soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 7 (2011) / Rubrik "Junge Wissenschaft" / Standortredaktion Graz
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/207/326.pdf


Roswitha Hölzl:

Raus aus dem Hamsterrad


Burnoutprävention in Sozialberufen


Präventive Maßnahmen haben zum Ziel, die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Verhaltensweisen zu verringern bzw. die Entstehung erwünschter Verhaltens zu erhöhen. Wo setzt Burnout-Prävention an, wenn es an klarer Abgrenzung zu anderen Diagnosen mangelt? Bei Burnout handelt es sich jedenfalls um ein Phänomen, das momentan große Beachtung erhält.

In der Internationalen Klassifikation der Erkrankungen (ICD 10) der WHO wird Burnout dem (übergeordneten) Abschnitt Z73 zugeordnet. Dieser umfasst "Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung". Burnout ist somit keine Behandlungsdiagnose, und keine eigenständige Krankheit sondern ein Einflussfaktor, der auf den Gesundheitszustand wirkt und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führt. (vgl. ICD-10 der WHO)

Burnout entsteht nicht von heute auf morgen und hat auch nicht nur eine Ursache. (vgl. Freudenberger, 1994). Die klassischen Warnsignale Ermüdung und Erschöpfung sind bei allen Betroffenen zu finden, so wie die verschlechterten Beziehungen zur sozialen Umwelt in Form von Reizbarkeit, Ungeduld und begleitende psychosomatische Merkmale. Der Verlust der Freude an der Arbeit, Konzentrationsstörungen und die Verlängerung von Arbeitspausen sind weitere Symptome, die auf ein Ausbrennen hinweisen können. Die Fachliteratur skizziert Burnout als Zustand emotionaler Erschöpfung, die zu reduzierter Leistungsfähigkeit führt. Häufig begleiten negative Gefühle gegenüber den Klienten/Patienten (Depersonalisation) die Erschöpfungszustände. (vgl. Burisch, 2006). Metaphorisch ist mit "Burnout" eine langdauernd zu hohe "Energieabgabe" für zu geringe Wirkung bei ungenügendem "Energienachschub" und gleichzeitiger Erwartung von Höchstleistungen gemeint und klar vom Begriff "Stress" zu trennen. "Burnout" wird auch klar von Arbeitsentfremdung unterschieden. Bei Pines et.al ist zu lesen, dass man "Arbeitsentfremdung bei Menschen findet, die von ihrer Arbeit nie etwas anderes als ihren Verdienst erwartet haben. Ausbrennen betrifft überwiegend diejenigen, für die das Gehalt einmal das Uninteressanteste an ihrem Beruf war."

Geht es um die Quantität der Burnouterkrankungen, so liegen Daten aus Studien vor, die auf eine höhere Anzahl in sozialen und helfenden Berufen hinweisen. Auffällig ist das vermehrte Auftreten bei Frauen als bei Männern. Weiters zeigen sich Zusammenhänge zwischen Ausbildung, Einkommen, Burnoutrisiko und auch dem Image eines Berufes. (vgl. Friedl, 2006).

Obwohl Burnout Tradition in den helfenden Berufen hat, beschränkt sich die Anwendung dieses Begriffs weder ausschließlich auf diese Berufsgruppe noch auf den beruflichen Kontext allgemein. Vielmehr wirken die Auslöser generell. Es geht um Rollenkonflikte die dann entstehen, wenn einem Rollenträger inkompatible Rollenerwartungen übermittelt werden, wenn er/sie es also nicht allen recht machen kann. Es entsteht eine Diskrepanz von Erwartung und Realität als auslösendes Moment, die Freudenberger folgender Maßen formuliert: "Burnout wird hervorgerufen, wenn sich der Betroffene auf einen Fall, eine Lebensweise oder eine Beziehung einlässt, die den erwarteten Lohn nicht bringt".

Häufig wird das Ausbrennen durch die in der Arbeit liegenden emotionalen Anforderungen verursacht. Aber auch ein Überengagement, das durchaus von Freude und Spaß an der Arbeit begleitet wird, kann zum Burnout führen. (vgl. Fengler, 2002).

Neben diesen sozial- und persönlichkeitszentrierten Ursachen sind Auslöser für Burnout auch auf der Arbeits- und organisatorischen Ebene zu finden. Geringe Handlungs- und Entscheidungsspielräume, mangelnde Flexibilität sowie mangelnde Struktur der Organisation und schlechte Rahmenbedingungen sind vordergründig zu nennen. Aber auch mangelnde Ressourcen, fehlendes Feedback, keine Anerkennungskultur und schlechte Ausbildung tragen zur Entstehung eines Burnouts bei, welche sicher nicht nur in helfenden Berufen zu finden sind.

