soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 15 (2016) / Rubrik "Sozialarbeitswissenschaft" / Standort Salzburg
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/456/816.pdf
Bernhard Babic, Birgit Bütow & Michaela Katstaller1:
1. Zum Hintergrund der Befragung
Jugendforschung findet in unterschiedlichsten disziplinären Kontexten und damit einhergehend mit unterschiedlichsten Erkenntnisinteressen statt. Sie lässt sich folglich weder thematisch noch theoretisch-konzeptionell oder gar methodologisch auf einen Nenner bringen. Auch die Grenzen gegenüber anderen Forschungsfeldern sind häufig fließend. Damit spiegelt sie aber letztlich nur die Vielschichtigkeit der Jugend als Forschungsgegenstand wider.
Was die Überschaubarkeit der Jugendforschung in Österreich jedoch zusätzlich beeinträchtigt, ist der Umstand, dass es bis in die jüngste Zeit hinein leider nicht gelungen ist, anknüpfend an die vielversprechenden Anfänge (vgl. Adam 2012, Dudek 1990, Rosenmayr 1962), eine systematische Tradition in der Jugendforschung zu entwickeln (vgl. Knapp/Lauermann 2012: 15) oder dauerhaft einen Ort zu schaffen, an dem die vielfältigen Erkenntnisse zusammengetragen und für den öffentlichen bzw. fachpolitischen Diskurs aufbereitet werden könnten. Es gibt bislang keine einschlägige Fachgesellschaft oder wissenschaftliche Zeitschrift und das Österreichische Institut für Jugendforschung, das nach Scheipl (2012: 111) das Potenzial gehabt hätte, die entsprechende Lücke wenigstens teilweise zu schließen, ist Ende 2009 geschlossen worden.
Die daraus resultierende Unübersichtlichkeit des Arbeitsbereichs dürfte letztlich auch dafür verantwortlich sein, dass sich derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit sagen lässt, welche bzw. wie viele Institutionen in der Jugendforschung tätig sind. Darauf weisen zumindest die Diskrepanzen zwischen der auf Daten von 2011 beruhenden Version des Forschungsstättenkatalogs (FSK) der Statistik Austria und den Ergebnissen einer Befragung des Österreichischen Jugendinstituts (vgl. Tebbich/Grubits 1995) hin, in der im ministeriellen Auftrag versucht worden war, einen Überblick über die einschlägige Forschungslandschaft zu vermitteln. Einerseits umfasst das Verzeichnis, das auf Grundlage der ÖIJ-Befragung erstellt wurde, mit 97 Einrichtungen gut dreimal so viele wie der FSK; andererseits werden lediglich neun der Einrichtungen, die im FSK aufgeführt werden, ebenfalls schon von Tebbich und Grubits genannt. Auch wenn von einer gewissen Dynamik im Feld auszugehen ist, stellt sich doch die Frage, ob nicht wenigstens ein Teil der Unterschiede auf eine möglicherweise weniger effektive und differenzierende Erhebungsmethodik des FSK zurückzuführen ist und somit die Größe des Arbeitsbereichs aktuell unterschätzt wird.
Vor diesem Hintergrund ist die Erarbeitung eines möglichst aktuellen Verzeichnisses der in der Jugendforschung tätigen Forschungseinrichtungen zweifellos ein wichtiger grundlegender Schritt für die – unter anderem im sechsten Jugendbericht (BMWFJ 2011) geforderte – Weiterentwicklung der Jugendforschung in Österreich. Deshalb haben wir einen entsprechenden im Sommer 2015 an uns herangetragenen Auftrag des Bundesministeriums für Familien und Jugend gerne übernommen.
