soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 16 (2016) / Rubrik "Junge Wissenschaft" / Standort Wien
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Sonja Schmid:

Anregungen zur Entwicklung von professioneller pädagogischer Haltung bei PädagogInnen im Kindergarten


1. Einleitung

Erziehen heißt immer, einer Haltung im Handeln Ausdruck zu geben. Im Berufsalltag als PädagogInnen im Kindergarten finden Handlungen unzählige Male jeden Tag statt. Ein sichtbares Maß der professionellen pädagogischen Haltung zeigt sich darin, wie PädagogInnen in diesen Alltagssituationen handeln, wie sie definierte Erziehungsziele verfolgen und wie es ihnen gelingt, die Entwicklung des Kindes zu unterstützen.

Professionelles pädagogisches Handeln kann als eine der wesentlichsten Aufgaben der PädagogInnen in der elementaren Bildung verstanden werden. Die derzeitige Diskussion von Professionalisierung im frühkindlichen Berufsfeld, aber auch auftretende gesellschaftliche Probleme, wie beispielsweise die vermeintliche „Disziplinlosigkeit“ von Jugendlichen, regen WissenschaftlerInnen und BildungsexpertInnen an, über die Wirkung von elementarpädagogischer Erziehung und professionellem Handeln nachzudenken.

Somit rücken auch die Fähigkeiten, die Persönlichkeit und die Haltung der KindergartenpädagogIn ins Zentrum der Auseinandersetzung. PädagogInnen selbst bestimmen zu einem Teil ihr Handeln und prägen mit ihren persönlichen Haltungen ihre pädagogische Handlung. Dies bedeutet, dass sich auch für die Wissenschaft ein interessantes Feld eröffnet, indem die Entwicklung von professioneller pädagogischer Haltung an Interesse gewinnt.

Die Forschungsdisziplin der Elementarpädagogik ist in Österreich noch sehr jung – mitunter ein Grund für die begrenzte Literaturlage. Dem Thema der professionellen pädagogischen Haltung und deren Bedeutung für die Erziehung widmen sich vorwiegend WissenschaftlerInnen aus der Schulpädagogik in Deutschland (vgl. Schwer/Solzbacher 2014), deren Zugänge und Forschungen weisen jedoch durchaus auch Relevanz für den elementarpädagogischen Bereich auf.

Doch was ist mit professioneller pädagogischer Haltung eigentlich gemeint? Welche Definition liegt diesem wünschenswerten Zustand von PädagogInnen zu Grunde und wie wird diese Schlüsselqualifikation erworben?

Folgend widme ich mich der Definitionen der Begriffe und einer Annäherung an das Verständnis von professioneller pädagogischer Haltung. Theorien für die Erschließung des wissenschaftlichen Wissens bieten die Grundlagen für mögliche Entwicklungsprozesse, die im dritten Kapitel beleuchtet werden. Die Ziele der Auseinandersetzung bestehen einerseits darin, diese Forschungslücke zu erörtern, andererseits die Entwicklungschancen der professionellen pädagogischen Haltung zu konkretisieren.

Im vierten Kapitel werden unterschiedliche Lösungsansätze formuliert, die als Anregungen für Entwicklungsprozesse verstanden werden können.


2. Grundlagen professioneller pädagogischer Haltung

Zur professionellen pädagogischen Haltung kann derzeit kein eindeutiger Forschungsstand skizziert werden, da es mit den vorliegenden Forschungen kein einheitliches Verständnis der Begrifflichkeiten in der Wissenschaft gibt. Besonders deutlich wird diese Problematik in der Auseinandersetzung mit den vielschichtigen Bedeutungen der einzelnen Begriffe. In den einleitenden Worten des Sammelwerkes von Christina Schwer und Claudia Solzbacher (2014) wird klar die Problematik der fehlenden Definition von professioneller pädagogischer Haltung herausgearbeitet, indem die ForscherInnen feststellen „es zeigt sich, dass Haltung in der Pädagogik bisher eher als implizit mitgedacht, aber eben nie expliziert wurde.“ (Schwer/Solzbacher 2014: 9)

So schließen sich die Fragen an: Was meint Haltung überhaupt? Welche innerlichen Wesenszüge oder äußerliche Verhaltensweisen des Menschen sind dabei gemeint? Des Weiteren inkludiert der Begriff professioneller pädagogischer Haltung die Themenfelder der Pädagogik und der Profession – also ist die Frage, was gemeint sein kann, wenn Haltung pädagogisch professionell sein soll. (vgl. ebd.)

