soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 14 (2015) / Rubrik "Junge Wissenschaft" / Standort Innsbruck
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/378/684.pdf
Anita Gmeiner:
1. Einleitung: Das Übergangsmanagement Schule/Beruf
Am Beispiel von Tirols aktuellem Übergangsmanagement Schule/Beruf sind im Rahmen meiner Masterarbeit basierend auf einem Soll-Ist-Abgleich systemtheoretische Handlungsvorschläge für Unterstützungsangebote und Vernetzungsstrukturen im Übergang Schule/Beruf in Tirol erarbeitet worden. Für die Bearbeitung der Forschungsfragen habe ich in diesem Zusammenhang folgende Struktur erarbeitet (vgl. Gmeiner 2015):
In diesem Beitrag wird der Fokus v. a. auf die theoretische Fundierung des systemischen Übergangsmanagements Schule/Beruf gesetzt, wobei in Kapitel 3 auch zwei Handlungsvorschläge für Tirols Übergangsmanagement Schule/Beruf genauer beschrieben werden.
Allgemein wird das Übergangsmanagement Schule/Beruf als eine gezielte Bündelung und Koordination von Maßnahmen und Institutionen, die die Aufgabe der beruflichen Integration junger Menschen verfolgen, definiert. Das Übergangsmanagement Schule/Beruf soll eine Optimierung des Überganges Schule/Beruf verfolgen und Chancen in der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen beteiligten AkteurInnen erschließen (vgl. Diedrich/Zschiesche 2009: 15). Aus der Definition wird ersichtlich, dass einerseits Unterstützungsangebote für junge Menschen gezielt koordiniert und andererseits die Vernetzungsstrukturen zwischen den Institutionen unterstützt werden sollen. In Tirol wird das Übergangsmanagement von einer Koordinationsstelle Übergang Schule/Beruf auf Tiroler Landesebene aufgebaut. Der Fokus des Übergangsmanagements in Tirol liegt derzeit auf der beruflichen Integration ausgrenzungsgefährdeter junger Menschen. Im Rahmen des Beschäftigungspaktes Tirol wird seit 2007 gezielt ein Übergangsmanagement Schule/Beruf verfolgt (vgl. TEP 2013). Dabei beauftragen und planen der Sozialministeriumsservice und der Arbeitsmarktservice verschiedene Förderangebote für junge Menschen im Alter von circa 15 bis 25 Jahren (vgl. Gmeiner 2015).
Aus aktuellen Studien geht hervor, dass herkunftsbedingte Merkmale im österreichischen Bildungssystem zu Bildungsungleichheiten führen. Vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund und Jugendliche aus bildungsfernen Elternhäusern sind im österreichischen Bildungssystem benachteiligt (vgl. Steiner 2014). Im Hinblick auf den Übergang Schule/Beruf und der Anzahl gefährdeter Jugendlicher sind dabei zum einem die „ESL-Jugendlichen“1 und zum anderen die „NEET-Jugendlichen“2 relevante Gruppen, welche verstärkt dem Risiko einer späteren Jugendarbeitslosigkeit ausgesetzt sind. In Tirol wird die Anzahl gefährdeter junger Menschen im Jahr 2013 auf circa 18.000 geschätzt (vgl. Steiner/Kuschej/Vogtenhuber 2013). Des Weiteren ist im Jahr 2013 von der österreichischen Regierung die „Ausbildungspflicht bis 18“ beschlossen worden, welche beinhaltet, dass Jugendliche nach der Beendigung ihrer Schulpflicht bis zu ihrem 18. Lebensjahr entweder eine Lehrstelle, eine weiterführende Schule oder eine überbetriebliche Ausbildung aufnehmen müssen (vgl. Liebeswar/Steiner 2014: 180). Zudem verpflichtet sich die österreichische Regierung im Rahmen dieses Programms dazu, für Jugendliche ohne Lehrstelle eine „Ausbildungsgarantie“ zu gewähren. Die Ausbildungsgarantie beinhaltet, dass Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz eine öffentlich finanzierte Ausbildung zugänglich gemacht wird, die privaten Ausbildungsformen gleichgestellt ist (vgl. ebd.). Ebenso wird derzeit das „Jugendcoaching“ bzw. auch das „Lehrlingscoaching“ österreichweit eingeführt und ausgebaut. In Tirol wird das Jugendcoaching vom Sozialministeriumsservice geplant und beispielsweise vom Träger Arbas umgesetzt (vgl. Gmeiner 2015). Das Coaching ist ein individueller Beratungsprozess für Jugendliche ab dem 9. Schuljahr, der vor allem ausgrenzungsgefährdete Jugendliche unterstützen soll. Durch individuelle Beratung und Unterstützung soll den jungen Menschen der Weg in den Ausbildungsmarkt ermöglicht werden (vgl. Liebeswar/Steiner 2014: 181).
Neben den aktuellen Entwicklungen im Übergangsmanagement Schule/Beruf hat die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Österreich auch international Resonanz hervorgerufen. So wird im Jahr 2013 von Seiten der Vereinten Nationen die Forderung an die österreichische Regierung gestellt, vor allem benachteiligte und marginalisierte Gruppen gezielt mit weiterreichenden Strategien zu unterstützen, um die Ursachen von Jugendarbeitslosigkeit umfassend zu bekämpfen (vgl. Vereinte Nationen 2013: 4).
