soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 9 (2013) / Rubrik "Werkstatt" / Standortredaktion Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/263/422.pdf


AG Junge Wohnungslose:

Junge Wohnungslose in Wien

Juni 2008


1. Einleitung
In den letzten Jahren ist den MitarbeiterInnen der Wohnungslosenhilfe eine steigende Anzahl von jungen, wohnungslosen Menschen aufgefallen, die in den bestehenden Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe nicht adäquat betreut werden können. Nach diesbezüglichen Diskussionen bei der Bawo-Fachtagung 2007 in Wien kam die Idee auf, einen Arbeitkreis zu diesem Thema ins Leben zu rufen. Am 8.10.2007 fand die erste Sitzung der Arbeitsgruppe statt.

In einer ersten Erhebungsphase haben wir Konzepte, Arbeitsansätze und Angebote für junge Erwachsene in der Wiener Wohnungslosenhilfe untersucht. Im nächsten Schritt wurden die Ziele der Arbeitsgruppe abgeklärt: Eine Gruppe wurde damit beauftragt Bedürfnisse von jungen Wohnungslosen zu sammeln und daraus Vorschläge zur quantitativen sowie qualitativen Verbesserung und Erweiterung der Angebotsstruktur abzuleiten. Die zweite ExpertInnengruppe entwickelte einen Fragebogen, um zum ersten Mal aktuelle Zahlen und ein Stimmungsbild zur Situation von jungen Wohnungslosen in Wien zu erheben. Der Fragebogen wurde an die Einrichtungen der WWH ausgeschickt. Die Ergebnisse der Kleingruppen wurden schließlich in dieses Grundsatzpapier eingearbeitet.


Tabelle 1: An der Erhebung teilnehmende Einrichtungen

Der folgende Text basiert somit auf dem ExpertInnenwissen der TeilnehmerInnen der Arbeitsgruppe sowie den Ergebnissen der Fragebogenerhebung. Zusätzlich wurden Quellen aus der Fachliteratur und einer Diplomarbeit verwendet.

Ziel ist es zunächst, Ursachen und Hintergründe sowie die speziellen Bedürfnisse von jungen Wohnungslosen zu erörtern, bevor daraus im letzten Teil Schlussfolgerungen und Verbesserungsvorschläge abgeleitet werden.

Dieses Grundlagenpapier bezieht sich auf die Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen. Die Arbeitsgruppe unterschied zunächst zwischen den 18- bis 25-Jährigen und den 25- bis 30-jährigen jungen Wohnungslosen – auf diese Weise machten sich deutliche Differenzen bemerkbar waren. Da die Grenze aber dennoch fließend ist, wurde schließlich bei den Bedürfnissen und Schlussfolgerungen nicht mehr weiter unterschieden.


2. Ursachen und Hintergründe

Insgesamt sind es meist Belastungskombinationen aus Dauerbelastung und kurzfristig eskalierten Problemen, die zu Straßenkarrieren führen. (vgl. Bodenmüller/Piepel 2003: 21) Weiters spielen Diskontinuität, die sich durch häufige Wechsel von Bezugspersonen oder Wohnorten auszeichnet, oder allgemein ein fehlendes soziales Netz, wesentliche Rollen. (vgl. Permien/Zink 1998: 104f)

Ein erheblicher Teil jugendlicher Wohnungsloser wird auf der Straße erwachsen. Andere, die in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt leben, werden zum Teil mit 18 „auf die Straße entlassen“ oder verlassen nach Konflikten selbst die Einrichtung, oft ohne weitere Perspektiven. Auch jenen, die eine eigene Wohnung über die Jugendwohlfahrt erhalten, fällt die erste Zeit ohne Betreuung schwer. Ohne genügend Vorbereitung auf das selbständige Leben wachsen häufig die Probleme und vor allem Zahlungen über den Kopf und so erfolgt erneut die Rückkehr auf die Straße.

Generell zur Situation junger Erwachsener ist auffallend, dass der familiäre Rückhalt deutlich abnimmt und ihre persönliche Situation von einem „nicht mehr Kind, noch nicht erwachsen“ gekennzeichnet ist. Trotz der scheinbaren Chancenvielfalt fehlt es ihnen an Orientierung, doch gerade in diesem Lebensabschnitt müssen wichtige Entscheidungen in beruflicher und persönlicher Hinsicht getroffen werden. Insgesamt haben sich die Chancen der jungen Erwachsenen auf gesellschaftliche Teilhabe in den letzten Jahrzehnten verringert. Der Zugang zum Arbeitsmarkt erfordert immer höhere Qualifikationen und aufgrund des geringen Einkommens stehen kaum leistbare Wohnungen zur Verfügung. Viele Jugendliche und junge Erwachsene sind diesen gesteigerten Anforderungen und den damit verbundenen Verpflichtungen nicht gewachsen (vgl. Velmerig 2005: 101f).


