soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 9 (2013) / Rubrik "Rezensionen lang" / Standortredaktion Vorarlberg
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/273/453.pdf


Sozialarbeitsforschung


Empirische Forschung in der Sozialen Arbeit oder für die Soziale Arbeit hebt sich durch den spezifischen ethischen Anspruch zur partizipativen und praxisfördernden Mitgestaltung gesellschaftlicher Realitäten von positivistischen Ansätzen ab. Wie die Tradition der Aktions- oder Handlungsforschung zeigt, ist ein solcher Anspruch nicht allein auf sozialarbeiterische Sujets bezogen, er hat in diesen Kontexten jedoch eine besondere Relevanz. In der Diskussion um eine angemessene Sozialarbeitsforschung wird dies deutlich.

Zwei aktuelle Sammelbände geben einen Über- und Einblick in die Vielfalt von Forschungsprämissen und -methoden aus der Sozialarbeitsforschung i. w. S.


Heimgartner, A. / Loch, U. & Ling, S. (Hrsg.): Empirische Forschung in der Sozialen Arbeit. Methoden und methodologische Herausforderungen. LIT. Wien 2012


318 Seiten / EUR 29,90

In sieben Kapiteln und 22 Einzelbeiträgen spannen internationale Autorinnen und Autoren einen breiten Bogen von ethischen Forschungsgrundlagen bis hin zu innovativen Elementen der Sozialarbeitsforschung. Dabei sind die präsentierten Themen, Zielgruppen und Praxisfelder ebenso vielfältig wie die fachlichen Hintergründe der Forschenden. Forschung mit und für Kinder, Frauen mit Lernschwierigkeiten, ethnische Zielgruppen, Zielgruppen der Schulsozialarbeit oder der Jugendwohlfahrt belegen, dass Sozialarbeitsforschung in der Regel prekäre Lebenswelten in den Fokus nimmt und diese zu optimieren sucht. Dabei bringen uns die Autorinnen und Autoren dieses Sammelbands teils bekannte, teils neue Methoden nahe wie zum Beispiel die szenische Arbeit mit dem „Forumtheater“, den Einsatz von „Vignetten“ (hypothetischen Fallbeispielen) als Stimuli für Gesprächssituationen, die Delphi-Methode für Experteninterviews oder das „Tagesablaufprotokoll“ als Instrument zur Erhebung des Zeitbudgets von Kindern. Einige Beiträge betonen die forschungsspezifische Bedeutung eines ethnographischen Zugangs in der Sozialarbeitsforschung; allen ist jedoch gemein, dass vornehmlich qualitative methodische Zugänge gewählt werden, oft in Form von Interviews aber auch gestützt oder flankiert durch diverse darstellerische Methoden. Der eingangs erwähnte partizipative und emanzipatorische Anspruch der Sozialarbeitsforschung kommt in diesem Sammelband deutlich zum Ausdruck.


Rothfuß, E. & Dörfler, T. (Hrsg.): Raumbezogene qualitative Sozialforschung. Springer. Wiesbaden 2013


307 Seiten / EUR 29,95

Sozialraum ist Soziales Kapital; in ihm finden nicht nur soziale Phänomen statt, soziale Phänomen werden vielmehr auch durch die Struktur sozialer Räume mitgeprägt. Diese These verfolgen zumindest implizit Autorinnen und Autoren aus den Disziplinen Humangeographie und Soziologie in diesem Sammelband. Sie präsentieren diverse Zugänge qualitativer Forschung, die sich mit Aspekten von „Sozialraum“ und „Raum“ in den Kultur- und Sozialwissenschaften beschäftigt. Wie oft in derartigen Sammelbänden werden unter dem Oberthema vielseitige Beiträge subsumiert, was Chance und Risiko zugleich darstellt. Die Chance liegt in einer breiten Übersicht über Einzelprojekte, Methoden und wissenschaftliche Fragestellungen, das Risiko im kaum gegebenen Bezug der Einzelbeiträge zueinander. Obzwar damit nicht jeder einzelne Beitrag für die Leserschaft interessant sein dürfte, bietet das Werk dennoch – je nach Fachinteresse und Vorwissen – etliche Anknüpfungspunkte für aktuelle sozialraumanalytische Forschungs- und Entwicklungsansätze. Sozialräume aus Guatemala, Räume Rechtsextremer aus Sachsen-Anhalt, libanesische Flüchtlingslager, die Gemeinde March im Breisgau, die Bevölkerung des Bezirks Prenzlauer Berg in Berlin oder die Rinderhirtengesellschaft der Himba im nordwestlichen Namibia stellen die vielseitigen Gegenstände raumanalytischer Betrachtungen dar und bieten der Leserschaft ausreichend Ansätze, eigene Sozialraumanalysen umzusetzen.

Frederic Fredersdorf / frederic.fredersdorf@fhv.at