soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 14 (2015) / Rubrik "Thema" / Standort Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/405/668.pdf


Stefan Glaser:

Plädoyer gegen Empowerment?

Zwischen Ansprüchen, gelebter Praxis, Kritik und neuen Ideen


1. Einleitung
Empowerment hat sowohl in der Theorie als auch in der Praxis von Sozialer Arbeit eine bedeutungsvolle Rolle eingenommen, speziell im Kontext der Gemeinwesenarbeit und der Entwicklungszusammenarbeit. Den Ursprung hat Empowerment als ein Konzept der Schwarzen Bürger_innenrechtsbewegungen in den USA, welches zunächst kaum Berührungspunkte mit Sozialer Arbeit aufweist. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich Praktiker_innen der psychosozialen Arbeit an der Idee von Empowerment orientiert und diese für die Soziale Arbeit adaptiert. (vgl. Herriger 2002: 19)

Empowerment ist jedoch nicht unumstritten und aufgrund der Tatsache, dass es keine breit anerkannte Definition von Empowerment gibt, kommt es auch zu verschiedenen, teils problematischen Auslegungen. Im ersten Teil wird deshalb dargelegt, was Vertreter_innen des Empowerment-Ansatzes im Allgemeinen darunter verstehen und von welchen Grundannahmen diese ausgehen. In dem darauf folgenden Teil werden die als neu beworbenen Schwerpunkte von Empowerment kritisch auf das tatsächlich neue Gehalt hin untersucht. Das als progressiv vermarktete, neue Bild von den Klient_innen der Sozialen Arbeit sowie ihrem Verhältnis zu den jeweiligen Professionist_innen wird genauso erörtert, wie die Hinweise, die Empowerment in die Nähe einer neoliberalen Staatspraxis stellen. Es wird infrage gestellt, ob auf der einen Seite unter einer Empowerment-basierten Praxis das emanzipatorische Potenzial ausgenutzt und verstanden wird, das Empowerment ursprünglich ausmacht, und andererseits, ob mit einer auf Empowerment basierenden Praxis gehalten werden kann, was darunter versprochen wird.

An diese kritische Auseinandersetzung anschließend folgt eine Analyse von Macht und Machtverhältnissen, die bei Empowerment einen wichtigen Stellwert haben sollte. Auch wird der Frage nachgegangen, wie mit diesem Wissen bei Empowerment-Prozessen umgegangen wird. Darauffolgend steht der Anspruch auf eine gesellschaftliche Veränderung, die mit Empowerment forciert werden kann, im Fokus. Es wird konkret vorgeschlagen, wie Empowerment für Soziale Arbeit produktiv und nutzbar gemacht werden könnte und welche Implikationen das mit sich bringen würde.

Im letzten Teil werden mit den zuvor gewonnenen Erkenntnissen Überlegungen vorgestellt, wie und ob Empowerment in Zukunft Platz im sozialarbeitswissenschaftlichen Diskurs und auch der gelebten Praxis haben könnte.

Teile dieses Artikels basieren auf der Bachelorarbeit „Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Betrachtung aus einer emanzipatorischen, postkolonial-kritischen Perspektive“ (Glaser 2015) wobei auch Fragestellungen, die sich aus dieser ergeben haben, behandelt werden.


2. Empowerment in der Sozialen Arbeit
Empowerment hat als Begriff und als Konzept eine bedeutende Rolle für die Soziale Arbeit. Im Professionsverständnis der International Federation of Social Workers (IFSW) wird deutlich, dass Empowerment ein zentrales Motiv ist, wenn es in der Definition auszugsweise lautet:

„Social work is a practice-based profession and an academic discipline that promotes social change and development, social cohesion, and the empowerment and liberation of people.“ (IFSW 2015)

Dieser Definition folgend ist Empowerment von Menschen also eines der Hauptanliegen Sozialer Arbeit.


2.1 Allgemeiner Diskurs und was in der Regel darunter verstanden wird
Die Herkunft und explizite Nennung des Begriffs „Empowerment“ im professionellen Kontext der Sozialen Arbeit wird von vielen Wissenschafter_innen (z. B.: Adams 2008: 6f, Bakic 2013: 175, Bröckling 2004: 56, Herriger 2002: 19) bei Barbara B. Solomon verortet, die ihn in Bezug auf die Schwarze Bürger_innenrechtsbewegungen in den USA in den Jahren der Nachkriegszeit verwendet. Anzumerken ist, dass sich weder Adams, Bakic, Bröckling noch Herriger in ihren Werken ausführlich auf Solomon beziehen, wenn es sich nicht um die begriffliche Herleitung von Empowerment handelt. In diesem Artikel jedoch werden auch Solomons Erkenntnisse zu Macht und ihren Auswirkungen mit einbezogen.

Innerhalb der wissenschaftlichen Debatte herrscht Uneinigkeit über den Anspruch, die Definition, die Kategorisierung und auch über die Ziele von Empowerment. Das Nichtvorhandensein einer allgemein akzeptierten Definition von Empowerment und diese grundsätzliche Bedeutungsoffenheit des Begriffs lassen eine Vielzahl von Interpretationen zu, welche Empowerment auch für Vertreter_innen verschiedener Ideologien nutzbar macht. Konträre Zielsetzungen, die allesamt durch die Anwendung der spezifischen Auslegungen von Empowerment zu erreichen versucht werden, können eine weite Bandbreite haben: Eine radikale Umverteilung von Macht, genauso wie die konservative Idee der Rückkehr zu traditionellen Werten, wie beispielsweise Familie oder Religion, bis hin zu einer neoliberalen Vorstellung eines schlanken Sozialstaats, der Verantwortung gesellschaftlicher Probleme in kleine, private Netze zurückverlagern möchte. (vgl. Herriger 2002: 11) Ulrich Bröckling (2004: 55) beschreibt einige weitere heterogene Bereiche, in denen der vieldeutige Begriff zum Einsatz kommt, wie beispielsweise Bürger_inneninitiativen, neokonservative Politikberater_innen, Anhänger_innen des Klassenkampfs oder auch des New Age, in feministischen Bewegungen, in der Sozialen Arbeit, der Gesundheitsförderung, der schulischen und der außerschulischen Erziehung, in Entwicklungshilfeprogrammen, in der Psychotherapie, genauso wie im Personalmanagement oder der Unternehmensführung. Bröckling fasst die angesprochene vielseitige Adaptierung und Verwendung von Empowerment folgendermaßen sehr treffend und pointiert zusammen:

