soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 14 (2015) / Rubrik "Werkstatt" / Standort Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/404/707.pdf


Christian Reutlinger:

Der öffentliche Raum: (k)ein Problem?!

Sozialräumliche Gedanken zu 5 Jahren FAIR-PLAY-TEAM Wien1


Am 2. Oktober 1789 anerkannte und deklarierte die französische Nationalversammlung zu Versailles die Rechte des Menschen und des Bürgers. Matthias Claudius (1740-1815), der deutsche Dichter und Schöpfer des bekannten Abendliedes „Der Mond ist aufgegangen“, kommentierte dieses Ereignis für den Leser der Tageszeitung „Der Wandsbecker Bothe“ mit folgendem Gleichnis, ein wie Claudius sagt „albernes, aber sehr gut erläuterndes Exempel“:

„[E]in jeder Mensch hat das Recht, wenn er allein auf einem Rasen liegt, die Beine auszustrecken und hinzulegen, wo und so breit er will. Will er aber, damit ihn bei Nacht der Wolf nicht störe oder um andrer Vortheile willen, als Bürger, das ist in Gesellschaft, liegen, so hat er nach wie vor das Recht, die Beine auszustrecken und hinzulegen, wo und so breit er will. Aber die Andern haben das Recht auch! Und weil nun auf dem Rasen für alle Beine nicht Platz ist, so muss er sich zu einer anderen Lage bequemen. Und das Geheimnis und die Güte der Einrichtung besteht darin: dass für alle Beine gesorgt werde und einige nicht zu eng und krumm und andere zu weit und grade liegen.“ (Claudius 1829: 19)

Dieses Liegewiesengleichnis aus dem 18. Jahrhundert ist zwar ein wenig in die Jahre gekommen, jedoch eignet es sich sehr gut als Basis der vorliegenden Reflexionen. Anhand von drei Thesen soll auf aktuelle Schwierigkeiten im Umgang mit dem öffentlichen Raum eingegangen und dabei verschiedene Bezüge zum Bild der Liegewiese hergestellt werden. Abschließend sollen aus sozialräumlicher Perspektive einige Konsequenzen für die professionelle Soziale Arbeit abgeleitet werden.


These 1: Der öffentliche Raum ist (k)eine Liegewiese für jedermann.

In den vergangenen Jahren ist öffentlicher Raum zu einem wichtigen Schlagwort ordnungs-, sicherheits- und sozialpolitischer Debatten geworden – und dies in den meisten Ländern, nicht nur im sogenannten Norden: Eine mögliche Spur ließe sich von Littering-Debatten, Videoüberwachung hin zu Kampagnen, die auf Ordnung, Respekt und Sicherheit zielen, ziehen. Eine weitere, ganz andere ist vom ägyptischen Tahrir-Platz zu den Indignados auf der Plaza de Catalunya in Barcelona zu den Ereignissen auf dem ukrainischen Maidan bis hin zu weltweiten Protestaktionen unter dem Motto „Reclaim the Streets“ oder „Occupy Wall Street“ nachzeichenbar. In verschiedenen Bestimmungsversuchen, was öffentlichen Raum ausmacht, werden die zugänglichen Flächen respektive Plätze einer Stadt nach rechtlichen oder funktionalen Kriterien betrachtet und vom privaten Raum abgegrenzt. Eine solche Herangehensweise unterstreicht, dass ein öffentlicher Raum „allgemein zugänglich und eigentumsrechtlich öffentlich“ (Wehrheim 2009: 25) sei. Öffentlichem Raum werden im „Kern die Funktionen Markt und Politik zugeordnet“ (ebd.), da mit ihm seit der Antike der Bereich außerhalb des Hauses, der Bereich von Handel und politischen Diskussionen unter Bürgern (sehr viel später auch Bürgerinnen) beschrieben wird. Sozial bildet öffentlicher Raum die „Vorderbühne“ ab, wie dies der US-amerikanische Soziologe Erving Goffman beschrieb, d. h. er ist ein Ort von stilisiertem, rollengeprägtem und beobachtetem Verhalten. (vgl. ebd.) Öffentlicher Raum bietet die Möglichkeit der Anonymität und ist damit eine Grundvoraussetzung für Urbanität (vgl. Bahrdt 1961), ganz im Gegensatz zur fehlenden Anonymität und sozialen Kontrolle im Dorf, in dem die Mitglieder der Dorfgemeinschaft „alles über alle“ wissen. Dieser letzte Aspekt ist eine Erklärung, weshalb öffentlicher Raum vielfach als städtisches Thema betrachtet wird. Doch diese Eindeutigkeit stimmt für die letzten Jahre nicht mehr ganz – zumindest stellen wir, das heißt das Kompetenzzentrum Soziale Räume der FHS St. Gallen, anhand der Aufträge und Anfragen aus der ländlich geprägten Ostschweiz und Vorarlberg fest: immer mehr Dörfer und Gemeinden sehen sich mit den Herausforderungen konfrontiert, dass bestimmte Gruppen an zentralen Plätzen, wie bspw. beim Bahnhof oder vor dem Dorfladen, „rumhängen“ oder die Kosten für die Reinigung sogenannter Littering-Spuren steigen.

