soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 8 (2012) / Rubrik "Junge Wissenschaft" / Standortredaktion Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/238/376.pdf


Judith Ranftler:

MigrantInnen als KlientInnen der österreichischen Jugendwohlfahrt


Der nachfolgende Artikel basiert auf meiner Master-These "Kulturspezifische Fragestellungen für SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt", eingereicht an der Alice Salomon Hochschule, Berlin, 2012.


1. Einleitung
Die Struktur der österreichischen Bevölkerung ist von Migration geprägt. Die Tatsache, dass Österreich seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland ist, spiegelt sich auch in der Struktur der KlientInnen der Jugendwohlfahrt wider. Der gesetzliche Auftrag dieser Institution ist der Kinder- und Jugendschutz, gleich welcher Herkunft eine Familie ist oder welchen Aufenthaltsstatus sie hat.


2. Methodik
Im Rahmen der qualitativen Studie, welche zum Ziel hatte, die Herausforderungen für KlientInnen, SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt und SozialarbeiterInnen in auf MigrantInnen spezialisierten NGOs darzulegen, wurden SozialarbeiterInnen aus der Jugendwohlfahrt als auch SozialarbeiterInnen aus spezialisierten NGOs interviewt. Diese Vorgangsweise wurde gewählt, um die Positionen betroffener KlientInnengruppen auf einer Meta-Ebene analysieren zu können. Alle Interviews wurden transkribiert und mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Diese Methode ermöglicht es, die subjektiven Sichtweisen der InterviewpartnerInnen auf ein höheres Abstraktionsniveau zu bringen, um dadurch wesentliche Sachverhalte beschreibbar zu machen. (vgl. Flick 2002: 270) Die im Folgenden vorgestellten Themenschwerpunkte, spiegeln die Auswertung der Interviews im Vergleich mit Fachliteratur zum Thema wider, sie lassen jedoch keine Verallgemeinerung zur Betreuung von MigrantInnen durch die österreichische Jugendwohlfahrt zu.


3. Der gesetzliche Auftrag der Jugendwohlfahrt
Durch die Bevölkerungsstruktur in Österreich ergibt sich für SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt zwangsläufig eine Auseinandersetzung mit Menschen mit Migrationshintergrund. Der gesetzliche Auftrag der Jugendwohlfahrt ist der Kinder- und Jugendschutz; der Anwendungsbereich des Jugendwohlfahrtgesetzes (JWG) umfasst dabei alle Minderjährigen, die in Österreich leben. (vgl. JWG 1989: ยง3). SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt sind somit beauftragt, das Wohl des Kindes zu sichern und Schutz zu bieten; in der Zusammenarbeit mit den KlientInnen haben sie dadurch eine Kontrollfunktion. In Bezug auf MigrantInnen als KlientInnen besteht zusätzlich die Herausforderung, dass diese die institutionalisierte Form der Jugendwohlfahrt aus ihren Herkunftsländern oftmals nicht kennen und der Behörde als solcher ambivalent gegenüberstehen. Aus der Auseinandersetzung mit dieser Thematik wurde folgende Erkenntnis abgeleitet:

SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt unterliegen aufgrund des gesetzlichen Auftrags ihrer Tätigkeit dem Doppelten Mandat. Sie üben kraft ihres Amtes eine Kontrollfunktion aus, die die Zusammenarbeit mit ihren KlientInnen per se herausfordernder gestaltet, als dies in anderen Bereichen der Sozialarbeit der Fall ist. Die Form des Kinder- und Jugendschutzes, wie er in Österreich durch die Jugendwohlfahrt gegeben ist, ist der Klientel mit Migrationshintergrund zumeist nicht bekannt.


4. Interkulturelle Kompetenz
Das Bewusstsein von SozialarbeiterInnen in Bezug auf ihre Rolle in der Arbeit mit KlientInnen mit Migrationshintergrund deckt sich nicht mit der Wahrnehmung von SozialarbeiterInnen, die mit der Jugendwohlfahrt zusammenarbeiten. Im Hinblick auf eine verbesserte Zusammenarbeit mit der Klientel ist die Reflexion über die Position als SozialarbeiterIn in der Jugendwohlfahrt erforderlich, um die Ängste und Erwartungen der Klientel ernst zu nehmen. (vgl. Gaitanides 2003: 45) Unter SozialarbeiterInnen, die mit der Jugendwohlfahrt klientInnenbezogen zusammenarbeiten, herrscht zum Teil Unklarheit über den Auftrag und die Möglichkeiten der Behörde. Im Hinblick auf eine qualitätsvolle Beratung der KlientInnen ist eine verstärkte Zusammenarbeit unter den beteiligten SozialarbeiterInnen wünschenswert, um für die KlientInnen ein möglichst tragfestes HelferInnensystem aufzubauen und Überschneidungen oder Falschinformationen zu vermeiden.