„Kurzum, es handelt sich beim Empowerment um ein Konstrukt von hoher Attraktivität, das als Patentrezept gegen gesellschaftliche Übel aller Art firmiert und über politische Fraktionierungen und soziale Milieus, über Disziplingrenzen und fachliche Zuständigkeiten hinweg fraglose Plausibilität beanspruchen kann. Und das nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Vieldeutigkeit.“ (ebd.: 55f)

Doch nicht nur die Befürworter_innen von Empowerment sind divers, auch bei der Diskussion um die Einordnung von Empowerment gibt es keine einheitliche Position unter den Professionalist_innen der psychosozialen Arbeit. Helmut Lambers (2013: 319) ist der Meinung, dass es sich bei Empowerment in der Sozialen Arbeit wissenschaftstheoretisch gesehen nicht um eine eigene Theorie handelt, sondern um die Nutzung von Ideen aus unterschiedlichen Theorieansätzen. Es finden sich, seiner Auffassung nach, Elemente der Lebensweltorientierung, der ökosozialen Unterstützung, der Biografisierung und Milieubildung, der Systemtheorie von Luhmann und der Modernisierungstheorie Becks. (vgl. ebd.)

Ein aus der Empowerment-Tradition entwickeltes Verständnis von einer sozialberuflichen Praxis könnte nach Herriger (2002: 17f) sein, Menschen das Rüstzeug zur Verfügung zu stellen, welches sie brauchen, um ein eigenverantwortliches Lebensmanagement zu führen und ihnen Situationen zu ermöglichen, in denen sie eigene Stärken erfahren und eine solidarische Vernetzung erproben können. Empowerment könne in diesem Sinne Mut-machende Prozesse der Selbstbemächtigung beschreiben, in denen Menschen, die von Ausgrenzungen oder mangelndem Zugang zu Ressourcen betroffen sind, anfangen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen. In diesen Prozessen gehe es auch darum, dass Betroffene eigene Kräfte entwickeln und individuelle sowie kollektive Ressourcen nutzen lernen, um eine vermehrt selbstbestimmte Lebensführung erreichen zu können. (vgl. ebd.)

Auch von Herriger (2002: 70f) wird eine zentrale Theorie zu dem Klient_innenbild vorgestellt: die „Philosophie der Menschenstärke“. Die Ausgangslage für das Konzept der Menschenstärke ist demnach die Kritik an kontraproduktiven Nebenwirkungen der etablierten Defizit-Perspektive von Sozialarbeiter_innen. Drei Annahmen sind es, die die Perspektive der Menschenstärken anleiten. Erstens nehmen Vertreter_innen der Perspektive an, dass alle Personen eine innere Kraft besitzen und der Prozess des Empowerment erweckt oder stimuliert diese natürliche Kraft der Individuen. Die zweite Annahme ist, dass diese innere Kraft eine kraftvolle Ressource von Erkenntnissen und Wissen ist, die eine individuelle und soziale Veränderung anleiten kann. Drittens wird davon ausgegangen, dass immer, wenn positive Kapazitäten von Menschen unterstützt werden, diese dann auf ihre Stärken zurückgreifen. Zusammengefasst bedeutet das, dass dieses Subjektmodell des Empowerment-Konzeptes von dem festen Glauben an die Fähigkeiten des Individuums ausgeht, das mit eigener Kraft mehr Autonomie, Selbstverwirklichung und Lebenssouveränität erlangen kann. (vgl. ebd.)


2.2 Kritik im sozialarbeiterischen Fachdiskurs
Josef Bakic (2013: 184f) sieht das oben genannte Modell Philosophie der Menschenstärke kritisch und bezieht sich auf Alf Trojan, welcher die Frage aufwirft, ob Empowerment nicht mit einem vorschnell positiven Menschenbild zusammenhängt. Dieses geht zunächst fraglos normativ von der Annahme aus, dass jeder einzelne Mensch im Stande sei, zu Selbsthilfe und Durchsetzungskraft befähigt zu werden. Es wird befürchtet, dass dem ein illusionäres Harmoniemodell zu sozialem Wandel zugrunde liegt, wonach wohlgesonnene Machthabende etwas von ihrer Macht abgeben und dass eben dieser Prozess der Umverteilung friedlich vonstattengehen könnte. (vgl. ebd.)