Bereits in der Antike gab es eine Auseinandersetzung mit dem Begriff Habitus und Hexis. Letzteres galt als feste Grundhaltung und kann somit mit dem heutigen Begriff der Haltung gleichgesetzt werden. Schon damals wurden diese Tugenden als ein Konstrukt aus Erziehung und Gewöhnung verstanden. Es galt lediglich als lehrbar, wenn dies als Wissensvermittlung verstanden wurde. Nachdem „Hexis“ allerdings „Leiterin der ganzen Seele“ bedeutete, war das Lehren keine ausreichende Möglichkeit. Sokrates verortete diese Wesenszüge in der göttlichen Schickung, die ausschließlich manchen Menschen zu Teil wurde. (vgl. Schwer/Solzbacher/Behrensen 2014: 49)

Pierre Bourdieu prägte den Begriff Habitus in der Soziologie. Dieser wird als „Stil“ eines Menschen verstanden, der aus Erfahrung gewonnen und in unterschiedlichen Facetten wirksam wird, welche sich auf dessen Entwicklung auswirken. Haltung ist demnach verinnerlicht und steht in Abhängigkeit zu mehreren Faktoren wie Existenzbedingungen eines Menschen oder deren Wahrnehmungs- und Beurteilungsschemata. (vgl. Schwer/Solzbacher/Behrensen 2014: 49f) Elias greift 1977 diese Abhängigkeiten auf und entwickelt in der Figurationstheorie das Verständnis von Verbundenheit der Menschen und ihren Motiven. Er weist auf eine zentrale Bedeutung der äußeren Bedingungen hin, die einen Einfluss auf den individuellen Habitus haben können. (vgl. ebd.: 50) Dessen Wandlungsfähigkeit, aber auch die Trägheit der Wandlung, stellt eine große Herausforderung dar, wie Helsper (2001) erläutert. Er arbeitet heraus, dass es bei PädagogInnen zur „doppelten Professionalisierung“ kommen muss. Einerseits benötigen sie einen praktisch-pädagogischen Habitus, welcher aus beruflichen Erfahrungen resultiert und andererseits einen wissenschaftlich-reflexiven Habitus, der dem Begründen der pädagogischen Handlung dient und eine Auseinandersetzung damit ermöglichen soll. (vgl. Helsper 2001: 13)

Diese soziologischen Ansätze weisen auf bedeutende äußere Randbedingungen hin, welche das Denken und Fühlen beeinflussen. Pädagogische Professionalisierung beschreibt daher einen lebenslangen Prozess, der bereits vor der fachlichen Qualifizierung beginnt und die Persönlichkeit und die Fähigkeiten von PädagogInnen mit einschließt. Eine offene Frage, die derzeit die Auseinandersetzung der Professionalisierungsdebatte prägt, ist jene der objektiv verbindlichen Normativität. Dieser Terminus stammt aus der Philosophie und meint Überlegungen, die eine notwendige Art und Weise von Abläufen beschreiben, um eine gemeinsame und verbindliche Regelstruktur zu schaffen.

In der erkenntnistheoretischen Diskussion der Philosophie wird Haltung von anderen Tugenden wie Glaube und Grundannahmen unterschieden. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch über Haltungsstrategien verfügt, womit Werte, Ziele, Ängste und Hoffnungen gemeint sind. Diese werden in alltäglichen und beruflichen Kontexten genutzt und angewendet. Haltung meint hierbei also ein Vorgehen in einer bestimmten Art und Weise. Trotz der Subjektivität ist Haltung nicht als beliebig zu verstehen, sondern muss im Kontext der professionellen Reflexion stets verantwortet werden können. Inkonsistenzen gelten als bedeutend, womit widersprüchliches oder unschlüssiges Verhalten von PädagogInnen gemeint ist. Das Verhalten und die Handlung der pädagogischen Fachkraft lassen sich nur schwer messen, sie werden beeinflusst von vielen unterschiedlichen Aspekten, die in einem Zusammenhang zueinander stehen. Im Vergleich unterschiedlicher theoretischer Modelle wird ein Verständnis des Ineinanderfließens der einzelnen Aspekte von professioneller pädagogischer Haltung erst deutlich.