In diesem Aufsatz werden zwei verschiedene Fragestellungen in Bezug auf die berufliche Integration von v. a. bildungs- und arbeitsmarktfernen jungen Menschen bearbeitet:
Erstens wird der Frage nachgegangen, wie man das Übergangsmanagement Schule/Beruf systemisch gestalten kann. In Kapitel 2 wird basierend auf systemtheoretischen Annahmen eine Soll-Konzeption für ein Übergangsmanagement Schule/Beruf auf der Ebene der Unterstützungsangebote und auf der Ebene der Vernetzungsstrukturen beschrieben. Es werden ebenso soziologische Annahmen nach Pierre Bourdieu berücksichtigt, da diese zur Konkretisierung der systemtheoretischen Annahmen bei der Erklärung zur Entstehung von Bildungsungleichheiten dienen und somit bei der Konzeption eines systemischen Übergangsmanagements Schule/Beruf relevant sind.
Zweitens ergibt sich aufbauend auf die systemische Konzeption die Frage, welche Handlungsvorschläge sich für die Praxis ergeben können. Systemtheoretisch abgeleitete Handlungsvorschläge werden in Kapitel 3 am Beispiel von Tirols Übergangsmanagement Schule/Beruf dargestellt.
2. Soll-Kriterien eines systemisches Übergangsmanagement Schule/Beruf: Von den theoretischen Annahmen zu Handlungsvorschlägen für die Praxis
Im Rahmen meiner Masterarbeit sind für die Konzeption eines systemischen Übergangsmanagements Schule/Beruf verschiedene theoretische Annahmen einzeln dargelegt und zusammengeführt worden (vgl. Gmeiner 2015). Die theoretische Fundierung des systemischen Übergangsmanagements Schule/Beruf bezieht sich einerseits auf systemtheoretische Annahmen des „ontologischen Systemismus“ nach Silvia Staub-Bernasconi (2007). Zur Konkretisierung der systemtheoretischen Annahmen in Hinblick auf die Entstehung von Bildungsungleichheiten wird ebenso Bezug genommen auf soziologische Annahmen nach Pierre Bourdieu (vgl. Müller 2014). In diesem Aufsatz wird die theoretische Fundierung des systemischen Übergangsmanagements Schule/Beruf kurz anhand der Zusammenführung der theoretischen Annahmen dargestellt. In einem weiteren Schritt werden aus den theoretischen Zusammenführungen Ableitungen in Form von „Soll-Kriterien“ für die Konzeption eines systemischen Übergangsmanagements Schule/Beruf gemacht. Die Soll-Kriterien sind in diesem Zusammenhang „wünschbare“ Sachverhalte und Ziele (vgl. Staub-Bernasconi 1998: 126). Dabei werden Soll-Kriterien für Unterstützungsangebote und Soll-Kriterien für Vernetzungsstrukturen beschrieben.
2.1 Theoretische Annahmen und Soll-Kriterien der Unterstützungsangebote im systemischen Übergangsmanagement Schule/Beruf
Zunächst wird der Frage nachgegangen, wie der/die Jugendliche als Individuum im systemischen Übergangsmanagement aus der Theorieperspektive betrachtet wird. Dabei werden systemtheoretische und soziologische Annahmen zusammengeführt.
Der systemtheoretische Ansatz fasst die Gesamtheit der „Ausstattung“ des Individuums als „Austausch- und Machtpotenzial“, welches dem Erhalt und dem Aufbau von Beziehungen und somit der Bedürfnisbefriedigung des Individuums in der Umwelt dienen soll (vgl. Geiser 2013: 18). Dabei findet die Bedürfnisbefriedigung in sozialen Systemen statt (vgl. Staub-Bernasconi 1998: 41). Die Ausstattung des Individuums setzt sich aus verschiedenen Ausstattungen zusammen, welche in der „Systemischen Denkfigur“ dargelegt sind (vgl. Geiser 2013). Die „Systemische Denkfigur“ ist ein „Modell der Problem- und Ressourcenanalyse“ (ebd.: 24), welches soziale Probleme eines Individuums in Beziehung mit sich selbst und seiner Umwelt erfasst (vgl. ebd.: 25). Die heutige Systemische Denkfigur ist auf der Basis von Staub-Bernasconis ausgearbeiteter „prozessual-systemischen Denkfigur“ aus dem Jahr 1983 entstanden und von Kaspar Geiser weiter ausgearbeitet worden (vgl. ebd.: 22). Zu den Ausstattungen der Systemischen Denkfigur zählen die „biologische“ und die „soziale Ausstattung“ des Individuums, die „Ausstattung mit Handlungskompetenzen“, die „Informationsaufnahme“ und die „Ausstattung mit Kompetenzen des Erkennens/Erlebens und Wissens“ (ebd.: 95). Im Rahmen der Ausstattung des Erlebens/Erkennens und Wissens benennt Geiser psychische Erkrankungen, fehlendes Werte- oder Normenwissen, Analphabetismus oder innerpsychische Kulturkonflikte als Probleme (vgl. ebd.: 115ff). Problemlagen im Rahmen der Ausstattung mit Handlungskompetenzen sind nach Geiser Affekthandlungen, Mangel an Qualifikation bzw. an Handlungskompetenzen, kriminelles Handeln oder gewalttätiges Verhalten (vgl. ebd. 127f.). Die einzelnen Ausstattungen stehen dynamisch zueinander (vgl. ebd. 137f).