Lambers (2013: 323) schließt an den Kritikpunkt an und stellt die These auf, dass sich Subjekte nur selbst empowern könnten, sie aber nicht empowert werden können. Empowerment ließe sich gar nicht vermitteln, sondern müsse von den betroffenen Menschen aus eigener Motivation gefordert werden. (vgl. ebd.) Ein Kompromiss zwischen der Auffassung von Eigenverantwortung als einerseits Voraussetzung und andererseits Überforderung muss gefunden werden und bedarf gründlichen Abwiegens beim Umgang mit den Adressat_innen der Sozialen Arbeit. Denn wie Bakic (2013: 179f) kritisiert, zeigt der beschriebene, lösungsorientierte Ansatz Schwächen, wenn es darum geht, die Verantwortung für Kraft- und Ressourcenlosigkeit und Ohnmacht fast ausschließlich in die Eigenverantwortung der Betroffenen zu legen. Die Behauptung, dass durch genügend Eigeninitiative alle Probleme zu bewältigen sind und ungleiche Verhältnisse überwunden werden können, ist zwar vermeintlich eine befreiende und motivierende Ansicht, doch bedeutet das im Umkehrschluss auch, dass es die eigene Schuld der Betroffenen ist, dass sie sich noch immer in den Problemlagen befinden. Es wird damit nämlich auch der normative Anspruch vermittelt, dass alles veränderbar sei und dies führt zwangsläufig zu der Frage, warum man nicht schon früher angefangen hat, etwas zu verändern und sich einzubringen. Die Schuld, falls das Anliegen der Problembeseitigung scheitern sollte, liegt dementsprechend dann auch bei den Betroffenen, die sich in diesem Fall vermeintlich nicht genug angestrengt haben. (vgl. ebd.)

Auch historisch gesehen kann davon ausgegangen werden, dass es sich um keinen Zufall handeln dürfte, dass die (Wieder-)Entdeckung von Empowerment gerade in jene Phase fällt, in der von öffentlicher Seite immer wieder die steigende Anzahl von Sozialtransferbezieher_innen und die überlasteten Sozialbudgets beklagt werden. Die sozialstaatliche Strategie der Bewerbung von Stärkung der Selbstkompetenz und Eigeninitiative muss deshalb auch als eine wirtschaftliche Strategie erkannt werden. Diese Strategie zielt unter anderem darauf ab, die öffentlichen Budgets durch die Reduzierung von Klient_innen und Sozialleistungen zu entlasten. (vgl. Stelzer-Orthofer 2013: 14)

Demnach muss die sozialstaatliche Fokussierung auf Empowerment, beziehungsweise die Vervielfachung von Angeboten der Gemeinwesenarbeit, kritisch analysiert und in den Verdacht der neoliberalen Wirtschaftstradition gerückt werden. Das Handlungsfeld der Gemeinwesenarbeit wird, nach Christine Stelzer-Orthofer (2013: 23), zumindest im letzten Jahrzehnt von zunehmender Ökonomisierung geprägt. Aufgrund von Ausgliederungen sozialer Dienstleistungen aus der öffentlichen Verwaltung und durch administrative Vorgaben wandelt sich die Art der Organisation. Durch finanzielle Kürzungen sowie durch vermehrte Dokumentationspflicht verkürze sich die Zeit, die für Arbeit mit den Klient_innen zur Verfügung stehe. Außerdem wird aktivierende Soziale Arbeit hier zur Erfüllungsgehilfin für die Rücknahme von sozialstaatlichen Leistungen und den Rückbau von Sozialtransfers, da sie eine kompensatorische Rolle spielt. (vgl. ebd.: 23f)

Zusätzlich dazu müsse man sich nach Lambers (2013: 320) generell fragen, ob Empowerment inhaltlich überhaupt viel Neues in den Alltag der Sozialen Arbeit sowie den fachlichen Diskurs bringen kann. Es wird oft behauptet, dass Empowerment von einem anderen Klient_innenbild ausgeht, als ursprünglich in der Sozialen Arbeit üblich. Siehe hierzu beispielsweise die Behauptung von Herriger (2002: 70), demnach das Klient_innenbild der traditionellen Sozialen Arbeit bis heute von einem Blick auf Schwächen und Abhängigkeiten geprägt sei, im Gegensatz zu einer Praxis, die sich an Empowerment orientiert. Lambers (2013: 320) steht solchen Behauptungen skeptisch gegenüber und weist darauf hin, dass der Gedanke von Selbstwirksamkeit und Selbstermächtigung spätestens seit der Settlement-Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts populär geworden sei, mit dem Grundgedanke der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Auch für Silvia Staub-Bernasconi (2007: 247) steht Empowerment klar in Tradition Sozialer Arbeit, da es sich nach ihr um eine modernisierte Version des klassischen Prinzips „Hilfe zur Selbsthilfe“ handelt. Außerdem nennt Lambers beispielhaft die Kleinkinderpädagogik von Maria Montessori (1870-1952), deren Maxime zur Selbsterziehung mit dem Motto „Hilf mir, es selbst zu tun“ ähnliche Gedanken um die Jahrhundertwende beinhaltete. (vgl. Lambers 2013: 320) Zusätzlich darf nicht vergessen werden, dass die Unterstützung von Menschen auf individueller und struktureller Basis, damit sie bestmögliche Lebensbedingungen und Entwicklungschancen erlangen und in Anspruch nehmen können, grundsätzlich eine Aufgabe Sozialer Arbeit sein sollte, die auch ohne das Konzept Empowerment funktionieren beziehungsweise misslingen kann. (vgl. Bakic 2013: 186f)

