soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 15 (2016) / Rubrik "Junge Wissenschaft" / Standort Innsbruck
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/424/765.pdf


Hannah Ringhofer:

Antifeminismus und feministische Soziale Arbeit

Der neue alte Kampf gegen feministische Errungenschaften


Antifeminismus1 als direkte Reaktion auf feministische Bestrebungen und Errungenschaften ist historisch betrachtet kein neues Phänomen. Schon in der Zeit der Ersten Frauenbewegung hatten die damaligen Frauenvereine und Gruppierungen mit gezielten antifeministischen Gegeninitiativen zu kämpfen (vgl. Ringhofer 2015: 20f) und bis heute ist antifeministische Kritik ein ständiger Begleiter feministischer Bestrebungen.

Bedingt durch eine medial stark vernetzte Gesellschaft, nimmt das Phänomen des Antifeminismus jedoch eine neue Dimension an. In einschlägigen antifeministischen Blogs und Homepages schaffen es selbst kleine Gruppierungen oder gar Einzelpersonen, ihr antifeministisches Gedankengut breit zu streuen und viele Leser und Leserinnen zu erreichen (vgl. Gesterkamp 2012: 151). Das erfolgreiche Verbreiten von Ideen und das Mobilisieren Gleichgesinnter wurden durch den Gebrauch neuer Online-Medien stark vereinfacht. Neben den vielfachen antifeministischen Internetauftritten erlebt auch Österreichs Medienwelt und Politik ein vermehrtes Auftreten antifeministischer Ansichten. Durch ein gezieltes Agenda-Setting in etablierten Print- sowie Online-Medien nehmen antifeministische Gruppierungen vermehrt am öffentlichen Diskurs teil und gewinnen dadurch auch an politischer Relevanz. Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser AÖF spricht in diesem Zusammenhang von einer neuen Salonfähigkeit des Antifeminismus:

„Der gesellschaftliche Backlash hin zu einem traditionell-patriarchalen Geschlechterverständnis ist äußerst beunruhigend.“ (AÖF 2014)

Der aktuelle Antifeminismus als ein gesellschaftliches Phänomen wurde bereits von unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen als Forschungsgegenstand identifiziert. Allen voran sei hier im deutschsprachigen Raum die Soziologie genannt, deren Vertreter Hinrich Rosenbrock die erste ausführliche Analyse antifeministischer Männerrechtsbewegungen publizierte (vgl. Rosenbrock 2012). Die Sozialarbeitswissenschaft hingegen hat sich noch kaum dem Phänomen des Antifeminismus und dessen möglichen Auswirkungen auf die Soziale Arbeit gewidmet. Dies scheint verwunderlich, da bei genauerer Analyse antifeministischer Kritik schnell ersichtlich wird, dass Soziale Arbeit, und hier vor allem feministische Soziale Arbeit, potenzielle Angriffsfläche für antifeministische Angriffe bietet. Die sozialarbeiterischen Arbeitsbereiche rund um das Thema Obsorge und innerfamiliäre Gewalt sind hierbei speziell im Fokus antifeministischer Kritik (vgl. Ringhofer 2015: 45f).

Um diese Forschungslücke zu füllen, wurden im Zuge der Masterarbeit „Antifeministische Männerrechtsbewegungen und ihre Auswirkungen auf feministische Soziale Arbeit“ (Ringhofer 2015) Vertreterinnen feministischer Einrichtungen Sozialer Arbeit in Österreich zum Thema Antifeminismus im Zusammenhang mit ihren jeweiligen Einrichtungen befragt. Im Zentrum standen hierbei die Fragen, ob und inwiefern feministische Einrichtungen Sozialer Arbeit von antifeministischen Bestrebungen und Angriffen bedroht sind, und wie sie auf diese reagieren. Die auf Basis der theoretischen Analyse formulierte Hypothese, dass feministische Einrichtungen Sozialer Arbeit eine potenzielle Angriffsfläche antifeministischer Kritik und Angriffe darstellen, konnte im Zuge der Forschung bestätigt werden. Das Ausmaß der antifeministischen Angriffe sowie deren Auswirkungen auf feministische Soziale Arbeit waren allerdings gleichermaßen überraschend wie erschreckend. Im Folgenden sollen daher die Forschungsergebnisse in Kurzfassung dargestellt werden2.