Die klaren Grenzen zwischen Land als Ort fehlender Anonymität – und damit befreit/frei von Urbanität und den damit zusammenhängenden Problemen – und Stadt, als Ort, an dem öffentlicher Raum und damit auch soziale Probleme entstehen, brechen auf. Diese Tendenz reiht sich ein in eine allgemeine Beobachtung, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten die Trennung zwischen privatem und öffentlichem Raum in mehrfacher Hinsicht aufgelöst hat.

„Ehemals private Tätigkeiten werden mittlerweile völlig selbstverständlich im öffentlichen Raum verrichtet – z.B. Telefonieren, Essen, Schlafen, Küssen –, während es ehemals öffentliche Tätigkeiten gibt, die in privat-rechtliche Räume verlagert wurden – z.B. Handel und Konsum in privaten Kaufhäusern, politische Meinungsbildung am Fernsehen im privaten Wohnzimmer.“ (Reutlinger/Fritsche 2011: 5)

Kritisch wird diese Entwicklung mit einem Verfall oder Verlust des öffentlichen Raums beschrieben. Hinzu kommen Privatisierungs- und Kommerzialisierungstendenzen, indem Städte und Kommunen innerstädtische Areale an Privatpersonen und privatrechtliche Firmen verkaufen oder temporär zur Verfügung stellen. Diese setzen dann dort Grundstücks- und Hausrechte durch. Der Nutzungsdruck auf öffentliche Plätze und attraktive Flächen unter freiem Himmel scheint sich durch eine intensivere Nutzung zu verstärken. Viele Städte sind seit dem 19. Jahrhundert enorm angewachsen, zugleich leben immer mehr Menschen in den Städten und haben Ansprüche an/auf öffentliche Räume. Von „Eventisierung“ ist angesichts des Booms an Freilufthappenings, wie Theater, Paraden oder Open Airs, die Rede. Cafés und Restaurants verlegen Sitzplätze nach draußen, Biergärten erobern die Gehsteige. Die verstärkte Nutzung des öffentlichen Raums wird gegenwärtig unter dem Label „Mediterranisierung“ diskutiert. Mit diesen verschiedenen parallel laufenden, zum Teil widersprüchlichen Entwicklungen rückt die Frage ins Zentrum, wem der öffentliche Raum gehört. Und weiter, wer oder welche Nutzungsart vom öffentlichen Raum ausgegrenzt wird. Auf diese Fragen wird mit neuen Formen des Protests reagiert, wie „guerillia gardening“, „reclaim the streets“ oder „critical mass“2, mit denen gegen strukturierte öffentliche Räume und für deren Rückeroberung gekämpft wird.

Jenseits dieser komplexen Auseinandersetzung um Veränderung, der permanenten Konstitution und Neuformierung von öffentlichem Raum scheinen sich derzeit in medialen wie auch in fachlichen Diskussionen eher einfache Vorstellungen der Unterteilung von Privatheit und Öffentlichkeit durchzusetzen. „Privat“ bedeutet „meins“ oder „keinen Zutritt“, öffentlich hingegen „für alle zugänglich“, oder „jedermann darf“ bzw. „jedermann kann“. Die jeweilige Sphäre öffentlich bzw. privat scheint auch an bestimmten Orten einer Stadt festgeschrieben zu sein: Am Ort „öffentlicher Raum“ findet, so die Vorstellung, Öffentlichkeit statt, und in den privaten Räumen spielt sich Privatheit ab. Die Übergänge scheinen dementsprechend klar und eindeutig: Hier dürfen alle respektive die, die dazu gehören, und zwar bis genau hierhin. Ab dieser Grenze dürfen nur noch die Besitzerinnen, Besitzer, Mitglieder oder Berechtigte. Bei genauerer Betrachtung lassen sich jedoch zwei gegenläufige Argumentationsmuster formulieren: Die eine Logik lautet, kein Mensch dürfe aus dem öffentlichen Raum „vertrieben“ werden, eben weil er öffentlich sei. Bei der anderen Logik wird genau umgekehrt argumentiert – bestimmte Personen müssten aus dem öffentlichen Raum „vertrieben“ werden, damit er öffentlich und für andere zugänglich bleibe (vgl. Reutlinger/Fritsche 2011: 5). Diese Logiken haben auch Auswirkungen auf die immer zentralere Frage „Wer gehört dazu?“ Was also im öffentlichen Raum erlaubt sein soll, wer dazu gehört und wer nicht und letztlich, wie sich öffentlicher Raum gestalten soll, lässt sich anhand konkreter Maßnahmen, Initiativen oder Aktionen herausarbeiten. Ich will dies anhand eines aktuellen Beispiels aus Wien illustrieren.