Beruflich-ethische Grundsätze, ähnlich wie bei Ärzten, wären eine explizite Form der Anforderungen für das pädagogische Handeln und deren Verantwortung im beruflichen Arbeitsfeld. Innerhalb der Diskussion zur professionellen pädagogischen Haltung gilt es zu klären, wie der Diskrepanz zwischen Wissen und Haltung sowie dem pädagogischen Handeln entgegengewirkt werden kann. (vgl. Schwer/Solzbacher/Behrensen 2014: 72)

Julius Kuhl, Professor für differenzielle Psychologie und Leiter der Abteilung für experimentelle Persönlichkeitspsychologie an der Universität Osnabrück, Claudia Solzbacher, Lehrstuhl für Schulpädagogik an der selbigen Universität, und Christina Schwer, wissenschaftliche Mitarbeiterin, ist in Zusammenarbeit der nachfolgende Versuch der Definition von professioneller pädagogischer Haltung gelungen und rückt meiner Ansicht nach zentrale Elemente ins Zentrum der Auseinandersetzung:

„Eine professionelle Haltung als ein hoch individualisiertes (d.h. individuelles, idiosynkratisches) Muster von Einstellungen, Werten, Überzeugungen, das durch einen authentischen Selbstbezug und objektive Selbstkompetenzen zustande kommt, die wie ein innerer Kompass die Stabilität, Nachhaltigkeit und Kontextsensibilität des Urteilens und Handelns ermöglicht, sodass das Entscheiden und Handeln eines Menschen einerseits eine hohe situationsübergreifende Kohärenz und Nachvollziehbarkeit und andererseits eine hohe situationsspezifische Sensibilität für die Möglichkeiten, Bedürfnisse und Fähigkeiten der beteiligten Person aufweist. Pädagogisch wird die Haltung durch ihren Gegenstandsbezug.“ (Kuhl/Schwer/Solzbacher 2014:107)

So bringt der erste Teil der Definition zum Ausdruck, dass es sich bei hoch individualisierten Mustern um komplexe Persönlichkeitsstrukturen und -bereiche handelt, die ausschlaggebend sind, um von professioneller Haltung sprechen zu können. Wie eine Situation von PädagogInnen erlebt wird, welche emotionale und kognitive Reaktionen dabei entstehen und vor allem, wie die unterschiedlichen Aspekte zusammenspielen, ist ausschlaggebend für die weitere pädagogische Handlung, die gesetzt wird. Kuhl, Schwer und Solzbacher (2014: 112) beschreiben ein Gefüge der Erst- und Zweitreaktion als bedeutend für dieses Modell.

Für einen authentischen Selbstbezug und objektive Selbstkompetenzen dient ein grundlegendes Verständnis der psychofunktionalen und handlungstheoretischen Annahmen, auf dem pädagogisches Handeln und Verhalten basiert. Dies bildet sich in der Eigenart der PädagogInnen ab, pädagogische Situationen, Methoden, deren Ziele, die wissenschaftlich-theoretischen Grundlagen und die pädagogische Konzeption im beruflichen Kontext zu leben. Jede Handlung der PädagogInnen wird geleitet – wodurch drückt sich nun professionelle pädagogische Haltung aus?