2. Das Projekt „Jugendforschungsinstitutionen in Österreich“
Gegenstand des Projekts war – wie bereits angedeutet – die Erarbeitung eines möglichst aktuellen und umfassenden Verzeichnisses der Jugendforschungsinstitutionen in Österreich. Die dafür nötigen Arbeitsschritte wurden vorab auf drei Module aufgeteilt:
Modul I (Vorbereitung):
Modul II (Befragung):
Modul III (Auswertung und Berichtlegung):
Inhaltlich wurden die teilnehmenden Forschungseinrichtungen danach befragt,
Da für die Durchführung der Befragungen effektiv lediglich sechs Wochen zur Verfügung standen, wurden die Module nicht in allen Punkten streng nacheinander, sondern zum Teil parallel zueinander bearbeitet. So wurde beispielsweise die Liste der zu kontaktierenden Einrichtungen nahezu laufend ergänzt. Somit fanden die ersten Telefoninterviews bereits weit vor Fertigstellung der endgültigen Liste statt und konnten anhand der Frage nach etwaigen Kooperationspartnern auch zur Ergänzung unserer Liste genutzt werden.
Wir verzichteten im Rahmen des Projekts bewusst auf die Vorgabe einer Definition von Jugend bzw. Jugendforschung, da derzeit auch in Fachkreisen keine entsprechende konsensfähige Festlegung existiert. Ausschlaggebend für die Teilnahme an unserer Befragung war damit primär, inwiefern sich die kontaktierten Einrichtungen selbst als Jugendforschungsinstitutionen betrachteten. Ein Ausschluss erfolgte folglich nur, wenn sie sich entsprechend der Antwortvorgaben „gar nicht“ als entsprechende Einrichtung verstanden oder bereits im Zuge der Kontaktaufnahme zu verstehen gaben, dass sie nicht teilnehmen wollten.
Aus formalen Gründen verzichteten wir zudem darauf, Einzelpersonen zu berücksichtigen, die keinerlei Anbindung an eine Forschungseinrichtung aufwiesen.
Die Liste der Einrichtungen, die wir auf Grundlage der uns zur Verfügung stehenden ÖIJ-, FSK- und Jugendberichtsdaten sowie aufgrund eigener Recherchen kontaktierten, umfasste schließlich 91 Institutionen. Davon konnten 44 Einrichtungen5 befragt und folglich in einem entsprechenden alphabetischen Einrichtungsverzeichnis erfasst werden. Das entspricht einer aus sozialwissenschaftlicher Sicht durchaus zufriedenstellenden Rücklauf- bzw. Beteiligungsquote von 48%.
Der Vollständigkeit halber sollen aber dennoch auch die Gründe für die Nichtteilnahme von 47 Institutionen kurz in den Blick genommen werden:
Das kurze Zeitfenster, das für die Datenerhebung zur Verfügung stand, hatte im Übrigen auch zur Entscheidung geführt, die Befragungen telefonisch und die Kontaktaufnahme sowie den Versand der grundlegenden Informationen zu unserem Vorhaben via E-Mail durchzuführen.
In der Regel wurden die Einrichtungen während der Erhebungsphase bis zu dreimal angeschrieben, mit der Bitte, uns die Kontaktdaten einer geeigneten Ansprechperson sowie Terminvorschläge für ein etwa 20-minütiges Telefoninterview zukommen zu lassen. Zum betreffenden Termin setzten wir uns dann unter der angegebenen Rufnummer mit der Einrichtung in Verbindung und führten das Interview durch. Die Gespräche wurden mit MP3-Recordern, die an unsere Telefone angeschlossen waren, und mit ausdrücklichem Einverständnis unserer GesprächspartnerInnen aufgezeichnet. Auf diese Weise kamen insgesamt 35 Telefoninterviews zustande.
Im Laufe des Projekts stellte sich jedoch heraus, dass es einzelne Einrichtungen bevorzugten, uns ihre Rückmeldung schriftlich zukommen zu lassen. Da wir zudem einzelnen Einrichtungen, die gegen Ende der Erhebungsphase noch kurzfristig in unser Blickfeld geraten waren, ebenfalls anboten, sich auf diese Weise an unserer Befragung zu beteiligen, lagen uns schließlich von insgesamt neun Institutionen schriftliche Antworten zu unseren Fragen vor.