Diesen Herbst, vom 20. bis zum 24. Oktober 2015, wird in Wien die Veranstaltung Walk Vienna stattfinden. Das übergeordnete Ziel der Veranstaltung besteht darin, die Stadtbewohnenden dazu anzustiften, mehr zu Fuß zu gehen. Der öffentliche Raum soll in der Idealvorstellung der Walk-Vienna-Initiantinnen und -Initianten gut gestaltet und über attraktive Wege sowie über eine für Fußgängerinnen und Fußgänger sichere, emotional und physisch barrierefreie Infrastruktur zugänglich sein. Der öffentliche Raum soll für Leute jeden Alters, Qualifikation oder Kultur einladend und beteiligend wirken. Hinter dem Konzept des Walk Vienna steht eine bestimmte Idee einer Nutzerin und eines Nutzers: sportliche, gesundheitsbewusste Stadtmenschen oder zumindest solche, die sportlicher werden möchten bzw. sollten. Es wird zwar betont, dass grundsätzlich alle uneingeschränkt, z. B. aufgrund des Alters oder des Geschlechts, Zugang zum öffentlichen Raum haben sollten, wie dies genau bewerkstelligt werden soll, wird jedoch in den bisher vorliegenden Unterlagen nicht erläutert. Das von der Walk-Vienna-Initiative unbewusst vermittelte Bild von Menschen im öffentlichen Raum lässt sich – zugegebenermaßen überspitzt – folgendermaßen auf den Punkt bringen:

Eingebunden in Produktion oder Reproduktion und integriert in die Gesellschaft leben die Menschen zu bestimmten Uhrzeiten bestimmte Bedürfnisse, wie Bewegung und Sport, an Orten im Freien aus.

Deutlich wurde in meinen bisherigen Ausführungen, dass es den öffentlichen Raum nicht einfach so gibt, sondern dass er temporär, lokal spezifisch und deutungsabhängig ist. Öffentlicher Raum wird immer wieder neu hergestellt, indem sich bestimmte Normalitätsvorstellungen durchsetzen, störende Elemente ausgegrenzt werden. Öffentlicher Raum ist damit immer eine „Verhandlungs- und Aushandlungssache“ (Fritsche/Reutlinger 2015: 201). Nun wird heute in vielen Diskussionen angenommen, dass der öffentliche Raum per se konflikthaft sei und deshalb befriedet werden muss. Die von mir verfolgte Perspektive, welche die Herstellungsprozesse von Raum in den Fokus rückt, widerspricht einer solchen Sichtweise: Die Vorstellungen von zu säubernden öffentlichen Räumen sind verkürzt gedacht, wenn damit die Hoffnung verbunden ist, dass auch die sozialen Zusammenhänge aufgeräumt oder geordnet werden könnten. Vielmehr gilt es, den Blick auf die Herstellungszusammenhänge, auf verschiedene Interessen, aber auch auf die divergierenden Vorstellungen unterschiedlicher Gruppen zu lenken. Dabei wird deutlich, dass sich in jüngster Zeit ganz bestimmte Normalitätsvorstellungen verstärkt durchsetzen, nicht nur im Beispiel von Walk Vienna, sondern europaweit. Dies bedeutet aber auch, dass bestimmte Vorstellungen, Ansprüche, Gruppen und Funktionen systematisch ausgegrenzt werden.

Kommen wir also zurück auf das Bild der Liegewiese von Mathias Claudius, bei dem davon ausgegangen wird, dass es prinzipiell für alle Platz gibt. Mit dieser Ausgangsprämisse scheint das Hauptproblem darin zu liegen, wie man liegt respektive zusammenkommt. Deshalb besteht die Lösung darin, dass sich nicht jede Person auslegen, sondern vielleicht nur sitzen kann. Übertragen auf den öffentlichen Raum würde dies bedeuten, dass es lediglich darum gehen soll, sich in der Art der Nutzung einzuschränken, damit man Platz findet für alle respektive alle ihren Platz finden. Interessanterweise appellieren gerade aktuelle Initiativen verstärkt an den Allgemeinsinn und greifen damit die Liegewiese-Logik auf. Landauf, landab entstehen neue Interventions-Einheiten, meist uniformiert und mit knackigen Abkürzungen rund um Begriffe wie Identifikation, Ordnung, Prävention, Sicherheit, Sauberkeit, Toleranz oder Übersicht. Soziale Arbeit übernimmt an manchen Orten den dahinter liegenden ordnungspolitischen Auftrag, an manchen Orten steht sie ein wenig verwundert daneben und weiß nicht so genau, wie sie sich positionieren soll angesichts des neu dominierenden Leitparadigmas der Allparteilichkeit. Allparteilichkeit orientiert sich an den Liegewiese-Regeln: Die Ansprüche aller können dann durchgesetzt werden, wenn sich alle anpassen. Oder im Umkehrschluss heißt das, dass jede Person oder Gruppe sich in seiner oder ihrer Bewegung anpassen muss. Keine Nutzungsform darf dominant sein. Niemand darf sich das Recht heraus nehmen, sich hinzulegen, weil das hätte die Einschränkung einer anderen Gruppe zur Konsequenz.

Damit wird deutlich, dass sich gegenwärtig diejenige Argumentation durchzusetzen scheint, die besagt, der öffentliche Raum wäre nur dann öffentlich und für andere zugänglich, wenn bestimmte, als abweichend definierte Nutzungsformen, Vorstellungen und Personen aus dem öffentlichen Raum „vertrieben“ würden. Problematisch ist nun, dass dieses Normalitätsverständnis gar nicht öffentlich thematisiert wird respektive die vorherrschenden, den öffentlichen Raum konstituierenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse nicht zur Debatte stehen (siehe kritisch Diebäcker 2014). Bestimmte Gruppen mit ihren Bedürfnissen werden gar nicht in Betracht gezogen bei den Definitionsprozessen von öffentlichem Raum. Diese nicht thematisierte Selektivität respektive die ungleichen Voraussetzungen hinsichtlich der Möglichkeiten, Vorstellungen durchsetzen zu können, ist jedoch nicht neu. Schon beim antiken Bild des öffentlichen Lebensbereichs Polis auf der Agora, der vom privaten Bereich des Oikos getrennt war, war immer nur die Rede von bestimmten Gruppen von Männern, den freien Bürgern: Frauen, Sklaven und Kinder waren hingegen von der Teilhabe ausgeschlossen.