Die persönlichen Lebenserfahrungen sind als ausschlaggebend für die Haltung der PädagogInnen anzusehen. Vertiefend versteht es sich deshalb als notwendig, dass mit einer inneren Freiheit alle Faktoren des Erlebens abwogen werden, um dann zu einer Entscheidung zu gelangen, die für jede weitere Handlung wesentlich ist. Die primären Merkmale der Persönlichkeit, dazu zählen Erstreaktion, Sensibilität, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrungen, stellen in diesem Zusammenhang wesentliche Faktoren da. Ein Zusammenspiel derer, gemeinsam mit den äußeren Rahmen- und Umweltbedingungen, bilden die wesentlichen Voraussetzungen für Haltung. (vgl. ebd.: 114) Überzeugte Entscheidungen bringen daher Stabilität in die Persönlichkeit und bilden eine Basis für jede weitere Handlung, die sich im Verhalten zeigt.

„Erst dann, wenn eine Einstellung oder Überzeugung ins Selbst einer Person integriert ist, kann es Stabilität erlangen, die bereits mit dem klassischen Haltungsbegriff konnotiert ist.“ (ebd.: 114f)

Das Entscheiden und Handeln eines Menschen stellt einen wichtigen Zusammenhang zwischen dem persönlichen Erleben und dem Verhalten innerhalb der Situation her. Nicht jede Entscheidung wird sachlich-logisch geregelt, aber auch nicht jede Situation wird übermäßig durch Affekte entschieden. So ergibt sich eine notwendige Einbettung der emotionalen Elemente in das persönliche Erfahrungsnetzwerk. Es wird abgewogen, wie eine erlebte Situation eingeschätzt werden kann und wie es sich innerhalb der Situation handeln lässt. Diese emotionale Vernetzung fördert die „verankerten Einstellungen und die Verhaltensanbindung, d.h. sie verhindert die mit ideologischen Einstellungen (Pseudo-Haltungen) einhergehenden Fixierungen.“ (ebd.: 116) Das Einlassen auf die Situation und die sensible Reaktion auf die Menschen, die eine Rolle darin spielen, ist in diesem Abschnitt der Definition gemeint. Bedeutend dafür erklären Kuhl, Schwer und Solzbacher (2014) in der Persönlichkeits-System-Interaktionen Theorie (PSI), dass PädagogInnen ihre Ziele und Absichten einerseits bilden, andererseits auch umsetzen können. Psychologisch ausgedrückt ist es die Selbstkongruenz, die in der PSI-Theorie in einem Wechselspiel von vier psychischen Systemen verortet wird, die jeweils durch andere Gefühle aktiviert werden. Diese Theorie verbindet eine multiple Erkenntnistheorie mit einer Handlungstheorie, die eine derartige Vernetzung zwischen Wahrnehmung und Handlungssteuerung darstellt, dass eine Unterscheidung zwischen subjektiven Überzeugungen und objektiven Selbstkompetenzen gelingen kann. Die AutorInnen erklären dazu:

„im Grunde erfordern alle Maßnahmen zur Entwicklung objektiver Kompetenzen die umfassende Einbindung des gegenseitigen Verstehens und Mitfühlens auf der subjektiven Erfahrungsebene.“ (Kuhl/Schwer/Solzbacher 2014: 118)

Somit nähern sich WissenschaftlerInnen einem Verständnis an, das PädagogInnen durch professionelle pädagogische Haltung charakterisiert.


3. Die Entwicklung von professioneller pädagogischer Haltung

Neben Methoden wie Training, Fort- und Weiterbildungen, sind es vor allem Persönlichkeitsstrukturen und biografische Erfahrungen, die ausschlaggebend für die Entwicklung von professioneller pädagogischer Haltung sind.


3.1 Persönlichkeitsentwicklung und Lernprozesse

Wie die Persönlichkeit eines Menschen bestimmt werden kann, ist seit langer Zeit Forschungsgegenstand der Psychologie. Unterschiedliche Ansätze zeigen die Vielfalt der Verstehensversuche auf und wollen gleichsam „in irgendeiner Weise das Wesen des Menschen erfassen und daraus bestimmte mögliche Unterscheidungsmerkmale“ (Roth 2011: 15) definieren. Bezüglich der Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen wird differenziert diskutiert, welche Bedeutung frühkindliche Einflüsse und Bindungserfahrungen haben. Während einige PsychologInnen den ersten Lebensjahren keine besondere Bedeutung zumessen und von einer „gleichmäßigen lebenslangen Verformbarkeit des Menschen ausgehen“ (ebd.: 22), verfolgen andere den Ansatz, dass diese Prägungsperiode eine hohe Bedeutung für die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit hat. Besonders bedeutend erwiesen sich die Ergebnisse der Bindungsforschung von John Bowlby und Mary Ainsworth in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. (vgl. ebd.: 24).