1. Antifeministische Angriffe auf Einrichtungen feministischer Sozialer Arbeit
Feministische Einrichtungen Sozialer Arbeit bieten aufgrund ihrer gesellschaftspolitischen Ziele und Anschauungen eine Angriffsfläche für antifeministische Kritik. Dies wird für Mitarbeiterinnen3 feministischer Einrichtungen auf zweierlei Ebenen spürbar.

Zum einen haben antifeministische Tendenzen auf der politischen Ebene inhaltliche Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen feministischer Soziale Arbeit. Besonders prägnant ist etwa das Beispiel der Gesetzesänderung zur gemeinsamen Obsorge in Österreich (vgl. Neuwirth 2013: 17f). Aber auch antifeministisch motivierte direkte politische Eingriffe, etwa in Form von Finanzkürzungen, beeinflussen die Arbeit feministischer Einrichtungen (vgl. Ringhofer 2015: 57). Sichtbar wurde dies etwa an dem medial viel zitierten Vorwurf der FPÖ-Stadträtin in Amstetten im Jahr 2012 gegenüber den Frauenhäusern, diese wären „maßgeblich an der nachhaltigen Zerstörung von Ehen“ (Heigl 2012) beteiligt, und sollten daher nicht länger staatlich finanziert werden.

Zum anderen wird antifeministischer Druck auch auf einer sehr persönlichen Ebene für die Mitarbeiterinnen feministischer Einrichtungen spürbar. Es handelt sich dabei um konkrete antifeministische Angriffe auf die Einrichtungen und deren Mitarbeiterinnen. Öffentliche Veranstaltungen, wie etwa Pressekonferenzen, sind ein wichtiger Teil der politischen Arbeit feministischer Sozialer Arbeit. Diese stehen vermehrt im Zentrum antifeministischer Angriffe. Durch antifeministische Kundgebungen, Demonstrationen, störende Zwischenrufe und antifeministische Aussagen oder das Verteilen von Flugzetteln werden feministische öffentliche Veranstaltungen gestört und ein konfliktfreier, produktiver Ablauf verhindert (vgl. Ringhofer 2015: 68).

Und auch in ihrer täglichen Arbeit in den jeweiligen Einrichtungen sind die Mitarbeiterinnen mit antifeministischen Angriffen konfrontiert. Diese Angriffe zeigen sich etwa in Form von E-Mails und Anrufen mit antifeministischen Inhalten und dezidierten Angriffen gegen die feministische Arbeit. Diese verbalen Angriffe werden von den Mitarbeiterinnen als sehr unangenehm wahrgenommen und stören die ohnehin anspruchsvolle Klientinnenarbeit (vgl. ebd.: 70). Doch die antifeministischen Angriffe beschränken sich nicht nur auf E-Mail- und Telefonkontakte. Direktes Ansprechen und Verfolgen der Mitarbeiterinnen während und nach ihrer Dienstzeit, etwa bei Gerichtsbegleitungen, sind ebenfalls Teil der antifeministischen Strategie. Besonders übergriffig und bedrohlich sind in diesem Zusammenhang Drohungen, bis hin zu Morddrohungen (vgl. ebd.: 71f).

Zusätzlich zu diesen direkten Angriffen sind Mitarbeiterinnen feministischer Einrichtungen auch indirekten antifeministischen Konfrontationen ausgesetzt. Diese zeigen sich vor allem im Zuge des umfangreichen antifeministischen Internetauftritts. So kommt es vermehrt vor, dass in einschlägigen antifeministischen Foren feministische Sozialarbeiterinnen namentlich genannt und denunziert werden oder dass Videos online gestellt werden, in denen Mitarbeiterinnen öffentlich vorgeführt werden. Zu diesen indirekten Angriffen zählen außerdem auch publizierte Zeitungsartikel, in denen die Arbeit feministischer Einrichtungen angegriffen und diskreditiert wird (vgl. ebd.: 72f).