Die geführten Interviews mit Sozialarbeiterinnen haben interkulturelle Kompetenz als wesentliches Merkmal für gelingende Beratung und Zusammenarbeit betont. Es wurde dabei einerseits auf die Kompetenzerweiterung von SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt im Bereich der rechtlichen Situation von MigrantInnen eingegangen sowie andererseits auf deren spezifische Lebenssituation, die oftmals prekärer erscheint als jene der Mehrheitsgesellschaft. Die Interaktion von SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt wird dabei als vorurteilsbehaftet wahrgenommen, dies wird durch Aussagen seitens der betroffenen SozialarbeiterInnen bestätigt. Begründet wird dies mit dem Ausschnitt der migrantischen Bevölkerung, der zur Klientel der Jugendwohlfahrt wird. Dies ist insbesondere von Bedeutung, da die eigene Wahrnehmung dabei reflektiert wurde. Die Interviewpartnerinnen beziehen sich bei interkultureller Kompetenz vorwiegend auf individuelle Fähigkeiten und weniger auf strukturelle Maßnahmen. Es werden in Bezug auf die Betreuung von MigrantInnen im Besonderen Vorurteile gegenüber Muslimen geäußert und der Fokus auf problematisch wahrgenommene Unterschiede, wie beispielsweise ein "traditionelles" Familienbild, gelegt.

Interkulturelle Kompetenz wird unter den betroffenen SozialarbeiterInnen als Möglichkeit zur erfolgreicheren Zusammenarbeit mit MigrantInnen angesehen. Dazu zählen die individuelle Bearbeitung von Vorurteilen gegenüber der Klientel sowie auch die Reflexion der bestehenden strukturellen Missstände. Zur Verwirklichung interkultureller Kompetenz sind individuelle Maßnahmen jedoch nicht ausreichend, sondern es bedarf auch von oben beschriebener struktureller Maßnahmen.

In den Aussagen zu bestimmten kulturspezifischen Unterschieden fanden sich dabei teilweise wiederkehrende Themen: Die InterviewpartnerInnen schilderten die innerfamiliären Beziehungen als enger als in der Mehrheitsgesellschaft sowie die Verteilung der Gender-Rollen als traditionell. Bemerkenswert ist jedoch der Fokus aller InterviewpartnerInnen auf der Nicht-Verallgemeinerung in Bezug auf kulturspezifische Merkmale. Es ergibt sich aus dieser Thematik folgende Schlussfolgerung:

MigrantInnen als KlientInnen werden aufgrund ihrer Lebenssituation als spezielle KlientInnengruppe gesehen. Bei genauerer Betrachtung der Besonderheiten fällt auf, dass kulturspezifische Merkmale stärker wahrgenommen werden; im Vordergrund stehen jedoch besondere Bedürfnisse aufgrund ihrer derzeitigen Lebenssituation, die sowohl mit Ausgrenzung in verschiedenen Bereichen, wie auch ihrer Migrationsgeschichte und den Herausforderungen der Integration in Verbindung stehen.

Zum Teil sind MigrantInnen, die im Rahmen der Jugendwohlfahrt betreut werden, auch KlientInnen anderer Einrichtungen. Das führt zur klientInnenbezogenen Zusammenarbeit von SozialarbeiterInnen, die in NGOs tätig sind und SozialarbeiterInnen, die in der Jugendwohlfahrt beschäftigt sind. Die Analyse der Interviews mit VertreterInnen beider Gruppen hat gezeigt, dass die Dynamik, die in Bezug auf die gemeinsamen KlientInnen geschildert wird, auch in die Kooperation unter den beteiligten SozialarbeiterInnen Eingang findet. Schwierigkeiten ergeben sich dabei vorwiegend durch verschiedene Erwartungshaltungen der GesprächspartnerInnen. Es hat sich dabei auch gezeigt, dass das Wissen über die jeweils anderen Aufträge und Handlungsspielräume begrenzt ist.