Die beiden BindungsforscherInnen fanden einen signifikanten Zusammenhang zwischen frühkindlichen und erwachsenen Bindungstypen, die deshalb auch für das Verstehen von Persönlichkeitsentwicklung berücksichtigt werden müssen, wie Roth (2011) schlussfolgert.

„Eine Person gibt an ihre eigenen Kinder häufig diejenigen Erfahrungen weiter, die sie selbst frühkindlich erfahren hat.“ (ebd.: 26)

Aus der Perspektive der Wissenschaft betrachtet, scheint diese Schlussfolgerung für das Verstehen von pädagogischen Handlungen im Arbeitsfeld der ElementarpädagogInnen relevant zu sein.

Persönliche biografische Erfahrungen beeinflussen die Ausformung der individuellen Persönlichkeit, welche sich im weiteren Bindungsverhalten und darüber hinaus auch im pädagogischen Handeln mit Kindern wieder zeigt. Dies wird erst in späteren Lebensphasen entwickelt und ist gekoppelt an unterschiedliche Lernprozesse und Erfahrungen innerhalb einer pädagogischen Ausbildung.

Wie bereits erläutert, ruht das Basisrepertoire jedes pädagogischen Handelns in der biografischen Erfahrung von Menschen und „besteht zunächst hauptsächlich aus Gewohnheiten, aus individuellen, sozialen und kulturellen Möglichkeiten bzw. Einschränkungen und aus- zumeist unhinterfragten Überzeugungen.“ (Schäfer 2010: 39) Diesen Rückschlüssen zur Folge hängt das Verhalten von PädagogInnen stark mit der eigenen Biografie, der prägenden Lebenswelt und dem sozioökonomischen Milieu zusammen, indem sie selbst aufgewachsen sind. Bourdieu greift diese dynamische Vorstellung von Haltung in seinem Habituskonzept auf, indem er herausarbeitet, dass Dispositionen „einer Art ständiger Revision unterworfen“ (Bourdieu 2001: 207 zit. nach Nentwig-Gesemann et al. 2012: 17) sind und sich „durch eine Verbindung aus Beharren und Wechsel“ (ebd.) auszeichnen. Wie nun die Persönlichkeitsentwicklung von Erwachsenen zeigt, ergeben sich zahlreiche Faktoren, die mitbedacht und berücksichtigt werden müssen, wenn es um gelingende Prozesse zum Erwerb von professioneller pädagogischer Haltung im Kindergarten geht.

Während PädagogInnen unterschiedlichste Bildungsprozesse mit Kindern gestalten, haben sie selbst in den Interaktionen mit den Kindern wichtige Erfahrungen. Diese führen zu persönlichkeitsbildenden Prozessen, zu Entwicklungsprozessen und zu Bildungsprozessen der eigenen pädagogischen Handlungsfähigkeit.

Unterschiedliche Phasen, die Lernprozesse von Erwachsenen gliedern, unterscheiden sich von kindlichen Lernprozessen. (vgl. Fialka 2011a: 122)

Zusammenfassend ergibt sich dadurch die Notwendigkeit des Schaffens von Lernvoraussetzungen, z. B. durch die Kindergartenleitung, sodass innerhalb der Bildungseinrichtung Kindergarten die Entwicklung von professioneller pädagogischer Haltung der PädagogInnen begünstigt werden kann.