2. Auswirkungen auf die feministische Soziale Arbeit
Es wird ersichtlich, dass feministische Einrichtungen Sozialer Arbeit und deren Mitarbeiterinnen stark von der Präsenz antifeministischer Bewegungen betroffen sind. Die zuvor genannten direkten und indirekten antifeministischen Angriffe gegen feministische Einrichtungen haben große Auswirkungen auf die einzelnen Mitarbeiterinnen persönlich sowie auf das Gesamtteam der jeweiligen Einrichtung. Diese Auswirkungen zeigen sich vor allem in Form von Angst und Verunsicherung der einzelnen Sozialarbeiterinnen (vgl. ebd.: 74f). Die vielfältigen antifeministischen Angriffe werden von den Mitarbeiterinnen der feministischen Einrichtungen einheitlich nicht nur als störend, sondern auch als bedrohlich wahrgenommen. Die dadurch hervorgerufene Angst und Verunsicherung führt zu einem verstärkten Schutzgedanken, der sich in einem Wunsch nach erhöhter Anonymität in der täglichen Arbeit sowie nach polizeilichen Schutzvorkehrungen bei öffentlichen Veranstaltungen äußert (vgl. ebd.: 75).

Mitunter kann das Gefühl von Angst und Verunsicherung aber auch zu einem drastischen Einschnitt der feministischen Arbeit führen: Die Mitarbeiterinnen feministischer Einrichtungen beginnen, sich aus dem öffentlichen Diskurs zurückzuziehen, zum Schutz vor weiteren antifeministischen Angriffen. Diese Form von Zurückhaltung ermöglicht zwar den gewünschten verstärkten Schutz, führt allerdings zu einer Abschwächung der politischen Positionierung. Dadurch wird ein wichtiger Bereich feministischer Sozialer Arbeit, namentlich die politische und öffentlichkeitswirksame Arbeit, eingeschränkt und vermindert.

Doch Zurückhaltung ist nicht die einzige Reaktion feministischer Sozialer Arbeit auf antifeministische Angriffe. Die jeweiligen Einrichtungen haben unterschiedliche Strategien entwickelt, um auf die Angriffe zu reagieren. Diese Strategien sind Ergebnis einer langen und andauernden Auseinandersetzung mit dem Thema Antifeminismus, das mitunter einen großen Platz in den Teamsitzungen der Einrichtungen einnimmt (vgl. ebd.: 78). Eine solche Strategie ist es etwa, im Vorfeld zu geplanten Veranstaltungen zusätzlich im Nahbereich der Veranstaltungsräume eigene Kundgebungen anzumelden. Dadurch wird verhindert, dass in diesem Bereich antifeministische Kundgebungen abgehalten werden können (vgl. ebd.: 83). Auf antifeministische E-Mails und Sprachnachrichten reagieren einzelne Einrichtungen damit, diese zu sammeln und sie anschließend an die Politik weiter zu leiten, oder bei strafrechtlich relevanten Inhalten Anzeige zu erstatten (vgl. ebd.: 84). Zusätzlich zu diesen konkreten Reaktionen auf einzelne Angriffe legen einige Einrichtungen trotz dezidierter Anfeindungen auch Wert auf eine verstärkte öffentliche Positionierung gegen antifeministische Bestrebungen. Dies wird beispielsweise durch Presseaussendungen, schriftliche Stellungnahmen und die Teilnahme an politischen Gremien ermöglicht (vgl. ebd.: 85f).


