soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 14 (2015) / Rubrik "Werkstatt" / Standort Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/403/701.pdf


Susanne Brilmayer & Florentina Astleithner:

Lässt sich die Wirkung der Interessenvertretungsfunktion von Non-Profit-Organisationen darstellen?


1. Einleitung
Die Funktionen von Non-Profit-Organisationen (NPOs) lassen sich nach Michaela Neumayr (2010) grundsätzlich in drei Bereiche unterscheiden: die Funktion der Dienstleistungserbringung (service delivery), die Gemeinschaftsbildungsfunktion (community building) und die Funktion der Interessenvertretung (advocacy). Letztere beschreibt die anwaltschaftliche Vertretung von Interessen Benachteiligter und umfasst „[e]very activity that focuses on changing policies or securing collective goods“ (Jenkins 1987: 297).

Obwohl gerade diese Funktion der Interessenvertretung Non-Profit-Organisationen von For-Profit-Unternehmen unterscheidet, findet sie im bisherigen Wirkungsdiskurs durch die Organisationen selbst vergleichsweise wenig Beachtung. Vor dem Hintergrund von Finanzierungs- und Legitimationsdruck des Staates haben die Themen Effizienz und Leistung zwar auch im Non-Profit-Bereich stark an Bedeutung gewonnen (vgl. Simsa 2002: 39ff). Im Zuge des New Public Management und der wirkungsorientierten Verwaltungsführung rückt die Wirkung auch in der öffentlichen Verwaltung und damit bei der Vergabe von Fördermitteln in den Fokus (vgl. Bundesministerin für Frauen und Öffentlichen Dienst im Bundeskanzleramt Österreich 2011: 3). Diese verstärkte Auseinandersetzung mit Wirkungsnachweisen im öffentlichen Bereich hat jedoch vorwiegend in Hinblick auf soziale Dienstleistungen stattgefunden. So eignet sich etwa die inzwischen vergleichsweise verbreitete Methode der Berechnung des „Social Return on Investment“ nur sehr beschränkt zur Bewertung der Interessenvertretungsfunktion (vgl. Rauscher/Schober/Millner 2012: 11). Die Diskussion von Wirkungsdimensionen der Interessenvertretungsfunktion ist hingegen laut Aussage verschiedener befragter ExpertInnen (vgl. Kapitel 3) im bisherigen Wirkungsdiskurs von VertreterInnen des Non-Profit-Bereichs überwiegend außer Acht gelassen worden.

In Fachkreisen führt die Diskrepanz zwischen zunehmendem Wettbewerb um Ressourcen bei gleichzeitig (vermeintlich) schlechter Bewertbarkeit der Interessenvertretungsfunktion zur Sorge, dass diese Funktion von der Dienstleistungsfunktion verdrängt werden könnte (vgl. Olk 2004, Neumayr 2010: 13f). Aus dieser Sorge heraus leitet sich wiederum die Wichtigkeit der konkreten praktischen Darstellung des Wertes von anwaltschaftlicher Arbeit durch NPOs ab, was den Ausgangspunkt der diesem Artikel zugrunde liegenden Masterarbeit „Der Wert der Advocacy-Funktion von Nonprofit Organisationen“ (Brilmayer 2014) darstellt.


2. Fragestellung
Die vorgestellte Arbeit dreht sich deshalb um die Frage, worin der (Mehr-)Wert dieser Advocacy-Funktion von Non-Profit-Organisationen besteht und wie er für die Organisationen zu fassen und in der Praxis tatsächlich nachzuweisen ist. Seine Ausprägung und Darstellung sowie die Schwierigkeiten der Erfassung werden ausgehend von den bereits existenten Selbstrepräsentationen der Non-Profit-Organisationen beleuchtet. So wird ein umfassender Einblick in den von Non-Profit-Organisationen praktisch gelebten und von Non-Profit-ExpertInnen vertretenen aktuellen Diskussions- und Forschungsstand der Thematik in Österreich angestrebt.