Für weiterreichende Auswertungen wäre diese Art der Datengenerierung mit Sicherheit problematisch. Im Rahmen tiefer gehende Analysen der aufgezeichneten Interviews müssten etwa die schriftlich erfolgten Rückmeldungen ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der an dieser Stelle ins Auge gefassten weitgehend deskriptiven Darstellung der Befragungsergebnisse im Rahmen des Einrichtungsverzeichnisses und des vorliegenden Artikels halten wir diese Vorgehensweise jedoch für unbedenklich.
3. Befragungsergebnisse
3.1 Selbstverständnis als Jugendforschungsinstitution
Ausgehend von der bereits erwähnten Feststellung, dass Jugendforschung in einer disziplinären und inhaltlichen Vielfalt betrieben wird und es keine einheitliche Begriffsdefinition von Jugendforschung gibt, wollten wir in unserer Untersuchung keine Einrichtung von vornherein aus- oder einschließen. Wir haben uns daher für ein Vorgehen entschlossen, das vom Selbstverständnis der Institutionen ausgeht: Voraussetzung für die Teilnahme von Institutionen an unserer Befragung war, dass sie Jugendforschung als eine ihrer legitimen Aufgaben betrachten. Das bedeutete für uns nicht, dass sie sich überwiegend als Jugendforschungseinrichtung verstehen mussten oder die Aktivitäten in diesem Arbeitsbereich sichtbar die Außenwahrnehmung der jeweiligen Institution prägten. Insofern ist es aufschlussreich, einen genaueren Blick darauf zu werfen, in welchem Umfang bei den befragten Einrichtungen von einem entsprechenden Selbstverständnis auszugehen ist.
Von den insgesamt 44 Institutionen gibt jedenfalls keine an, sich „ausschließlich“ als Jugendforschungsinstitution zu betrachten. Drei verstehen sich immerhin „überwiegend“ und 28 „teilweise“ als solche. Demgegenüber können 13 Einrichtungen die Bezeichnung Jugendforschungsinstitution nur „zum geringeren Teil“ auf sich beziehen (siehe Abbildung 1).
3.2 Einrichtungstyp und Einrichtungsgröße
Werden die Institutionen gemäß der von uns vorgegebenen Auswahl nach dem Einrichtungstyp differenziert, so wird deutlich, dass in unserer Stichprobe mit 26 Institutionen diejenigen das Gros der Befragten stellen, die „Teil einer Universität/Hochschule“ sind. 12 Institutionen lassen sich als „außeruniversitäre, eigenständige, gemeinnützige Einrichtung“ charakterisieren; darunter eine, die sich explizit als „kirchliche“ Einrichtung versteht. Drei Institutionen sind „außeruniversitäre, eigenständige, kommerzielle/privatwirtschaftliche Einrichtungen“, bei zwei Institutionen handelt es sich des Weiteren jeweils um eine „außeruniversitäre Einrichtung in öffentlicher Trägerschaft“. Eine Institution stellt eine „außeruniversitäre Einrichtung in gemeinnütziger Trägerschaft“ dar (siehe Abbildung 2).
Hinsichtlich der Einrichtungsgröße verfügen 12 Institutionen offenbar über „weniger als 4 Vollzeitstellen“, bei 18 Institutionen ist von „4 bis 10 Vollzeitstellen“ auszugehen, während die Rückmeldungen von 14 Institutionen auf „mehr als 10 Vollzeitstellen“ schließen lassen (siehe Abbildung 3).
