soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 8 (2012) / Rubrik "Nachbarschaft" / Standortredaktion Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/247/390.pdf


Nikolai Haring:

Messung der wirtschaftlichen Leistung und des gesellschaftlichen Fortschritts


1. Einleitung: Problemstellung, Zielsetzung und Gang der Untersuchung
Die Welt befindet sich derzeit in multiplen Problemlagen, auch wenn die ökonomische Krise aufgrund ihrer Dringlichkeit die wohl noch bedeutendere soziale und ökologische Krise überdeckt.1 Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass Krisensituationen immer auch die Chance für Veränderungen bieten. Um mit Max Frisch zu sprechen: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“2

Andere und umfassendere Lenkungssysteme sind vonnöten, soll das menschliche Leben zukunftsfähig bleiben. Unter einem Lenkungssystem soll hier ein Zielsystem verstanden werden, welches wichtige Zieldimensionen des menschlichen Handelns abbildet.3 Umfassend heißt, dass sowohl ökologische als auch ökonomische und soziale Aspekte abgedeckt werden sollen. (vgl. Bishop/Green 2011: 14 und Luks 2012: 8-13)4 Dieses Zielsystem kann dann einerseits für die Verhaltenssteuerung im Sinne der Koordination und Motivation menschlicher Handlungen verwendet werden, andererseits sowohl für die Planung als auch für die Kontrolle von Entwicklungen und Zuständen. Solche Zielsysteme lassen sich sowohl auf der Makro- als auch auf der Meso- und Mikroebene entwickeln.5 Unter der Makro-Ebene sollen hier internationale Organisationen und Nationen verstanden werden.6 Die Meso-Ebene umfasst z. B. Interessensverbände oder Regionen. Auf der Mikroebene sind insbesondere einzelne Organisationen angesprochen.

Im nachfolgenden Beitrag soll der derzeit weltweit wohl bedeutsamste Versuch beschrieben werden, ein umfassendes Zielsystem zu entwickeln, die OECD-Better Life Initiative. Nachdem deren Entwicklung erläutert wurde, sollen ihre einzelnen Bestandteile erörtert werden, bevor sie einer kritischen Würdigung unterzogen wird. Abschließend soll die Bedeutung dieses neuen Messsystems für die Soziale Arbeit und die Sozialarbeitswissenschaft aufgezeigt werden.


2. OECD-Better Life Initiative (Entwicklung, Bestandteile und Beurteilung)
Vorab ist festzuhalten, dass globale Initiativen wie die OECD-Better Life Initiative äußerst wichtig sind, da heutzutage viele Herausforderungen grenzüberschreitend sind, was eines holistischen und kohärenten Ansatzes sowie in weiterer Folge weltweiter Koordinationen und gemeinsamer Anstrengungen bedarf, um sie erfolgreich zu bewältigen. Die globale Betroffenheit umfasst sowohl durch menschliches Handeln hervorgerufene ökologische Auswirkungen als auch das ökonomisches Handeln sowie soziale Systeme und Entwicklungen. Hinzu kommt, dass Ökologie, Ökonomie und Soziales miteinander verbundene Teilsysteme darstellen, die sich in erheblichem Ausmaß gegenseitig beeinflussen. Auch wenn es schon derzeit in allen drei Bereichen zahlreiche multilaterale Institutionen gibt, die eine weltweite Koordination der einzelnen Aktivitäten und Normensetzungen verfolgen, wird es zukünftig eines weiteren Ausbaus, neuer Ideen und Restrukturierungen bedürfen, um die derzeitigen Schieflagen erfolgreich bewältigen zu können.7

Die OECD-Better Life Initiative wurde im Mai 2011 gestartet und ist das Ergebnis einer Dekade Arbeit an diesem Thema.8 Es ist der Versuch, international vergleichbare Messgrößen des Wohlergehens zusammenzutragen. Diese orientieren sich an den Empfehlungen der „Commission on the Measurement of Economic Performance and Social Progress“, die nach deren wichtigsten Proponenten auch als Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission bekannt ist.9 Die Empfehlungen, die von dieser Kommission gemacht wurden, versuchten Bedenken zu adressieren, dass standardmäßig erhobene und publizierte makroökonomische Messgrößen wie z. B. das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht dazu in der Lage sind, das derzeitige und zukünftige Gemeinwohl der Menschen sachgerecht abzubilden.10 So gibt uns das BIP z. B. keine Auskunft darüber, ob wir zu viel konsumiert haben bzw. die falschen Dinge, oder ob wir zu wenig gespart haben. (vgl. Marber 2012: 74) Das BIP zeigt uns auch nicht die übermäßige Ausbeutung der natürlichen Ressourcen an und exkludiert unbezahlte Dienstleistungen wie z. B. Freiwilligendienste oder Hausarbeit. (vgl. N. N. 2011 und N. N. 2012a) In 1968

„Robert Kennedy critiqued national income accounting on the grounds that it ‘does not allow for the health of our children, the quality of their education, or the joy of their play. It does not include the beauty of our poetry or the strength of our marriages; the intelligence of our public debate or the integrity of our public officials. It measures neither our wit nor our courage; neither our wisdom nor our learning; neither our compassion nor our devotion to our country; it measures everything, in short, except that which makes life worthwile.’“ (Bishop/Green 2011: 13)