In den soziologischen Annahmen beschreibt Bourdieu die gesamte Ausstattung des Individuums als „symbolisches Kapital“, wodurch die soziale Position im sozialen Raum erhalten werden soll (vgl. Müller 2014: 47). In dieser Betrachtungsweise setzt sich das Kapital des Individuums aus dem „ökonomischen“, dem „sozialen“ und dem „kulturellen“ Kapital zusammen (vgl. Bourdieu 2005b). Neben dem Modell der Kapitalformen ist in Bourdieus Ausführungen ebenso der „Habitus“ ein zentrales Konzept. Bourdieu beschreibt den Habitus als „eine allgemeine Grundhaltung […] gegenüber der Welt“ (Bourdieu 2005a: 31), wodurch systematische Stellungnahmen gemacht werden, um die Umwelt sinnstiftend wahrzunehmen (vgl. ebd.). Dabei unterscheidet er den Habitus des Individuums und den von Gruppen, Milieus oder Schichten. Der Habitus ist von Existenzbedingungen des Individuums bzw. auch der Gruppe geprägt und zeigt sich in Denk-, Wahrnehmungs- und Verhaltensmustern. Der Habitus ist bis zu einem bestimmten Grad wandelbar, allerdings ist er „inkorporiert“ und somit Teil der Person (vgl. Kramer 2011: 49ff). Da der Habitus die Verbindung zwischen Denk-, Wahrnehmungs- und Verhaltensschemata aufzeigt, kann man ihn ebenso den Ausstattungen des Erkennens/Wissens und der Handlungskompetenzen der Systemischen Denkfigur zuordnen, die ebenso den Zusammenhang zwischen Kognitionen und sichtbaren Handlungen aufzeigen (vgl. Geiser 2013: 53). Bourdieus Kapitalformen (vgl. Bourdieu 2005b) wiederum zeigen Parallelen zur sozialen Ausstattung des Individuums in der Systemischen Denkfigur. So werden jeweils Bildungsabschlüsse, Bildungsgüter, soziale Mitgliedschaften oder finanzielle Einkommen darunter gefasst (vgl. Geiser 2013: 103ff, Bourdieu 2005b).
Abbildung 1 veranschaulicht die Systemische Denkfigur zusammengeführt mit Bourdieus Habituskonzept und dem Modell der Kapitalsorten:
Abbildung 1: Beschreibung des Individuums nach systemtheoretischen und soziologischen Annahmen (eigene Darstellung, vgl. Bourdieu 2005b, Geiser 2013)
Die Ausstattung mit Kompetenzen des Erkennens/Erlebens und Wissens umfasst die Wahrnehmung des Individuums. Die Ausstattung mit Handlungskompetenzen bezieht sich auf das Verhalten des Individuums. Die soziale Ausstattung wiederum greift verschiedene Kapitalformen wie das finanzielle, soziale und auch kulturelle Kapital auf, auf welches das Individuum Zugriff hat. Dabei stehen die einzelnen Ausstattungen des Individuums nicht für sich alleine, sondern stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander, d. h. dass sie sich gegenseitig beeinflussen können (vgl. Geiser 2013). Eine grundlegende systemtheoretische Annahme beschreibt alles Existierende als „ein System“ bzw. als „Teil eines Systems“. Dabei besitzt jedes System eine „interne Struktur“ (vgl. Staub-Bernasconi 1993: 127). Ausdifferenziert bilden demnach die einzelnen Ausstattungen in der Systemischen Denkfigur bzw. die einzelnen Kapitalformen und der Habitus die interne Struktur des/der Jugendlichen im systemischen Übergangsmanagement Schule/Beruf.
Ergänzend muss aus dem systemtheoretischen Ansatz erläutert werden, dass das Individuum eine „externe Struktur“ in Form von Vernetzungen mit der Umwelt eingeht (vgl. Staub-Bernasconi 1993: 127). Zwischen Individuum und Umwelt besteht dabei ein wechselseitiges Verhältnis. Das heißt, die Ausgestaltung der Umwelt beeinflusst die Lerngeschichte des Individuums ebenso wie dessen individuelle Ausstattung. Benachteiligte Individuen sollen durch „Kontrollapparate“ beim Zugang zu Ressourcen unterstützt werden (vgl. Staub-Bernasconi 1998: 41f). „Kontrolle“ wird in diesem Zusammenhang als „begrenzende Macht“ definiert, welche darauf abzielt, eine „begrenzende Steuerung von Prozessen der Macht-Bildung“ zu erreichen, die sich in Form von Ressourcenverteilung, Mitsprache oder Mitbestimmung zeigt (vgl. Geiser 2013: 221ff). Umgelegt bedeutet diese Definition von Machtverteilung, dass junge Menschen im Übergang Schule/Beruf mehr Handlungsspielraum erhalten, beispielsweise in Form von finanziellen Ressourcen, Zeit und Wahlfreiheit bei der Wahl der Ausbildung. Im systemischen Übergangsmanagement Schule/Beruf bedarf es Institutionen, die benachteiligten Jugendlichen gezielt den Zugang zu Ressourcen und Mitbestimmung ermöglichen. Aus den soziologischen Annahmen ergibt sich zudem der Faktor „Zeit“. So ist der Erwerb von Fähigkeiten ein Prozess, der die Investition von Zeit und Kapital braucht (vgl. Bourdieu 2005b: 55). Das Kriterium Zeit muss bei der Ausgestaltung von Unterstützungsangeboten berücksichtigt werden.