Zusammenfassend bedeutet dies, dass in der heutigen Gestaltungsdiskussion des öffentlichen Raums das Bild der Liegewiese neu belebt wird. Das heißt jedoch nicht, dass der öffentliche Raum auch wirklich für jedermann und jede Frau eine Liegewiese darstellt. Aus einer sozialräumlichen Herstellungsperspektive muss man deshalb sehr genau analysieren, wer definieren kann, was man darf und was nicht, welche Vorstellungen sich durchsetzen und welche übergangen werden. Aus einer kritisch-reflexiven Haltung heraus sollte vermehrt danach gefragt werden, welche Formen dominant sind, was als normal oder abnormal definiert wird und welche Elemente offen, welche versteckt aus dem öffentlichen Raum ausgegrenzt werden. Damit komme ich zur zweiten These:


These 2: Nur den Moment des nächtlichen Liegens in Gemeinschaft zu betrachten verkürzt die Problemlage – bestimmte Gruppen und ihre Bedürfnisse werden systematisch aus dem öffentlichen Raum ausgegrenzt!

Das Liegewiesenbild – und seine Anwendung zur Gestaltung des öffentlichen Raums – ist hinsichtlich mindestens zweier weiterer Aspekte problematisch oder zumindest ambivalent. Beide haben ebenfalls mit unreflektierten Normalitätsvorstellungen zu tun. Im Liegewiesenbild wird suggeriert, dass sich die Menschen tagsüber irgendwo auf der Reise befinden oder ihrem Tagwerk, ihrer Arbeit nachgehen. In der Nacht kommen sie zusammen, um sich auszuruhen, zu schlafen. Die Gemeinschaft bietet ihnen Schutz vor wilden Tieren und anderen Gefahren. Die Liegewiese symbolisiert damit einerseits den Ort der Erholung und damit das Gegenbild zur Aktivität, andererseits den Ort der Gemeinschaft unter Gleichen. Bezogen auf den öffentlichen Raum sind beide Vorstellungen zu differenzieren resp. kritisch zu hinterfragen:


Zum Ort der Erholung: Für alle Menschen, die in einen Arbeitsprozess eingebunden sind, welcher sich an einer Normalarbeitsbiografie ausrichtet, bedeutet der öffentliche Raum vorderhand Erholung und Freizeit. Nach der Arbeit, am Wochenende oder über Mittag kann man unter freiem Himmel, in Parks oder auf Plätzen den Freizeitaktivitäten nachgehen: Sport, Konsum, Flanieren, Müßiggang, unter Menschen sein, sich vergnügen sind entsprechende Aktivitäten. Eine solche Funktion des öffentlichen Raums findet sich auch in den Vorstellungen von Walk Vienna: Die Menschen bewegen sich zu wenig in ihrem Alltag, durch die Nutzung des öffentlichen Raums soll es gelingen, gefestigte oder festgesessene Menschen wieder in Bewegung zu versetzen. Bewegung in der Freizeit und an Orten der Erholung ist deshalb ein wichtiger Mosaikstein für eine Work-Life-Balance, zur Prävention von Krankheiten und Zivilisationsschäden – zu ihr gehört jedoch die Erwerbsarbeit als Gegenbild oder Ausgangspunkt. Diese Vorstellung, dass bestimmte Aktivitäten nur an bestimmten Orten stattfinden, andere jedoch „frei“ sind von diesen Aktivitäten bzw. den damit verbundenen Logiken (bspw. Erwerbsarbeit an Arbeitsorten, Familienarbeit an Freizeitorten etc.) ist sehr funktional, ja ideell gedacht. Angesichts verschiedenster Entgrenzungstendenzen mischen sich heute immer mehr die Orte und die da stattfindenden Aktivitäten. Ein Festhalten an der Vorstellung von an Orten getrennten Aktivitäten bzw. deren Begrenzungen beleuchtet lediglich bestimmte Tätigkeiten von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen. Für immer mehr Personen führen jedoch die Entgrenzungstendenzen zu einem neuen Zusammenspiel unterschiedlicher (auch nach konträrer Logik funktionierender) Aktivitäten an einem Ort und damit zusammenhängend zu einem Bewältigen der Konsequenzen.

Angesichts der erwähnten Entgrenzungsphänomene ist der öffentliche Raum heute nicht mehr nur Erholungsort. Vielmehr wird er, wie schon angedeutet, überlagert von einer Vielzahl von Funktionen und Nutzungen, wie beispielsweise „Visitenkarte“ für die Stadt, Bühnenfunktion einer Flaniermeile oder Aushandlungs- und Artikulationsort gesellschaftlicher Fragestellungen. Auch hinsichtlich der verschiedenartigen Gruppen, die den öffentlichen Raum nutzen, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Bedeutungen.