Außerdem ist der von den Wirtschaftswissenschaften ins Zentrum nahezu aller Theorien gestellte (Grenz-)Nutzen des Einkommens im Vergleich zu anderen positiven Determinanten der Lebenszufriedenheit, wie z. B. Erwerbstätigkeit und Familienleben, bescheiden. (vgl. Ruckriegel 2012b: 106-108)11 Die Gründe, weshalb uns mehr Geld/Einkommen nicht/kaum glücklicher macht, liegen in der Veränderung der Ansprüche aufgrund von Gewöhnung und interdependenten Präferenzen in Form sozialer Vergleiche – beides kommt in der ökonomischen Mainstream-Theorie annahmegemäß nicht vor (vgl. Easterlin 2005: 55) –, die die Ursachen des Easterlin-Paradoxons sind, das nach Richard Easterlin benannt wurde, der diesen Sachverhalt bereits 1974 problematisierte. (vgl. Ruckriegel 2008: 310)12 Die Glücksforschung hat sechs Glücksfaktoren identifiziert: Persönliche Freiheit, physische und psychische Gesundheit, innere Haltung (im Hinblick auf Dankbarkeit, Optimismus, Vermeidung von sozialen Vergleichen, Emotionsmanagement …), Lebensphilosophie (Spiritualität, d. h., eine persönliche Suche nach dem Sinn des Lebens bzw. Religiosität), Engagement und befriedigende Erwerbs- und/oder Nichterwerbsarbeit, gelingende/liebevolle soziale Beziehungen (Partnerschaft, Familie, Freunde, Kollegen, Nachbarn …) und die finanzielle Lage (Einkommen) zur Befriedigung der materiellen (Grund-)Bedürfnisse. (vgl. Ruckriegel 2012a: 131)13 „Nach den Erkenntnissen der Glücksforschung kommt daher einem Mehr an materiellen Gütern – nachdem die materiellen Grundbedürfnisse gedeckt sind – eine immer geringere Rolle zu. Vielmehr gewinnen soziale Kontakte und Mitmenschlichkeit, die sog. Beziehungsgüter (relational goods), zunehmend an Bedeutung.“ (Ruckriegel 2008: 309)14

Doch kehren wir zur OECD-Better Life Initiative zurück. Diese beinhaltet zwei Hauptelemente: Your Better Life Index und How’s Life?

Der Your Better Life Index (BLI) ist ein interaktives Instrument, welches es den Menschen ermöglicht, die Leistung einzelner Länder entsprechend ihrer jeweiligen eigenen Präferenzen betreffend die Kategorien eines besseren Lebens miteinander zu vergleichen. Erstmalig am 24.05.2011 publiziert, beinhaltet dieser Index 11 „Dimensionen“ des gesellschaftlichen Fortschritts: Zum einen drei Indikatoren, die über die materiellen Lebensbedingungen Auskunft geben: Verfügbarkeit und Qualität von Wohnraum, verfügbares Haushaltseinkommen und die Arbeitslosenquote, insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit; zum anderen acht Indikatoren, die die Lebensqualität (objektive Lebensqualität einerseits und subjektives Wohlbefinden andererseits) messen sollen: Qualität der Bildung, Lebenserwartung und subjektive Einschätzung des Gesundheitszustands, Work-Life-Balance, Sozialkapital (Gemeinschaft), Sicherheit, Grad der Beteiligungsmöglichkeiten am politischen Prozess (Governance), Qualität der Umwelt und Lebenszufriedenheit.

Jedes Thema wird dabei durch ein bis drei spezifische Indikatoren abgebildet. Im Falle der Work-Life-Balance etwa werden drei separate Maßgrößen berücksichtigt: Die Anzahl der Angestellten, die Überstunden machen; der Prozentsatz der Mütter, die arbeiten; und die Zeit, die Leute ihrer Freizeit und persönlichen Initiativen widmen. Insgesamt sind derzeit 24 spezifische Messindikatoren in Verwendung, die sowohl harte Fakten als auch Umfragedaten umfassen. Die Daten werden aktuell in 34 der OECD-Mitgliedsländer plus Brasilien und Russland gemessen. (vgl. N. N. 2012a)15 Der BLI versucht als interaktives Instrument, BürgerInnen dazu zu bewegen, an der Diskussion teilzunehmen, was in ihrem Leben am meisten zählt und was Regierungen tun sollten, um das Wohlergehen zu verbessern, indem sie die Messindikatoren individuell gewichten können, um so kombinierte Messgrößen des Wohlergehens der Menschen (als auch von Frauen und Männern separat) in den verschiedenen Ländern zu ermitteln. Es zeigt sich, dass die Nutzer, die sich damit einverstanden erklärt haben, ihre Resultate zu teilen, die Dimensionen Lebenszufriedenheit, Qualität der Bildung sowie Lebenserwartung und subjektive Einschätzung des Gesundheitszustands am stärksten gewichten, und zwar unabhängig vom Land, aus dem sie stammen.16 Es ist auch möglich, die Ergebnisse unter Spezifizierung des Alters, des Geschlechts und des Herkunftslands zu analysieren. (vgl. Gooch 2012: 3)

Die einzelnen Indikatoren lassen sich dabei wie folgt systematisieren:

Abbildung 1: Indikatorensystem der Lebensqualität (Boecker 2011)

Die nachfolgende Abbildung 2 zeigt eine Gegenüberstellung des BIPs pro Kopf zu Kaufkraftparitäten mit dem Wohlergehen, wie es durch den BLI der OECD gemessen wird. Dabei wird offensichtlich, dass das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf zwar eine recht hohe Korrelation mit dem BLI aufweist, aber eben auch andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen.

So fällt etwa Österreich trotz eines recht hohen kaufkraftbereinigten BIPs pro Kopf beim BLI insbesondere hinter die nordischen Länder in Europa zurück.