Nun stellt sich die Frage, wie die theoretischen Annahmen in Form von Soll-Kriterien für Unterstützungsangebote in einem systemischen Übergangsmanagement Schule/Beruf umgesetzt werden können. Staub-Bernasconi (2007) beschreibt unterschiedliche Arbeitsweisen bzw. „Arbeitshypothesen“. Die Arbeitsweisen sind miteinander kombinierbar und veränderbar. Zu den Arbeitsweisen zählen die „Ressourcenerschließung“, die „Bewusstseinsbildung“, das „Handlungskompetenz-Training“ und die „Soziale Vernetzung“ (vgl. Staub-Bernasconi 2007: 272ff). In den Arbeitsweisen werden die einzelnen Ausstattungen der Systemischen Denkfigur aufgegriffen und unterstützt. Durch die Arbeitsweise Ressourcenerschließung kann beispielsweise die soziale Situation des Individuums unterstützt werden.
Da im vorhergehenden Abschnitt die Parallelen zwischen den systemtheoretischen und den soziologischen Annahmen bei der Betrachtung des Individuums erarbeitet worden sind (vgl. Abbildung 1), können auch die soziologischen Annahmen im Rahmen der Arbeitsweisen verfolgt werden. Darüber hinaus ergeben sich der „Zugang durch Kontrollapparate“ und die „Reichweite des Übergangsmanagements“ als relevante Soll-Kriterien. Das Kriterium „Zugang“ bezieht sich auf die gezielte Unterstützung benachteiligter Individuen in Form eines aufsuchenden Zuganges zu Unterstützungsangeboten. Das Kriterium „Reichweite“ ergibt sich aus der Notwendigkeit der zeitlichen Ausweitung beim Erwerb von Fähigkeiten bzw. Kapitalformen, welche beispielsweise durch eine Ausdehnung von Unterstützungsangeboten auf die frühere Sekundarstufe I erreicht werden kann.
Insgesamt ergeben sich folgende Soll-Kriterien für die Unterstützungsangebote in einem systemischen Übergangsmanagement Schule/Beruf:
Abbildung 2: Soll-Kriterien der Unterstützungsangebote im systemischen Übergangsmanagement Schule/Beruf (eigene Darstellung, vgl. Gmeiner 2015: 44)
Die Soll-Kriterien zielen auf eine ganzheitliche Ausrichtung der Unterstützungsangebote ab. Im Folgenden werden die Soll-Kriterien der Vernetzungsstrukturen im systemischen Übergangsmanagement Schule/Beruf dargelegt.
2.2 Theoretische Annahmen und Soll-Kriterien der Vernetzungsstrukturen im systemischen Übergangsmanagement Schule/Beruf
Hinsichtlich der Vernetzungsstrukturen stellt sich die Frage, wie die Systeme um den/die JugendlicheN im Übergang Schule/Beruf gestaltet sein sollen. Dabei sind folgende Grundlagen durch die Zusammenführung der systemtheoretischen und soziologischen Annahmen erarbeitet worden:
Bei der Weitergabe von Kapitalformen spielen Reproduktionsmechanismen eine wichtige Rolle in der Entstehung von gesellschaftlichen Ungleichheiten. Bourdieu (2005b: 54f) benennt diese Mechanismen bzw. Systeme, die Ungleichheiten reproduzieren konkret: das Familien-, Bildungs- und Beschäftigungssystem (vgl. Müller 2014). Im systemtheoretischen Ansatz werden „Kontrollapparate“ beschrieben, deren Zuständigkeit die Verteilung von gerechteren Zugangschancen für benachteiligte Individuen darstellt (vgl. Staub-Bernasconi 1998: 42). Aus den beschriebenen Reproduktionsmechanismen resultiert, dass die Kontrollapparate eine wichtige Funktion beim Ausgleich von Ungleichheiten, die für die jungen Menschen durch das Familien-, Bildungs- und Beschäftigungssystem entstehen, einnehmen müssen. Zusammengeführt stellen sich in diesem Sinne die relevanten Bezugssysteme des Individuums im Übergang Schule/Beruf wie folgt dar:
Abbildung 3: Bezugssysteme des Individuums nach systemtheoretischer und soziologischer Betrachtungsweise (eigene Darstellung, vgl. Staub-Bernasconi 1998, Müller 2014)
Die roten Pfeile verdeutlichen dabei das wechselseitige Verhältnis zwischen Individuum und Umwelt (vgl. Staub-Bernasconi 1998). Das Familien-, Bildungs- und Beschäftigungssystem und die Kontrollapparate kann man zusammengefasst als Umwelt des/der Jugendlichen definieren, die Einfluss nimmt im Übergang Schule/Beruf. Aus systemtheoretischer Sicht lässt sich in diesem Zusammenhang ergänzen, dass alles Teil eines Systems ist und jedes System über eine interne und externe Struktur verfügt (vgl. Staub-Bernasoni 1993: 127f). Dadurch ergibt sich ein theoretisch gefasstes Bild der einzelnen Systeme im Übergang Schule/Beruf, die zum einem eine interne Systemstruktur besitzen, die sich in systeminternen Abläufen zeigt. Zum anderem besitzen die Systeme im Übergang Schule/Beruf ebenso eine externe Systemstruktur, die sich in Vernetzungen zu anderen Systemen zeigt.