5. Diskriminierung und Diskriminierungserfahrungen der Klientel Die Betreuung und Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund stellt SozialarbeiterInnen wie erwähnt vor besondere Herausforderungen. Die in der Gesellschaft vorhandenen Segregationslinien sind für den Beratungskontext relevant: Zum einen aufgrund der bestehenden Vorurteile von SozialarbeiterInnen gegenüber der Klientel, zum anderen jedoch auch dann, wenn der/die SozialarbeiterIn eine reflektierte, vorurteilsbewusste Haltung gegenüber MigrantInnen hat. Aufgrund von Diskriminierungserfahrungen treten Angehörige ethnischer Minderheiten der Jugendwohlfahrt zum Teil in der Erwartung entgegen, erneut diskriminiert zu werden, was einen Unterschied zur autochthonen Bevölkerung darstellt. (vgl. Rommelspacher 2010: 3)

Die Gleichbehandlung aller KlientInnen ist im Fall von Personen, die ethnischen Minderheiten angehören und aufgrund dessen Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen gemacht haben, ein unzureichend reflektierter Umgang. Es bedarf für KlientInnen mit Migrationshintergrund insofern einer besonders reflektierten Haltung, als ihre Erfahrungen und Ängste gegenüber der Behörde ernst genommen und in der Beratung eigens thematisiert werden müssen. Dazu zählt im Besonderen, dass SozialarbeiterInnen ihre eigenen Vorurteile und Haltungen reflektieren. Aufgrund der Tatsache, dass Österreich seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland ist, sollte der Umgang mit Menschen anderer Herkunft zum "Standardrepertoire" von SozialarbeiterInnen gehören und interkulturelle Kompetenz nicht länger eine individuelle Besonderheit sein, sondern in verstärktem Maße in die Ausbildung, Fortbildung und Berufspraxis Eingang finden.


6. Interkulturelle Öffnung der Institution
Die interkulturelle Öffnung von Institutionen ist ein Prozess mit dem Ziel, Zugangsbarrieren für Menschen mit Migrationshintergrund abzubauen und auch Angehörige der Mehrheitsgesellschaft für kulturspezifische Themen zu sensibilisieren. Dieses Ziel ist nicht allein auf der individuellen Ebene, wo der Einsatzbereich der Jugendwohlfahrt meist angesiedelt ist, umsetzbar, sondern kann letztlich nur durch einen "top-down" Prozess erreicht werden, der von den politisch Verantwortlichen unterstützt wird.

Interkulturelle Kompetenz von SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt kann in der Auseinandersetzung mit der Klientel bestimmte Verbesserungen, wie beispielsweise einen verbesserten Vertrauensaufbau, bewirken. Um grundlegende Zugangsbarrieren abzubauen, bedarf es struktureller Maßnahmen, wie beispielsweise die Beiziehung von DolmetscherInnen bei Bedarf, entsprechende Personalpolitik, Antidiskriminierungsmaßnahmen und die Vermittlung interkultureller Kompetenz an die MitarbeiterInnen. (vgl. Filsinger 2002: 15).

Die Wahrnehmung in Bezug auf die Qualität der Zusammenarbeit mit Angehörigen ethnischer Minderheiten divergiert. Seitens der SozialarbeiterInnen wurde die KlientInnengruppe als besonders problembehaftet dargestellt, was auch durch den spezifischen Ausschnitt von KlientInnen der Jugendwohlfahrt begründet wird. Kulturspezifische Aspekte wurden dabei vorwiegend als problematisch beschrieben. Aus der Sicht von SozialarbeiterInnen in NGOs, die auf MigrantInnen spezialisiert sind, wurden die Ängste gegenüber der Behörde sowie die individuell verschiedenen Vorgehensweisen von SozialarbeiterInnen der Jugendwohlfahrt thematisiert.

Eine Auswirkung dieser bestehenden Ängste spiegelt sich in der Statistik der Leistungen der Jugendwohlfahrt wider: In unterstützenden, ambulanten Hilfen sind MigrantInnen unterrepräsentiert, in Maßnahmen der "Vollen Erziehung" hingegen überrepräsentiert. Dies wird durch die unzureichende Rücksichtnahme auf die sozialen und kulturellen Besonderheiten der KlientInnengruppe zurückgeführt. (vgl. Gaitanides 2003: 43)


7. Kooperation unter SozialarbeiterInnen unterschiedlicher Einrichtungen
Derzeit erscheint die Situation so, dass SozialarbeiterInnen in NGOs sich zum Teil als Sprachrohr für ihre KlientInnen verstehen, die SozialarbeiterInnen der Jugendwohlfahrt dabei zum Teil als Bedrohung und nicht als KooperationspartnerInnen erscheinen. Dies scheint eine Übertragung der Ängste der KlientInnen zu sein und sollte durch intensiveren Austausch über die jeweiligen Handlungsspielräume und Vorgehensweisen verbessert werden. Dafür ist auch die Bereitschaft zur gleichberechtigten Zusammenarbeit seitens der SozialarbeiterInnen der Jugendwohlfahrt erforderlich.