3.3 Stellen für und Finanzierung von Jugendforschung
Auch wenn die jeweilige Institution eine vergleichsweise ansehnliche Größe aufweist, kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass es dort Stellen gibt, die speziell der Jugendforschung vorbehalten wären. Angesichts des Umstands, dass sich nur die wenigsten Institutionen überwiegend als Jugendforschungsinstitutionen begreifen (vgl. 3.1.) und primär wohl auch ein deutlich weiter gefasstes bzw. anders akzentuiertes Aufgabenspektrum abzudecken haben, ist das zunächst nicht weiter verwunderlich. Im Interesse einer möglichst präzisen Einschätzung der Jugendforschung sind wir diesem Aspekt aber trotzdem etwas genauer nachgegangen.
Lediglich zehn Institutionen verfügen laut eigener Angaben über der Jugendforschung vorbehaltene personelle Ressourcen. Davon handelt es sich augenscheinlich in sechs Fällen um maximal eine Vollzeitstelle und nur in vier Fällen um mehr als eine Vollzeitstelle. Demgegenüber geben 34 Institutionen an – trotz zum Teil hoher Spezialisierung auf Jugendforschung – über keine ausschließlich für die Jugendforschung bereitstehenden Stellen zu verfügen (siehe Abbildung 4).
Hinsichtlich der Finanzierung von Jugendforschung ist die Mehrzahl der Institutionen offenbar primär auf die Einwerbung von Drittmitteln angewiesen, die sich einerseits aus entsprechenden Forschungsaufträgen ergeben und andererseits aus der aktiven Mittelakquise (in Form von Projekt- und/oder Förderanträgen) resultieren, auf die augenscheinlich kaum eine Institution verzichten kann. Da hier seitens unserer Ansprechpersonen nicht klar zwischen den verschiedenen Drittmittelarten unterschieden wurde, müssen wir in diesem Zusammenhang leider auf die Wiedergabe exakter Zahlen verzichten.
Erst an zweiter Stelle werden die regulären Budgets der Institutionen als Geldquelle genannt, aus denen Jugendforschungsaktivitäten gegebenenfalls mitfinanziert werden können. Hier unterliegen die Institutionen mitunter aber wohl weitreichenden formalen Einschränkungen, weil sie eben nicht primär Jugendforschungseinrichtungen sind.
Daneben werden auch Qualifizierungsarbeiten von Mitarbeitenden oder Studierenden zur quasi kostenneutralen bzw. kostengünstigen Bearbeitung von Fragestellungen der Jugendforschung verwendet. Vereinzelt kann zur Finanzierung von Jugendforschung wohl auch auf Einnahmen aus Lehrveranstaltungen zurückgegriffen werden.
Besonderes Interesse verdienen in diesem Zusammenhang unseres Erachtens auch Rückmeldungen, wonach nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass Auftraggebende von Jugendforschung die für die Realisierung eines Vorhabens notwendigen Mittel mitbringen. Mitunter müssen sie vorab auch bei der entsprechenden Mittelakquise umfassend unterstützt werden.
3.4 Auftraggebende in der Jugendforschung
Bei der Frage nach den Auftraggebenden in der Jugendforschung wurden „Bund, Länder und/oder Kommunen“ am häufigsten genannt (38 Nennungen). „Gemeinnützige Träger, Vereine, Initiativen“ wurden am zweithäufigsten erwähnt (22 Nennungen), „Parteien, Sozialpartner“ (sechs Nennungen) und „Wirtschaftsunternehmen“ (vier Nennungen) folgen dahinter. In 12 Fällen verweisen die Nennungen auf andere Auftrag- bzw. Drittmittelgebende („Sonstige“) (siehe Abbildung 5). In dieser Kategorie kam es in der Regel zu Mehrfachantworten, weshalb sich die Anzahl der Nennungen insgesamt die Anzahl der 44 befragten Institutionen übersteigt.
„Einrichtungen, Förderprogramme der EU“ rangieren dabei an erster Stelle (elf Nennungen), vor dem Jubiläumsfond der Nationalbank (vier Nennungen), den österreichischen Forschungsförderungseinrichtungen FFG und FWF (drei Nennungen) sowie weiteren Fördereinrichtungen, die hier aber nicht weiter betrachtet werden sollen.