„[D]er öffentliche Raum kann für eine obdachlose Person das ‚Wohnzimmer‘, für eine Straßenverkäuferin oder einen Sexarbeiter ein Arbeitsort, für Kinder ein Spielort oder für Jugendliche Treffpunkt sein“ (Reutlinger/Fritsche 2011: 6).

Auf einer zugespitzten und allgemeinen Ebene könnte man sagen, dass Menschen, denen das Eingebundensein ins Normalarbeitsleben nicht, noch nicht vollumfänglich oder nicht mehr gegeben ist, den öffentlichen Raum mehr als andere benötigen, da ihnen kaum andere Treffpunkte und Aufenthaltsorte zur Verfügung stehen. Für alle diese Personen greift die Beschränkung des Liegewiesenbildes auf den Erholungsaspekt nicht respektive führt diese automatisch zu Konflikten mit Menschen, die sich da erholen und herumliegen wollen. Dies haben auch die Initiantinnen und Initianten des Wiener Fair-Play-Teams erkannt, indem sie in ihrem Rahmenkonzept festhalten:

„Menschen sind aus unterschiedlichen Gründen darauf angewiesen [den öffentlichen Raum] [...] zu nutzen, als Aufenthaltsraum bei engen Wohnverhältnissen oder bei Wohnungslosigkeit, als Raum, um das tägliche Überleben vorübergehend zu sichern. Der öffentliche Raum dient auch als Rückzugs- und Schutzort für unterschiedlichste Menschen.“ (Stoik 2015: 6)


Zum Ort der Gemeinschaft: In den Vorstellungen von Walk Vienna wird weiter davon ausgegangen, dass durch eine verbesserte Begehbarkeit der Stadt auch die Gemeinschaft – oder wie es heißt Nachbarschaften – neu belebt werden. Damit wird ein weit verbreitetes Motiv aufgegriffen: Inklusion, Unterstützung und Zusammenhalt soll in Zeiten radikaler gesellschaftlicher Veränderungen durch die Schaffung und Stärkung von Gemeinschaft im lokalen Nahraum erzielt oder hergestellt werden. Schon das Gleichnis von Mathias Claudius streicht den Vorteil lokaler Gemeinschaften heraus, indem sie den Einzelnen vor Wölfen in der Nacht schützt. Der Preis hierfür bedeutet, sich anpassen zu müssen an die Liegewiese-Regeln. Doch ist dieses Wir-Gefühl bei genauerer Betrachtung ziemlich ambivalent. Fokussiert wird der Moment des Schlafens in der Nacht, in welchem alle zusammen kommen. Im Schlaf ist man am meisten den eigenen Schwächen ausgesetzt, man kann nichts mehr kontrollieren, braucht das Vertrauen und den Schutz der anderen. Das Wir der Liegewiese-Gemeinschaft weist damit einen temporären Charakter als Schutzgemeinschaft für den Moment der Schwäche und Erholung auf. Am Morgen gehen alle wieder auseinander und anhand des individuellen Arbeitslebens würden an diesem Punkt die Unterschiede sichtbar – doch darüber erfahren wir im Gleichnis nichts. Interessant ist, dass sich heute verschiedene sozialarbeiterische Diskurse in ganz unterschiedlichen Kontexten, wie in der Altenhilfe, Behindertenarbeit, Kinder- und Jugendarbeit, bei Migrations- oder Armutsfragen, auf die integrierende Kraft von lokalen Gemeinschaften beziehen. Man entdeckt ein scheinbar verloren gegangenes Wir-Motiv wieder und überhöht seine integrierende Kraft: Menschen, die sich in einer Schwächeposition befinden, die krank, arm oder benachteiligt sind, weil sie (zu) jung, (zu) alt oder (zu) fremd sind, sollen ihr Glück in der lokalen Gemeinschaft oder der nachbarschaftlichen Unterstützung finden. Dieses Motiv taucht übrigens schon im bekannteren Text von Matthias Claudius, dem Abendlied „der Mond ist aufgegangen“ auf, in dem es heißt:

„So legt euch denn ihr Brüder, in Gottes Namen nieder; kalt ist der Abendhauch. Verschon uns, Gott! mit Strafen und lass uns ruhig schlafen! und unsren kranken Nachbarn auch!“

Bei genauerer Betrachtung ist unser heutiges Leben hoch individualisiert und wir sind nur noch selten auf Gemeinschaften in unserem Wohnumfeld angewiesen. Diese Idealisierung der lokalen Zweckgemeinschaft läuft damit entgegen des allgemeinen Trends oder muss zumindest kritisch betrachtet werden. Der private Besitz, das sichere Heim, wird heute nicht über nächtliche Gemeinschaft abgesichert, sondern immer mehr mit technischen und technologischen Hilfsmitteln wie Überwachungssysteme, Wachpersonal oder mit hohen Mauern und Zäunen etc. Die konsequente Abgrenzung vom Anderen lässt uns ruhig und in Sicherheit schlafen und immer weniger die Gemeinschaft. Kritisch ist zu fragen, ob Nachbarschaft als lokale Solidar- und Unterstützungsgemeinschaft von Benachteiligten überhaupt hergestellt werden kann und falls ja, ob tradierte Bilder von Gemeinschaften, wie man sie den Dörfern zuschreibt, dabei hilfreiche Vorbilder darstellen.