3. Methodisches Vorgehen
In einer bewusst offen gehaltenen Herangehensweise sollte die Frage nach dem Wert der Interessenvertretungsfunktion und dessen Darstellung anfänglich mittels Interviews erhoben werden. Die Konkretisierung der Fragestellung erfolgte durch vier explorative Interviews mit ExpertInnen im NPO-Bereich und in Fragen der Evaluation im Herbst 2013 sowie durch einen ersten Einblick in die Literatur zu Advocacy und Wert. Da insbesondere diese Interviews sowie aber auch die ersten Literaturrecherchen zeigten, dass bisher z. B. in den großen Wohlfahrtsverbänden in Österreich (Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz, Volkshilfe) vergleichsweise wenig bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema stattgefunden zu haben schien, wurde von weiteren Interviews als Datenquelle Abstand genommen. Stattdessen wurde im Rahmen einer rund 120 Dokumente umfassenden Analyse (die detaillierte Auflistung der Dokumente findet sich in Brilmayer 2014: 117ff) die Diskussion um den Wert und seine Darstellung auf methodischer Grundlage der Grounded Theory betrachtet. Diese Forschungsmethode zielt darauf ab, anhand systematischen Vorgehens induktiv aus Daten heraus eine Theorie oder zumindest neue Konzepte und Denkmöglichkeiten zu einem Phänomen zu erarbeiten (vgl. Strauss/Corbin 1996: XIV, 8, 17).

Ausgehend von den Jahresberichten der großen Wohlfahrtsverbände in Österreich wurden aus den Texten heraus zunächst Konzepte erarbeitet und nach thematischen Sinneinheiten zu Kategorien zusammengefasst. Bei der Erarbeitung der Konzepte und Kategorien und auch bei dem Versuch, die Kategorien im Rahmen des axialen Kodierens zueinander in Bezug zu setzen, ergaben sich stetig neue Überlegungen. Diese wurden in der bereits gesichteten sowie in bisher nicht berücksichtigter Literatur überprüft. Durch diese Vorgehensweise ergab sich eine umfassende Dokumentensammlung, die sich in drei Gruppen von Texten gliedern lässt: öffentlichkeitswirksame Publikationen wie Jahresberichte, Leitbilder, Homepages u. ä. verschiedenster Non-Profit-Organisationen, weiters Dokumente von Organisationen zum überwiegend internen Gebrauch wie Impact-Studien und Anleitungen für erfolgreiches Advocacy sowie zuletzt Veröffentlichungen von ExpertInnen im Bereich Advocacy bzw. Wirkungsmessung sowie Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften (vgl. Brilmayer 2014: 117ff). Sammlung und Analyse der Dokumente bildeten hierbei einen parallel voranschreitenden und ineinandergreifenden Prozess. Dokumente wurden analysiert, Erkenntnisse an den bereits vorhandenen Dokumenten selbst reflektiert, erweiterndes, Überlegungen unterstützendes oder auch revidierendes Material gesichtet, Konzepte zueinander in Beziehung gesetzt und verknüpft. Eine umfassende Überprüfung, Anpassung und Vertiefung der so entstandenen Kategorien anhand der wissenschaftlichen Texte schloss die Dokumentenanalyse ab.


4. Ergebnisse
Insgesamt ergaben sich durch die Analyse fünf verschiedene Kategorien. Selbstanspruch/-verständnis, Ziele, Aktivitäten, (Miss-)Erfolg und Evaluation. Zentraler Ausgangspunkt sind Selbstverständnis bzw. Selbstanspruch, welche in der Folge die Ziele und Aktivitäten ursächlich begründen. Dabei lassen sich Ziele und Aktivitäten nicht im Ablauf reihen, denn aus einem Hauptziel werden Teilziele und daraus wiederum Aktivitäten abgeleitet. Gleichzeitig jedoch sind die Ziele Kernelemente der einzelnen Aktivitäten. Aus festgesetzten Zielen, realisierten Aktivitäten und (nicht) erreichten Zielen ergibt sich dann ein Ergebnis zwischen Misserfolg, Teilerfolg und vollem Erfolg. Dieser Erfolg wird als Wirkung in der Evaluation veranschaulicht und seine Entstehung sowie Einstufung nachvollziehbar gemacht (vgl. Abbildung 1).


