende Fehlerquellen aufdecken kann und der eigenen Betriebsblindheit entgegensteuert.

"... dass sie ein externes Audit machen; weil erst dann ist es sichtbar, was sich verändert hat, und wo es auch noch Veränderungsbedarf gibt, und das muss ich mir fremdbewerten lassen, weil man das einfach von außen viel besser sieht, als von innen." (EI2: 9)

Potentiell bringt eine externe Begutachtung aufgrund deren Erfahrungen in und mit anderen Organisationen zudem wichtige Referenzinformationen hinsichtlich des beabsichtigten QM für die jeweilige Organisation ein.

"... so ein Wissenstransfer ist, wenn man eine gleiche QM-Struktur hat, viel leichter möglich." (EI1: 18)

Eine externe Betrachtungsweise birgt allerdings Chancen und Risiken zugleich. Eine Begutachtung stellt erwartungsgemäß hinsichtlich des realisierten oder angestrebten Qualitätsmanagements auch für das Unternehmen negative Aspekte fest, beispielsweise in den Prozessabläufen oder in der Dokumentation. Nun zeigt sich aber, dass gerade der Umgang mit "Organisationsmängeln" eine Frage der Unternehmensphilosophie ist. Wie eine externe Begutachtung betrachtet wird, als "Prüfung" oder "Lernen", entscheidet darüber, ob und wie positive Lerneffekte generiert werden können. Entweder betrachtet die Organisation den Umgang mit Fehlerquellen als Chance um Verbesserungen zu ermöglichen, wie in der Unternehmensphilosophie einer lernenden Organisation, oder das Unternehmen geht von einem "Optimalstatus" aus und verschließt sich gegenüber Verbesserungsvorschlägen und der Aufdeckung möglicher Fehlerquellen. Gestaltungsoptionen werden nicht erschlossen, Qualitäten bleiben unentdeckt. Wird Qualitätsmanagement bürokratisch ausgelegt, kann dies zu Rückschritten in Organisationsentwicklungen führen.

Zumal Effekte von QM-Implementierungen in die Unternehmenskultur auch dann eingebettet sind, wenn an ihr liegt, ob die in den ISO 9001:2000 geforderten ausführlichen Dokumentationen begünstigend für die Organisationsgestaltung erfahren werden. Einerseits wird eine ausführliche Dokumentation positiv als Handlungslegitimation gesehen, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter somit eine Absicherung ihrer Handlungsweisen erfahren. Andererseits wird die Dokumentation als sehr mühsam erlebt, sie beansprucht wichtige Betreuungszeit und wird von den Mitarbeiter/-innen erschwerend erlebt.

"Ja, und auch eine Sicherheit, intern für die ganzen Mitarbeiter. Weil ich mit den Prozessen interne Betriebsrichtlinien habe, und ich kann mich da - mit diesen Richtlinien - eigentlich durch mein Berufsleben bewegen. Und wenn ich merke: das funktioniert nicht mehr so, oder da gehören Abänderungen geschaffen; also, das ist dann für mich Qualität, weil dann kann ich das wirklich mit einer Verbesserung wieder lenken." (I6: 8)

"Es wird viel mehr geschrieben." (I2: 9)

Allerdings schwinden Dokumentationsaufwende dann, wenn Qualitätsmanagement konsequent umgesetzt und selbst laufend optimiert wird. Hoch ist der Dokumentationsaufwand vor allem in der ersten Implementationsphase - die recht lange dauern kann; danach nimmt die Dokumentationsflut in der Regel spürbar und nachhaltig ab.

"Und jetzt [drei Jahre nach der Zertifizierung, d.Verf.] gehen wir wirklich mehr in die inhaltliche Entwicklung." (I1: 4).

