soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 14 (2015) / Rubrik "Thema" / Standort Linz
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/387/662.pdf


Katja Kloimstein & Anita Pichler:

Die Entwicklung eines Empowerment fördernden Beschäftigungsprojekts für Asylsuchende



1. Einleitung
Innerhalb der ersten drei Monate nach Zulassung zum Asylverfahren unterliegen Asylsuchende einem Arbeitsverbot. Nach dieser dreimonatigen Frist besteht laut dem Ausländerbeschäftigungsgesetz theoretisch Zugang zum Arbeitsmarkt. Praktisch ist dieser Zugang jedoch nur sehr eingeschränkt möglich, vor allem zu unselbstständiger Arbeit. Voraussetzung für eine legale Beschäftigung ist eine Beschäftigungsbewilligung. Diese Beschäftigungsbewilligung muss von der zukünftigen Arbeitsstelle beim AMS beantragt werden. Solch eine Bewilligung wird direkt von der Arbeitsstelle erteilt und ist für maximal zwölf Monate gültig. Weiters muss eine Arbeitsmarktprüfung durchgeführt werden, das sogenannte „Ersatzkraftverfahren“ (vgl. Ammer 2013, Filzmoser 2012). Hierbei handelt es sich um eine „Prüfung des Arbeitsmarktservice, ob für die von der/vom beantragten AusländerIn zu besetzende Stelle weder ein/e InländerIn noch ein/e am Arbeitsmarkt verfügbare/r AusländerIn zur Verfügung steht“ (Stadt Wien o.J.). Darüber hinaus muss der Regionalbeirat des AMS zustimmen. Zu dieser Regelung kommt der sogenannte „Bartenstein-Erlass“ aus dem Jahr 2004 erschwerend hinzu. Der damalige Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft schränkte den Zugang für Asylsuchende zum österreichischen Arbeitsmarkt auf ein Minimum ein. Dieser Weisung nach sind Beschäftigungsbewilligungen nur mehr für Saisonbeschäftigung zu erteilen (vgl. Ammer 2013, Filzmoser 2012).

„Dies bedeutet, dass Asylsuchende nur (zeitlich auf maximal sechs Wochen beschränkte und nicht verlängerbare) Erntearbeit bzw. (auf sechs Monate befristete verlängerbare) Saisonarbeit im Rahmen der festgesetzten Kontingente ausüben können.“ (Ammer 2013: 2)

Saisonkontingentbewilligungen sind mit einer Arbeitsmarktprüfung verbunden, sprich sie werden nur vergeben, wenn das AMS die offenen Stellen nicht mit vorgemerkten inländischen oder bereits im Arbeitsmarkt integrierten ausländischen Arbeitskräften besetzen kann (vgl. HELP.gv.at 2015). Jährlich werden vom Sozialministerium bundeslandspezifische Höchstquoten festgelegt. 2012 durften in der Land- und Forstwirtschaft maximal 4500 und im Sommertourismus maximal 1400 Nicht-EU-Bürger/innen beschäftigt werden (vgl. Spindler 2012). Im Jahr 2014 wurden 4500 solcher Bewilligungen an Drittstaatsangehörige ausgegeben (vgl. SOS Mitmensch 2015).

Selbstständige Beschäftigung ist eine Alternative. Wenn Asylsuchende ein vorläufiges Aufenthaltsrecht in Österreich haben, können sie ein Gewerbe anmelden und unterliegen somit nur der Einschränkung der Gewerbeordnung (vgl. Filzmoser 2012). Die Möglichkeit für Asylsuchende, als Selbstständige zu arbeiten, ist in der Realität jedoch auch sehr eingeschränkt, bedenkt man das benötigte Startkapital, Sprachbarrieren oder fehlende Befähigungsnachweise. Dokumente aus den Herkunftsländern der Asylsuchenden werden in Österreich oft nicht anerkannt (vgl. Spindler 2012).

In der Literatur wird überwiegend von zwei realistischen Arbeitsmöglichkeiten für Asylsuchende gesprochen: die Tätigkeit als Zeitungskolporteur/in oder in der Sexarbeit (vgl. Filzmoser 2012, Spindler 2012). Diese beiden Optionen fallen in die Kategorie „Neue Selbstständige“. Dabei handelt es sich nach Spindler (2012) jedoch eher um eine Art Schein-Selbstständigkeit, damit Auftraggeber/innen arbeitsrechtliche Standards umgehen können. Außerdem handelt es sich bei der Tätigkeit als Zeitungskolporteur/in um eine arbeitsrechtliche Grauzone. Es gab diesbezüglich im Raum Linz bereits Verurteilungen zu Geldstrafen (vgl. Schmidt 2015).