Bei der Konzeption von Soll-Kriterien bezüglich der Vernetzungsstrukturen ergeben sich aufgrund der systemtheoretischen und der soziologischen Zusammenführung folgende Fragen:
Im Rahmen meiner Masterarbeit (vgl. Gmeiner 2015) habe ich diese Fragen wie folgt bearbeitet.
Bezüglich des Beitrages des Bildungssystems ergibt sich aus Leitfäden der Bertelsmann Stiftung für das Übergangsmanagement Schule/Beruf die „Berufsorientierung“ als Beitrag des Bildungssystems im Übergang Schule/Beruf. Von Seiten des Beschäftigungssystems wird gefordert, dass der Ausbau von „quantitativen und qualitativen Lehrstellen“ verfolgt werden muss. Das Familiensystem wiederum wird in oben genannten Leitfäden für das Übergangsmanagement Schule/Beruf nicht aufgegriffen (vgl. Bertelsmann Stiftung 2012: 7).
In Bezug auf die Gestaltung der Vernetzung zwischen den einzelnen Systemen im Übergang Schule/Beruf sind in Hamburg beispielsweise die „Jugendberufsagenturen“, welche die systematische Gestaltung und Vernetzung im Übergang Schule/Beruf auf verschiedenen Ebenen verfolgen, entstanden (vgl. Behörde für Schule und Berufsbildung 2012: 45f). Die Jugendberufsagenturen verfolgen als Netzwerkstellen die Bündelung von Maßnahmen und Angeboten des Übergangs Schule/Beruf von bildungs-, sozial- und arbeitsmarktpolitischen Bereichen, um im Rahmen einer Anlaufstelle eine gezielte Beratung und Vermittlung für Jugendliche zu schaffen. Damit zielt man auf die Abschaffung eines „Ressortdenkens“ der einzelnen Beteiligten ab. Es wird gleichzeitig eine gemeinsame Verantwortung der verschiedenen Systeme für die gelingende berufliche Integration junger Menschen geschaffen (vgl. ebd.: 46). Die systematische Vernetzung der relevanten Systeme und kurze Wege für Beratung und Information sind die wichtigsten Leitlinien des Konzeptes der Jugendberufsagentur (vgl. ebd.: 47).
In Österreich existiert ein Modell in dieser Form derzeit noch nicht, allerdings wäre die Gestaltung einer Jugendberufsagentur auch in Tirol möglich. Dabei würde es sich um eine Zusammenlegung von derzeitigen beratenden Unterstützungsangeboten des Arbeitsmarktservice und Sozialministeriumsservice in Form einer Anlaufstelle für junge Menschen im Gemeinwesen handeln, die die berufliche Integration gezielt verfolgt (vgl. Gmeiner 2015).
Nun stellt sich die Frage, inwieweit die theoretischen Annahmen für ein systemisches Übergangsmanagements mit aktuellen Entwicklungen und Inhalten des Übergangsmanagements Schule/Beruf zusammengeführt werden können und somit konkretere Soll-Kriterien für die Ausgestaltung des Übergangsmanagements benannt werden können. Einerseits stellt die Berufsorientierung die interne Aufgabe des Bildungssystems dar. Folgende Ideen sind im Rahmen der Soll-Analyse ausgearbeitet worden (vgl. Gmeiner 2015).
Die interne Aufgabe des Beschäftigungssystems erweist sich andererseits in der Ausgestaltung von Ausbildungsplätzen auch für benachteiligte junge Menschen. In Bezug auf die Gestaltung der externen Strukturen im Übergang Schule/Beruf gibt es ein Vernetzungssystem, welches gezielt an der Schnittstelle zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem agiert und somit die Netzwerkarbeit zwischen den relevanten Systemen im Übergang Schule/Beruf gestaltet und Ressourcen für benachteiligte junge Menschen erschließen soll. Bezeichnet wird dieses Vernetzungssystem in den weiteren Ausführungen als „Schnittstellenagentur“. Neben den externen Vernetzungsaufgaben hat diese Schnittstellenagentur ebenso interne Aufgaben. So werden im Übergang Schule/Beruf Jugendliche beraten und begleitet. Ebenso gibt es eine Weitervermittlung und Vernetzung zu ganzheitlichen Unterstützungsangeboten. Die Schnittstellenagenturen werden zudem gemäß dem Hamburger Modell auf einer planenden und umsetzenden Ebene umgesetzt. Insgesamt gestalten sich die Aufgaben und Vernetzungen im systemischen Übergangsmanagement wie folgt:
Abbildung 4: Aufgabenteilung auf planender und umsetzender Ebene im systemischen Übergangsmanagement Schule/Beruf (eigene Darstellung, vgl. Gmeiner 2015: 48)
Auf planender Ebene wird die langfristige Vernetzung zwischen Bildungs-, Beschäftigungs- und Familiensystem verfolgt. Die Schnittstellenagentur wirkt somit auf planender Ebene als ein reines Vernetzungsorgan. Auf umsetzender Ebene wird einerseits die Vernetzung zu den einzelnen relevanten Systemen verfolgt, andererseits die Beratung, Begleitung und Weitervermittlung junger Menschen in die berufliche Ausbildung bzw. zum beruflichen Abschluss.
