soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 12 (2014) / Rubrik "Editorial" / Redaktion soziales_kapital
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/348/601.pdf
In dem vorliegenden Schwerpunkt „Migration und Flucht“ widmen sich die Autor_innen vor allem der Situation von Asylwerber_innen in Österreich. Als „organisierte Desintegration“ beschreiben Veronika Stemberger, Niko Katsivelaris und Maximilian Zirkowitsch (Standort St. Pölten) die Politiken der Grundversorgung für Asylwerbende. Kalin Trifonov (Standort Linz) und Jörg-Simon Löblein (Standort Innsbruck) stellen beide unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF) in den Mittelpunkt ihrer Artikel. Während erster die psychischen Belastungen von umF im Asylwerbungsprozess und die Notwendigkeit eines kindgerechten Asylverfahrens hervorstreicht, bespricht zweiter (anhand eines Praxisberichtes) den reformpädagogischen Ansatz der Positiven Peerkultur als mögliche Handlungsweise der Sozialen Arbeit. Alle Autor_innen reflektieren deren Rolle innerhalb eines restriktiven Migrationsregimes und loten Handlungsspielräume aus. Auch ein Beitrag aus der Rubrik „Junge Wissenschaft“ beleuchtet kritisch die Politiken rund um Asylwerber_innen: Katharina Jetzinger (Standort Innsbruck) problematisiert den Tatbestand der Schlepperei in Bezug auf die Geschehnisse rund um den Refugee-Protest in Wien (November 2012 bis März 2014).
Den thematischen Blick auf die Lebensgeschichten von zwei Migrantinnen aus Bosnien und Herzegowina werfen die Autoren Mihajlo Grbavac-Palmisano und Bernd Leidl (Standort St. Pölten). Anhand von biographisch-narrativen Interviews werden u. a. die positive Selbstverortung der Befragten im Kontext ihrer Positionen im Billiglohnsektor sowie Emanzipationsprozesse hervorgehoben.
In der Rubrik „Sozialarbeitswissenschaft“ stellt Christian Reutlinger (Standort Graz) die Frage nach der Zukunft der Sozialen Arbeit und bietet mögliche Entwicklungsszenarien an, die Freiräume für weitere Diskussionen und Interpretationen schaffen sollen. Ein gänzlich anderes Thema greift Johannes Zimm (Standort Wien) auf, und zwar die Konstruktionen hegemonialer Männlichkeit (Aggression, Konfliktlösung durch Gewalt, Hierarchien) durch moderne Video- und Computerspiele.
Eine „Junge Wissenschaft“-lerin wirft die Frage auf, welche Herausforderungen an die Soziale Arbeit durch postdemokratische Entwicklungen entstehen und wie Soziale Arbeit Demokratie und Partizipation fördern kann (Marlene Pillwein vom Standort Wien).
Abschließend fällt der thematische Fokus auf sozialräumliche Methoden und Praxen. Bernd Rohrauer (Standort Wien) stellt die Erweiterung der Nadelmethode und das Potential aktueller kartenbasierter Technologien für die sozialräumliche Methodenentwicklung in den Mittelpunkt. Barbara Zach (Standort St. Pölten) nimmt die „Sozialraumorientierung in Graz: Eine Gegenüberstellung von Programmatik und Praxis“ in den Blick und eröffnet damit die Diskussion um die städtische Ausgestaltung dieses Ansatzes, die in der Rubrik „Einwürfe/Positionen“ intensiv fortgeführt wird. So diskutieren die Autoren Vincent Richardt und Klaus Posch (die Repliken auf) den Artikel „Modell Graz. Organisationstheoretische und entscheidungstheoretische Aspekte einer top-down Reform des Jugendamtes Graz“ von Hubert Höllmüller (FH Kärnten), der in der vorangegangenen Ausgabe 11(2014) dieser Zeitschrift erschienen ist. Eine Antwort auf diese Stellungnahmen von Hubert Höllmüller bereichert die Diskussion ebenso wie die Zusammenschau von Christoph Stoik, der das Potential von „Sozialraumorientierung zwischen neoliberaler Umprogrammierung und Perspektive für die Disziplinentwicklung“ auslotet.
Wir wünschen allen Leser_innen eine spannende Lektüre dieser diskussionsfreudigen Ausgabe und begrüßen thematische Beiträge oder Stellungnahmen zu Artikeln.
Doris Rosenlechner-Urbanek (Standort Salzburg)