Asylsuchende können zudem gemeinnützige (Hilfs-)Arbeiten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Unterkunft stehen, oder (Hilfs-)Arbeiten für Bund, Land und Gemeinde (z. B. Pflege von Grünanlagen, Instandhaltung von Gebäuden) durchführen, weil dafür keine Beschäftigungsbewilligung notwendig ist. Dafür bekommen die Asylsuchenden einen Anerkennungsbetrag, der wenige Euros pro Stunde beträgt. Damit kann jedoch der Lebensunterhalt nicht gedeckt werden (vgl. UNHCR 2013).

Diese Situation hat gravierende Auswirkungen auf die betroffenen Menschen. Neben dem Gelderwerb schafft Arbeit eine Tagesstruktur, die Basis für soziale Kontakte, Beziehung und Interaktion und vermittelt das Gefühl, eine wichtige Rolle in der Gesellschaft einzunehmen (vgl. Reiterer 2009). Arbeit fördert damit die Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe. Aktuell leben Asylsuchende in Österreich jedoch häufig in andauernder Anspannung, Unsicherheit und Angst, abgeschoben zu werden. Sie sind oft schlecht integriert, haben keine Aufgabe und wenig Einsicht in die vorherrschenden Strukturen. Außerdem haben sie viel Zeit, um über ihre Situation nachzugrübeln. Dies kann zu Isolation, Rückzug, Frustration und Depression führen. Diese Tatsache wiederum erschwert den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben nach jahrelangem Warten, falls dann schlussendlich ein Schutzstatus zuerkannt wird.

Laut dem OÖ Integrationsleitbild stellt die strukturelle Integration, welche die Bereiche Bildung, Arbeit, Schule, Recht, Wohnen, Soziale Sicherung und Partizipation beinhaltet, das Fundament von Integration dar (vgl. Güngör/Riepl 2008). Dies veranschaulicht Abbildung 1.


Abbildung 1: OÖ Integrationsleitbild – Dimensionen der Integration (Güngör/Riepl 2008)


Auf struktureller Ebene geht es um den gleichberechtigten Zugang zu den oben angeführten Bereichen, da dort die zentralen Teilhabechancen in einer Gesellschaft verankert sind. Darauf aufbauend kann erst soziale, kulturelle und identifikative Integration erfolgen. Vergleicht man dies mit der aktuellen Situation von Asylsuchenden, erkennt man, dass die gesellschaftliche Teilhabe und somit auch die Integration im Aufnahmeland schwer möglich sind.

Vor diesem Hintergrund entstand die Idee in Linz, den Verein KAMA Linz zu gründen. KAMA bietet Workshops an, die von Asylsuchenden, Migrant/inn/en sowie Asylberechtigten durchgeführt werden und von interessierten Personen gegen eine freiwillige Spende besucht werden können. Der Ansatz von KAMA ist gekennzeichnet durch eine Rollenverschiebung dieser Personengruppe, weg von Klient/inn/en, also von Bezieher/inne/n von Angeboten und Leistungen, hin zu eigenständigen Kursleiter/innen, die ihre eigenen Fähigkeiten und Ressourcen einsetzen und einer Gruppe von interessierten Teilnehmenden vermitteln.


2. Projektentwicklung von KAMA in Linz
Die Projektentwicklung von KAMA in Linz wurde auf Basis einer systematischen empirischen Analyse durchgeführt. Diese Analyse setzt sich aus zwei Bausteinen zusammen: (1) einer Projektanalyse von KAMA Wien und (2) einer Bedarfsanalyse für KAMA Linz.