2.3 Zusammenfassung: „Soll-Kriterienkatalog“ für ein systemisches Übergangsmanagement Schule/Beruf
Zusammengefasst ergibt sich aus den bisher beschriebenen Zusammenhängen folgender Soll-Kriterienkatalog für das systemische Übergangsmanagement Schule/Beruf. Dieser Soll-Kriterienkatalog ist in einem weiteren Schritt mittels einer empirischen Analyse mit den bestehenden Übergangsmanagement Schule/Beruf in Tirol abgeglichen worden (vgl. Gmeiner 2015: 49ff).
Ausgestaltung der Unterstützungsangebote: Welche Soll-Kriterien erfüllen die Unterstützungsangebote für Jugendliche am Übergang Schule/Beruf?
Ausgestaltung der Vernetzungsstrukturen: Welche Soll-Kriterien erfüllen die Vernetzungsstrukturen im Übergangsmanagement?
Interne Strukturen der Bezugssysteme: Welche Soll-Kriterien ergeben sich in Bezug auf die umsetzenden Aufgaben im Übergangsmanagement?
Abschließend muss zur systemischen Konzeption des Übergangsmanagements Schule/Beruf angemerkt werden, dass vor allem die Soll-Konzeption der Unterstützungsangebote gezielt bildungs- und arbeitsmarktferne Jugendliche durch die ganzheitliche Förderung unterstützt. Die Konzeption der Vernetzungsstrukturen schafft einen weitreichenden systemischen Beitrag zur Gestaltung des Überganges Schule/Beruf. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das Übergangsmanagement Schule/Beruf nur ausgrenzungsgefährdete junge Menschen fokussieren sollte, wie es derzeit in Tirol begründet wird (vgl. Kapitel 1), oder vielmehr alle jungen Menschen am Übergang von der Schule in das Berufsleben unterstützen sollte.
3. Ergebnisse der Ist-Analyse: Weiterentwicklungen zu einem systemischen Übergangsmanagement Schule/Beruf am Beispiel Tirol
In einer Ist-Analyse ist das derzeitige Übergangsmanagement Schule/Beruf in Tirol unter den entwickelten Soll-Kriterien (vgl. Kapitel 2.3) des systemischen Übergangsmanagements Schule/Beruf empirisch untersucht worden. Die detaillierte Darstellung des Forschungsdesigns sowie der konkreten Ergebnisse würde den Rahmen des vorliegenden Beitrages bei weitem übersteigen.
In einem Soll-Ist-Abgleich sind dann verschiedene systemtheoretische Ableitungen für das Übergangsmanagement Schule/Beruf in Tirol erarbeitet worden (vgl. Gmeiner 2015). Im Folgenden werden exemplarisch zwei konkrete Handlungsvorschläge für die Praxis erläutert, die sich aus den empirischen und theoretischen Erarbeitungen ableiten: Die „Systemische Produktionsschule“ wird als Handlungsvorschlag auf der Ebene der Unterstützungsangebote und die „Umsetzende Schnittstellenagentur“ als Handlungsvorschlag auf der Ebene der Vernetzungsstrukturen vorgestellt.
3.1 Die „Systemische Produktionsschule“
Derzeit gibt es in Tirol im Übergang Schule/Beruf das ausbildungsvorbereitende Angebot „Produktionsschule“, welches sowohl vom Arbeitsmarktservice als auch vom Sozialministeriumservice gestellt wird. Dieses greift ab dem 15. Lebensjahr und gilt als ein niederschwelliges, praxisorientiertes Angebot, dass Jugendliche gezielt auf dem Weg in die Ausbildung unterstützt. Die Förderung im Rahmen der Produktionsschule geht i. d. R. über maximal 12 Monate. Aktuell gibt es zur Produktionsschule einen offenen, niederschwelligen Zugang. Die Produktionsschule bereitet die jungen Menschen auf eine Ausbildung vor, demnach kann sie nicht als Lehrausbildung betrachtet werden, sondern arbeitet konkret in der Berufsvorbereitung.
Im Soll-Ist-Abgleich hat sich ergeben, dass die derzeitige Produktionsschule bereits unter den Soll-Kriterien „Ressourcenerschließung“, „Bewusstseinsbildung“, „Handlungskompetenz-Training“ und „Soziale Vernetzung“ arbeitet. Für eine systemische Weiterentwicklung dieses Unterstützungsangebotes haben sich aus der Ist-Analyse für die derzeitige Produktionsschule folgende Handlungsvorschläge ergeben (vgl. Gmeiner 2015):
In meiner Masterarbeit sind diese Ergebnisse unter den „zusätzlichen Merkmalen einer Systemischen Produktionsschule´“ zusammengefasst worden. Abbildung 5 veranschaulicht die hier benannten zusätzlichen Merkmale der Systemischen Produktionsschule:
Abbildung 5: Zusätzliche Merkmale der systemischen Produktionsschule (eigene Darstellung, vgl. Gmeiner 2015: 96)
Im folgenden Kapitel wird die „Umsetzende Schnittstellenagentur“ als Handlungsvorschlag für die Vernetzungsstrukturen genauer beschrieben.