3. Wünsche der feministischen Sozialen Arbeit
Antifeministische Angriffe auf feministische Einrichtungen Sozialer Arbeit zeigen sich in verschiedenen Formen und auf unterschiedlichen Ebenen. Sie sind für die Sozialarbeiterinnen und somit für die gesamte Einrichtung eine große Belastung. Viele Einrichtungen fühlen sich vor allem seitens der Politik nicht ausreichend unterstützt. Der Wunsch nach mehr Kooperation und politischer Unterstützung ist daher groß (vgl. ebd.: 89). In diesem Zusammenhang wird auch die Forderung nach mehr wissenschaftlicher Forschung zum Thema Antifeminismus in Österreich gestellt (vgl. ebd.: 88). Aktuell liegen in Österreich kaum gesicherte Daten über antifeministische Bewegungen und deren Einflussmöglichkeiten auf Politik und Gesellschaft vor. Diese wären allerdings dringend nötig, um seitens der feministischen Sozialen Arbeit eine einheitliche Strategie für adäquate Reaktionen auf antifeministische Bestrebungen und Angriffe zu entwickeln. Auch eine einheitliche mediale Positionierung sowie fundierte Argumentationen in der Öffentlichkeit gegen antifeministische Bewegungen erfordern wissenschaftlich belegte Daten. Die diesem Artikel zu Grunde liegende Forschung versteht sich daher als erster Impuls zu einer weiterführenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Antifeminismus und dessen Auswirkungen auf feministische Soziale Arbeit.


Verweise
1 Im Zuge der Forschung wurde der Begriff des Antifeminismus beziehungsweise der antifeministischen Männerrechtsbewegung nach Hinrich Rosenbrock (2012) definiert. Es handelt sich hierbei um ein Konglomerat aus anonymen BloggerInnen, namentlich bekannten AutorInnen und PolitikerInnen sowie eingeschriebenen Vereinen. Ihnen gemein ist eine pauschalisierter antifeministische Ideologie gekoppelt mit dem Eintreten für Männerrechte. (vgl. Ringhofer 2015: 24f)
2 Vorliegender Artikel versteht sich als eine gekürzte Version der zugrunde liegenden Forschungsarbeit. Eine umfangreiche Darstellung konkreter Begriffsdefinitionen sowie des theoretischen Hintergrunds und des detaillierten Forschungsprozesses ist im Rahmen des Artikels leider nicht möglich. Weiterführend empfiehlt sich daher die Lektüre der gesamten Masterarbeit. (vgl. Ringhofer 2015)
3 Im Zuge der Forschung wurden ausschließlich Mitarbeiterinnen feministischer Einrichtungen befragt. Vorliegender Artikel verzichtet daher auf geschlechtergerechten Sprachgebrauch und verwendet ausschließlich die weibliche Form.


Literatur

Gesterkamp, Thomas (2012): Geschlechterkampf von rechts. Wie Männerrechtler und Familienfundamentalisten sich gegen das Feindbild Feminismus radikalisieren. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung.

Heigl, Andrea (2012): Amstettner Frauenhaus als Zielscheibe der FPÖ. derStandard.at vom 13. Juli 2012, http://derstandard.at/1342139052002/Amstettner-Frauenhaus-als-Zielscheibe-fuer-die-FPOe (29.12.2015).

Ringhofer, Hannah (2015): Antifeministische Männerrechtsbewegungen und deren Auswirkungen auf feministische Soziale Arbeit. Masterarbeit, Management Center Innsbruck.

Rosenbrock, Hinrich (2012): Die antifeministische Männerrechtsbewegung. Denkweisen, Netzwerke und Online-Mobilisierung. Berlin: Heinrich Böll Stiftung.

Neuwirth, Karin (2013): Familienrechtliche Auseinandersetzungen. Die sogenannten neuen Väter als Repräsentanten des Antifeminismus oder der Gleichberechtigung? In: Senk, Jasmin (Hg.): Zwischen Gleichstellungserfolgen und Antifeminismus. Zwiespältige Tendenzen in der Modernisierung der Geschlechterverhältnisse. Linz: Trauner Verlag, S. 1-25.

Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser – AÖF (2014): Frauenfeindlichkeit ist in Österreich salonfähig. Presseaussendung vom 9.7.2014, http://www.aoef.at/index.php/presseaussendungen/182-pa-09-07-2014-frauenfeindlichkeit-ist-in-oesterreich-salonfaehig (29.12.2015).


Über die Autorin

Hannah Ringhofer, BA MA
hannah.ringhofer@gmx.at

lebt und arbeitet derzeit in Innsbruck und ist Mitarbeiterin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser AÖF.