Dass diese Förderinstitutionen tatsächlich erst bei der Frage nach den Auftraggebenden und nicht schon im Zusammenhang mit der Finanzierung genannt wurden, erklären wir uns im Übrigen damit, dass eine Förderzusage formal bzw. faktisch häufig mit einer Auftragsvergabe gleichzusetzen ist. Ohne sie sind die geplanten Vorhaben meist nicht umsetzbar und zudem verpflichtet sie die Empfänger der Förderung in der Regel zur entsprechenden Vorlage Ihrer Arbeitsergebnisse.
3.5 Einschätzung der Bedingungen für Jugendforschung und Kooperationen
Die Bedingungen für Jugendforschung in Österreich werden vor diesem Hintergrund von den befragten Einrichtungen überwiegend als nicht gut eingeschätzt. 22 Institutionen, exakt die Hälfte der Befragten, bewerten sie ausdrücklich negativ, davon drei Institutionen als „sehr schlecht“. 13 Institutionen schätzen sie als „mittel“ ein. Lediglich drei Institutionen nehmen die Bedingungen für Jugendforschung in Österreich explizit positiv wahr, zwei davon als „sehr gut“. Sechs Institutionen haben sich einer entsprechenden Einschätzung enthalten, zum Teil weil ihnen die Jugendforschung als Arbeitsfeld strukturell nicht hinreichend vertraut ist, um hierzu fundiert Stellung beziehen zu können (siehe Abbildung 6).
Begründet wurden die negativen Einschätzungen vor allem mit dem aus Sicht der Einrichtungen weitgehenden Fehlen von Forschungsmitteln sowie der Absenz einer hinreichend abgesicherten Infrastruktur in der Jugendforschung, die kaum Grundlagenforschung oder systematisch aufeinander bezogenes und miteinander abgestimmtes, längerfristiges Arbeiten an bestimmten Fragestellungen ermögliche. Es wird dabei häufig davon ausgegangen, dass allgemein kein hinreichendes Interesse an und/oder Verständnis für Jugendforschung bzw. für den Beitrag vorhanden sei, den sie zur Entwicklung der Gesellschaft beisteuern könne. Gelegentlich wird dabei auch auf Unterschiede zwischen regionalen und überregionalen Kontexten verwiesen. Vor Ort bzw. in Einzelfällen könne es nämlich durchaus sehr engagiertes Entgegenkommen für die Belange und Interesse an den Ergebnissen der Jugendforschung geben. Das sei aber keinesfalls die Regel.
Die Begründungen der neutralen Einschätzungen („mittel“) der Bedingungen der Jugendforschung in Österreich unterscheiden sich inhaltlich nicht nennenswert von den Begründungen der negativen Bewertungen. Wir interpretieren das dahingehend, dass die Kritik der Einrichtungen, welche die Bedingungen als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ bezeichnet haben, weitgehend geteilt wird. Im Rahmen der Bewertung anhand der vorgegebenen Antwortkategorien scheuten die BefragungsteilnehmerInnen aber dann offenbar doch davor zurück, die Bedingungen ausdrücklich negativ zu charakterisieren.
Die positiven Einschätzungen der Bedingungen sind demgegenüber offenbar weitgehend auf einrichtungsspezifische Aspekte zurückzuführen, die wohl nicht verallgemeinert werden können.
Auch wenn die Bedingungen dafür augenblicklich allgemein eher negativ bewertet werden, pflegen die befragten Einrichtungen meist trotzdem intensive Kooperationsbeziehungen zu anderen Einrichtungen. 36 Institutionen gaben an, im Bereich Jugendforschung mit anderen zusammenzuarbeiten. Im Durchschnitt erwähnten sie dabei wenigstens drei Kooperationen.