Das Konzept von KAMA Wien diente als grundlegende sowohl inhaltliche als auch strukturelle Basis für die Entwicklung von KAMA Linz, weshalb für die Projektentwicklung von KAMA Linz acht Personen, welche sich zum Zeitpunkt der Befragung freiwillig im Verein KAMA Wien engagierten, systematisch im Herbst 2013 interviewt wurden. Konkret wurden drei Gruppen mit unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten befragt. Vom Organisationsteam wurden zwei Personen interviewt. Weiters wurden drei Kursbegleiter/innen und drei Kursleiter/innen interviewt. Die acht Experten- bzw. Expertinneninterviews orientierten sich an folgenden Fragen:

Zusammenfassend ergab die Projektanalyse von KAMA Wien folgendes Bild:

KAMA Wien organisiert Kurse, die von Asylsuchenden, Migrant/inn/en und Asylberechtigten durchgeführt bzw. geleitet werden und gegen eine freiwillige Spende von privaten Personen besucht werden können. Die Kursinhalte orientieren sich an den Kompetenzen und Fertigkeiten der leitenden Personen und können überwiegend frei gestaltet werden. Neben der Wissensvermittlung wird ein gegenseitiges (Kennen-)Lernen ermöglicht. Das Angebot reicht von Sprach-, Koch-, Tanz-, Kunst-, Kreativkursen bis hin zu Sportangeboten, Musizieren, Handwerk und Spiele. Das Team setzt sich aus diversen Professionen zusammen, ist rein ehrenamtlich tätig und hat sich zum Ziel gesetzt, einen Ort der Begegnung und des Austauschs zu schaffen.

KAMA Wien wurde Ende 2006 im Zuge eines Projektpraktikums der Fachhochschule Wien, Studiengang Soziale Arbeit von Sonja Pargfrieder und drei weiteren Mitstudierenden ins Leben gerufen. Pargfrieder arbeitete zuvor im Verein Ute Bock und erkannte, dass Asylsuchende neben der Grundversorgung mit Geld, Essen und Obdach, auch auf der Suche nach Beschäftigung sind. Nach Abschluss des Praktikums beim Verein Ute Bock wurde beschlossen, das Projekt KAMA selbstständig weiterzuführen. 2007 wurde der Verein KAMA gegründet. Sukzessive wuchs der Verein und begann größere Kreise zu ziehen.

KAMA spricht drei Zielgruppen an: (1) freiwillige Asylsuchende, Migrant/inn/en, sowie Asylberechtigte als Kursleitende, (2) freiwillige Mitarbeiter/innen in der Rolle als Kursbegleiter/innen und auf der Organisationsebene sowie (3) Kursteilnehmende.

ad 1) Den Asylsuchenden soll die Möglichkeit geboten werden, sinnstiftend tätig zu sein und eine Tagesstruktur in den Alltag des Wartens zu bringen. Asylsuchenden soll ermöglicht werden, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, Strukturen in Österreich kennenzulernen und vor allem mit ihren persönlichen Ressourcen und Kompetenzen in Erscheinung zu treten. Die Kursleiter/innen können Wertschätzung und Anerkennung erfahren und ihre Deutschkenntnisse verbessern. Da ein positiver Abschluss des Asylverfahrens keine Beendigung der Zusammenarbeit bedeutet, bzw. auch Asylberechtigten und anderen Migrant/inn/en die Möglichkeit geboten wird, bei KAMA tätig zu werden, sind auch diese Gruppen als Zielgruppe anzuführen.

ad 2) KAMA benötigt zum Fortbestehen freiwilliges Engagement in verschiedensten Formen (abgesehen von den Kursleitungen), sei es anhand von Projektideen und deren Umsetzung, sei es durch die Begleitung von Kursen oder durch die Unterstützung in der Organisation und im Vereinsvorstand.

ad 3) Kursteilnehmende können ein breites, innovatives Kursangebot nutzen, das neben der Wissenserweiterung auch zur Bewusstseinsbildung beiträgt. Durch die Teilnahme gegen eine freiwillige Spende ermöglicht KAMA auch jenen Menschen, die aus finanziellen Gründen sonst oft von Bildungs-, Freizeit-, und Kulturangeboten ausgeschossen sind, Zugang zu solchen Angeboten. Die Kursteilnehmenden sind außerdem positive Multiplikator/inn/en, indem sie ein positiveres, klischeefreieres Bild von Asylsuchenden in Österreich in ihr Umfeld tragen.