Abbildung 1: Vom Selbstanspruch zum Erfolg (eigene Darstellung)


Werden diese fünf Kategorien auf die Betrachtung des Wertes und seiner Darstellung hin miteinander in Beziehung gesetzt und verknüpft, so lassen sich zwei Herangehensweisen an den Wert unterscheiden, die als „weicher“ und „harter“ Wert umschrieben werden können.


4.1 Der „weiche“ Wert
Soziale NPOs bringen durch ihre anwaltschaftliche Arbeit Werte in das gesellschaftliche und politische System ein, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Damit geben sie Menschen und Werten eine Stimme, die aus rein gewinnorientierter Sicht nicht berücksichtigt würden. Das Einbringen von Erfahrungen aus der täglichen Arbeit, die erhobene Stimme für bisher unzureichend vertretene Bevölkerungsgruppe in einer Demokratie, die Verbesserung der Rahmenbedingungen für bereits wertgeschätzte soziale Dienstleistungen sowie die Kontrolle von Umsetzung und Einhaltung z. B. der Menschenrechte lassen sich in diese Wertorientierung subsumieren.

Der „weiche“ Wert liegt also im Selbstanspruch der Non-Profit-Organisation selbst, die sich zur Orientierung an Werten sowie zur Übernahme von Verantwortung für Mitmenschen aus ihrem Selbstverständnis heraus verpflichtet sehen. Diese Begründung und Legitimation von Advocacy durch NPOs ist nachvollziehbar, doch wenig greifbar. Die jeweils konkrete Einstellung zur Bedeutung von Werten wie Menschenwürde, zur Relevanz von Erfahrungen und zur Wichtigkeit von Demokratieförderung ist individuell und doch elementar für eine Anerkennung dieses ideellen (Mehr-)Werts der Advocacy-Arbeit auf Basis von Werten. Nur eine grundlegend übereinstimmende Meinung in eben diesen Wertvorstellungen kann zu einem Konsens hinsichtlich des Wertes der Advocacy-Funktion führen. Auch lässt dieser „weiche“ Wert, welcher der Organisation als Anstoß für ihre anwaltschaftliche Arbeit dient, offen, ob die einzelne Organisation tatsächlich ihr Selbstverständnis lebt und ihrem Selbstanspruch bestmöglich gerecht wird.


4.2 Der „harte“ Wert
Der Wert einer gelungenen Umsetzung der Advocacy-Arbeit zeigt sich erst in erreichten Wirkungen und ihren Entstehungsprozessen. In den Aktivitäten selbst entsteht zwar der Wert der Arbeit, er lässt sich mit ihnen allerdings nicht darstellen. Da es sich in jedem Fall um Wirkungen handelt, die – wenn auch in verschiedenster Form – direkt oder indirekt sichtbar, allenfalls aber tatsächlich vorhanden sind, liegt es nahe, im Gegensatz zu „weichem“, ideellen Wert hier von „hartem“ Wert zu sprechen.

Im Erfolg liegt zwar der Wert der Arbeit, aber die „harten Fakten“ zu diesem Ergebnis liefert die Evaluation, indem sie den Prozess nachvollziehbar macht. Eine Wirkung, die nur in ihrer finalen Form, ohne Rückschlüsse auf ihre „Entstehung“ aufscheint, ist nur dann wertvoll, sofern man daran glaubt, dass die Non-Profit-Organisationen dazu beigetragen haben. Mit Evaluationen hingegen werden Wirkungen begründet, der Beitrag einer NPO am Erfolg veranschaulicht und überhaupt grundlegend die Beurteilung eines Ergebnisses als Misserfolg, Teilerfolg oder voller Erfolg nachvollziehbar gemacht. Somit dienen Evaluationen zumindest im Idealfall als neutrale Begründung einer Finanzierungsentscheidung durch FördergeberInnen und erfüllen die Forderung nach Rechenschaftslegung und Transparenz. Hierbei ist es nicht von besonderer Relevanz, ob die Evaluation intern oder extern durchgeführt wurde. Hauptaugenmerk liegt vielmehr auf der schlüssigen und transparenten Vorgehensweise sowie dem logischen, glaubwürdigen Erkenntnisgewinn. Dennoch bleibt zu beachten, dass die Evaluation stets nur das Mittel ist, um die Wirkungen bzw. ihre Entstehung sichtbar und nachvollziehbar zu machen. Die gründliche Evaluation an sich ist dabei nicht mit dem Erfolg zu verwechseln.