3.6 Einschätzung der Dringlichkeit der Weiterentwicklung der Jugendforschung
Insgesamt 33 Institutionen sehen eine vergleichsweise hohe Dringlichkeit hinsichtlich der Weiterentwicklung der Jugendforschung in Österreich; davon schätzen 18 den Bedarf sogar als „sehr dringend“ ein. Sechs Institutionen gehen in diesem Zusammenhang von einer mittleren Dringlichkeit aus („teilweise dringend“), während zwei Institutionen keine besondere Dringlichkeit („wenig dringend“) wahrnehmen (siehe Abbildung 7).
Begründet wird die Dringlichkeit vor allem mit den gegenwärtigen inhaltlichen, d. h. wissensbezogenen Defiziten der Jugendforschung in Österreich, die aus Sicht der befragten Einrichtungen in einem Missverhältnis zur hohen Bedeutung stehen, die Erkenntnisse der Jugendforschung allgemein für die künftige Entwicklung der Gesellschaft haben könnten. Das gilt speziell für ihr hohes präventives Potenzial sowohl gegenüber individuellen als auch gesamtgesellschaftlichen Fehlentwicklungen.
Die inhaltlichen Defizite werden dabei nicht zuletzt in einem Zusammenhang mit den strukturellen bzw. institutionellen Defiziten der Jugendforschung gesehen, die aus Sicht der Befragten auch die internationale Anschlussfähigkeit der österreichischen Jugendforschung beinträchtigen.
3.7 Empfehlungen für die Weiterentwicklung und Bereitschaft zur Mitwirkung
Die Empfehlungen, welche die befragten Einrichtungen zur Weiterentwicklung der Jugendforschung in Österreich machen, lassen sich grob vier Bereichen zuordnen:
Im Zusammenhang mit der Ressourcenausstattung lassen sich die Empfehlungen größtenteils dahingehend zusammenfassen, dass Fortschritte in der Jugendforschung aus Sicht der Institutionen letztlich nur zu erreichen sind, wenn dafür künftig mehr Geld in die Hand genommen wird. Speziell Grundlagenforschung wird ihrer Einschätzung nach anders nicht in nennenswertem Umfang realisierbar sein. Darüber hinaus drängen die Einrichtungen auch nachdrücklich auf eine Ausweitung der bisher schon praktizierten Ausschreibungen und Projektförderungen.
Die prägnanteste Empfehlung im strukturellen/institutionellen Bereich ist die zur Gründung einer zentralen Einrichtung, mit der die österreichische Jugendforschung (wieder) ein koordinierendes Zentrum erhalten könnte, einschließlich der Möglichkeit zur besseren wechselseitigen Vernetzung. Alternativ scheint aber auch die verbindliche Etablierung und Finanzierung mehrerer ausdrücklich der Jugendforschung gewidmeter Institutionen denkbar. Eine systematische Förderung der weiteren Vernetzung und Institutionalisierung ist aus Sicht der befragten Institutionen in jedem Fall unverzichtbar.
Die Empfehlungen im methodologischen/konzeptionellen Bereich lassen sich demgegenüber – ähnlich wie auch jene im inhaltlichen Bereich – nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Das entspricht in gewisser Weise aber auch den vielfältigen Unzulänglichkeiten, die von den befragten Einrichtungen aus ihrer jeweiligen Perspektive wahrgenommen werden. Weiter konsequent auf Interdisziplinarität sowie auf methodisch vielseitige Zugangsweisen zu setzen und sich darüber hinaus mehr der kontinuierlichen Bearbeitung von zentralen, grundlegenden Fragestellungen zu widmen, statt wie bisher die überwiegend kleinteilige und oft unzusammenhängende Forschungspraxis fortzusetzen, dürften dessen ungeachtet Empfehlungen sein, denen die meisten Befragten wohl zustimmen würden.