2.2 Bedarfsanalyse von KAMA Linz
Zum Zweck einer Bedarfsanalyse eines Empowerment-fördernden Beschäftigungsprojekts für Asylsuchende in Linz wurden im Jänner und Februar 2014 elf leitfadengestützte Experten- bzw. Expertinneninterviews durchgeführt. Mit Blick auf die regionale sowie inhaltliche Ausrichtung des geplanten Projekts wurden ausschließlich Expert/inn/en aus dem Asylbereich im Raum Linz interviewt, betroffene Asylsuchende wurden bewusst ausgeklammert. Es wurde davon ausgegangen, dass Menschen, die im Asylbereich tätig sind, die einschlägigen Organisationen, Angebote, Rahmenbedingungen und Strukturen in Linz sowie die gesetzlichen Regelungen kennen. Die jenen Institutionen, deren Vertreter/innen im Rahmen der Bedarfsanalyse interviewt wurden, sind Tabelle 1 zu entnehmen.

Arbeiterkammer OÖ Verein Arcobaleno
Arbeitsmarktservice OÖ Verein SOS Menschenrechte
Black Community OÖ Volkshilfe OÖ – AsylwerberInnenbetreuung
Caritas Flüchtlingshilfe Volkshilfe OÖ – Therapiezentrum OASIS
Integrationsbüro der Stadt Linz Wirtschaftskammer OÖ
Migrare OÖ

Tabelle 1: An der Bedarfsanalyse beteiligte Institutionen


Der Interviewleitfaden zur Bedarfsanalyse befasste sich mit folgenden Fragestellungen:

Bezüglich der Einschätzung der Arbeitssituation von Asylsuchenden kam die Bedarfsanalyse zu folgenden Ergebnissen: Die interviewten Expert/inn/en wurden gebeten, die Arbeitssituation von Asylsuchenden in Österreich zu bewerten und ihre Einschätzung zu begründen. Null bedeutete Asylsuchende haben keine Möglichkeiten zu arbeiten, und 10, dass ausgezeichnete Möglichkeiten vorhanden sind. Abbildung 2 verdeutlicht, dass die Situation von Asylsuchenden am österreichischen Arbeitsmarkt von allen interviewten Expert/inn/en als ungünstig bewertet wurde.


Abbildung 2: Antworten auf die Frage „Wie schätzen Sie die Arbeitssituation von Asylsuchenden in OÖ ein?“


Die acht interviewten Personen, welche die Frage mit einer 0 oder 1 bewerteten, gaben an, dass es für Asylsuchende zwar theoretisch die Möglichkeit gäbe, zu arbeiten, es jedoch in der Realität beinahe unmöglich sei, die Menschen am Arbeitsmarkt unterzubringen. Dieser Umstand resultiert einerseits aus dem Bartenstein-Erlass, welcher die Arbeitsmöglichkeiten auf Saison- und Erntetätigkeiten einschränkt und somit die im Ausländerbeschäftigungsgesetz ยง4 Abs. 1 verankerte Möglichkeit, nach drei Monaten zu arbeiten, ad absurdum führt. Andererseits laufen Asylsuchende Gefahr, die Grundversorgungsleistungen zu verlieren, sobald sie Arbeit annehmen und ein Einkommen haben.

Wie wirkt sich nun die beschriebene Situation von Asylsuchenden aus? Von den interviewten Expert/inn/en wurden ausschließlich negative Auswirkungen genannt, welche unter Auswirkungen auf das psychische Befinden subsumiert werden können. Wiederholt sprachen die Interviewten an, dass sich das Nichtstun stark demotivierend auswirke. Unter den Asylsuchenden sind viele junge Menschen, die stark motiviert sind, sich ein neues Leben aufzubauen. Je länger die Untätigkeit andauere, desto schwieriger wird es, die Menschen später wieder in einen Arbeitsalltag zu integrieren. Es gäbe wenig Perspektiven für die Betroffenen, sie stünden unter hohem Stress und es herrsche oft Hoffnungslosigkeit durch die unsichere Zukunft. Es war die Rede von sozialem Rückzug, Depressionen und Lethargie, von hoher psychischer Belastung insgesamt. Viele der Asylsuchenden wären bereit, zu arbeiten, und würden gerne für ihren Unterhalt selber aufkommen. Ein Experte sprach an, dass es ein zermürbender Prozess sei, arbeiten zu wollen, jedoch nicht arbeiten zu dürfen, gleichzeitig mit den Vorurteilen der Gesellschaft konfrontiert zu sein, das Sozialsystem auszunutzen, aber eben keine Möglichkeit zu haben, nicht auf der Sozialsystem angewiesen zu sein. Ein Experte meinte hierzu, dass er der Meinung sei, der Staat unterstütze durch diese Hürden Kriminalität.