Die hohen Zufriedenheitswerte in den skandinavischen Gesellschaften werden in der Literatur auf das hohe Vertrauen zueinander, die geringe Einkommensungleichheit und auf eine eher positive Sichtweise des täglichen Lebens zurückgeführt. (vgl. Greve 2010: 132 und 144)


Abbildung 2: Reichtum (BIP pro Kopf zu Kaufkraftparitäten) und Wohlergehen (OECD-BLI). (N. N. 2011)

In der Zukunft können dem BLI neue Dimensionen und Indikatoren hinzugefügt werden.17 So wurde der BLI etwa dafür kritisiert, dass er Ungleichheiten in der Gesellschaft, die soziale Funktionsstörungen bewirken, bisher (bis auf die Arbeitslosigkeit) nicht zufriedenstellend abbildet.18

In der nachstehenden Abbildung 3, in der die 11 Dimensionen des Gemeinwohls zu vier Hauptbereichen zusammengefasst wurden, ist nicht nur der Beitrag dieser vier Hauptbereiche zum erreichten Wert des Better Life Index ersichtlich, bei dem Österreich nur im Mittelfeld landet (Platz 16 von 36 insgesamt), sondern auch wie es dem obersten und dem untersten Quintil der Bevölkerung hinsichtlich des Wohlbefindens jeweils ergangen ist. Diesbezüglich wies etwa die USA eine sehr hohe Ungleichheit aus, obwohl sie den zweithöchsten Better Life Index-Wert erreichte.19


Abbildung 3: Better Life Index 2011 inkl. Ungleichheit (N. N. 2012a)

Bis jetzt hat der Index über eine Million Besucher angezogen. Die Website wurde von 184 Ländern aus insgesamt über 1,8 Mio.-mal angesehen.

Über verschiedene Kanäle wurden bis dato 27.314 NutzerInnen-generierte Indizes geteilt und 6.300 demographische Umfragen bei der OECD eingereicht. Seit Mai 2012 sind die Ergebnisse der NutzerInnen online verfügbar. (vgl. N. N. 2012b)

Die Studie „How’s Life? Measuring well-being“, von der OECD am 12. Oktober 2011 herausgegeben, bietet ein umfassendes Bild der Faktoren, die das Leben von Menschen in 40 Ländern ausmachen. Der Report bewertet 11 spezifische Lebensaspekte – von Einkommen, Jobs und Wohnsituation bis zu Gesundheit, Bildung und der Umwelt – als Teil der laufenden Bemühungen der OECD, neue Maßgrößen zur Bewertung des Wohlergehens zu entwickeln, die über das BIP hinausgehen.20 Die Studie legt das Schwergewicht auf Haushalte und Individuen und nicht auf die Gesamtentwicklung der Ökonomie.

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass man versucht, die herkömmlichen ökonomischen Messgrößen durch neue Indikatoren zu ergänzen, welche die für die Lebenszufriedenheit wichtigsten Bereiche abbilden und so den Zustand und den Fortschritt von Gesellschaften umfassend und integrativ zu zeigen vermögen.21 Größte Sorgfalt ist dabei auf die Auswahl der relevanten Dimensionen und Variablen zu legen. Ein umfassendes, aber doch überschneidungsfreies und überschaubares Messgrößen-Set ist hier erwünscht. Sowohl wissenschaftliche Kriterien als auch die Frage der politischen Akzeptanz sind dabei zu berücksichtigen. (vgl. Frey/Frey-Marti 2010: 163) Chancen werden sich hinkünftig sicher auch durch die vermehrte Verfügbarkeit von Echtzeitdaten ergeben. (vgl. Marber 2012: 80f)

Gegen die Bereitstellung zusammengesetzter Indikatoren für die Lebenszufriedenheit durch die amtliche Statistik lässt sich einwenden, dass solch ein Gesamtindex aufgrund der unvermeidlichen Gewichtungen der einzelnen Komponenten werturteilsbehaftet ist.22 Einzelne Kennzahlen ermöglichen hingegen Detailanalysen und Einzelaussagen. So können aber auch Wahlmöglichkeiten im Sinne eines trade offs aufgezeigt werden. Damit wird es für die Wirtschaftspolitik z. B. leichter, Entscheidungen, die ein geringeres Wirtschaftswachstum implizieren, zu vermitteln. Natürlich müssen letztendlich werturteilsbehaftete Entscheidungen getroffen werden.

Ist einmal die Qualität der erhobenen Messgrößen gewährleistet, können Zeitreihen ermittelt werden. Ist auch die internationale Vergleichbarkeit der Indikatoren gegeben, so können Ländervergleiche angestellt und Panels erhoben werden.

Die Initiativen sind natürlich nicht nur auf die OECD beschränkt:

Mitte Juli 2011 forderte die UNO-Generalversammlung (auf Antrag Bhutans) alle Länder auf, Glück und Wohlergehen künftig auch als explizites Ziel ihres politischen Wirkens zu verfolgen.23

Mitte Juli 2011 hat auch das EU-Parlament eine ähnliche Resolution angenommen. (vgl. Ruckriegel 2012a: 134)