Die Veränderungen der Rahmenbedingungen und auch der Anforderungen in den Gesundheits- und Sozialberufen in den letzten 50 Jahren führten nicht zu Entspannung der Belastungen der Helfer. Im Gegenteil: den hohen Erwartungen der Öffentlichkeit und auch der Geldgeber stehen mangelnde Strukturen und schlechte Bezahlung gegenüber. Wer einen sozialen Beruf ergreift benötigt nicht nur Eignung und Optimismus, sondern auch entsprechende, förderliche Rahmenbedingungen.

Ausgehend von diesen Definitionen und Abgrenzungen ist auch die Burnout-Prävention, wie Präventionsstrategien generell, frühzeitig, z.B. im Ausbildungskontext, einzusetzen. Auszubildende und BerufseinsteigerInnen in Gesundheits- und Sozialberufen glauben häufig, dass Dankbarkeit und Freundlichkeit des Klientels das Berufsleben bestimmen. Die Berufsmotivation ist bedroht, wenn es nicht gelingt, diese Sichtweise zu korrigieren. Aber auch unzureichende Aufstiegsmöglichkeiten in diesen Berufen, geringes Prestige, fehlendes Mitspracherecht und ständige Begegnung mit Leid und hilfsbedürftigen Menschen fördern den Zusammenbruch der Berufsmotivation und damit die mögliche Entwicklung eines Burnout-Syndroms. Viele "Helfer" werden in ihren Ausbildungen zu wenig auf die, mit dieser Arbeit verbundenen, unvermeidlichen Belastungen vorbereitet. Sie wollen helfen, treffen dann aber auf hilfsbedürftige und/oder chronisch kranke Menschen, deren Zustand sich kaum bessert, oder haben mit oft hoffnungslosen Situationen und Belastungen im Arbeitsumfeld zu tun.

Für die universelle Prävention, die dort ansetzt, wo es noch keine Probleme oder Krankheiten gibt, wären Ausbildung und Berufseinstieg geeignete Zeitpunkte für präventive Interventionen. Auszubildende müssen darauf vorbereitet werden nicht immer Erfolg zu haben, nicht immer Dankbarkeit zu ernten und nicht von der gesamten Kollegenschaft anerkannt zu werden. Sie müssen wissen, dass die Realität in der Arbeit auch von oft naiven und unbewussten Vorstellungen abweicht; dass es zu Überforderung und Enttäuschung kommen kann.

Generell sind in helfenden Berufen Tätige einem erhöhten Risiko an Burnout zu erkranken ausgesetzt und somit auch Zielgruppe der selektiven Prävention, die sich an Gefährdete richtet.

Wo kann nun konkret angesetzt werden? Um dies festzustellen wurde erhoben, welche Merkmale Personen haben, die das Burnout überwunden haben bzw. nicht burnoutgefährdet sind. Diese Menschen fühlen sich geistig herausgefordert und erleben einen dauernden Lernprozess. Sie gehen aktiv gegen Belastungen vor, sprechen Probleme an und bauen diese auch ab. Ihr Selbstwert hängt nicht allein von der beruflichen Anerkennung ab, da sie eine Balance zwischen Arbeits- und Privatleben erreicht haben. Weiters erfahren sie Autonomie in der Arbeit und engagieren sich Arbeitsabläufe mitzugestalten.

Schon Schmidbauer (2002) stellte fest, dass die Unterstützung von Team und Vorgesetzten und das Auffangen in schwierigen Situationen Burnout präventiv wirken.

Es geht um Interventionen auf persönlicher Ebene, die auch im Ausbildungskontext thematisiert und bearbeitet werden können. Dazu zählen u.a. die Reflexion der Praxiserfahrungen, Selbsterfahrung, Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Familie; das Setzen realistischer Ziele, Humor, Entspannungstechniken, die Gestaltung von Arbeitspausen; darüber hinaus geht es um die Verbesserung der Umfeldbedingungen, Rahmenbedingungen und Strukturen.

Maßnahmen der Psychohygiene, das Erlernen des sich Abgrenzens und Nein-Sagens zählen zu den erfolgreichen Bewältigungsstrategien und müssen mit konkreten Methoden umgesetzt werden.