Bezüglich der Bedürfnisse der Asylsuchenden herrschte unter den interviewten Personen Konsens darüber, dass abgesehen von schnellen und qualitätsvollen Asylverfahren Asylsuchende einen Arbeitsmarktzugang, sinnvolle und entlohnte Tätigkeit, Beschäftigungsmöglichkeiten und Weiterbildungsmöglichkeiten bräuchten. Ein Experte meinte hierzu, dass Bildung und Beruf die beste Integration in die Gesellschaft seien. Zwei Experten sprachen den Aspekt der Dequalifizierung an. Dequalifizierung bedeutet in diesem Bereich den Verlust von fachlichen Kenntnissen sowie den Verlust von Selbstwert und Selbstvertrauen in Bezug auf das eigene Können, dadurch dass die Kenntnisse jahrelang nicht eingesetzt werden. Je länger Menschen ihre Fähigkeiten nicht einsetzen können, ihre Qualifikationen nicht mit aktuellen Herausforderungen in Einklang bringen können, desto weiter entfernen sie sich von der Berufswelt. Des Weiteren bräuchten Asylsuchende laut den interviewten Personen ordentliche Unterstützung in den Bereichen Gesundheit und Soziales sowie in rechtlichen Fragen, um sich im Gesetzesdschungel zurechtzufinden; Kontakte zur Mehrheitsgesellschaft, professionelle und ausreichende Deutschkurse sowie Unterstützung von Seiten des AMS. Das AMS OÖ kann zurzeit sogenannte Vormerkungen vornehmen, die aktive Betreuung von Asylsuchenden fällt jedoch nicht in ihre Zuständigkeit (vgl. Schmidt 2015).

Den interviewten Personen wurde KAMA in Grundzügen vorgestellt und nachgefragt, wie sie den Bedarf eines solchen Beschäftigungsprojekts für den Raum Linz einschätzen. Abbildung 3 veranschaulicht die Ergebnisse zu dieser Frage.


Abbildung 3: Antworten auf die Frage „Sehen Sie den Bedarf eines Projekts am Beispiel von KAMA in Linz?“


Alle elf interviewten Personen standen der Umsetzung eines solchen Beschäftigungsprojekts im Raum Linz positiv gegenüber, sieben Personen beantworteten die Frage nach dem Bedarf mit einem definitiven „Ja“, vier Personen stimmen indirekt zu. Sie gaben Antworten wie „Das wäre eine spannende Sache“, „Das macht Sinn“, „Ich stelle mir vor, dass es sinnvoll ist und angenommen wird“ und „Prinzipiell nichts einzuwenden“. Vier Personen zeigten die Grenzen eines solchen Projekts auf, indem sie darauf aufmerksam machten, dass so ein Projekt am Hauptproblem des Bartenstein-Erlasses nichts ändere, sondern nur dessen Symptome bekämpfe. Keiner der interviewten Personen kannte ein Projekt mit einer ähnlichen Zielsetzung im Raum Linz.

Die Vielfalt an Antworten auf die Frage nach Vorteilen für Asylsuchende, die als Kursleiter/innen bei einem Projekt wie KAMA aktiv wären, war umfassend (siehe Tabelle 2).


Tabelle 2: Antworten auf die Frage nach möglichen Vorteilen für Asylsuchende


Zwei Experten waren der Meinung, dass sich ein Engagement in einem Empowerment-fördernden Beschäftigungsprojekt, wie KAMA positiv auf das Asylverfahren bzw. auf die Entscheidung über humanitäres Bleiberecht auswirken könnte. Asylsuchende haben, wenn weder Asyl noch subsidiärer Schutz zuerkannt wird, die Chance auf humanitäres Bleiberecht, wenn sie ausreichende Integration im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention, Artikel 8, nachweisen können. Die Mitarbeit bei einem Projekt wie KAMA stelle eine gute Möglichkeit dar, die Integrationsbemühungen nachzuweisen. Darüber hinaus wurden als denkbare Vorteile aufgezählt, dass dadurch ein Angebot sowohl an die Gesellschaft als auch an Asylsuchende gemacht würde. An Asylsuchende würde das Zeichen gesetzt werden, dass ihr Wissen wertvoll ist. Die Gruppe der Asylsuchenden bekäme somit Aufmerksamkeit, und es könne eine Bewusstwerdung über die eigenen Ressourcen und Fähigkeiten in Gang gebracht werden. Weiters wurde angeführt, dass Asylsuchende durch den Kontakt zu Einheimischen mehr über das Aufnahmeland Österreich lernen sowie Erfahrungen an andere Asylsuchende weitergeben könnten. Kursleitende Asylsuchende wären möglicherweise Vorbild für andere Asylsuchende. Ein Projekt, wie KAMA würde für die Asylsuchenden eine gewisse Abwechslung darstellen und Struktur bieten, sie würden Verantwortung übernehmen, die Andersartigkeit würde normalisiert werden, und einer Dequalifizierung könnte entgegen gewirkt werden. Es könnte ein Schritt sein, um Asylsuchende mit anderen Augen zu sehen.