"Also, es [die Implementation, insbesondere die Dokumentation, d. Verf.] war ein gewaltiger Zeitfaktor, ganz am Anfang, dass wir das Gefühl gehabt haben: vor lauter Umstellen und Erneuerungen haben wir eigentlich keine Zeit mehr, um am Kunden zu arbeiten." (I6: 9)

"Positiv sehe ich, dass die Information klarer ist, und dass die Prozesse klar sind. Negativ sehe ich, dass die Betreuer zu wenig Zeit für Betreuung haben. Dort gehört noch etwas gemacht. Und ich kann mir schon vorstellen, wenn man schon so viel automatisiert hat, bei Prozessen, dass man da auch in der Dokumentation noch einiges automatisieren kann, oder sich auch von ein paar Zetteln verabschieden kann. Das muss man sich dann eben im Detail anschauen." (EI3: 11)

In den sozialen Diensten werden dann auch Dokumentationen standardisiert, relevante und tatsächlich brauchbare Formulare zur Dokumentation werden zudem manches Mal weiterentwickelt - sowohl hinsichtlich deren zeitlicher Effizienz als auch fachlicher Inhalte.

Qualitätsförderliche Aspekte ließen sich auch dahingehend ausmachen, dass vormals noch nicht definierte Leistungen nun überhaupt erst sichtbar werden. Durch die Einführung des an ISO orientierten Qualitätsmanagementsystems werden die eigene Arbeit und deren Erfolge beobachtbarer.

"... plötzlich in die Tätigkeitsebene. Das war der entscheidende Erfolg der prozessorientierten Managementsysteme. Vielleicht zum ersten Mal konnte hier gemessen werden, was bis dato ja nicht der Fall war." (EI2: 12)

Dem wäre jedoch ein potentiell gegenläufiger Qualitätseffekt entgegenzuhalten, dass nämlich Qualitätsmanagement- und Dokumentationssysteme entlang der organisatorischen Logiken systematisch so angelegt werden, dass das System Erfolge besser als Misserfolge dokumentiert. Die Betroffenen jedenfalls haben durch die bessere Leistungssichtbarkeit ein Erfolgsgefühl und fühlen sich in ihrer Arbeit wertgeschätzter.

Kritisch erweist sich ein mögliches Motiv zur Zertifizierung, welches in der Praxis qualitätshinderliche Momente verdeutlicht. So wählen Einrichtungen bzw. Unternehmen eine Zertifizierung gerade deshalb, um sich nach außen zu präsentieren und bei den Fördergebern zu punkten, ohne jedoch wirklich hinter der Idee der ISO 9001:2000 Norm zu stehen.

"Es gibt ja auch andere Gütesiegel, wo man in Heime reingeht. Hängt mal dieses, mal jenes. Es scheint wohl wichtig zu sein, dass man es hat. Aber, dass es die Qualität - ich kann das Wort schon nicht mehr hören - verändert, glaube ich nicht. Also, ich habe in keinem Betrieb erlebt ... es wird vielleicht strukturierter gearbeitet, aber ob qualitativ höherwertig, würde ich in Frage stellen." (I2: 12)

Das ISO-Konzept bestrebt, erhöhte Unternehmens- bzw. Leistungsqualität durch die Optimierung von Prozessabläufen und die Orientierung an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden zu erlangen. Die Interviews verweisen hierbei auf zwei problematische Umstände. Erstens erleben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die ISO-Zertifizierung nicht selten als "aufgesetzt", bezweifeln deren Sinn und können keinen tatsächlichen Nutzen - für ihre Arbeit - mit der Zertifizierung verbinden, obgleich ein erhöhter persönlicher Arbeitsaufwand entsteht. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden demotiviert, erlebte Aufwende kontrastieren konzeptuelle Potentiale scharf.