3. Bedürfnisse und Besonderheiten von jungen Wohnungslosen


4. Schlussfolgerungen und Verbesserungsvorschläge
Die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse sowie die Qualität der Angebote sind entscheidend dafür, ob wohnungslose Jugendliche und jungen Erwachsene ein Angebot längerfristig annehmen können oder nicht. Wenn dies nicht der Fall ist, kommt es dazu, dass sie immer wieder zwischen Straße, FreundInnen und Hilfseinrichtungen hin und her pendeln. (vgl. Bodenmüller/Piepel 2003: 41f) Bedürfnisorientierte Einrichtungen arbeiten effizienter und effektiver, da sie passgenauer sind und damit erhöht sich die Akzeptanz, das Durchhaltevermögen sowie die Zufriedenheit. (vgl. Müllner 2006: 77f) Daher ergeben sich folgende Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe als Forderungen an die Wohnungslosenhilfe (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):


4.1. Wohnen


Abbildung 1: Verteilung Männer und Frauen vermittelt von P7


Abbildung 2: Geschlechterverhältnis unter 25


Abbildung 3: Altersverteilung Männer


Abbildung 4: Altersverteilung Frauen


4.2. Arbeit und Ausbildung, Freizeit und Tagesstruktur


4.3. Ambulante Einrichtungen


4.4. Prävention und Nachbetreuung


5. Zusammenfassung
Die Einführung von lebensweltorientierten Angeboten und einer akzeptierenden Grundhaltung ist eine grundsätzliche Forderung!

Zusammenfassend möchten wir feststellen, dass junge Wohnungslose vom Hilfesystem der WWH, neben konkreten Überlebenshilfen, Normalisierung und Stabilisierung, vor allem die Erfahrung benötigen, dass sie mitsamt ihrer problematischen Situation akzeptiert werden.

Darüber hinaus ist in Anbetracht des besonders in den letzten Jahren verzeichneten rasanten Anstiegs der jungen Wohnungslosen (2007 waren 40% der NotquartiersnächtigerInnen unter 30 Jahren) eine Adaptierung als notwendig anzusehen. Dadurch wird ein frühes Auffangen der Krisensituation ermöglicht und ein Abrutschen in die manifeste Wohnungslosigkeit verhindert. Eine Verbesserung der aktuellen Angebotsstruktur ist demzufolge eine Investition in eine kosteneffiziente und nachhaltige Handlungsstrategie und somit gegen eine Verhaftung von jungen Menschen in der WWH.


Literatur
Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose (2008): Fragebogen Junge Wohnungslose Erwachsene. Wien.
Bodenmüller, Martina / Piepel, Georg (2003): Streetwork und Überlebenshilfen, Entwicklungsprozesse von Jugendlichen aus Straßenszenen. Weinheim; Berlin; Basel.
Müllner, Andrea (2006): Wohnungslose junge Erwachsene in Wien, eine Analyse. Diplomarbeit eingereicht an der Fachhochschule St. Pölten.
Permien, Hanna / Zink, Gabriela (1998): Endstation Straße? Straßenkarrieren aus der Sicht von Jugendlichen. München.
Verein Wiener Sozialprojekte (Hrsg.) (2006): Jahresbericht 2005. Wien.
Velmerig, Thomas (2005): Hilfsangebote für junge Erwachsene an der Schnittstelle von BSHG und KJHG. In: Wohnungslos, 47. Jahrgang, Heft 3/2005. S. 101-104.


Über die TeilnehmerInnen der Arbeitsgruppe
Natascha Ettenauer (Haus Otto und R3, Samariterbund)
Irmgard Hajszan-Libiseller (Haus Miriam, Caritas-Wien)
Nora Kobermann (JOSI, wieder wohnen)
Christina Kolland (JOSI, wieder wohnen)
Oliver Korath (Gruft, Caritas-Wien)
Gilbert Medwed (Haus Hermes, Rotes Kreuz)
Andrea Müllner (JUCA, Caritas-Wien)
Maria Ramnek (Frauenwohnzentrum, Caritas-Wien)
Simone Schiffauer (Haus Siemensstraße, wieder wohnen)
Stefanie Strasser (Haus Hernals, wieder wohnen)
Reinhard Sutrich (R3 Samariterbund)
Hannah Swoboda (A_way, Caritas-Wien)
Stephan Waldner (P7, Caritas-Wien)
Daniela Wieshofer (Haus Gänsbachergasse, wieder wohnen)
Michael Zikeli (JUCA, Caritas-Wien)