Im Rahmen einer Feasibility Study for Well-Being Indicators hat die europäische Statistikbehörde Eurostat einen EU-weiten Indikatorensatz zur Messung der Lebenszufriedenheit entwickelt, der 40 sowohl objektive als auch subjektive Messgrößen aus fünf Lebensbereichen (physiologische Bedürfnisse, Sicherheit und Geborgenheit, individuell bewertete Aktivitäten, Beziehungsgeflecht und Zugehörigkeit sowie Kompetenz und Selbstwertschätzung) enthält.24 Der Ergebnisindikator für die Lebenszufriedenheit der Eurostat-Studie hat das Akronym SALY (Satisfaction Adjusted Life Expectancy – Lebenszufriedenheit korrigierte Lebenserwartung).25 Ein Ländervergleich zeigt dabei, dass die Höhe des kaufkraftbereinigten Pro-Kopf-Einkommens keineswegs vollständig mit der Höhe von SALY korreliert. Weiters zeigt sich, dass kein enger Zusammenhang zwischen dem Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens und der Veränderung der um die Lebenszufriedenheit korrigierten Lebenserwartung feststellbar ist. Nur bei starkem Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens scheint ein statistisch positiver Zusammenhang zum SALY-Indikator zu bestehen, was als Hinweis auf die empirische Gültigkeit des oben angeführten Easterlin-Paradoxons gewertet werden kann. (Vgl. Erber 2010: 837f) Der im November 2011 von einer hochrangig besetzten Eurostat-Arbeitsgruppe vorgelegte Endbericht zu „Measuring Progress, Well-being and Sustainable Development“ (vgl. European Statistical System Committee 2011) wird unmittelbar Eingang in die praktische Arbeit der statistischen Ämter in den einzelnen EU-Ländern finden.

Seit ca. 30 Jahren wird in der World Values Survey, die Ron Inglehart, ein Sozialwissenschaftler der Universität Michigan, initiiert hat und die mehr als 40 Länder abdeckt, ein Index des persönlichen Wohlergehens (generelle Lebenszufriedenheit) erhoben. Maße der Lebenszufriedenheit werden ebenso über die European Social Survey und die Gallup World Poll erhoben.

Auf die zahllosen nationalen und weiteren internationalen Initiativen, die es mittlerweile gibt, kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden.26


3. Bedeutung für die Soziale Arbeit und die Sozialarbeitswissenschaft
Die Bedeutung der oben skizzierten Entwicklungen liegt für die Soziale Arbeit und die Sozialarbeitswissenschaft insbesondere darin, dass es dadurch zu einer Verschiebung der Prioritäten zugunsten sozialer und ökologischer gegenüber ökonomischen Aspekten kommen sollte.

Die Betonung des Sozialen ist gesamtgesellschaftlich umso bedeutsamer, als die Wissenschaft beobachtet, dass das Sozialkapital mit der heranwachsenden Generation jährlich um 1 bis 2 Prozent abnimmt und im gleichen Tempo zuerst die psychische Gesundheit durch Depressionen von Jugend an und dann die körperliche Gesundheit und Arbeitsfähigkeit verloren gehen. (vgl. Gehmacher/Hagen 2011: 3)27

Betrachtet man die elf Dimensionen, die der BLI umfasst, so wird evident, dass die Verfügbarkeit und Qualität von Wohnraum, die Arbeitslosenquote, die Lebenserwartung und subjektive Einschätzung des Gesundheitszustands, das Sozialkapital (Gemeinschaft), die Sicherheit und die Lebenszufriedenheit durch die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Sozialen Arbeit positiv beeinflusst werden.

So in den Fokus gerückt, sollte das der Soziale Arbeit, aber auch der Sozialarbeitswissenschaft ein höheres Ansehen und eine bessere Finanzierung bringen.

Nicht zu vergessen ist dabei jedoch, dass das oben vorgestellte, neue Zielsystem des Wohlergehens z. T. fundamentale Einstellungsveränderungen bedingt, die i.d.R. ca. fünf bis zehn Jahre brauchen, bis sie sich etabliert haben.

Die Messindikatoren des BLI könnten in Leistungsverträgen und Zielvereinbarungen mit externen AuftraggeberInnen und Financiers zur Anwendung gelangen und so die Ziele vorgeben, an denen die Tätigkeiten der sozialwirtschaftlichen Organisationen auszurichten sind. Freilich müssten die Messgrößen des BLI, die sich ja auf Österreich insgesamt beziehen, dazu entsprechend heruntergebrochen und operationalisiert werden. So wird man etwa nicht die Quote der Langzeitarbeitslosen heranziehen, sondern z. B. definieren, dass sechs Monate nach Beendigung der Ausbildung und des Dienstverhältnisses im zweiten Arbeitsmarkt ein bestimmter Prozentsatz der KlientInnen eine Anstellung am ersten Arbeitsmarkt gefunden haben sollte. Die im Ist tatsächlich erreichte Erfolgsquote sollte dann als Feedback in die Festlegung der im Zuge der nächsten Zielvereinbarung geplanten Messgröße einfließen.28

Die in den Leistungsverträgen und Zielvereinbarungen festgelegten Messgrößen sollten idealerweise freilich nicht nur als Zielgrößen und im Reporting gegenüber den externen AuftraggeberInnen und Financiers verwendet werden, sondern zugleich auch in der sonstigen externen Kommunikation (wie z. B. in Geschäfts- oder Lageberichten) sowie zur internen Steuerung und Kontrolle, d. h. zur strategischen und operativen Lenkung der sozialwirtschaftlichen Organisationen.


4. Schlussteil: Zusammenfassung, Ausblick

„Das im Westen herrschende materialistische Maximierungsdenken hat die Welt in eine Krise gestürzt, aus der wir uns befreien müssen. Wir müssen radikal mit dem Rausch des ‘Immer noch mehr’ brechen (…) Es ist höchste Zeit, dass Ethik, Gerechtigkeit, nachhaltiges Gleichgewicht unsere Anliegen werden. Denn uns drohen schwerste Gefahren, die dem Abenteuer Mensch auf einem für uns unbewohnbaren Planeten ein Ende setzen könnten.“ (Hessel 2011: 19f)

Insofern kann die OECD-Better Life Initiative nicht hoch genug eingeschätzt werden, zumal sie das Potential besitzt, global Anwendung zu finden. Mit dem Better Life Index (BLI) wurde der Prototyp eines integrativen Zielsystems entwickelt, welches auf der Makroebene sowohl ökonomische als auch soziale und ökologische Aspekte abbildet. „Since we are, to a large degree, what we measure, we will only build stronger economies and healthier societies if we start to measure what we want to be.“ (Bishop/Green 2011: 15)

Die interdisziplinäre Glücksforschung liefert hier wichtige Erkenntnisse, welche die entscheidenden Faktoren für die Lebenszufriedenheit sind. Auch die Ökonomie wird dadurch multidisziplinärer als bisher werden müssen.