Die Antwortvielfalt bezüglich der Nachteile für Asylsuchende fiel geringer aus. Vier der interviewten Personen konnten keine Nachteile aufzählen. Als mögliche Nachteile wurden von vier Interviewpartner/innen die Streichung oder Kürzung der Grundversorgungsleistung aufgrund der freiwilligen Spenden und ein Schattenarbeitsvorwurf genannt. Ein Experte erklärte, dass die Quartiere von Asylsuchenden vom Innenministerium, der Fremdenpolizei und vom Zollamt kontrolliert werden. Es werden die Zimmer geöffnet und Kästen durchsucht. Werden Wertsachen gefunden, könnte es passieren, dass die Beamt/inn/en der Abteilung für Grundversorgung die Mittellosigkeit, welche eine Voraussetzung für die Grundversorgungsleistung ist, in Frage stellen, und es somit zu Kürzungen oder einer völligen Streichung dieser kommt. Weiters wurde angeführt, dass sich Asylsuchende in einem unmoderierten Bereich bewegen würden und somit eventuell direkt mit Vorurteilen konfrontiert werden könnten. Zwei Experten brachten zum Ausdruck, dass sich die Politik eventuell aus der Verantwortung ziehen könnte. Mit dem Argument einer ausreichenden Angebotslandschaft für Asylsuchende könnte weiterer Handlungsbedarf geleugnet werden.

Die Expert/inn/en wurden um ihre Ideen und Gedanken bezüglich einer gelingenden Umsetzung des Projekts im Raum Linz gebeten. Dazu wurden ihnen die Schlagworte Organisationsform, Finanzierungsmöglichkeiten, Öffentlichkeitsarbeit, Kooperationspartner/innen sowie Stolpersteine und Widerstände vorgegeben. Zusammenfassend wurde als wichtig erachtet, keine Parallelstrukturen in der Migrations- und Asyllandschaft zu schaffen, Überlappungen und Doppelgleisigkeiten zu vermeiden. Es wäre wichtig, sich gut mit der bereits bestehenden Einrichtungslandschaft zu vernetzen, an bestehenden Projekten anzudocken, Kooperationspartner/innen und Stakeholder ins Boot zu holen sowie Unterstützer/innen zu finden. So ein Projekt dürfe auf keinen Fall als Ersatz für eine geregelte Arbeit gesehen werden und die Forderung nach einer Öffnung des Arbeitsmarktes dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Es müsse darauf geachtet werden, dass die Asylsuchenden die Möglichkeit und den Raum bekommen, sich selbst zu verwirklichen und zu entfalten. Die Kursbegleitenden könnten Denkanstöße und Information geben, sollten jedoch die Andersartigkeit und Identität der Kursleitenden achten und wahren. Darüber hinaus wurde vor dem Einfluss politischer Parteien gewarnt und nahe gelegt „Neutralität“ zu bewahren. Auch wurde von zwei Experten auf die Gefahr der Kulturalisierung hingewiesen. Unter Kulturalisierung wird die Praxis verstanden, die Kultur als wesentliche und zentrale Erklärung für Einstellungen, Handlungen, Verhaltensweisen, Konflikte oder Ausdrucksweisen zu verstehen (vgl. IDA 2015). Gemeint ist damit, dass nicht immer die Kultur der kursleitenden Personen im Vordergrund stehen soll, sondern die individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Weitere wichtige Informationen konnten zu den Punkten Organisationsform, Finanzierungsmöglichkeiten, Öffentlichkeitsarbeit, Kooperationsparnter/innen und Stolpersteine und Widerstände gewonnen werden. Insgesamt wurde wenig Gefahr von Widerständen gesehen. Drei Personen machten an dieser Stelle erneut auf die Abteilung für Grundversorgung aufmerksam.