Aus einer kritisch-reflexiven Perspektive gilt es deshalb auch hier zu differenzieren: Bevölkerungsgruppen, die im öffentlichen Raum übernachten müssen, suchen nicht nur trockene und warme Unterschlupfmöglichkeiten, ein Dach über dem Kopf, sondern auch die Gemeinschaft Gleichgesinnter, denn dies schützt sie vor Übergriffen von Ordnungshütern und anderen Gruppen. Für diese ausgegrenzten Menschen scheint der Gemeinschafts- und Schutzgedanke des Liegewiesenbildes am ehesten zuzutreffen – jedoch bilden sie ein Wir, welches nicht zur Allgemeinheit gehört. Bei manchen Diskussionen kriegt man vielmehr das Gefühl, dass es gerade die an den Rand gedrängten Gruppen sind, die die heutigen wilden Tiere oder zumindest eine Gefahr für die Normalbevölkerung darstellen. Argumentiert wird deshalb, dass das Fremde, Nicht-Angepasste, Andersdenkende und Desintegrierte ausgegrenzt werden muss, damit das „Wir der Normalen“ funktioniert und die integrativen Kräfte zum Tragen kommen. Damit wird auch hinsichtlich des Gemeinschaftsaspektes, welcher im Liegewiesenbild liegt, deutlich, dass man unterscheiden und differenzieren muss, von welchem Wir man redet. Kommen wir nun zu einem dritten Aspekt, welchen ich kurz beleuchten will:


These 3: Nur sichtbare Phänomene an konkreten Orten werden betrachtet, die prägenden Machtverhältnisse und raumgestaltenden Zusammenhänge bleiben hingegen verdeckt.

Im Liegewiesenbeispiel scheint das soziale Problem dann gelöst, wenn alle Beine Platz finden, d. h. „einige nicht zu eng und krumm und andere zu weit und grade liegen“ (Claudius 1829). In der aktuellen Auseinandersetzung um öffentlichen Raum werden die sozialen Fragestellungen ganz ähnlich trivial behandelt. Bestimmte, als problematisch erachtete Gruppen werden über ihre physische Präsenz und ihre Handlungen im öffentlichen Raum sichtbar: Jugendliche, die rumhängen und pöbeln, Obdachlose, die betteln, oder junge fremdländisch aussehende Männer, denen nachgesagt wird, dass sie Drogen verkaufen und in Gruppen öffentliche Plätze besetzen. Die an konkrete Orte geknüpfte Sichtbarkeit verführt nun allzu oft zur Bearbeitung des Ortes der Manifestation; bspw. werden Sitzbänke abmontiert, die von einer unliebsamen Gruppe genutzt wurden. Oder bestimmte Personen sollen mithilfe eines Wegweisungsartikels oder Verbotsschildes von einem bestimmten Ort entfernt werden können. Oder die störenden Personen werden gleich selber weggeschafft. Damit wird eine Logik unterstellt, die in sozialräumlicher Hinsicht viel zu kurz greift. Sie lautet:

„Der Ort, an dem soziale Phänomene sichtbar werden (Wirkung eines Phänomens), scheint auch der Ort zu sein, an dem sie entstehen (Ursache) und in der Konsequenz auch der Ort, an dem sie bearbeitet werden können (Maßnahme)“ (Fritsche/Reutlinger 2015: 199f).

Der Äußerungsort einer sozialen Problemlage muss jedoch nicht das soziale Problem selbst sein, sondern hinter Obdachlosigkeit liegen bspw. verschiedenste wohn- und sozialpolitische Zusammenhänge. Deshalb müsste – wollte man solche Kurzschlüsse vermeiden – transparent gemacht werden, welche Vorstellung von öffentlichem Raum eine bestimmte Gruppe von Akteurinnen und Akteuren verfolgt. Ebenso müsste expliziert werden, welches Gestaltungsziel mit einer Maßnahme im öffentlichen Raum verfolgt wird. Nicht zuletzt müsste man auch die Definitionsprozesse oder das dahinter liegende Kräfte- und Machtspiel über die Deutungshoheit und die dabei auf der Strecke bleibenden Positionen genauer betrachten. Nur darüber werden entscheidende Fragen verhandel- und diskutierbar, wie dies beispielsweise im Konzept des Fair-Play-Teams vorgeschlagen wird:

„Interessensunterschiede und Konflikte im öffentlichen Raum werden genutzt, um auf dahinterliegende gesellschaftliche Probleme hinzuweisen.“ (Stoik 2015: 9)

Ich komme zu einigen abschließenden Überlegungen aus dem bisher Gesagten, welche ich aus einer von mir propagierten reflexiv-räumlichen Haltung ableite:


Ausblick: Elemente einer reflexiv-räumlichen Haltung
Nach den Ausführungen von Mathias Claudius stellt jemand, der auf der Liegewiese liegt, während alle anderen eingeschränkt sind, ein Problem für alle dar. Entweder es gelingt, an seine Vernunft zu appellieren, oder man muss ihn wegschaffen, damit die anderen wieder Platz haben. Meine Ausführungen haben gezeigt, dass solch einfache Vorstellungen problematisch sind. Angesichts der Komplexität und Vielschichtigkeit, durch die öffentliche Räume laufend (re-)produziert werden, muss immer wieder erneut gefragt werden, was die verursachenden Zusammenhänge sind, wo die Gesellschaftsverhältnisse verhandelbar sind und letztlich, wo das Politische liegt. Dies geschieht natürlich an konkreten Orten und Plätzen im öffentlichen Raum, aber längst nicht mehr nur da. In den Fokus müssen auch andere Orte geraten, wie bspw. Internetforen, Stammtische oder unterschiedliche Medien, deshalb gilt es, verschiedene Dinge zu beachten:


1. Hinter dem örtlich Sichtbaren stehen unterschiedlichste über-örtliche Themen!
Nicht immer ist der Ort oder der Platz im öffentlichen Raum, an dem Themen oder Probleme sichtbar oder medial festgemacht werden, auch der richtige Ort, um diese zu beeinflussen. Hinter dem vor Ort Sichtbaren stehen sozialpolitische, sozialstrukturelle oder auch sozialisatorische Themen. Diese Themen lassen sich nur begrenzt im öffentlichen Raum bearbeiten. Einerseits gilt es, gesellschaftspolitische Themen, wie Armut, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Solidarität, Ethik, Menschenrechte und damit verbundene unterschiedliche Menschenbilder, aber auch Fragen zum Aufbau und Ablauf des Staates erneut in die gesellschaftliche Auseinandersetzung zu bringen. Andererseits muss kritisch geprüft werden, in welche Machtbeziehungen und -praktiken Soziale Arbeit eingebunden ist und ob sie diese durch ihr Handeln (re-)produziert. Hierzu gilt es,

„soziale Beziehungen auf ihre Machtasymmetrien, Ungleichheitsstrukturen sowie strukturierenden Machtverhältnissen hin zu analysieren und problematisieren“ (Diebäcker 2014: 9).

Dies kann natürlich in den dafür geschaffenen Gremien, wie dem Parlament oder an der Urne (Volksentscheid) geschehen. Zu erweitern ist dies aber durch neue Verhandlungsorte, die bspw. in Mitwirkungsprozessen auf kleinräumiger Ebene oder durch E-Partizipation entstehen. Die Herausforderung besteht darin, zu ermitteln, wo man die politische Botschaft platzieren kann, damit auch etwas bewirkt wird. Gleichzeitig müssen verschiedene Aktionen von Personengruppen, die nicht dem klassischen Bild von Beteiligung entsprechen, neu gelesen und als Formen von Engagement interpretiert werden (vgl. Reutlinger 2003). Aufgabe Sozialer Arbeit ist es, Brücken und Verbindungen zu etablierten Formen zu schaffen, aber gleichzeitig diese Formen vor Kontrolle und Kolonialisierung zu schützen.


2. Bestimmte Gruppen brauchen gezielte Lobbyarbeit. Damit ist dem Paradigma der Allparteilichkeit kritisch zu begegnen!
Soziale Arbeit ist, wie jede Akteurin, jeder Akteur in dem Feld, in die Herstellungsprozesse von öffentlichem Raum eingebunden. Ob sie einen bestimmten Auftrag annimmt oder verweigert, ist Verhandlungssache – zentral ist deshalb, dass sich Soziale Arbeit explizit zu ihrer Rolle verhält und sich positioniert. Aus ihrem fachlichen Selbstverständnis heraus sollte sie auf die ausgrenzenden Mechanismen hinweisen und gleichzeitig für diejenigen einstehen, die nicht die Möglichkeiten haben, auf der Wiese zu liegen respektive liegen zu dürfen. Angesichts der aufgezeigten Komplexität gelingt dies jedoch nicht mehr durch ein klassisches Schwarz-Weiß-Denken, sondern hierfür benötigt man ein reflexiv-kritisches Vorgehen, wie dies bspw. das Wiener Fair-Play-Team als Grundhaltung verfolgt:

„Da öffentlicher Raum aufgrund unterschiedlicher Machtverhältnisse und sozialer Aneignungen immer wieder neu produziert wird, wird die Zugänglichkeit möglichst aller Menschen auch laufend relativiert. Die Sicherung sozialer Qualitäten im öffentlichen Raum stellt daher einen andauernden reflexiven Prozess dar, in dem die Zugänglichkeit für alle Menschen immer wieder neu überprüft und hergestellt werden muss.“ (Stoik 2015: 7)

Weiter schreibt Christoph Stoik hierzu:

„Reflexive Parteilichkeit in Bezug auf Zielgruppen, die einen besonderen Anspruch an den öffentlichen (teilöffentlichen) Raum haben, insbesondere für Kinder und Jugendliche: Reflexiv parteilich bedeutet, dass sich die Fair-Play-Teams auf die Seite der Menschen stellen, die benachteiligt sind, ihre Interessen in Bezug auf den öffentlichen Raum zu artikulieren bzw. durchzusetzen“ (ebd.: 12).