3.2 Die „Umsetzende Schnittstellenagentur“
Hinsichtlich der Vernetzungsstrukturen auf der planenden Ebene in Tirols Übergangsmanagement hat sich im Soll-Ist-Abgleich gezeigt, dass eine „Planende Schnittstellenagentur“ in Form der Landeskoordinationsstelle Übergang Schule/Beruf bereits existiert. Auf der umsetzenden Ebene wiederum hat sich gezeigt, dass die verschiedenen Systeme im Übergang Schule/Beruf in Tirol sowohl beratende, begleitende und vermittelnde Aufgaben übernehmen. Derzeit setzt das Arbeitsmarktservice die Berufsorientierung und die Jugendberufsberatung um. Das Sozialministeriumsservice beauftragt die Coachingangebote. Dabei vernetzen sich sowohl die Angebote des Arbeitsmarktservice, als auch die Angebote des Sozialministeriumsservice mit dem Bildungs- und Beschäftigungssystem. Zudem gibt es zwischen den einzelnen Unterstützungsangeboten in Tirols Übergangsmanagement derzeit viele Übergänge und Zuständigkeiten (vgl. Gmeiner 2015: 69).
Aus der derzeitigen Situation ergibt sich für Tirols Übergangsmanagement der Vorschlag, beratende, begleitende und vermittelnde Unterstützungsangebote im Rahmen einer Institution zu bündeln. Diese Institution hat dann auf der umsetzenden Ebene die Zuständigkeit in der Beratung, Begleitung und Weitervermittlung von jungen Menschen am Übergang Schule/Beruf. Dabei passiert eine systematische Zusammenarbeit mit dem Bildungs-, Beschäftigungs-, und Familiensystem, mit der offenen Jugendarbeit und der Schulsozialarbeit, und den weiterführenden Unterstützungsangeboten des Übergangsmanagements, wie beispielsweise der zuvor beschrieben Produktionsschule oder den ausbildenden Unterstützungsangeboten, die im Rahmen der Ausbildungsgarantie staatlich gestellt werden. Durch die Bündelung der vorhandenen Unterstützungsangeboten ist in Tirol die Konzeption der zuvor beschrieben „umsetzenden Schnittstellenagentur“ möglich (vgl. Kapitel 2.2). Systemtheoretisch betrachtet wird das Übergangsmanagement dann auf der umsetzenden Ebene in zwei Systeme aufgeteilt, nämlich in die „umsetzenden Schnittstellenagenturen“ und in die „weiterführenden Unterstützungsangebote“. Abbildung 6 veranschaulicht die systemtheoretische Betrachtung des Überganges Schule/Beruf in Tirol mit den jeweiligen Vernetzungen herausgehend aus dem Soll-Ist-Abgleich:
Abbildung 6: Systemtheoretische Betrachtung des Überganges Schule/Beruf auf der umsetzenden Ebene (eigene Darstellung, vgl. Gmeiner 2015: 103)
Die blauen Systeme sind die Bezugssysteme des Übergangmanagements. Das rote System stellt das Zugangssystem dar. Es wird auch als Soll-System beschrieben, da über dieses System aufsuchende Zugänge zu ausgrenzungsgefährdeten jungen Menschen derzeit in Tirol verfolgt werden. Die grünen Systeme veranschaulichen die sich ergebende Zweiteilung des Übergangsmanagements. Die Pfeile veranschaulichen Vernetzungen im Übergang Schule/Beruf. Anhand der Farbe wird die Zuordnung der jeweiligen Vernetzung in Bezug auf das aktuelle Übergangsmanagement dargestellt. So sind die grünen Vernetzungen zentrale Abläufe im Übergangsmanagement in Tirol. Rote Vernetzungen zeigen Abläufe zwischen den Bezugsystemen, die außerhalb des Übergangsmanagements stattfinden. Es zeigt sich, dass v. a. über das System Schule der erste Schritt der beruflichen Integration junger Menschen stattfindet. So müssen die Abläufe und Vernetzungen in diesem System gestärkt werden, damit ausgrenzungsgefährdete Jugendliche im System Schule so früh wie möglich bei der beruflichen Integration unterstützt werden. Dabei wird die Relevanz von präventiven Unterstützungen durch die Schulsozialarbeit und einer Berufsorientierung im System Schule deutlich. In der Ist-Analyse hat sich eine direkte Vernetzung zwischen dem Bildungs- und Beschäftigungssystem im Rahmen einer praxisorientierten Berufsorientierung gezeigt. Die Berufsorientierung hat demnach neben der beruflichen Bildung, die im System Schule stattfindet, auch eine hohe Relevanz bei der Verflechtung von Bildungs- und Beschäftigungssystem.
4. Schlussfolgerung und Ausblick: Reform des Überganges Schule/Beruf durch eine systemtheoretische Betrachtung?
Die systemtheoretische Betrachtung des Überganges Schule/Beruf liefert eine theoretische Grundlage für die Umgestaltung bzw. im Fall Tirol für eine Weiterentwicklung des Übergangsmanagements. Wie in der Einleitung beschrieben worden ist, werden derzeit in Österreich verschiedene Aktivitäten verfolgt, die beispielsweise die Verlängerung der beruflichen Bildungszeit oder eine individuelle Beratung von ausgrenzungsgefährdeten jungen Menschen verfolgen. Aus dem Abgleich mit der systemischen Soll-Konzeption geht hervor, dass das derzeitige Übergangsmanagement in Tirol durch den Aufbau der verschiedenen Unterstützungsangebote systemtheoretisch weiterentwickelt werden kann.