Die Schwierigkeiten der Messung liegen vor allem in der Langfristigkeit der Advocacy-Arbeit und in der schweren, häufig subjektiven Erfassung von (Teil-)Erfolgen wie Verhaltensänderungen. Ferner stellt die Komplexität des Umfeldes sowie damit verbunden die Individualität der Aktivitäten und die fehlende Kausalität zwischen Aktivität und Ergebnis eine Herausforderung dar. Auszüge aus Gesprächen, Anekdoten oder auch eine Übertragung der Wirkungen in monetäre Werte können diese Herausforderungen nur bedingt durch Transparenz überwinden. Denn die Erfolge von Advocacy-Arbeit können vielfältig sein. Sie reichen von neu gewonnenen UnterstützerInnen der NPOs, über Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung hin zu veränderten politischen Rahmenbedingungen oder auch bis zur Erhaltung eines Ist-Zustandes. Wie bedeutend allerdings Einzelpersonen oder FördergeberInnen diese verschiedenen Veränderungen oder Aufrecht-Erhaltungen einschätzen oder wie hoch sie sie bewerten, bleibt subjektiv. Auch der „harte“ Wert kann damit kein festgelegtes, unabänderliches Faktum, etwa in Form einer absoluten Kennzahl sein. Der Wert eines geretteten Menschenlebens beispielsweise lässt sich zudem kaum ethisch vertretbar in einer einfachen Zahl angeben. Hinzu kommt, dass die einzelnen NPOs jeweils verschiedene Beiträge zu diesem „harten“ Wert leisten, selten aber eine Zuordnung einer Wirkung zu einer NPO möglich ist.


4.3 Der „weiche“ und der „harte“ Wert
Die Advocacy-Arbeit zeichnet sich damit durch zweierlei Arten von Wert aus: einerseits dem „weichen“, ideellen Wert der im Rahmen von Advocacy-Arbeit eingebrachten Werte wie Menschenwürde und Gerechtigkeit, andererseits dem „harten“ Wert der Advocacy-Arbeit, welcher in den erzielten Wirkungen liegt, die wiederum gemeinsam mit ihren Entstehungsprozessen durch die Evaluation sichtbar gemacht werden (vgl. Abbildung 2).


Abbildung 2: Der Wert von Advocacy vom Selbstanspruch zum Erfolg (eigene Darstellung)

Beide Werte sind jedoch nicht unabhängig voneinander zu sehen. Während also bereits die Einbringung von Werten und bisher ungehörten Stimmen per se als wichtig zu betrachten ist, bedarf es zudem nachweislich erzielter Erfolge, um Advocacy auch langfristig als wertvoll wahrzunehmen. So geht es bei dem „harten“ Wert nicht so sehr darum, zu erklären, warum ein Enderfolg wertvoll ist. Dies liegt bereits im ideellen Wert der Wertorientierung von NPOs begründet. Doch selbst wenn der ideelle Wert der Advocacy-Arbeit an sich erkannt wird, ist dadurch nicht gegeben, dass jede NPO dem ideellen Anspruch gerecht wird und ihre Ressourcen möglichst wirkungsvoll einsetzt. Vielmehr steht beim „harten“ Wert deshalb im Fokus, warum und wie die anwaltschaftlichen Aktivitäten eine (Nicht-)Veränderung bewirkt haben und diese wiederum zum wertorientierten Endziel beitragen bzw. besser dazu beitragen hätten können. Dabei kann die Komplexität des Systems den Wirkungsverlauf mit der Zeit verändern, so dass sich auch die (Teil-)Ziele verschieben. Ebenso kann aufgrund widriger Umstände selbst bei bester anwaltschaftlicher Arbeit ein Erfolg verhindert werden. Monitoring und Evaluation schaffen hierbei die Möglichkeit, derartige Veränderungen und externe Faktoren zu erkennen, gegebenenfalls organisationsintern Adaptionen in der Vorgehensweise vorzunehmen und nach außen zu begründen. Der „harte“ Wert der Advocacy-Arbeit, der in den Erfolgen steckt, und aus einer Wertorientierung heraus als bedeutend betrachtet wird, kann folglich (häufig) erst durch Evaluation greifbar gemacht werden.