4. Qualitätsmanagement als soziale Norm
Dörfler (2007) kritisiert in ihrem Beitrag die praktizierte Qualitätssicherungsagenda in Pflegeheimen aus ihrer Sicht als Auditorin und Pflegesachverständige und im Resümee ihrer Beobachtungen seit Einführung des Pflegequalitätssicherungssystems PQsG im Jahr 2001. Anstelle der Arbeit am Menschen nehmen in der "Zauberformel Qualitätsmanagement" bürokratisierte Abläufe Überhand. "Nicht selten wird unter dem Deckmantel der Lebensqualität Kostenreduzierung betrieben. Der eigentliche Sinn und Zweck des Qualitätsmanagements rückt zunehmend ins Nebulöse." (Dörfler 2007: S. 27) In der Fachpraxis werden durch Qualitätssicherungssysteme Orientierungen transportiert, die Verantwortlichkeiten nachhaltig verschieben: Verantwortung für Inhalte, für das eigene Handeln und das individuelle Hinwenden zum Bedürftigen wird skelettiert auf das Einhalten vorgegebener Regeln. Wenn Leitungskräfte ob hoher Anforderungen dann verunsichert sind, resignieren und Qualitätsmanagementsysteme nur mehr ohne Überzeugung betreiben, "weil es von oben oktroyiert ist" (Dörfler 2007: S. 27), dann ist das nicht nur verständlich, sondern macht ein weiteres Moment sichtbar: in der Fachpraxis schwindet der Glaube an Qualitätsmanagementsysteme - und zwar völlig zu Recht. "Vertrauen Sie nicht zu sehr auf die schriftlichen Nachweise. Papier ist geduldig, das gilt auch für Qualitätsberichte und andere Aufzeichnungen. Sprechen Sie noch mehr mit den Bewohnerinnen und Bewohnern - und mit dem Personal. (...) Es ist Zeit die Bremse zu ziehen und die heilige Kuh Qualitätsmanagement zu schlachten. Qualitätsmanagement ist ein Instrument, eine Methode - nicht mehr. Sie kann Inhalte nicht ersetzen." (Dörfler 2007: S. 28)

Die Renaissance der Bürokratie? In der Sprache von Max Weber würden wir die bürokratische Handlungsorientierung und den "Glauben an die Hierarchie" wiedererkennen: richtig und qualitätsvoll ist ein Tun, weil es einer Vorschrift genüge tut. Qualität per Verordnungsschein. Legitimation durch Vorschriftsentsprechung. Die Geschichte zeigte die Folgen des Scientific Management á la Taylor in ganzer Tragweite. Die genaue und konkrete Abschätzung von qualitätsförderlichen Maßnahmen in einer - wie argumentiert - einmaligen Leistungssituation nimmt aber kein System ab. Überbordende Abläufe können "abgespeckt" werden. Anforderungen sind schnell formuliert, und jene Anforderungen, die unverständlich oder inhaltlich nicht überzeugend sind, sollten häufiger in Frage gestellt werden.

Leistungen und Qualitäten zu verbessern, ist fraglos ein wünschenswertes Ziel. Qualitätsmanagementsysteme aber garantieren keinesfalls verbesserte Qualitäten. Im Gegenteil, wie uns die Fachpraxis vorführt, differieren beobachtete von erwünschten Zuständen nicht nur, sondern Qualitätsintentionen verkehren sich im Organisationshandeln zu "Qualitätshemmern" (Hasenburger 2006). Denn die gelebte Praxis der Implementierung solcher Systeme entscheidet letztlich darüber, wie sie ihre erstrebten Verbesserungen entfalten können. Und wenn Implementierungen und Zertifizierungen nicht in die tragenden organisatorischen Normen - verankert in Organisationsphilosophie und -kultur - eingebettet sind, verlaufen Absichten im Sand, oder führen gar zu qualitätshinderlichen Entwicklungen.

Es gilt, Qualitätsmanagementsysteme zu befördern, die die Reflexion des eigenen Tuns und die Einbindung externer, kritischer Sichtweisen unterstützten. Ein ganz bestimmtes "Zertifikat" spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

"Und eine Fremdevaluierung, vor der drücken sich auch viele, bei der Zertifizierung. Das ist für mich einfach auch ein ganz wichtiger Schritt, den man auch mitgehen muss. Die Selbstevaluierung ist die Grundlage, aber ich muss mir auch eine Fremdevaluierung gefallen lassen." (EI3: 7)

"Ja, ich bin dafür, dass es so etwas gibt wie Normen, Standards, Formulare für plakatives, offenes Arbeiten. Alles, was dazu notwendig ist, und ob das jetzt ISO ist oder irgendetwas anderes, ist an und für sich egal." (I2: 7)