In der Debatte rund um Empowerment wurde schon in den 1980er-Jahren behauptet, dass sich das Verhältnis der Professionist_innen zu den Klient_innen fundamental ändern würde. Auf einer Augenhöhe sollten sich diese einander im Sinne von Empowerment begegnen und die Professionist_innen sollten vermeintlich nicht mehr die Expert_innen sein, die alles besser wissen. (vgl. Rappaport 1981: 16) Rein strukturell bleibt den Sozialarbeiter_innen die mächtigere Position aber inhärent, da sie diese nicht ablegen, weil sie relativ einseitig über die Rahmenbedingungen der potenziell gleichberechtigten Zusammenarbeit mit den Adressat_innen bestimmen. Es entsteht so einerseits eine Illusion von Gleichheit, es wird eine Begegnung auf gleicher Ebene vermittelt, während aber der hierarchische, autoritäre Charakter der Beziehung bestehen bleibt (vgl. Pease 2002: 138), beziehungsweise die Machtungleichheit verschwiegen oder möglicherweise gar nicht erst erkannt wird. Es gibt auch durchaus eine weite Debatte über den Expert_innenstatus von Sozialarbeiter_innen, welcher fachlich begründet sein muss. In Bezug auf Empowerment unterstellt Staub-Bernasconi den Anhänger_innen von Empowerment-Konzepten, unter anderem auch konkret Herriger und Rappaport, dass sie explizit Expert_innenwissen verabschieden,

„es in undifferenzierter Weise als herrschaftsbezogene Deutungs- und Kontrollmacht [denunzieren], um dieses Wissen dann doch über die Rolle des Lebenswelt-Analytikers und Lebenswelt-Kritikers durch die Hintertüre wieder einzufordern, aber nirgendwo einzulösen.“ (Staub-Bernasconi 2007: 250)

Das bleiben aber nicht die einzigen Kritikpunkte an Auslegungen von Empowerment: Selbst der beschriebene, kurz nachgezeichnete begriffliche Ursprung des Konzepts muss hinterfragt werden. Bezugnehmend auf die eingangs beschriebenen historischen Ursprünge von Empowerment, kann von Srilatha Batliwala eine interessante Erkenntnis angeführt werden: Unter anderen Bezeichnungen als „Empowerment“ lassen sich die groben Ideen und ähnliche Konzepte nämlich historisch noch weiter zurückverfolgen, wie Batliwala (2007) in ihrem Essay „Taking the power out of empowerment – an experiential account“ beweist. Interessant ist hierbei, dass sie sich bei der historischen Herleitung nicht ausschließlich auf US-amerikanische oder europäische Kontexte bezieht. Es lassen sich laut Batliwala, die sich in diesem Punkt auf eine nicht publizierte und dementsprechend nicht vorliegende Monografie von John Gaventa (2002: „Empowerment: A Briefing Note“, Institute of Development Studies, Brighton) beruft, Verbindungen zu folgenden Bewegungen herstellen: der Reformation in Europa, der religiösen Gemeinschaft der Quäker, Vertreter_innen der Jeffersonian democracy, die sich unter anderem für eine republikanische Demokratie mit der Forderung nach Mitbestimmungsrecht des Bürgertums einsetzten, und später, wie bereits erwähnt dem black empowerment movement. Mit äquivalenten linguistischen Ausdrücken lasse sich das Konzept von Empowerment auch zu anderen historischen Kämpfen zurückführen, z. B. auf die südindische Veerashaiva-Bewegung. Diese Bewegung kämpfte im 12. und 13. Jahrhundert gegen Unterdrückung aufgrund von Kasten- oder Geschlechtszugehörigkeit und forderte auch eine Neuverteilung von Macht sowie gleichberechtigten Zugang zu spirituellem Wissen. Mit einer stark politischen Bedeutung ausgestattet und etabliert wurde der Begriff Empowerment in der späteren Hälfte des 20. Jahrhunderts. Damals wurde Empowerment unter anderem von Befürworter_innen der Befreiungstheologie, von feministischen, von Schwarzen und anderen Bewegungen, die sich für mehr Gleichheit, Partizipation und demokratische Formern von sozialer Veränderung und Entwicklung einsetzten, adaptiert. (vgl. Batliwala 2007: 558)

Wichtig hervorzuheben erscheint die Tatsache, dass es sich bei der oben skizzierten Etablierung von Empowerment um eine Entwicklung handelt, welcher eine politische Selbstorganisierung zugrunde liegt. Diese Bewegungen mit ihren Erfolgsgeschichten haben als kollektive Selbst-Bemächtigung stattgefunden und verbleiben außerhalb der Zuständigkeit von beruflicher Sozialer Arbeit und deren Akteur_innen. Dass dies nicht unbedingt als Nachteil zu bewerten ist, gibt Herriger zu verstehen, der davon ausgeht, dass die Akteur_innen dieser Selbst-bemächtigenden Bewegungen

„oft erst aus ihrer kritischen Distanz gegenüber der ‚fürsorglichen Belagerung‘ durch wohlmeinende pädagogische Experten Profil und Identität [gewannen].“ (Herriger 2002: 17)

Bezug nehmend auf die Schwarze Bürger_innenrechtsbewegung ist außerdem anzuführen, dass wesentliche Merkmale der Ausbruch von Menschen aus ihrer ohnmächtigen Resignation und die aktiven Versuche der Aneignung von Macht waren sowie die Vermehrung in Hinblick auf die Teilnehmer_innenanzahl, ebenso die Entwicklung von durchsetzungsfähigen Strategien zu kritischem bürgerlichen Engagement. (vgl. ebd.: 23)

Zurückkommend auf die bereits angesprochene begriffliche Unschärfe, ist es wichtig, ihre Effekte zu beleuchten: Auf der einen Seite folgt daraus das Potenzial, dass Empowerment und dessen Einsatz große Zustimmung aus verschiedenen Lagern bekommt und sich deswegen viele Menschen dem Begriff anschließen können. Auf der anderen Seite schwingt durch die Orientierung an der Idee des „besseren Lebens“ eine Fortschrittlichkeit und Zukunftsoffenheit mit, die vermeintlich gegeben ist. Dies sind mitunter Gründe, warum der Begriff des Empowerment und dessen Verwendung in den letzten Jahren so einen rasanten Aufstieg erleben konnten und einen attraktiven und festen Platz im wissenschaftlichen, wie berufspraktischen Diskurs einnehmen. (vgl. ebd.: 11)