Damit bleibt der Wert der Advocacy-Funktion von NPOs komplex wie die anwaltschaftliche Arbeit an sich. Die Subjektivität, die sich in der Erhebung von Daten zu Soft Outcomes wie Verhaltensänderungen etwa in Interviews findet, überträgt sich auch auf den Wert selbst. Während sich die grundsätzliche Einschätzung des Wertes an den allgemein anerkannten Wertvorstellungen orientieren kann, obliegt die konkrete Einzelfallentscheidung über Art und Höhe des Erfolgs einer individuellen Sichtweise. Sie ist abhängig vom Ziel und dieses Ziel setzt, wenn auch aus Erfahrungen und Werten heraus, die NPO zunächst für sich selbst. Wer aber bereits das Ziel für falsch erachtet, wird auch der Arbeit an sich keinen Wert beimessen. Jeder Versuch einer Bewertung ist damit „like standing in a court of law: one makes a plausible case with the aim of being believed“ (Alex Bush, Help Age, conversation, zit. in Chapman/Wameyo 2001: 26).


5. Schlussfolgerung
Obwohl Wert bzw. Wirkung der Advocacy-Funktion nicht einfach zu fassen sind, ist ihre Darstellung durchaus sinnvoll und machbar. Dazu ist es jedoch nötig, sich von monetären Werten und stark vereinfachenden Kennzahlen zu lösen. Denn der Wert der Interessenvertretungsfunktion lässt sich immer von zwei Seiten betrachten: einerseits von den für die Non-Profit-Organisationen selbst relevanten Begründungen für ihre Arbeit, also von Selbstanspruch und Selbstverständnis ausgehend, andererseits durch die Erfolge. Letztlich sind immer beide Sichtweisen zu berücksichtigen.

Einmal gilt es von Seiten der externen StakeholderInnen zu bedenken, dass der „weiche“ Wert der Advocacy-Arbeit sich in Wertvorstellungen widerspiegelt, deren ideelle Bedeutung selbst durch beste Evaluationen nicht zu erfassen ist. Hier muss das Verständnis für die Besonderheiten der Advocacy-Arbeit in ihrer ideellen Bedeutung als Gegengewicht zu z. B. monetären Idealen wachsen. Wertvorstellungen, Erfahrungen bzw. Wissen sowie geförderte demokratische Systeme sind nicht einfach zu erfassen und werden nicht allgemeingültig abzubilden sein. Diese Tatsache allerdings mindert nicht ihre Bedeutung an sich. Doch ist es wichtig, dass FördergeberInnen und externe Betrachtende diese Besonderheiten und die damit verbundenen Schwierigkeiten einer Werterfassung bei ihrer individuellen Einschätzung des Wertes der Advocacy-Arbeit berücksichtigen. Denn im Vergleich zur Funktion der sozialen Dienstleistungserbringung, bei welcher die gewachsenen Möglichkeiten zur Wirkungsmessung das Augenmerk auf den „harten“ Wert verschoben haben, bleibt für Advocacy der „weiche“ Wert stärker gewichtet.