3. Der öffentliche Raum: (k)ein Problem?!
Damit komme ich zum Abschluss meiner Ausführungen. Ausgangspunkt einer weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema könnte die Definition vom öffentlichen Raum sein, welche im Wirkungsbericht der Stadt Wien 2012 festgehalten wurde:

„Der öffentliche Raum unterliegt vielen Nutzungsansprüchen und steht allen Menschen gleichermaßen zur Mitgestaltung offen. Für alle Wienerinnen und Wiener ist der öffentliche Raum auch Aufenthaltsraum, Spielraum, Freiraum, Sozial- und Experimentierraum. Besonders Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Unterstützung bei der Nutzung von Plätzen, Parks, Nischen und Räumen, etc. Nutzungskonflikte sind eine Chance, die unterschiedlichen Ansprüche an den öffentlichen Raum auszuhandeln – zumindest im Sinne eines gleichberechtigten ‚Nebeneinanders’. Die Stadt Wien tritt gegen jegliche Form von Diskriminierung in und Verdrängung aus dem öffentlichen Raum auf.“ (Magistrat der Stadt Wien 2012: 4)


Verweise
1 Zum Kontext des vorliegenden Textes: Die „sozialräumlichen Gedanken“ bildeten die Grundlage für ein Referat, welches der Autor am 2. Juni 2015 im Rahmen der Fachtagung „5 Jahre FAIR-PLAY-TEAM ‚Soziale Arbeit im öffentlichen Raum‘“ in Wien (Dachsaal Urania) hielt. „Das FAIR-PLAY-TEAM ist ein Angebot der Wiener Kinder- und Jugendarbeit, das gemeinwesenorientiert ausgerichtet ist, und sich auf alle Menschen im öffentlichen Raum bezieht. Das Angebot FAIR-PLAY-TEAM ist darauf ausgerichtet, die sozialen Qualitäten des öffentlichen Raums zu erhalten und zu fördern. Der öffentliche Raum soll dabei auch für die erhalten bleiben, die besonders auf ihn angewiesen sind.“ (Stoik 2015: 4) Seit 2010 wurde das „saisonale Kommunikationsprojekt“, das als Bezirksinitiative im 20. Wiener Gemeindebezirk seit 2004 erprobt wurde, als Wien-weites Projekt unter dem Titel „FAIR-PLAY-TEAM“ umgesetzt. „Ziel ist es, die Menschen im öffentlichen Raum – indem die Teams aktiv mobil unterwegs sind – dabei zu unterstützen, ihre Bedürfnisse einzubringen und somit Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen zu ermöglichen. Erfahrungen bei Beteiligungsprozessen und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit der Menschen tragen für die Entwicklung eines Demokratiebewusstseins und einer lebendigen Zivilgesellschaft bei.“ (ebd.: 3)
2 „Die RadlerInnen nehmen sich einmal im Monat den Raum, der ihnen im Alltagsverkehr verweigert wird. Sie bilden dabei eine kritische Masse, die die unreflektierte Dominanz der Autos in der Stadt durchbricht.“ (Critical Mass in Austria 2015)


Literatur

Bahrdt, Hans Paul (1961): Die moderne Großstadt. Soziologische Überlegungen zum Städtebau. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Claudius, Matthias (1829): Werke, Dritter Band. 4. Auflage, Hamburg: Friedrich Perthes.

Critical Mass in Austria. Reclaim the streets! (2015): Homepage. http://www.criticalmass.at/category/linz (11.05.2015).

Diebäcker, Marc (2014): Soziale Arbeit als staatliche Praxis im städtischen Raum. Wiesbaden: SpringerVS.

Fritsche, Caroline / Reutlinger, Christian (2015): Der öffentliche Raum ist (k)ein Problem. In: Raimund Kemper / Christian Reutlinger (Hg.): Umkämpfter öffentlicher Raum. Herausforderungen für Planung und Jugendarbeit. Sozialraumforschung und Sozialraumarbeit, Band 12, Wiesbaden: SpringerVS, S. 193-206.

Magistrat der Stadt Wien (2012): Wirkungsbericht 2012. Fair-Play-Team. Erfahrungen aus drei Jahren Projektlaufzeit (2010-2012). Wien.

Reutlinger, Christian (2003): Jugend, Stadt und Raum. Sozialgeographische Grundlagen einer Sozialpädagogik des Jugendalters. Opladen: Leske + Budrich.

Reutlinger, Christian / Fritsche, Caroline (2011): Spannungsfeld öffentlicher Raum. In: laut & leise, Magazin der Stellen für Suchtprävention im Kanton Zürich, 1, S. 5-8.

Stoik, Christoph (2015): Fair-Play-Team. Soziale Arbeit im öffentlichen Raum. Rahmenkonzept. Wien, http://www.fairplayteam.at/wp-content/uploads/2012/09/070515_Fair-Play-Team_Rahmenkonzept_rk.pdf (13.05.2015).

Wehrheim, Jan (2009): Der Fremde und die Ordnung der Räume. Opladen: Leske + Budrich.


Über den Autor

Dr. Christian Reutlinger
christian.reutlinger@fhsg.ch

Hochschullehrer an der FHS St. Gallen, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Leiter des Instituts für Soziale Arbeit (IFSA) und verantwortlich für das interdisziplinäre Kompetenzzentrum „Soziale Räume“.