Im Sinne einer professionellen Zusammenarbeit wäre diese Kooperation wünschenswert, um für die KlientInnen die bestmögliche Unterstützungsmöglichkeit zu klären.


8. Sprachbarrieren
Sprachliche Hindernisse werden in der Beratung als besondere Problematik erachtet. Es wird dadurch der Vertrauensaufbau zwischen SozialarbeiterInnen und KlientInnen erschwert und die Informationsvermittlung behindert. Die Verfügbarkeit von DolmetscherInnen, die seitens der Behörde zur Verfügung gestellt werden, ist dabei nur unzureichend gegeben. Die Beiziehung von sprachkundigen Personen, die die KlientInnen selbst zur Beratung mitbringen, ist gängige Praxis, wird jedoch insofern als problematisch betrachtet, als dass die Sprachkompetenzen und Befangenheiten in diesen Situationen besonders unklar sind.

Für professionelle Sozialarbeit ist die sprachliche Verständigungsmöglichkeit essentiell. Die Bereitstellung von sprachkundigen und vertrauenswürdigen Personen sollte in allen Fällen und zu allen Zeiten der Betreuung durch die Behörde erfolgen, um die Qualität der Betreuung zu gewährleisten.


9. AsylwerberInnen als KlientInnen der Jugendwohlfahrt
Die Gruppe der durch die Jugendwohlfahrt betreuten MigrantInnen umfasst zu einem Teil auch Menschen, die in Österreich um Asyl angesucht haben und sich in einem offenen Verfahren befinden. Die aufenthaltsrechtliche Situation dieser Gruppe ist besonders prekär. Aufgrund der Vorgeschichte und Flucht sowie eben der unsicheren aufenthaltsrechtlichen Situation von AsylwerberInnen, die durch die geringe Höhe der Grundversorgung oftmals auch mit wirtschaftlicher Not verbunden ist, erscheint es als notwendig, dass dieser Gruppe seitens der Jugendwohlfahrt besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Gerade die Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die automatisch bei der Jugendwohlfahrt liegt, sollte dabei mit hohem Engagement wahrgenommen werden. Dazu zählt auch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln, um diese Kinder und Jugendlichen ebenso intensiv begleiten zu können, wie dies in anderen Jugendwohlfahrtseinrichtungen der Fall ist. Eine Unterbringung in bereits bestehenden Einrichtungen der Jugendwohlfahrt könnte zudem zur Dezentralisierung der Betreuung von AsylwerberInnen beitragen und dadurch einen Beitrag zur Integration leisten.


10. Ressourcenmangel
Für die meisten der oben angeführten Problemfelder für SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt wird der Mangel an finanziellen und personellen Ressourcen als Begründung angeführt. In Anbetracht der hohen Fallzahlen sowie der komplexen Fallverläufe, mit denen SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt konfrontiert sind, erscheint die zusätzliche Bereitstellung von Ressourcen als notwendig, um die genannten Herausforderungen bewältigen zu können.

Die diffizilen Fallverläufe sowie die hohe Arbeitsbelastung von SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt erschweren die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen von MigrantInnen. Die erforderlichen zusätzlichen Ressourcen umfassen dabei die Bereitstellung von DolmetscherInnen, das verstärkte Angebot von Schulungen im Bereich interkultureller Kompetenz, sowie einen verstärkten Personaleinsatz, um die KlientInnen intensiver betreuen zu können. Schulungen werden dabei einerseits im Bereich der Wissensvermittlung zu rechtlichen und sozialen Lebensumständen der Klientel gefordert, andererseits auch im Bereich der individuellen Reflexion in Bezug auf Vorurteile und Handlungsweisen.


11. Schlussfolgerungen
Aus den obigen Erkenntnissen dieser Arbeit ergeben sich folgende Empfehlungen für die Betreuung von KlientInnen mit Migrationshintergrund durch SozialarbeiterInnen der Jugendwohlfahrt:

Für die professionelle Betreuung von MigrantInnen sind strukturelle Änderungen in der Behörde erforderlich. Dazu zählt der Abbau von Zugangsbarrieren wie Mehrsprachigkeit und eigener Migrationshintergrund der MitarbeiterInnen sowie Verständnis und Kompetenz der MitarbeiterInnen in Bezug auf die rechtliche und soziale Lebenssituation der KlientInnen. DolmetscherInnen für nicht-sprachkundige KlientInnen sollten von der Behörde zur Verfügung gestellt werden; für die Herausbildung der Kompetenzen in Bezug auf die Klientel ist die Verfügbarkeit von diesbezüglichen Fortbildungen erforderlich. Im Sinne der interkulturellen Öffnung der Institution darf die Verantwortung dafür nicht bei den einzelnen SozialarbeiterInnen liegen, sondern sollte als Ziel der politisch Verantwortlichen mitgetragen werden.