QM-Systeme, ausgelegt als soziale Normen, haben bestimmte Funktionen der sozialen Steuerung und Kontrolle, Erwartungssicherung und -sicherheit, Konfliktlösung, Legitimationsabsicherung usw. . Sie sollen die Chance zur Durchsetzung bestimmter Normen erhöhen, etwa durch entsprechende Sanktionen, oder Zwang. Wie solche QM-Systeme entworfen und realisiert werden, ist letztlich eine Frage, auch, nach der Beschaffenheit und Entwicklung der sozialen Ordnungen und sozialen Orientierungen, hier in der Sozialen Arbeit.

QM-Systeme sind populär, QM-Systeme selbst werden zu einem Kennzeichen einer Organisation, mit dem sie sich schmückt. Qualitätsmanagement wird zu einer sozialen Norm. Die Soziologie liest Normen als beobachtbare Zeichen gesellschaftlicher Verhältnisse, welche Rückschlüsse auf die moralische Grundverfassung ermöglichen (vgl. Rottleuthner 1994: S. 216ff). So können wir Qualitätsnormen und -systeme beobachten und die sie begründenden Vorstellungen über "gute" und "schlechte" organisatorische Bedingungen darin erkennen.

Wir wissen zudem, dass wir verschriftete und gelebte Normen unterscheiden, dass Normrealisierung und Normwirklichkeit eine andere sind als die Normabsicht. Eine solche Analyse ist bereits vom Ansatz her systemkritisch angelegt, da Norm und Wirklichkeit sowie formalisierte Abläufe bzw. Strukturierungen und deren Realisierung konfrontiert werden. Qualitätsmanagementsysteme werden erdacht und realisiert, um die Praxis mit bestimmten Zielvorstellungen zu durchsetzen - eine solche "Omnipotenz" wird grundsätzlich bezweifelt. Bezweifelt wird nicht die Absicht einer Orientierung hin auf Qualitäten, aber massiv erstens eine verfahrensorientierte Auslegung von QM-Systemen und zweitens eine "sozialtechnische" Auslegung und am Konzept "Standardisierung" haftende Realisierung, in der kontextual zur Implementierung wirkende Normen außer Acht gelassen werden. Drittens wäre zu hinterfragen, welche soziale bzw. organisatorische Norm ein QM-System befördert: wird das QM-System als Kontrolle eingesetzt bzw. erlebt oder als Moment einer organisatorischen Entwicklung. Das aktuelle Qualitätsmanagementverständnis, v.a. a la ISO, ließe sich - ausgehend davon, dass Normen sowohl eine regulative als auch eine konstitutive Funktion haben - wohl häufig einer kontrollierenden und regulativen Grundorientierung zuordnen. Das bedeutete auch, dass qualitätskonstituierende Elemente in den Hintergrund traten.

Normen sollen "Verhaltenskorridore" festlegen, sie drücken aber den Willen der Involvierten immer auch "ungleich" aus. Die Normentstehung ist verknüpft mit der Frage des Einflusses bzw. der Einflussnahmemöglichkeiten, also dem Willen bestimmter Gruppen. Ob die konkrete Praxis ohne ausreichende Einbindung in die Implementierungs- und Zertifizierungsprozesse bei QM-Systemen danach ihren Willen tatsächlich entlang der intendierten QM-Normen ausrichtet, bleibt höchst fragwürdig. Eine solche Bereitschaft ließe sich im Extremfall nur mehr diktieren, sehend, dass die Qualitäten der Leistungen kaum verbessert würden.15