Trotz des breiten Diskurses und der großen Beliebtheit von Empowerment im psychosozialen Kontext ist nicht geklärt, was unter Empowerment genau zu verstehen ist. Ob es sich bei Empowerment um eine Professionshaltung oder eine Methode Sozialer Arbeit handeln kann, ist für Lambers nicht eindeutig. Zur These, dass es sich um eine Professionshaltung handelt, fragt Lambers kritisch, ob Empowerment dann nicht darauf angewiesen sein müsste, an Bedingungen anzuschließen, die den Ermächtigenden zur Verfügung stehen müssten. Dies könne aber nicht generalisiert vorausgesetzt werden, weshalb es sich nach Lambers Argumentation nicht um eine Professionshaltung handle. Sollte es sich um eine Methode der Sozialen Arbeit handeln, muss die Frage gestellt werden, ob Empowerment überhaupt Auskunft geben kann über die Ursachen, die die Auslösebedingungen für Empowerment sind. Falls Empowerment das als Methode nicht bewerkstelligen könnte, müsse die Frage gestellt werden, ob überhaupt noch von Empowerment gesprochen werden dürfe. (vgl. Lambers 2013: 320)

Bakic (2013: 180) hat eine ähnliche Ansicht wie Lambers und schreibt beispielsweise von Empowerment als einer Analysekategorie. Seiner Argumentation nach solle, aus einer fachlichen Perspektive betrachtet, aus Empowerment keine Methode oder Steuerungsstrategie werden. Vielmehr sollte eine sozialarbeiterische beziehungsweise sozialpädagogische Haltung entwickelt werden, die den Anteil, welchen die Klient_innen selbst an der Hilfe zur Selbsthilfe haben, verstärkt thematisiert. Sozialarbeiter_innen sollen zusätzlich dazu angehalten sein, die Klient_innen in den entsprechenden Planungs- und Begleitungsprozess einzubeziehen und ihnen Räume und Ressourcen eröffnen, ohne ordnend und kontrollierend einzugreifen. (vgl. ebd.: 180f). Das würde unter anderem konkret bedeuten, den Klient_innen zu mehr Macht zu verhelfen.


3. Macht und Empowerment
Da das Wort Power, also Macht, in Empowerment zentral ist, kommt eine Auseinandersetzung mit Empowerment nicht ohne einen Exkurs zu Macht aus. Auch bei der, nicht sonderlich geläufigen, deutschen Übersetzung „Ermächtigung“, wird offensichtlich, dass Macht eine entscheidende Rolle in dem Konzept zu haben scheint, wie Veronika Andorfer (1995: 55) feststellt. An dieser Stelle ist anzumerken, dass in der deutschsprachigen Fachliteratur der Begriff „Empowerment“ grundsätzlich in den meisten Fällen aus dem Englischen übernommen wird und die Übersetzung „Ermächtigung“ kaum eine Rolle in der modernen, fachlichen Debatte einnimmt. Patricia Hill Collins (2000: 274) stellt folgerichtig die Frage, wie jemand eine Politik des Empowerment entwickeln und anwenden könne, ohne zu verstehen, wie Macht organisiert ist und wie sie wirkt. Zumindest eine grobe Auseinandersetzung mit dem breiten Thema Macht sollte für Sozialarbeiter_innen grundsätzlich Voraussetzung zu einer kritischen Praxis sein.

Für den Exkurs zu Macht und Machtstrategien stellt Andorfer die Überlegungen von Anthony Giddens und Srilatha Batliwala vor. Der existenzielle Kern von Macht liege, auch ihrer Definition zufolge, in der Kontrolle und Verfügung über bestimmte Ressourcen. Giddens nennt Geld, Wissen, Zeit, Organisationsfähigkeit und die staatliche Bereitstellung von Mitteln und Diensten als zentrale Ressourcen. Für Batliwala bedeutet Macht, die Kontrolle über die fünf folgenden Ressourcen zu haben: physische (Land, Wasser, Wald), menschliche (Körper, Arbeitskraft, Fertigkeiten), intellektuelle (Wissen, Information, Ideen), finanzielle (Geld, Kredit) und psychologische (Selbstvertrauen, Kreativität) Ressourcen. (vgl. Andorfer 1995: 57f)

Solomon (1976: 17ff) analysiert in Black Empowerment sogenannte direkte und indirekte Machtblöcke, die sich auf Menschen, die einer stigmatisierten Gruppe angehören, auf verschiedenen Ebenen auswirken und sie in ihrem Leben beeinträchtigen. Dies würde zu mehr oder minder starken Ohnmachtsgefühlen und Resignation führen. Die Idee und Salomons Ausführungen dazu sind zwar vielfältig, eine nähere Beschreibung würde jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen. Der wichtige Schluss daraus ist jener, dass Rassismus beziehungsweise strukturelle Diskriminierung wirken und es bei der Anwendung von Empowerment nicht vernachlässigt werden darf, dass es Menschen und Menschengruppen gibt, die möglicherweise Empowerment dringend brauchen, jedoch schwieriger aktivierbar sind als Menschen, die weniger Ohnmachts-Erfahrungen gemacht haben. (vgl. ebd.)