Nicht vergessen werden darf jedoch, dass die beschriebenen Ansätze erst am Anfang stehen und sich dynamisch weiterentwickeln werden. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Qualität und die internationale Vergleichbarkeit der verwendeten Messindikatoren zu legen sein. Klar muss auch sein, dass die mit dem neuen integrativen Zielsystem einhergehenden Änderungen in den Einstellungen und den Verhaltensweisen der Menschen ihre Zeit benötigen werden, bis sie wirksam werden.29

Für die Sozialarbeit und die Sozialarbeitswissenschaft bedeuten die skizzierten Entwicklungen eine Bedeutungsverlagerung hin zum Sozialen (und Ökologischen, weg vom rein Ökonomischen), ein entsprechend höheres Ansehen und eine hoffentlich bessere finanzielle Ausstattung.

Aus den Messindikatoren des BLI abgeleitete Zielgrößen könnten in Leistungsverträgen und Zielvereinbarungen mit externen AuftraggeberInnen und Financiers, aber auch in der sonstigen externen Kommunikation sowie bei der internen Lenkung sozialwirtschaftlicher Organisationen zur Anwendung gelangen.

„Glück hat eine zeitliche Dimension: Ökonomisch geht es darum, wie das knappe Gut Zeit (Input) genutzt wird, um über das ganze Leben gerechnet in hohem Maße Glück/Zufriedenheit zu erreichen (Output). (…) um mit den Worten des Literaturnobelpreisträgers Bernard Shaw zu sprechen: ‘Die Ökonomie geht der Frage nach, wie man das Beste aus seinem Leben machen kann. ’“ (Ruckriegel 2012a: 131)