Der Prozess der interkulturellen Öffnung beinhaltet neben strukturellen Themen auch die individuelle Weiterentwicklung der MitarbeiterInnen. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit interkulturellen Themen könnten österreichweit fachliche Standards für Sozialarbeit in der Jugendwohlfahrt entwickelt werden, die je nach Ausgangssituation der einzelnen Behörden umgesetzt werden könnten. Dafür ist allerdings eine bundesweite Erhebung der Ist-Situation erforderlich, um eine allgemeine Aussage über die Betreuung von Menschen mit Migrationshintergrund treffen zu können. Es erscheint dabei als wesentlich, dass innerbehördlich das Umdenken hin zur Serviceeinrichtung weiter verfolgt wird, um die genannten Zugangsbarrieren auch nachhaltig bearbeiten zu können.

Für die Betreuung von Menschen mit Migrationshintergrund ist die Zusammenarbeit mit MitarbeiterInnen spezialisierter NGOs wesentlich. Dabei werden die Ängste und Bedenken der KlientInnen von den MitarbeiterInnen in NGOs zum Teil übernommen. Im Kontakt mit der Jugendwohlfahrt ergeben sich dadurch zum Teil auch auf professioneller Ebene zwischen SozialarbeiterInnen unterschiedlicher Einrichtungen Spannungsfelder, die spezielle Beachtung erfordern: Die optimale Betreuung der KlientInnen ist durch die genannten Kooperationsprobleme nicht erreichbar. Deshalb ist neben der interkulturellen Öffnung auch der verstärkten Kooperation zwischen SozialarbeiterInnen Aufmerksamkeit zu schenken. Dies erfordert zuerst den intensivierten Austausch, um einerseits die gegenseitigen Erwartungshaltungen sowie andererseits die jeweiligen Angebote und Möglichkeiten einschätzen zu können. Von beiden Seiten ist dafür vermehrte Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft erforderlich. Der fachliche Austausch kann für die Betreuung der KlientInnen von Vorteil sein, da dadurch das Fachwissen von SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt wie auch von SozialarbeiterInnen in spezialisierten Einrichtungen akkordiert werden kann. Dies erscheint im Sinne einer professionellen Betreuung der KlientInnen als wünschenswertes Ziel.


Literatur
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Filsinger, Dieter (2002): Interkulturelle Öffnung Sozialer Dienste. Online Unter: http://www.tirol.gv.at/fileadmin/www.tirol.gv.at/themen/gesellschaft-und-soziales/integration/downloads/Leitbild/AK3/sozialerdienst.pdf (download am 01.03.2012).
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Ranftler, Judith (2012): Kulturspezifische Fragestellungen für SozialarbeiterInnen in der Jugendwohlfahrt. Master-These, Alice Salomon Hochschule Berlin.
Rommelspacher, Birgit (2010): Ethnische Minderheiten in der psychosozialen Beratung. Dynamiken von Integration und Segregation. Online unter: http://www.birgit-rommelspacher.de/artikel.php (download am 16.12.2011).
Simon-Hohm, Hildegard (2004): Interkulturelle Öffnung Sozialer Dienste und interkulturelle Kompetenz. In: Treichler, Andreas; Cyrus, Norbert (Hrsg.) (2004): Handbuch Soziale Arbeit in der Einwanderungsgesellschaft. Frankfurt a.M.: Brandes & Apsel. S. 231-252


Über die Autorin

Mag.a (FH) Judith Ranftler, MA, Jg. 1985
judith.ranftler@gmail.com

Studium der Sozialarbeit, FH Campus Wien (2003-2007); Masterstudium Interkulturelle Kompetenz, Donau Universität Krems (2008-2010); Masterstudium Intercultural Conflict Management, Alice Salomon Hochschule Berlin (2010-2012).
Sozialarbeiterin im Flüchtlingsbereich, Caritas der Diözese Eisenstadt (2007-2010).
Sozialarbeiterin in der Jugendwohlfahrt, Magistrat der Stadt Wiener Neustadt (seit 2011).