Die interviewten Personen – alle Vertreter/innen diverser NGOs und Institutionen im Asylbereich – wurden nach ihrer Kooperationsbereitschaft und nach Unterstützungsmöglichkeiten gefragt. Die Reaktionen auf diese Frage fielen durchwegs positiv aus und alle interviewten Personen bewerteten so ein Projekt als unterstützens- und umsetzungswert und boten Kooperations- und Unterstützungsmöglichkeiten unterschiedlichster Form an. Zusammenfassend konnte festgestellt werden, dass bei einer Umsetzung eines Beschäftigungsprojekts am Beispiel von KAMA im Raum Linz mit Unterstützung von etablierten NGOs und Institutionen gerechnet werden könnte. Die Optionen der Zusammenarbeit reichten von Netzwerkarbeit, Gestaltung von gemeinsamen Projekten, Nutzung von Räumlichkeiten bis hin zu Werbung.

Abschließend wurden die Interviewpartner/innen gebeten, die Notwendigkeit eines Beschäftigungsprojekts nach Vorbild von KAMA Wien für den Raum Linz einzuschätzen. 0 bedeutete, dass so ein Projekt nicht notwendig ist, und 10, dass so ein Projekt unbedingt notwendig ist. Die Einschätzung zu dieser Frage bewegt sich auf der Skala deutlich auf der positiven Seite (siehe Abbildung 4). Jene Person, welche die Notwendigkeit mit 6 am niedrigsten einstufte, meinte, dass der Arbeitsmarktzugang eine 10 verdienen würde. Insgesamt wurde die Notwendigkeit in unterschiedlichem Ausmaß von allen interviewten Personen als gegeben eingestuft.


Abbildung 4: Antworten auf die Frage „Wie schätzen Sie die Notwendigkeit eines Projekts am Beispiel von KAMA für Linz ein?“


3. Aktuelle Situation von KAMA Linz
KAMA Linz bietet seit dem ersten Quartal 2014 Kurse und Workshops an und ist seit April 2015 ein eigenständiger Verein, welcher auf rein freiwilliger Basis funktioniert. Die Bilanz für den Zeitraum 2014 bis Juni 2015 sieht folgendermaßen aus: Es wurden 114 öffentliche und private Workshops mit 29 Kursleiter/innen aus 20 verschiedenen Nationen abgehalten. Über 50 Menschen beteiligten sich bisher ehrenamtlich bei KAMA Linz in der Abhaltung von Workshops (Kursleitung) in der Begleitung und Unterstützung zur Abhaltung der Workshops (Kursbegleitung) oder auf der Organisationsebene. In diesem Zeitraum nahmen rund 1.000 Menschen an den Workshops teil, diese sind bunt gemischt, von Kleinkindern bis Senioren und Seniorinnen.

KAMA Linz beteiligte sich bei diversen Veranstaltungen, wie z. B. dem Langen Tag der Flucht 2014 der UNHCR. Darüber hinaus wurde KAMA Linz im Jahr 2014 von einer großen österreichischen Tageszeitung und der Sparkasse bei der Aktion „Helfen beim Helfen“ für das freiwillige Engagement ausgezeichnet und hat bei „Stadt der Vielfalt 2015“ in der Kategorie Integration den Hauptpreis erhalten.

KAMA Linz möchte weg von der Defizitorientierung, hin zur Ressourcenorientierung und zur Nutzung des Potentials, welches migrierte Menschen mit sich bringen. Dies unterstreicht die im Verein vorherrschenden Konzepte des Empowerments, der Ressourcenorientierung und der Selbstbefähigung. Die insbesondere asylsuchenden Menschen auferlegte Uneigenständigkeit wird selbstwirksamkeitsfördernd unterbrochen und die oft prekäre finanzielle Lage wird durch die freiwilligen Spenden kurzzeitig verbessert. Des Weiteren wird ein Raum der Begegnung geschaffen, der den Kontakt und Austausch zwischen Menschengruppen fördert, deren Lebensräume im normalen Alltag keine Berührungspunkte bieten. Dadurch können soziale Lernprozesse angestoßen sowie verinnerlichte werden. Gesellschaftliche Vorurteile, Barrieren und Ängste können hinterfragt und abgebaut werden. Somit kann KAMA Linz einen Beitrag leisten, um den Blick auf Asylsuchende und immigrierte Menschen zu verändern.