Verweise
1 So auch Luks (2012: 17f)
2 So war etwa die Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren Anlass für den US-amerikanischen Kongress, die Entwicklung einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu beauftragen, um die wirtschaftliche Realität besser fassen zu können. So entstand das Bruttoinlandsprodukt. (Vgl. Marber 2012: 74)
3 Nach erfolgter Festlegung des Zielsystems bedarf es natürlich der Bestimmung von Maßnahmen, die es zu ergreifen gilt, um die angestrebten Zieldimensionen zu erreichen.
4 „(…) Wahl zwischen managed transition und forced transition (…): Werden die jedenfalls stattfindenden Veränderungen durch bewusst vollzogene Handlungen und Unterlassungen geprägt oder dadurch, dass – zum Beispiel ökologische – Probleme ‚unbearbeitet’ bleiben und so einen Wandel erzwingen? ‚Nachhaltige Entwicklung’ steht für den Versuch, das letztgenannte Szenario zu verhindern. (…) Es ist (…) gewiss angemessener, auf Gestaltung zu setzen, statt sich von Ereignissen gleichsam überrollen zu lassen.“ (Luks 2012: 12)
Um mit Max Weber zu sprechen, bedarf es statt einer bloßen Gesinnungs- einer Verantwortungsethik, die es auf die konkreten Folgen von Handlungen und Unterlassungen abgesehen hat und nicht nur auf die Richtigkeit von Einstellungen und Motivlagen. Gehmacher (2011: 3) glaubt, dass die Kluft zwischen Glauben und Tun („Belief-Behaviour-Gap“) durch Sozialkapital überbrückt werden kann.
5 Es ist wichtig, alle drei Ebenen einzubeziehen, da etwa die Sozialkapitalforschung zeigt, dass diese multiplikativ miteinander verknüpft sind. Vgl. zu den entsprechenden Größenordnungen Gehmacher (o. J.b) und weiters Gehmacher (o. J.a: 2-4).
Aufgrund der derzeitigen Unzulänglichkeiten fordert Felber (2012: 35-39) eine Neuordnung des Gesellschafts-, v. a. aber des Wirtschaftssystems, indem Anreize auf der organisatorischen, der regionalen und der volkswirtschaftlichen Ebene verbindlich verändert werden.
6 So wird z. B. in Bhutan seit einiger Zeit statt des Bruttoinlandsprodukts das Bruttonationalglück (Gross National Happiness) als gesamtwirtschaftlicher Indikator berechnet, an dem sich die Politik des Landes orientieren soll. (Vgl. umfassend Helliwell/Layard/Sachs 2012: 108-158, weiters http://www.grossnationalhapiness.com/)
7 Ebenso z. B. der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler in Ökosoziales Forum Europa; Ökosoziales Forum Österreich (2008: 132-134 und 144) sowie Marber (2009). Eigenverantwortung des Menschen allein wird hier nicht reichen. Vgl. z. B. Dobelli (2011: 76-79) zur Tragik der Allmende.
8 Damit hat die OECD eine radikale Trendwende vollzogen: „Over the past 50 years, the OECD has developed a rich set of recommendations on policies that can best support economic growth. The task that we face today is to develop an equally rich menu of recommendations on policies to support societal progress: better policies for better lives.“ (OECD 2011: 14) Der Einstieg der OECD in die Thematik war die Publikation „The Wellbeing of Nations. The Role of Human and Social Capital“ im Jahr 2001 (vgl. OECD/CERI 2001), die ein Bestseller wurde.
9 Diese Kommission wurde in Frankreich 2008 vom ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy eingesetzt. (Vgl. http://www.stiglitz-sen-fitoussi.fr/en/index.htm) Im Endbericht wird insbesondere auf die Lebensqualität, eine nachhaltige Entwicklung und die Umwelt eingegangen. (Vgl. dazu Stiglitz/Sen/Fitoussi 2009: 41-82 und 143-287) Es wird vorgeschlagen, dass das wirtschaftspolitische Ziel nicht das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts an sich sein sollte, sondern die Verteilung von verfügbaren Einkommen, Konsum und Vermögen auf Haushaltsebene, die objektive Lebensqualität (Bildungsniveau, Gesundheitsstatus, Umweltzustand …) und das durch Befragungen ermittelte subjektive Wohlbefinden der gegenwärtigen Generation sowie die (ökologische) Nachhaltigkeit für zukünftige Generationen.
10 Bereits Simon Kuznets, jener Volkswirtschaftler, der das BIP entwickelte, realisierte die Grenzen von dessen Aussagekraft: „In 1934, Kuznets warned ‘the welfare of a nation can scarcely be inferred from measurement of national income.’ He wrote again in 1962, ‘distinctions must be kept in mind between quantity and quality of growth, between ist costs and return, and between the short and the long run.’“ (Marber 2012: 74) Kuznets „resigned from his post oversseing the U.S. national accounts when he lost an argument over his desire to include unpaid domestic work in the calculation of GDP.“ (Bishop/Green 2011: 15)
Vgl. zu einer umfassenden Kritik am BIP Stiglitz/Sen/Fitoussi 2009: 21-40 und 85-142.
Felber (2012: 37) fordert, dass das Gemeinwohl-Produkt einer Volkswirtschaft (bestehend aus 15-25 Indikatoren) das BIP ersetzen soll, so wie die Gemeinwohl-Bilanz eines Unternehmens den Finanzgewinn ablösen soll.
Kritik lässt sich jedoch nicht nur am BIP, sondern auch an anderen zentralen makroökonomischen Messgrößen anbringen, wie z. B. der Arbeitslosenrate, der Produktivität, dem internationalen Handel (Export und Import) und der Inflationsrate. (Vgl. dazu im Detail Marber 2012: 75-78)
11 Zahlreiche kritische Beiträge zum Thema Geld finden sich bei Liessmann (2009).
Mit Lebenszufriedenheit wird hier ein subjektives Wohlbefinden angesprochen, womit die im Zentrum der ökonomischen Glücksforschung stehende Zufriedenheit mit dem Leben gemeint ist, im Gegensatz zum Glücklichsein in Form positiver oder negativer Gefühle im Moment. (Vgl. P. 2012, Ruckriegel 2012b: 100f und Ruckriegel 2008: 309; Vgl. zu Messmethoden des Glücks Frey/Frey-Marti 2010: 27-33)