Verweise
1Wir danken den Gutachtern/ Gutachterinnen des Beitrages für ihre unterstützenden und unsere Ausführungen schärfenden zusammenfassenden Rückmeldungen.
2Im Beitrag variieren wir in den Formen der geschlechtsneutralen Begriffsformulierung, wir meinen stets beide Geschlechter - außer es ist explizit anders ausgeführt.
3Die drei Experten/-innen sind: ein diplomierter Sozialarbeiter und ausgebildeter Qualitätsmanager; ein Facharzt, Systemtherapeut, Unternehmensberater und QM-Auditor; eine diplomierte Sozialarbeiterin und Leiterin der QS-Abteilung der Fachabteilung Soziales in einer Landesregierung. Die sieben in der Sozialarbeit tätigen Personen stammen aus den Qualifikations- und Tätigkeitsbereichen: Sozialpädagogik, Psychotherapie, Sozialarbeit, Sonderpädagogik; Leitung Kinderbetreuungseinrichtung, Seniorenzentrum, Familienzentrum, Drogentherapie, Leitung einer Einrichtung für psychisch Kranke, Leitung eines Ausbildungszentrums für Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen, Einrichtung für Menschen mit Behinderung.
4Im Beitrag zitieren wir die Textpassagen nach den Originalquellen, den Interviewtranskripten. Die Textpassagen sind inhaltlich unverändert, aber sprachlich geglättet.
5Die gegenwärtige Debatte über unterschiedliche Typen solcher "Merkmale" bzw. "Eigenschaften" anhand beispielsweise von Einteilungen in "Struktur-Prozess-Personal-Ergebnis" oder "Potential-Prozess-Ergebnis" oder "Input-Throughput-Output-Outcome-Impact" etc. vertiefen wir hier nicht. Anzumerken ist jedenfalls erstens, dass sich die Qualitäten hinsichtlich dessen, was sie adressieren unterscheiden, und zweitens, dass vielfach - und zumeist auf der Grundlage von Plausibilitätsannahmen - hergestellte Kausalbezüge zwischen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualitäten ungeprüft oder fehlerhaft sind - dass also vom Vorliegen der einen nicht auf das Vorliegen der anderen Qualität geschlossen werden kann. Grundsätzlich meint "Qualität" immer die Ausprägung einer bestimmten Eigenschaft bzw. eine Merkmalsausprägung. So wären z.B. "Öffnungszeit" oder "Qualifikationsniveau" oder "Wohnverhältnis" Dimensionen, und "ganztägig" oder "Akademische Ausbildung" oder "Obdachlosigkeit" Ausprägungen bzw. Qualitäten.
6Der ebenso wichtigen und zu diskutierenden Frage, "wer" - welche Institutionen - diese sozialen Orientierungen bzw. Qualitätsnormen generiert, und ebenso der Frage, "warum" eine Institution eine solche Norm generiert (der Frage nach der Strategie bei der Qualitätsformulierung und -aushandlung) räumt dieser Beitrag sicherlich unzureichend Platz ein. Dies mag an anderer Stelle aufgegriffen und intensiviert werden.
7Beachtenswert in der Qualitätsdiskussion und -aushandlung sind v.a. nicht selten stillgeschwiegene, aber essentielle Verschiebungen in den grundlegenden Qualitätsorientierungen, z.B. wenn in Fördervereinbarungen Leistungswirkungsqualitäten anstelle von Leistungsqualitäten definiert werden - ein Aspekt, dessen Tragweite kaum überschätzt werden kann.
8Auf den diskussionsbedürftigen Umstand, dass "Qualitäten" spezifischer sozialarbeiterischer Leistungen - etwa in der Jugendwohlfahrt eine Familienberatungsleistung, eine Streetwork-Leistung, eine Fremdunterbringungsleistung - nicht nur unterschiedlich sind, sondern unterschiedlich (gut oder nicht) messbar sind, gehen wir nicht näher ein.
9Der Beitrag konzentriert seine kritische Stellungnahme auf QM-Systeme, stellvertretend hier die ISO-Normdebatte. Andere Normsysteme wie z.B. TQM (z.B. EFQM), KVP, Kai-Zen, Toyotismus etc. sparen wir von einer engeren Betrachtung aus.
10Senge (2004) diskutiert, wie sich Organisationen verändern bzw. wie sie im Vorzeichen gesellschaftlichen Wandels weiter entwickelt werden. "Adaptives Lernen" oder "Veränderung durch Anpassung" bezieht er dabei auf kurzfristige Ausrichtungen und Strategien einer Organisation zum Überleben, während "generatives Lernen" bzw. "schöpferisches Lernen" oder "Veränderung durch Innovation" einen längerfristigen Zeithorizont habe. Wenn beim adaptiven Lernen also ein reaktives Element im Vordergrund steht, ist es beim generativen Lernen ein aktives Element zur Entwicklung von Problemlösungsfähigkeiten.
11Zum Beispiel hier aus: Der Standard, 27./29.9.2008
12Im Bildungsbereich zeigt sich das beispielsweise in der Zusammensetzung und den Entscheidungsumverteilungen von Universitätsrat und Senat an den Universitäten.
13"Effektivität" wird hierbei als "Wirksamkeit" verstanden, als Relation von definiertem und erreichtem Handlungsziel (oder auch: Zielerreichungsgrad); "Effizienz" wird als "Wirkungsgrad" verstanden, als Relation von eingesetzten Mitteln und erreichten Zielen. Beispiel: Interventionen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind z.B. Qualifizierungsmaßnahmen als auch Beschäftigungsmaßnahmen. Nun könnte eine Qualifizierungsmaßnahme bei einer bestimmten Klientel zwar vorerst "billiger" sein, aber aufgrund von geringerer Nachhaltigkeit in ihrer sozial und beruflich rehabilitativen Wirkung - z.B. bei langzeitarbeitslosen jüngeren Männern in psychosozial schwierigen Lebensverhältnissen - weniger "wirksam", respektive effektiv sein, und schließlich weniger "effizient" sein als "teurere" Beschäftigungsmaßnahmen.
14Referierend auf isomorphe Entwicklungen im Sozialbereich fällt eines besonders auf. Im Wirtschaftsbereich auftauchende und meist nur kurzlebige Konzepte und Methoden wie "Qualitätsmanagementsysteme", "Lean Management", "MBO - Management-by-Objectives" u.v.a.m werden mit etwas Verzögerung im Sozialbereich aufgegriffen, und zwar dann zu einer Zeit, in der die mit diesen Konzepten und Methoden einhergehenden Grenzen und Problematiken in der Organisationspraxis bereits erkannt sind und mit wiederum neuen Konzepten entgegenzusteuern versucht wird.
15Der Artikel ist kritisch und theoretisch angelegt, weshalb die Frage der Konsequenzen für die Handlungspraxis und etwaige Empfehlungen - dieses Mal noch - zu kurz kommen.