Die Konzeptionen von Macht zeigen laut Adams (2008: 61) zumindest eine Konsequenz offensichtlich: Sozialarbeiter_innen sind in der Regel nicht in einer Position, einfach Macht an Menschen zu geben, weil sie selbst nur Macht haben und ausüben, welche ihnen aufgrund von Gesetzen und Organisationen beziehungsweise Einrichtungen gegeben werden. Außerdem ist diese Macht an Verpflichtungen sowie Zuständigkeiten geknüpft, und kann nicht komplett losgelöst von der Einrichtung, welche eine Basis ihrer Praxis stellt, anderweitig angewendet oder verwendet werden. (vgl. ebd.)

Silvia Staub-Bernasconi (2007: 251) formuliert zu dem Stichwort Macht im Kontext von Empowerment Kritik am Umgang damit: Der Empowermentgedanke in der Sozialen Arbeit verfehle den Anspruch von sozialen Bewegungen, kritisch mit Macht umzugehen, weil den Adressat_innen von Sozialer Arbeit das Wissen über Macht und darüber wie diese zustanden komme, vorbehalten werde. Außerdem wird ein Zugewinn an Macht versprochen, obwohl dies anspruchstheoretisch gar nicht von den Sozialarbeiter_innen eingelöst werden kann. Laut Andorfer (1995: 57) stellt sich bei Empowerment nicht nur die Frage nach Macht, sondern auch, viel wichtiger, die Frage nach der Veränderung von Machtverhältnissen.


4. Empowerment und der Anspruch auf gesellschaftliche Veränderung
Der Anspruch auf Veränderung von Machtverhältnissen ist bei Batliwala (2007: 560) zentral: Sie definiert Empowerment als einen Prozess, in welchem die Ergebnisse dieses Prozesses eine Veränderung von Machtverhältnissen zwischen Individuen und sozialen Gruppen ist. Zunächst stellt sie (ebd.: 557) fest, dass Empowerment das Buzzword ist (übersetzbar mit „Modewort“; kann auch „abgedroschene Phrase“ bedeuten), welches im Diskurs um Entwicklungen in den letzten 30 Jahren wahrscheinlich am meisten verwendet und gleichzeitig falsch verwendet und angewendet wurde. Wie viele andere wichtige Begriffe, welche eigentlich geprägt wurden, um ein klares politisches Konzept zu vertreten, wurde auch Empowerment auf eine Art und Weise in die Mainstream-Diskussion eingebunden, sodass die ursprüngliche Bedeutung und der strategische Wert geraubt wurden. Empowerment sei eines der besten Beispiele von guten Ideen oder innovativen Anwendungen, welche aus dem politischen und historischen Kontext gerissen und in massenkompatible Schemata gepasst wurden. Dies bedeutet in der Regel eine Entziehung der kulturellen Ausprägung und des politischen Inhalts sowie eine Verkürzung des Konzepts, sodass lediglich eine Reihe von Schritten übrig bleiben, die die ursprünglichen Anfangselemente simulieren, welchen schlussendlich aber die transformative Macht der ursprünglichen Sache fehlt. Dadurch werden gute Ideen und Ansichten, welche entwickelt wurden, um spezifische Herausforderungen zu adressieren, in universal anwendbare Patentrezepte umgewandelt und schlussendlich bleibt eine inhaltsleere Phrase übrig, die aber gerade deswegen massenkompatibel ist. (vgl. Batliwala 2007: 557)

Die Möglichkeit, Empowerment verschieden deuten und nutzen zu können, sowie die Ansicht, dass das Konzept von Empowerment universell anzuwenden ist und damit vermeintlich sämtliche Probleme lösen könne, sieht Batliwala problematisch. Für eine Verdeutlichung von Batliwalas Ansprüchen an Empowerment folgt nun eine kurze Darstellung zur programmatischen Entwicklung aus ihrer Sicht: Batliwala (2007: 563) stellt den Beginn der weitverbreiteten und unpräzisen Verwendung von „Empowerment“ in vielen Programmen der indischen Entwicklungshilfe ab Mitte der 1980er-Jahre fest. Zur begrifflichen Klärung und um konzeptionelle Überlegungen auszuarbeiten, wurde Batliwala neben Vertreter_innen von mehreren Organisationen und feministischen Aktivist_innen im Jahr 1992 eingeladen, eine strategische Rahmengestaltung zu entwickeln. Diese, im Jahr 1993 publizierte Ausarbeitung unter dem Titel „Women’s Empowerment in South Asia: Concepts and Pracitices“ wurde in weiterer Folge von grassroots women und Entwicklungs[hilfe]organisationen, die sich unter anderem auch speziell für Rechte von Frauen einsetzten, verwendet. Für die Konzeptionist_innen und Vertreter_innen dieses sogenannten South Asia document war von Beginn an klar, dass es sich bei Empowerment nicht um eine einseitige Richtung handeln kann, sondern dass eine nachhaltige Verschiebung von Machtverhältnissen an drei verschiedenen Punkten ansetzen muss:

“The document defined empowerment as a process that shifts social power in three critical ways: by challenging the ideologies that justify social inequality (such as gender roles), by changing prevailing patterns of access to and control over economic, natural, and intellectual resources, and by transforming the institutions and structures that reinforce and sustain existing power structures (such as family, state, market, education, and media).“ (Batliwala 2007: 564)