Andererseits müssen Non-Profit-Organisationen bedenken, dass „harte“ Werte durch Transparenz hinsichtlich Effizienz und Effektivität in der Arbeitsweise veranschaulicht werden müssen, um den Bedürfnissen externer Stakeholder wie z. B. FördergeberInnen gerecht werden zu können. Nur so können sie erreichen, dass ihre anwaltschaftliche Arbeit in ihrer tatsächlichen Bedeutung wahrgenommen wird. Mit der Evaluation ihrer Wirkungen lösen sich NPOs von einer Legitimation durch selbst definierte Werte und öffnen ihren Horizont hin zum Bedürfnis nach Transparenz und Rechenschaftslegung, das auf Seiten externer Stakeholder besteht. Denn eine reine Legitimation von Advocacy über die Wertorientierung wird dem Anspruch der externen StakeholderInnen an Transparenz und Rechenschaftslegung bezüglich Effizienz und Effektivität nicht gerecht und lässt sich – gerade auch durch zunehmende Verbreitung von Evaluationsansätzen im englischsprachigen Raum – nicht dauerhaft glaubhaft mit der schwierigen Messung der Advocacy-Arbeit begründen.


Literatur

Brilmayer, Susanne (2014): Der Wert der Advocacy-Funktion von Nonprofit Organisationen. Masterarbeit, FH Campus Wien.

Bundesministerin für Frauen und Öffentlichen Dienst im Bundeskanzleramt Österreich (Hg.) (2011): Handbuch Wirkungsorientierte Steuerung. Unser Handeln erzeugt Wirkung. Wien: Bundeskanzleramt Österreich. 4. Auflage, https://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=42634 (28.08.2015).

Chapman, Jennifer / Wameyo, Amboka (2001): Monitoring and Evaluating Advocacy: A Scoping Study. London: Action Aid.

Jenkins, J. Craig (1987): Nonprofit Organizations and Policy Advocacy. In: Powell, Walter W. (Hg.): The Nonprofit Sector. A Research Handbook. New Haven: Yale University Press, S. 296-320.

Neumayr, Michaela (2010): Resource dependence. Der Einfluss öffentlicher Finanzierungsformen auf die Funktionen von Nonprofit Organisationen in Österreich. Universität Wien, Dissertation.

Olk, Thomas (2004): Zwischen Sozialmarkt und Bürgergesellschaft. In: SozialExtra, 28(9), S. 6-10.

Rauscher, Olivia / Schober, Christian / Millner, Reinhard (2012): Social Impact Measurement und Social Return on Investment (SROI) – Analyse. Wirkungsmessung neu? Working Paper. Wien: NPO-Kompetenzzentrum. http://www.wu.ac.at/fileadmin/wu/d/cc/npocompetence/working_paper_social_impact_measurement_vs_sroi-analyse.pdf (28.08.2015).

Simsa, Ruth (2002): NPOs im Lichte gesellschaftlicher Spannungsfelder: Aktuelle Herausforderungen an das strategische Management. In: Schauer, Reinbert / Purtschert, Robert / Witt, Dieter (Hg.): Nonprofit-Organisationen und gesellschaftliche Entwicklung: Spannungsfeld zwischen Mission und Ökonomie. Linz: Universitätsverlag Rudolf Trauner, S. 39-63.

Strauss, Anselm / Corbin Juliet (1996): Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Psychologie Verlags Union.


Über die Autorinnen

Susanne Brilmayer, B.A. MA
eva.susanne.brilmayer@alumni.fh-campuswien.ac.at

Europäisches Masterstudium „Sozialwirtschaft und Soziale Arbeit“, FH Campus Wien
Bachelorstudium „Internationale Betriebswirtschaft – Interkulturelle Studien“, Hochschule Heilbronn
Aktuelle Tätigkeit: Assistenz der Leitung Caritas Betreuen und Pflegen Wien

Mag.a Florentina Astleithner
florentina.astleithner@fh-campuswien.ac.at

Soziologin, Erwachsenenbildnerin und Schreibtrainerin. Seit 2008 Mitarbeiterin in Lehre, Forschung und Beratung im Fachbereich Soziale Arbeit und seit 2014 im Zentrum für wissenschaftliches Schreiben (ZEWISS) an der FH Campus Wien.