Hinsichtlich der Unterstützungsangebote ergibt sich die klare Forderung nach einer zeitlichen Ausweitung der Unterstützungsangebote auf die 7. Schulstufe und insgesamt die Stärkung von präventiven Unterstützungsangeboten und der Berufsorientierung im System Schule. Am Beispiel von Tirols derzeitigen Vernetzungsstrukturen wird deutlich, dass eine Brücke zwischen arbeitsmarkt-, bildungs- und sozialpolitischen Aktivitäten im Bereich Übergang Schule/Beruf gebaut werden kann. So kann auf der umsetzenden Ebene eine gezielte Vernetzung stattfinden, die sowohl für die Klientel als auch für die Ausführenden im Übergangsmanagement eine Vereinfachung der Abläufe darstellt.
Neben der frühzeitigen Ausrichtung des Überganges Schule/Beruf muss noch angemerkt werden, dass die Konzeption einer Schnittstellenagentur und der weiterführenden Unterstützungsangebote eine freiwillige und offene Ausrichtung innehaben muss. Einerseits sollen durch die systematische Vernetzung zu den Bezugssystemen weitgreifend Ressourcen für die berufliche Integration junger Menschen bereitgestellt werden. Andererseits müssen die Prinzipien der Freiwilligkeit, Mitsprache und Mitbestimmung grundlegend sein bei der Konzeption von Unterstützungsangeboten im Übergang Schule/Beruf.
Abschließend wird bei der systemtheoretischen Betrachtung des Überganges Schule/Beruf deutlich, dass das Übergangsmanagement als System aufrechterhalten wird. Weiterhin wirkt ein Aushilfssystem, welches v. a. bildungs- und arbeitsmarktferne Jugendliche gezielt bei der beruflichen Integration unterstützt. Im Rahmen der ExpertInneninterviews äußert sich eine Interviewperson (EB) wie folgt zum aktuellen Übergangsmanagement in Tirol:
„Ich finde es eigentlich künstlich und unnatürlich wie wir es jetzt haben. Allerdings weiß ich gerade auch keine Lösung, wie man es anders machen könnte. Aber der Idealzustand ist das sicher nicht. Und der Übergang ist für mich nicht zwischen 13 und 25, ich denke, es fängt schon früher an.“ (EB zit. in Gmeiner 2015: 114)
Das Übergangsmanagement wird dabei als etwas „Künstliches“ und „Unnatürliches“ beschrieben. Langfristig stellt sich demnach die Frage, ob das Festhalten an einem Übergangsmanagement Schule/Beruf der Weg ist, um Benachteiligungen am Übergang Schule/Beruf zu verringern. Es stellt sich vielmehr die Frage, welche Beiträge Bildungs- und Beschäftigungssystem liefern können, sodass Benachteiligungen frühzeitig abgefangen werden können und ein explizites Übergangsmanagement nicht mehr notwendig ist. Demnach ergibt sich die klare Forderung nach einem chancengleicheren Bildungssystem, das auf das Auffangen von herkunftsbedingten Ungleichheiten abzielt. Ebenso ergibt sich die Forderung nach einem gezielten Ausbau von Schulsozialarbeit an allen Schulformen, sodass Anlaufstellen vorhanden sind, welche gezielt junge Menschen in unterschiedlichen vielfältigen Problemlagen in ihrer Lebenswelt unterstützen können.
Verweise
1 „ESL“ (Early School Leavers) bezeichnet Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren, welche vorzeitig ihre Bildungslaufbahn abbrechen (vgl. Steiner/Kuschej/Vogtenhuber 2013: 6). Sie verfügen maximal über einen Pflichtschulabschluss und befinden sich aktuell nicht in einer Ausbildung (vgl. Steiner 2014: 14).
2 „NEET“ ist eine international verwendete Bezeichnung für Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren, die weder im Bildungs- noch Beschäftigungssystem sind (vgl. Steiner/Kuschej/Vogtenhuber 2013: 5).
Gegenstück dazu im Text: 1
Literatur
Behörde für Schule und Berufsbildung (2012): Ausbildungsreport Hamburg 2012. Hamburg. http://www.hamburg.de/contentblob/3623200/data/ausbildungsreport-2012.pdf (17.04.2015).
Bertelsmann Stiftung (2012): Übergänge mit System. Fünf Forderungen für die Neuordnung des Übergangs von der Schule in den Beruf. http://www.jugendsozialarbeit.de/media/raw/bertelsmann_uebergaenge_mit_System.pdf (17.04.2015).
Bourdieu, Pierre (2005a): Die feinen Unterschiede. In: Bourdieu, Pierre (Hg.): Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik und Kultur 1. Hamburg: VSA-Verlag, S. 31-47.
Bourdieu, Pierre (2005b): Ökonomisches Kapital – Kulturelles Kapital – Soziales Kapital. In: Bourdieu, Pierre (Hg.): Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik und Kultur 1. Hamburg: VSA-Verlag, S. 49-79.
Diedrich, Ingo / Zschiesche, Tilman (2009): Zur Professionalisierung von sozialpädagogischen und weiteren Fachkräften im Übergang von der Schule in die Arbeitswelt. Endbericht, Studie im Auftrag der Robert Bosch Stiftung GmbH, Stuttgart. http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/downloads/ibbw_Studie_Professionalisierung_Uebergang_Schule-Beruf.pdf (17.04.2015).
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Über die Autorin
Anita Gmeiner, MA
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