Viele relevante Stichwörter zum Thema Burnoutprävention wie Work-Life Balance, Zeitmanagement, Stressmanagement, Supervision, Unterstützung durch Gruppen,

Maßnahmen auf der Arbeits- und Organisationsebene und Burnout-Prävention auf struktureller Ebene sollen hier erwähnt werden, um die Breite des möglichen Ansatzes aufzuzeigen. (vgl. Hölzl, 2008)

Voraussetzung für die Wirkung von präventiven Maßnahmen ist die Grundhaltung aller Partner, (Zielgruppe selbst, Arbeitgeber und Ausbildner, Anbieter und Akteure), dass Prävention frühzeitig ansetzen muss und nur mit Beteiligung aller entsprechende Veränderung und Entwicklung möglich sind.


Literatur
Burisch, M. (2006): Das Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung, 3. Auflage, Heidelberg.
Fengler, J. (2002). Helfen macht müde. Zur Analyse und Bewältigung von Burnout und beruflicher Deformation. München: Verlag J. Pfeiffer
Freudenberger, H.; North, G. (1994). Burn-out bei Frauen. Über das Gefühl des Ausgebranntseins. Frankfurt: Fischer Verlag
Friedl, W. (2006). Ergebnisse der Burnoutstudie: Short Summery. Seminar- und Kompetenzzentrum Schloss Wolfsberg http://www.business-doctors.at/images_dokumente/Burnoutstudie%20Summery.pdf
Hölzl, R. (2008). Burnoutprävention in helfenden Berufen und ihre Anwendung in Ausbildung und Praxis. Linz: edition pro mente
Pines, A.; Aronson, E.; Kafry, D. (2000). Ausgebrannt - vom Überdruss zur Selbstentfaltung. Stuttgart: Clett - Cotta Verlag
Röhrig, S. und Reiners-Kröncke, W. (2003). Burnout in der Sozialen Arbeit. Augsburg
Schmidbauer, W. (2002). Helfersyndrom und Burnout Gefahr. Jena: Urban&Fischer Verlag


Buchhinweis
Roswitha Hölzl:
BURNOUTPRÄVENTION IN HELFENDEN BERUFEN UND IHRE ANWENDUNG IN AUSBILDUNG UND PRAXIS
Mit einer empirischen Untersuchung bei ProfessionistInnen und Studierenden

ISBN: 978-3-901409-99-8, 2009, 176 Seiten. Broschiert, EUR 16,00 (A)

Ziel dieses Buches ist, Möglichkeiten und Grenzen von Burnout-Prävention aufzuzeigen. Wann ist es möglich burnout-präventiv für in helfenden Berufen Tätigen anzusetzen? Welche Faktoren sind am Entstehen eines Burnouts beteiligt und kann all diesen eventuell bereits in der Ausbildung vorgebeugt werden?
Mittels qualitativer Analyse wurden Interviews mit Diplom-SozialarbeiterInnen ausgewertet und mit Möglichkeiten burnout-präventiver Maßnahmen in Kontext gesetzt. Weiters fließen die Ergebnisse einer Befragung von Studierenden der FH Linz in diese Arbeit ein.
Dies führt zu dem Ergebnis, dass den multifaktoriellen Ursachen für Burnout mittels unterschiedlicher Maßnahmen vorgebeugt werden muss. Präventive Ansätze auf der individuellen Ebene lassen sich eher im Ausbildungskontext bearbeiten, als jene, auf der strukturellen Ebene.
Die Möglichkeiten an Burnout-Prävention für Studierende werden unter Beachtung der Ergebnisse der Befragung aufgezeigt und methodisch erläutert.


Über die Autorin

DSA Roswitha Hölzl, MSc., Jg. 1964
roswitha.hoelzl@fh-linz.at

Diplomsozialarbeiterin und Supervisorin; Masterthese 2008 zum Thema: "Ansätze der Burnoutprävention für Studierende im FH-Studiengang Soziale Arbeit"
Seit 2007 Lehrbeauftragte der FH OÖ, Campus Linz im Studiengang Soziale Arbeit; Schwerpunkt Praxis- und Selbstreflexion, Soziale Arbeit im Gesundheitswesen. Zwischen 1994 und 2007 Mitarbeiterin im Institut Suchtprävention der pro mente in Linz. 1986 - 1994 Mitarbeiterin und 2 Jahre Geschäftsführerin im Verein für prophylaktische Sozialarbeit.
Seit 1994 freiberuflich als Supervisorin tätig. (ÖVS)