Dahinter steht die Überlegung, dass die durch das beobachtete Verhalten offenbarten Präferenzen nicht den wahren Nutzen zu identifizieren vermögen, da „sich die Marktteilnehmer häufig nicht sehr rational verhalten, (…) die meisten Personen weniger egoistisch, sondern vielmehr auf Fairness aus sind, (…) das Verhalten wenig zeitkonsistent ist und (…) Maximieren eher unglücklich macht.“ (Ruckriegel 2012a: 130.) Diese zentralen Erkenntnisse der Verhaltensökonomie (behavioural economics) finden sich detaillierter in Ruckriegel (2011: 833-837) beschrieben. Man könnte Menschen aber, abgehend von der Vorstellung des homo oeconomicus und abstellend auf die Überlegungen der Verhaltensökonomie, nach ihrer Lebenszufriedenheit befragen, womit man von der ordinalen zur kardinalen Nutzenmessung zurückkehrt (vgl. van Praag 2007: 61), wobei Lebenszufriedenheit wiederum approximativ mit Nutzen gleichgesetzt wird. (Vgl. Ruckriegel 2008: 311-313)
Die Glücksforschung ist interdisziplinär, an ihr arbeiten Neurobiologen, Ökonomen, Psychologen und Soziologen gemeinsam. (Vgl. Ruckriegel 2012b: 100)
Schon Adam Smith merkte übrigens in „The Theory of Moral Sentiments“ 1759 an: „The happiness of mankind (…) seems to have been the original purpose intended by the Author of nature, when he brought them into existence.“ Dies findet sich aber auch schon bei Thomas von Aquin und Aristoteles („Glück ist das letzte Ziel menschlichen Handelns“). (Vgl. Ruckriegel 2012b: 99)
12 „Zum einen passen sich die Ansprüche und Ziele an die tatsächliche Entwicklung an, d. h. mit steigendem Einkommen steigen auch die Ansprüche, sodass daraus keine größere Zufriedenheit erwächst (hedonistische Tretmühle). Zum anderen ist – sofern die materielle Existenz gesichert ist –, weniger das absolute Einkommen, als vielmehr das relative Einkommen – d. h. das eigene Einkommen im Vergleich zu anderen – für den Einzelnen entscheidend.“ (Ruckriegel 2012a: 133)
(Vgl. auch Ruckriegel 2012b: 108-110) „Demnach ist bis ca. 10.000 US-Dollar BIP pro Kopf eine starke Korrelation zwischen Zunahme der Zufriedenheit und Steigerung des BIP pro Kopf zu beobachten, da es hier um die Befriedigung von existenziellen Grundbedürfnissen wie Essen, Wohnen, Kleidung, Sicherheit und Bildung geht, von 10.000 bis 20.000 US-Dollar ist die Korrelation noch vorhanden, aber geringer. Über 20.000 US-Dollar ist die Korrelation nahezu nicht mehr gegeben.“ (Ruckriegel 2012b: 108; vgl. auch Binswanger 2010: 25, Abbildung 1; Diener/Seligman 2004: 5 und 18) Österreichs kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf liegt derzeit bei 41.822 US-Dollar. (Vgl. N. N. 2012c)
Vgl. zum Zusammenhang (und zur Kausalität) zwischen Einkommen und Lebenszufriedenheit ausführlicher Binswanger (2010: 24-46) und Frey/Frey-Marti (2010: 47-62).
Neben der Anspruchs- und der Statustretmühle versprechen auch noch die Multioptions- und die Zeitspartretmühle Glück, verhindern es aber. (Vgl. Binswanger 2010: 47-137). Auswege aus diesen Tretmühlen finden sich bei Binswanger (2010: 139-208).
13 Zur relativen Bedeutungslosigkeit der Mehrung von Geld und Besitz im Vergleich zu den anderen Lebensqualitätsfaktoren vgl. die von Ruckriegel (2012b: 112) in Abb. 6 dargestellte Umfrage.
Siehe zu den Faktoren der Lebenszufriedenheit im Einzelnen etwa Helliwell/Layard/Sachs (2012: 58-97).
14 So auch Kahneman/Krueger (2006) und Diener/Seligman (2004: 1).
Das erinnert natürlich stark an die Maslowsche Bedürfnispyramide, ergänzt durch den Ansatz von Deci und Ryan in Hinblick auf psychologische Bedürfnisse. (Vgl. Maslow 1943, Deci 1971, Deci/Ryan 1985a und Deci/Ryan 1985b)
Dass der Mensch grundsätzlich ein soziales, vertrauensvoll agierendes und kooperatives Wesen ist, wird auch durch zahlreiche Erkenntnisse sowohl der Neurobiologie als auch der Neuroökonomie gestützt. Vgl. Ruckriegel (2008: 310) mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
Ihre philosophische Verankerung findet die Glücksforschung in der empirischen Ethik des Utilitarismus, die auf Jeremy Bentham (1748-1832) zurückgeht. „Im Anschluss an die Position von Hume und Smith lehnt der Utilitarismus den egoistischen Hedonismus (Optimierung des Lust-Unlust-Kalküls des Handelnden selbst, Anmerkung des Verfassers) ab. Im moralischen Kalkül geht es nicht bloß um das Glück des Handelnden selbst, sondern um das Glück aller von der Handlung Betroffenen, um das ‚größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl’ (Bentham) und letztlich um den sozialen Nutzen aller Menschen überhaupt.“ (Anzenbacher 2003: 33)
15 Die OECD zeigt sich aufgrund der Feedbacks von TeilnehmerInnen an regionalen Konferenzen, die sie in Afrika, im asiatisch-pazifischen Raum und in Lateinamerika organisiert hat, optimistisch, dass das neue OECD-Rahmenkonzept zum Wohlergehen in allen Ländern der Welt von Relevanz sein könnte.
16 Weiters zeigt sich, dass es nur geringe Unterschiede zwischen den Resultaten der beiden Geschlechter gibt und auch keine signifikanten Differenzen zwischen den Ergebnissen der verschiedenen Generationen. (Vgl. Gooch 2012: 2).
17 Basierend auf Rückmeldungen von NutzerInnen, sollen noch 2012 neue Indikatoren hinzugenommen werden, um die Dimensionen Wohnraum, Arbeitslosenquote, Bildung und Umwelt zu stärken. (Vgl. Gooch 2012: 3)
18 So meint etwa Ökonomie-Professor Jean Gadrey „cet indicateur manque de mesures de ‘santé sociale’, comme le pourcentage de personnes pauvres, de personnes couvertes par l’assurance maladie ou encore, le revenu des dix pour cent le plus riches divisés par le revenu des dix pour cent le plus pauvres, un indicateur d’inégalité utilisé par les Nations unies.“ (Baietto 2011)
Arbeitslosigkeit dürfte allerdings einen besonders hohen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit haben: „Arbeitslosigkeit ist verheerend. Sie reduziert die Lebenszufriedenheit schlagartig und die Unzufriedenheit wird auch im Durchschnitt nicht sofort überwunden, wenn man wieder Arbeit findet. Ähnlich wirken [sic] unter den sozial bedingten Ereignissen nur die Verwitwung (eigene Krankheiten und Tod von Kindern sind andere Kategorien)“ (Wagner 2009: 797)