Die Bereitschaft, sich selbst in die Weiterentwicklung der Jugendforschung in Österreich einzubringen, konzentriert sich im Wesentlichen auf drei Bereiche:
In allen drei Bereichen signalisieren die befragten Institutionen beinahe ausnahmslos eine hohe Bereitschaft, ihre spezifische Expertise sowie ihre Netzwerkkontakte einzubringen.
4. Fazit
Die Jugendforschung in Österreich stellt sich aus Sicht der befragten Einrichtungen als ein recht vielschichtiges und überwiegend schwieriges Arbeitsfeld dar. Das hängt vor allem mit den als unzureichend eingeschätzten Ressourcen sowie dem weitgehenden Fehlen etablierter Strukturen zusammen. Jugendforschung findet in Österreich demnach überwiegend kleinteilig und oft nur innerhalb von zeitlich befristeten Projekten statt, die in der Regel kaum aufeinander bezogen bzw. untereinander abgestimmt werden. Sofern es sich um angemessen dotierte Forschungsaufträge handelt, finden sich dafür zwar auch kommerzielle/privatwirtschaftliche AuftragnehmerInnen; Grundlagenforschung oder zumindest eine kontinuierlichere Auseinandersetzung mit bestimmten Fragestellungen lassen sich unter diesen Umständen jedoch offenbar kaum realisieren.
In diesem Zusammenhang verdient es unseres Erachtens auch besondere Beachtung, dass die EU unter den Auftrag- bzw. GeldgeberInnen nach „Bund, Ländern und/oder Kommunen“ sowie den „gemeinnützigen Trägern, Vereinen und Initiativen“ faktisch auf dem dritten Rang rangiert. Dieser Befund stützt die von einigen Einrichtungen formulierte These, wonach in Österreich wohl grundsätzlich von einem relativ geringen Interesse an bzw. von einem geringen Bewusstsein für die Bedeutung von Jugendforschung auszugehen ist.
Diese Bedeutung ergibt sich für die befragten Forschungsinstitutionen in erster Linie aus dem großen Potenzial der Erkenntnisse der Jugendforschung, relevante Information zur Weiterentwicklung der Gesellschaft im Allgemeinen sowie zur Vermeidung von Fehlentwicklungen im Besonderen bereitzustellen.
Die Überzeugung, sich dabei einem hochrelevanten Arbeitsbereich zu widmen, scheint darüber hinaus auch die primäre Motivation der Institutionen zu sein, selbst unter grundsätzlich negativ bewerteten Bedingungen und ungeachtet der vielfältigen Unzulänglichkeiten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Jugendforschung zu betreiben.
Hier würde sich aus unserer Sicht auch der vielversprechendste Ansatzpunkt für eine Weiterentwicklung der Jugendforschung in Österreich ergeben. Zwar können wir nicht davon ausgehen, im Rahmen der Recherchen ein vollständiges Verzeichnis der Jugendforschungseinrichtungen erarbeitet zu haben; immerhin zeigten sich die Befragten aber praktisch ausnahmslos als hoch motiviert und interessiert, an der Weiterentwicklung des Arbeitsbereichs mitzuwirken. Das kommt neben der hohen Bereitschaft zur Teilnahme an unserer Befragung vor allem in den zahlreichen Empfehlungen sowie der hohen Bereitschaft, sich aktiv in den Weiterentwicklungsprozess einzubringen, zum Ausdruck.
Unseres Erachtens darf diese große Bereitschaft nicht ungenutzt bleiben, sondern sollte vonseiten der politisch Verantwortlichen möglichst zeitnah für weiterführende Schritte genutzt werden. Den Einrichtungen zufolge wären das bevorzugt möglichst konkrete Maßnahmen, die zu einer besseren Ressourcenausstattung sowie zu einem strukturellen Ausbau der Jugendforschung in Österreich führen, welche die Vernetzung, Koordination und Kooperation nachdrücklich und nachhaltig befördern.