An diesem Zitat wird deutlich, dass es sich bei Empowerment in diesem konkreten Kontext, um einen situationsspezifischen Ansatz handelt, der verwendet werden soll, um Ungleichheiten zu bekämpfen. Da feministische Aktivistinnen als eine der ersten Bewegungen den Begriff Empowerment weitläufig benutzt haben, um eine Gegenpraxis zum patriarchalen Gesellschaftsentwurf zu benennen, hat dieser auch einen geschlechtsbezogenen Hintergrund. Außerdem ist zu bemerken, dass diese Konzeption von Empowerment betroffene Menschen nicht auf einer rein individuellen Ebene verpflichtet, Veränderungen anzustreben. Es wird stattdessen gefordert, dass legitimierende Ideologien sowie vorherrschende, ungleiche Verteilungen von und Zugänge zu Ressourcen und gesellschaftliche Strukturen bearbeitet werden müssen. Dass dies kein individueller Akt sein kann, den eine Einzelperson alleine durchführt, ist für Batliwala klar. (vgl. ebd.: 563f)


5. Perspektiven für den Umgang mit Empowerment in der Sozialen Arbeit
Die soeben dargestellten Kritikpunkte, gepaart mit dem Bewusstsein über die anfangs dargelegte Unklarheit und Auslegbarkeit von Empowerment lassen Zweifel aufkommen, ob es für Professionist_innen noch eine gangbare Möglichkeit ist, Empowerment in Zukunft weiterhin programmatisch wie begrifflich zu nutzen. Eine Möglichkeit mit den vorgestellten Kritikpunkten umzugehen, wäre es, zu versuchen, sich den Begriff wieder anzueignen und den fachlichen Diskurs zu diesem Themenkomplex weiterzutreiben, um zukünftige Auslegungen von Empowerment in eine emanzipatorische und progressive Richtung zu lenken. Beispielsweise eine Orientierung an den oben beschriebenen Ausführungen von Batliwala, die Empowerment als Prozess versteht, bei dem versucht wird, auf drei verschiedenen Wegen Verschiebungen von Machtverhältnissen zu erreichen, könnte eine Möglichkeit sein (vgl. Batliwala 2007: 564). Dafür müsste ein reframing stattfinden, ähnlich wie es zum Beispiel Sabine Stövesand beim Konzept der Gemeinwesenarbeit vorschlägt, bei welchem es ähnliche Kritikpunkte gibt. Dazu müssten Begriffe erst auf ihre inhärenten Machteffekte hin untersucht werden, und aufgrund dieser kritischen Reflexion könne ein reframing erfolgen, indem die aktuelle Funktion der Begriffe entschlüsselt und ihre Bedeutungen in eine andere Richtung verschoben werden. (vgl. Stövesand 2007: 291)

Jedoch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die begrifflichen und programmatischen Analysen von Empowerment mittlerweile ihren Zenit erreicht haben und sich nach dem raschen und populären Aufstieg, welcher unmittelbar nach der Einführung des Begriffs begann, die weiteren Bearbeitungen der Materie in Grenzen halten werden (vgl. Bakic 2013: 178), erscheint es jedoch relativ unrealistisch, sich den Empowermentbegriff ohne einen kritischen Diskurs wieder anzueignen. Es müsste also eine breite wissenschaftliche Debatte stattfinden, in der eine Definition von Empowerment gefunden wird. Eine Debatte um eine emanzipatorische Auslegung von Empowerment wieder anzufachen, die auch gesellschaftliche und politische Umstände miteinbezieht und in welcher der Anspruch besteht, sich auf mehreren Ebenen für Klient_innen einzusetzen sowie sich mit diesen auseinanderzusetzen, scheint jedoch schwierig zu bewerkstelligen. Ebenso erscheint es nicht vielversprechend, sich für eine Wiederaneignung einzusetzen, da es selbst innerhalb der letzten 40 Jahre, als aufgrund der Neuheit des Konzepts reges Interesse unter den Beteiligten herrschte, nicht möglich war, ein breites kritisches Bewusstsein zu erzeugen bzw. antiemanzipatorische Interpretationen einzudämmen.

Bakic (2013: 186) zieht aus der formulierten Kritik an der Praxis von Empowerment und dem Diskurs darüber eine andere Schlussfolgerung. Er betont zwar mehrmals, dass die Abkehr von einer defizitorientierten Arbeitsweise, die einen großen Fokus auf Abweichung und Pathologisierung legt, sehr begrüßenswert für die fachliche Ausrichtung Sozialer Arbeit sei, jedoch plädiert er für eine Rückbesinnung. Aus Sicht einer kritischen Sozialen Arbeit wäre ein Schritt zurück zu „alten“ pädagogischen Denktraditionen sinnvoll, in denen es um Emanzipation und kompensatorische Erziehung geht. Diese seien zwar nicht so passfähig für alles und jedes, aber begrifflich und erkenntnistheoretisch nachprüfbar. Bakic liefert auch konkrete Beispiele: Adornos Mündigkeitsbegriff sei zwar unversöhnlicher aber konkreter als eine unbestimmte Allpassfähigkeit, die bei Empowerment gegeben ist. Ansätze von August Aichhorn oder Siegried Bernfeld, welche im frühen 20. Jahrhundert pädagogische Konzepte und vorherrschende Erziehungspraktiken kritisierten, seien etwa radikaler in ihrer Analyse. Für die fachliche Analyse wäre es zuweilen nützlicher, diese fundamental gedachten Grundlagen weiter zu entwickeln und in die Gegenwart zu übertragen, und nicht im Gegensatz dazu „Konzepte in neue Analysekategorien zu projizieren, die dann ob ihrer begrifflichen Unschärfe auch Normierungsverfahren bedienen und eher neoliberalistische Interpretationen stärken“ (ebd.), wenn sie im Endeffekt bedeuten, dass alle Menschen ihres eigenen Glückes Schmied_in wären. (vgl. Bakic 2013: 186)

Bakics Plädoyer auf eine Rückbesinnung kann jedoch mit einer ähnlichen Argumentation entkräftet werden, wie der Vorschlag der Wiederaneignung. Die Bedingungen scheinen kaum gegeben, die es für eine breite, wissenschaftliche Debatte bräuchte, die auch in weiterer Folge ein Umdenken von etablierten Sozialarbeiter_innen bewirken könnten. Grundsätzlich ist das Plädoyer jedoch ein interessanter Ansatz und würde in der Umsetzung zu klareren Positionen führen, als es momentan unter dem Konzept Empowerment passiert.