Gleichheit wirkt zweifach auf die Lebenszufriedenheit: Einerseits, da für jemanden, der arm ist, ein Euro mehr wert ist als für jemanden, der reich ist. Andererseits, da dadurch soziale Spannungen reduziert werden. (Vgl. Helliwell/Layard/Sachs 2012: 70f)
Warum Gleichheit Glück bedeutet und gerechte Gesellschaften besser für alle sind, erläutern Wilkinson/Pickett (2010) auf Basis empirischer Untersuchungen.
19 Eine Gegenüberstellung von Einkommensungleichheit (in Form des Gini-Koeffizienten) und Lebenszufriedenheit im nationalen Vergleich findet sich in Ruckriegel (2012b: 105, Abb. 3). „Es wundert somit nicht, dass auch die subjektiven Zufriedenheitswerte entscheidend von der Einkommenshierarchie geprägt werden, was im Übrigen unabhängig vom jeweiligen Niveau des Durchschnittseinkommens weltweit beobachtbar ist, sobald die materiellen Grundbedürfnisse abgedeckt sind (…)“ (Ruckriegel 2012a: 133)
Wie Arbeitslosigkeit, Inflation und Einkommensunterschiede unsere Lebenszufriedenheit beeinflussen erläutern Frey/Frey-Marti (2010: 63-78).
20 Generell will die OECD Messgrößen in drei Bereichen weiterentwickeln, und zwar betreffend die materiellen Ressourcen, die nicht-monetären Aspekte der Lebensqualität und die Nachhaltigkeit. (Vgl. OECD 2012: 3) Die OECD weist hier aber durchwegs darauf hin, dass die Qualität der Daten noch verbessert und an einer besseren internationalen Vergleichbarkeit gearbeitet werden muss. Zu diesem Zweck will die OECD (unter der Ägide des Committee on Statistics) bis Ende 2012 „Guidelines on the Measurement of Subjective Well-being“ entwickeln. (Vgl. Helliwell/Layard/Sachs 2012: 164-166)
21 „In der vorliegenden Form wird der Indikatorensatz zur Lebenszufriedenheit (…) das System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Das mag manchen radikalen Systemkritikern nicht weit genug gehen, das mag anderen als ein unsinniger Schritt weg von dem bewährten System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen erscheinen. Beide Extrempositionen dürften jedoch am Ende wenig zielführend sein. Die Indikatoren zur Lebenszufriedenheit sollten dazu dienen, Informationslücken zu beseitigen und den Entscheidungsträgern eine zusätzliche Messgröße an die Hand zu geben, an der sie ihre Politik ausrichten können.“ (Erber 2010: 839)
22 Vgl. mit weiteren Nachweisen bzgl. der Methoden zur Berechnung zusammengesetzter Indikatoren Erber (2010: 837, Fn. 32).
23 Die UNO selbst verwendet den Human Development Index, der Bildung, Gesundheit und Lebensstandards misst und hat sich Millennium development goals gesetzt, um extreme Armut zu reduzieren.
24 Von den 40 Variablen sind 29 bereits grundsätzlich aus bestehenden Erhebungen vorhanden bzw. könnten modifiziert werden. Neu zu erheben sind hingegen nur elf weitere. Ein Überblick über die Variablen für einen EU-weiten Indikatorensatz zur Messung der Lebenszufriedenheit findet sich etwa bei Erber (2010: 836).
25 SALY, die Lebenszufriedenheit korrigierte Lebenserwartung, kann nach einer Methode von Ruut Veenhoven mittels folgender Definitionsgleichung berechnet werden: SALYt = LEXP &lowcast; LSATt, wobei LEXP die Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt ist und LSAT die Lebenszufriedenheit zum jeweiligen Zeitpunkt kennzeichnet. (Vgl. Veenhoven 2007)
Beim Happy-Planet-Index (HPI) wird neben der Lebenserwartung und der persönlichen Lebenszufriedenheit auch noch der ökologische Fußabdruck als drittes Bewertungskriterium einbezogen. (Vgl. Ruckriegel 2010: 1143)
26 Vgl. zu weiteren internationalen Initiativen inkl. vergleichender Übersichten European Statistical System Committee (2011: 38-46).
27 „Beispiele für den Verlust an sozialem Zusammenhalt in unserer Epoche sind allgemein merkbar: die Auflösung der festen Familie, die Zunahme unsicherer Arbeitsverhältnisse, die Massenmigration und der oftmalige Wohnort- und Beschäftigungswechsel, Stress und Burn-out durch Verunsicherung und Angst, zunehmenden Unverlässlichkeit und Korruption, der Rückgang der Teilnahme am Leben in Kirchen und Parteien.“ (Gehmacher/Hagen 2011: 3) „Als Folge breiten sich Vereinsamung, Bindungslosigkeit und Haltlosigkeit aus. Engagement und Vertrauen leiden, Verantwortungsscheu und Aggression nehmen zu und ruinieren schließlich den Erfolg von Wirtschaft und Gesellschaft.“ (Gehmacher o. J. a: 1) (Vgl. auch Gehmacher 2009: 104)
28 Wurde das ursprüngliche Ziel verfehlt, ist zu prüfen, ob dies daran lag, dass die Zielvorgabe unrealistisch war, oder aber die umgesetzten Maßnahmen unzureichend waren.
29 „Es fehlt (…) an Geschichten, die von der Möglichkeit des Wandels überzeugen können und die sich gleichzeitig plausibel auf Komplexität und Paradoxien einlassen. Auf Zählen und Erzählen kommt es an, wenn man die Welt besser machen will. (…) dass es Bilder, Geschichten, Metaphern, überhaupt Symbole braucht – also Kunst und Erzählen. Geschichtenerzählen in diesem Sinne ist nötig, um Alternativen zum derzeitigen Zustand zur Sprache zu bringen und überhaupt plausibel zu machen, dass eine andere Welt möglich ist.“ (Luks 2012: 35f)


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Über den Autor

Dr. Nikolai Haring, Jg. 1974
nikolai.haring@fh-campuswien.ac.at

Seit September 2011 in Lehre und Forschung an der FH Campus Wien, schwerpunkt-mäßig im Masterstudiengang “Soziale Arbeit und Soziale Wirtschaft“ (SOWOSEC) tätig. Davor, zuletzt in Führungspositionen, im Finanz- und Rechnungswesen privat-wirtschaftlicher Unternehmen tätig. Studium, Doktorat und Universitätsassistenten-tätigkeit an der WU Wien. Vortragstätigkeit an diversen in- und ausländischen Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen für Erwachsene. Umfangreiche Publikationstätigkeit im In- und Ausland. Arbeitsschwerpunkte sind das externe (auch internationale) und interne Rechnungswesen (inkl. deren Konvergenz) sowie die betriebliche Finanzwirtschaft, insbesondere auch in Hinblick auf sozialwirtschaftliche Organisationen.