Literatur / Quellen
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Über die AutorInnen

Prof.(FH) Mag. Dr. Ren L. Kellem
rainer.loidl-keil@fh-joanneum.at

Soziologe, seit 2004 Professor (FH) an der Fachhochschule JOANNEUM Graz, Studiengang Sozialarbeit und Sozialmanagement. 4-jährige sozialpädagogische Tätigkeit im Jugendbereich. Seit 1994 in Sozialforschung und Evaluation tätig. 1997-2004 Assistent am Institut für Soziologie der Johannes Kepler Universität Linz. Seit 1998 LQUADRAT Sozialforschung, Evaluation und Unternehmensberatung.
Arbeitsschwerpunkte: Organisation, Management und Führung, Unternehmertum, Industrie; Arbeit und Beruf, Arbeitsmarkt und Qualifikation; Evaluation und Forschungsmethoden; Soziale Dienste, Soziales Unternehmertum, Sozialökonomie. Forschungs- und Lehraufenthalte an der Technischen Universität Berlin, der University of California at Berkeley (USA), der University Trinity College Dublin (Irland), der University of Warsaw (Polen), Technical University Gabrovo (Bulgarien), North University Baia Mare (Rumänien).


Mag.a (FH) Sandra Hasenburger
sandra.hasenburger@kinderbuero.at

Abschluss des Studiums Soziale Arbeit an der Fachhochschule Joanneum in Graz, Sozialwissenschafterin, seit 2006 Projektmanagerin im Verein Kinderbüro Steiermark.
Arbeitsschwerpunkte: Projektmanagement in den Bereichen - Interessenvertretung, Bildung und Wissenschaft und Wirtschaft.