Realistischer und erfolgversprechender hingegen könnte ein Umgang mit Empowerment eingeschätzt werden, wie ihn Batliwala empfiehlt. Sie schlägt ebenso eine Abkehr von Empowerment vor, möchte sich jedoch nicht an bereits bestehenden Theorien oder Konzepten orientieren, sondern argumentiert für eine neue Herangehensweise. Sie zieht nämlich ähnliche Konsequenzen wie Bakic aus der Tatsache, dass die Bedeutung des Begriffs Empowerment und die Ansätze, die sich dahinter verbergen, im Diskurs der letzten Jahrzehnte beinahe grundlegend verändert und um die zentralen Aspekte von Macht und Politik gebracht wurden. Die Frage, ob eine Weiterverwendung und Wiederaneignung von Empowerment erstrebenswert sei, wird von Batliwala verneint. Sie stellt klar, dass es eine neue Sprache und Begrifflichkeiten braucht, diese aber nicht durch Neubesetzungen, Wiederentdeckungen oder Definitionsänderungen bereits bestehender Konzepte passieren soll:

„Clearly, we need to build a new language in which to frame our vision and strategies for social transformation at the local, national, or global level. I for one intend to do so not by re-reading Foucault or Gramsci or other great political philosophers, but by listening to poor women and their movements, listening to their values, principles, articulations, and actions, and by trying to hear how they frame their search for justice.“ (Batliwala 2007: 564)

Batliwala stellt fest, dass der Fokus bei der Neuorientierung nicht auf Lehren von westlich geprägten Forscher_innen oder Expert_innen liegen soll, sondern bei den sozialen Bewegungen und Menschen, die von Armut, Marginalisierung und struktureller Ungleichheit betroffen sind. Bei dieser Vorgehensweise werde nicht nur ein neuer Diskurs um die gesamte Thematik entstehen, es werden sich auch neue Konzepte und Strategien herausbilden, welche bisher weder den aktuellen politischen noch philosophischen Vorstellungen entsprechen. (vgl. ebd.) Auf diese Art und Weise könnten bei der Suche nach Alternativen auch Ansprüche, die an Empowerment gestellt werden, wie Partizipation, Orientierung an der Lebenswelten der benachteiligten Personen und Gruppen, eingelöst werden. Durch den daraus neu entstehenden Diskurs lassen sich neue Konzepte und Praktiken entwickeln, in denen realistischer und klarer formuliert ist, wie Machtverhältnisse verändert werden können. Außerdem ist es Grundintention von Empowerment und Sozialer Arbeit, sich den Erzählungen und Kämpfen von marginalisierten Personen und Gruppen zu widmen. Eine Offenheit gegenüber jenen Erzählungen, den Erfahrungen und dem Wissen der marginalisierten Menschen ist auch grundsätzlich wichtig, um den derzeit vorherrschenden Diskurs zu verändern. (vgl. Hartman 1992: 484)


Literatur

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Bakic, Josef (2013): Resilienz und Empowerment. In: Bakic, Josef / Diebäcker, Marc / Hammer, Elisabeth (Hg.): Aktuelle Leitbegriffe der Sozialen Arbeit. Ein kritisches Handbuch, Band 2, Wien: Erhard Löcker, S. 174-190.

Batliwala, Srilatha (2007): Taking the power out of empowerment – an experiential account. In: Development in Practice, 17: 4-5, S. 557-565.

Bröckling, Ulrich (2003): You are not responsible for being down, but you are responsible for getting up. Über Empowerment. In: Leviathan, Volume 31, Ausgabe 3, September 2003, S. 323-344.

Bröckling, Ulrich (2004): Empowerment. In: Bröckling, Ulrich / Krasmann, Susanne / Lemke, Thomas (Hg.): Glossar der Gegenwart, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 55-62.

Glaser, Stefan (2015): Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Betrachtung aus einer emanzipatorischen, postkolonial-kritischen Perspektive. Bachelorarbeit, FH Campus Wien.

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Solomon, Barbara Byrant (1976): Black Empowerment. Social work in oppressed communities. New York: Columbia University Press.

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Stelzer-Orthofer, Christine (2013): Aktivierung uns soziale Kontrolle. In: Bakic, Josef / Diebäcker, Marc / Hammer, Elisabeth (Hg.): Aktuelle Leitbegriffe der Sozialen Arbeit. Ein kritisches Handbuch, Band 1, Wien: Erhard Löcker, S. 13-26.

Stövesand, Sabine (2007): Doppelter Einsatz: Gemeinwesenarbeit und Gouvernementalität. In: Anhorn, Roland / Bettinger, Frank / Stehr, Johannes (Hg.): Foucaults Machtanalytik und Soziale Arbeit. Eine kritische Einführung und Bestandsaufnahme. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 277-294.


Über den Autor

Stefan Glaser, BA
glaser_stefan@gmx.at

Studium der Sozialen Arbeit (BA) an der FH Campus Wien (2012-2015).
Tätig im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Erfahrungen in der bundesweiten Hochschüler_innenvertretung, der verbandlichen Jugendarbeit sowie der Wohnungslosenhilfe.