Verweise
1 An der erfolgreichen Umsetzung des Projekts haben zudem Frau Melanie Holztrattner, Frau Maria-Amancay Jenny und Frau Karin Rettenbacher mitgewirkt.
2 vgl. Tebbich/Grubits 1995
3 Grundlage waren die in den Versionen des Forschungsstättenkatalogs von 2011 und 2013 unter der Kennziffer 509008 (Kinderforschung, Jugendforschung) gelisteten Einrichtungen (vgl. http://www.statistik.at/fse/index.jsp).
4 Sowohl im ÖIJ-Verzeichnis als auch im FSK wird nicht klar zwischen Kinder- und Jugendforschung unterschieden.
5 Eine Liste der befragten Einrichtungen kann unter http://www.uni-salzburg.at/fileadmin/multimedia/Erziehungswissenschaft/documents/JFI-Liste.pdf (25.2.2016) abgerufen werden
6 Bemerkenswerterweise gab es in jedem vorab in den Blick genommenen Zusammenhang (ÖIJ-Verzeichnis, FSK-Daten, Jugendberichterstattung) Institutionen, die sich – mitunter sogar ungeachtet des Vorliegens einschlägiger Arbeiten – nicht im Geringsten als Jugendforschungseinrichtung verstanden und insofern kein Interesse an einer Befragungsteilnahme hatten. Demgegenüber stießen wir im Zuge unserer eigenen Recherchen vereinzelt auf Institutionen, die nahezu ausschließlich auf Jugendforschung ausgerichtet sind, aber in den zuvor benannten Kontexten bislang noch nie vorkamen.
Literatur
Adam, Erik (2012): Zur Geschichte der Jugendforschung in Österreich. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Ersten Republik. In: Knapp, Gerald / Lauermann, Karin (Hg.): Jugend, Gesellschaft und Soziale Arbeit. Lebenslagen und soziale Ungleichheit von Jugendlichen in Österreich. Klagenfurt: Hermagoras, S. 52-72
BMWFJ – Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (Hg.) (2011): 6. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich. Jugend aus Sicht der – Wissenschaft (Teil A) – Jugendarbeit (Teil B). Wien: BMWFJ
Dudek, Peter (1990): Jugend als Objekt der Wissenschaften. Geschichte der Jugendforschung in Deutschland und Österreich 1890-1933. Opladen: Westdeutscher Verlag
Knapp Gerald / Lauermann, Karin (2012): Jugend, Gesellschaft und soziale Arbeit. Eine Einführung. In: Knapp, Gerald / Lauermann, Karin (Hg.): Jugend, Gesellschaft und Soziale Arbeit. Lebenslagen und soziale Ungleichheit von Jugendlichen in Österreich. Klagenfurt: Hermagoras, S. 12-36
Rosenmayr, Leopold (1962): Geschichte der Jugendforschung in Österreich 1914-1931. Wien: Österreichisches Instituts für Jugendkunde
Scheipl, Josef (2012): Die Berichte zur Lage der Jugend und die Jugend-Wertestudien. Beiträge zur Jugendforschung in Österreich um die Wende zum 21. Jahrhundert. In: Knapp, Gerald / Lauermann, Karin (Hg.): Jugend, Gesellschaft und Soziale Arbeit. Lebenslagen und soziale Ungleichheit von Jugendlichen in Österreich. Klagenfurt: Hermagoras, S. 73-116
Tebbich, Heide / Grubits, Peter (1995): Kindheits- und Jugendforschung in Österreich. Verzeichnis der Forschungseinrichtungen und einschlägiger Forschungen von 1989 bis 1994. Wien: Österreichisches Institut für Jugendforschung – ÖIJ
Über die AutorInnen
Univ.-Ass. Dipl.-Päd. Bernhard Babic
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Univ.-Prof. Dr. Birgit Bütow
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Mag. Michaela Katstaller
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