Insgesamt fördert KAMA Linz die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auf mehreren Ebenen: Durch KAMA Linz wird einerseits die Teilhabe von immigrierten Menschen am sozialen, politischen und kulturellen Leben in Österreich erhöht, andererseits aber auch von allen Menschen, welche durch diverse Zugangsbarrieren aus Kultur- Freizeit- und Bildungsangeboten ausgeschlossen sind. Auf Basis einer freiwilligen Spende eröffnet es Randgruppen, die aus finanziellen Gründen an der sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe beeinträchtigt sind, die Teilnahme an Fortbildungsangeboten. Durch KAMA Linz können Menschen miteinander in Kontakt treten, sich vernetzen und auf die kommunalen Strukturen sprich Initiativen und Vereine zugreifen und aufmerksam werden.

Literatur

Ammer, Margit (2013): Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende aus menschenrechtlicher Perspektive. Wien: Ludwig Bolzmann Institut für Menschenrechte.

Filzmoser, Lisa (2012): Asyl und Arbeit – Herausforderungen für AsylwerberInnen und subsidiär Schutzberechtigte am Arbeitsmarkt. Saarbrücken: Akademiker Verlag.

Güngör, Kenan / Riepl, Edith (2008): Einbeziehen statt Einordnen. Zusammenleben in Oberösterreich. Linz: Integrationsleitbild des Landes OÖ.

HELP.gv.at (2015): Saisoniers. https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/207/Seite.2070008.html (31.07.2015).

IDA (2015): Glossar des Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit. http://www.idaev.de/glossar/?qlChar=K/ (31.07.2015).

Reiterer, Kerstin (2009): Arbeitslosigkeit, Gesundheitsverhalten und Depression. Diplomarbeit, Universität Graz.

Schmidt, Iris (2015): Informationsgespräch im AusländerInnenfachzentrum des AMS OÖ. Leiterin des AusländerInnenfachzentrum des AMS OÖ.

SOS Mitmensch (2015): Fragen & Antworten: Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende. http://www.sosmitmensch.at/site/home/article/889.html (31.07.2015).

Spindler, Bernhard (2012): Verordnetes Nichtstun. In: Asyl aktuell, 2, S. 8-14.

Stadt Wien (o.J.): Lexikon. Begriffserklärungen zum Fremdenrecht. https://www.wien.gv.at/verwaltung/personenwesen/einwanderung/lexikon.html (31.07.2015).

UNHCR – UN Refugee Agency (2013): Flucht und Asyl in Österreich: Die häufigsten Fragen und Antworten, Wien.


Über die Autorinnen

Katja Kloimstein, BA MA, Jg. 1985

Nach der Matura an der HLW Steyr für Kultur- und Kongressmanagement arbeitete Katja Kloimstein vier Jahre als Luftfrachtdisponentin. Nach einer anschließenden längeren Indienreise beschloss sie die Fachhochschule Linz für Soziale Arbeit zu besuchen, absolvierte dort den Bachelor- sowie den Masterstudiengang mit dem Schwerpunkt „Interkulturelle Kompetenz“. Sie ist gemeinsam mit Anita Pichler ehrenamtliches Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins KAMA Linz, als Trainerin im Projekt „Stand Up – Menschenrechte in der Praxis“ vom Verein SOS Menschenrechte tätig und ehrenamtliche Bewährungshelferin.

Anita Pichler, BA, MA, Jg. 1988

Anita Pichler maturierte an der HLW Rohrbach und war danach als AuPair in Barcelona (Spanien) tätig. Nach zwei Semestern Studium der Erziehungswissenschaften absolvierte sie das Bachelorstudium der Sozialen Arbeit am MCI Innsbruck. 2015 schloss sie den Master der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt “Interkulturelle Kompetenz“ an der Fachhochschule Linz ab. Berufliche Erfahrungen sammelte sie als Sozialarbeiterin im Jugendbereich bei der Einzelwohnbetreuung der Sozialen Initiative. Sie ist gemeinsam mit Katja Kloimstein ehrenamtliches Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins KAMA Linz.