3.2 Pädagogisches Handeln – Professionalisierung

PädagogInnen handeln unentwegt im Alltag ihres Berufsfeldes. Diese Form von Handeln versteht sich als soziales Handeln. Charakteristisch hierfür ist die zu Grunde liegende Wechselseitigkeit der Handlungen, wodurch eine Interaktion der Handelnden entsteht. PädagogInnen und Kinder interagieren; das Handeln der/des einen mündet gleichzeitig auch in das Handeln der/des Anderen. Die AkteurInnen stehen miteinander in Beziehung. Daraus ergibt sich, dass es in bestimmten pädagogischen Situationen immer mehrere Möglichkeiten gibt zu agieren, je nachdem, wie sich der oder die InteraktionspartnerIn verhält. Es gibt kein richtiges, sondern nur angemessenes, vernünftiges bzw. zielorientiertes pädagogisches Handeln. (vgl. Giesecke 2010: 22) Als Ziel ist entwicklungsförderliches Handeln definiert, dass im ursprünglichen Wortsinn der Pädagogik mit dem Kind zu tun hat. Traditionell wird dies so verstanden, dass pädagogisches Handeln stets mit Erziehung und Bildung in Verbindung steht. Im Laufe der letzten Jahre hat sich dieses Verständnis gewandelt.

„[Es] kann von solch einer klaren Abgrenzung nicht mehr die Rede sein. Erwachsene, inzwischen bis ins hohe Alter hinein, müssen nicht nur weiter lernen, sie wollen es vielfach auch.“ (ebd.: 22)

Mit welchen Lernprozessen beschäftigen sich nun ElementarpädagogInnen? Schäfer (2010) gibt darauf eine Antwort, indem er feststellt, die Aufgaben der ElementarpädagogInnen bestehen im Wesentlichen darin, das Anfängerlernen von Kindern zu unterstützen. Damit ist gemeint, dass unbekannte Felder mit Handlungs- und Denkwerkzeugen erschlossen werden, die selbst erzeugt werden. Anders als im Berufsfeld lange praktiziert, geht es nicht um das Beibringen von Fähigkeiten, sondern Kinder „darin zu unterstützen, sich ein Fundament an Erfahrungen zu schaffen, das sie für das Leben in einer Gesellschaft benötigen.“ (Schäfer 2010: 38)


3.3 Kernkompetenzen von KindergartenpädagogInnen

Für das pädagogische Handeln sind also soziale und personale Kompetenzen bedeutend, die ihrerseits Einfluss auf die professionelle pädagogische Haltung nehmen. Fritz Oser, ein deutscher Pädagoge und Psychologe, beschreibt zahlreiche Merkmale des professionellen Selbst der PädagogInnen im Schulbereich und spricht dabei von der notwendigen Übernahme der Verantwortung für das Wohl des Kindes. Die Forderungen nach einem beruflichen Ethos sowie dem würdevollen Umgang als Recht eines jeden Kindes und das Bewusstsein für komplexe Lehr- und Lernprozesse im pädagogischen Alltag sieht er als zentrale Dimensionen an. (vgl. Oser/Zutavern/Patry 1990: 227f) Osers pädagogische Forderungen sind für die Entwicklung eines professionellen Selbst auch in der Elementarpädagogik von großer Bedeutung.

Zum Unterschied des Handelns aus dem Bauch heraus sieht Schäfer (2010) im pädagogischen Handeln des Kindergartens die Notwendigkeit für eine reflektierte Spontaneität. Damit ist ein „flexibilisiertes und automatisiertes professionelles Wissen und Können“ (Schäfer 2010: 40) gemeint. Handlungssicherheit gewinnen PädagogInnen, wenn es Auseinandersetzungen mit neuen Verhaltensmustern und deren Konsequenzen bereits in vergleichbaren Situationen gegeben hat. Die PädagogInnen orientieren sich also an bewährten Methoden aus ähnlichen Situationen.

Giesecke (2010) sieht in seiner systematischen Einführung des pädagogischen Handelns einen Unterschied zu anderen Formen des menschlichen Handelns. Die soziale Dimension pädagogischen Handelns basiert laut Giesecke auf der „pädagogischen Beziehung“ und der professionellen pädagogischen Kompetenz. Ähnlich wie es Schäfer (2010) formuliert hat, sieht auch Giesecke (2010) nicht „Erziehen“ als bedeutsamste Form des pädagogischen Handelns an, sondern „das Lernen zu ermöglichen“ (Giesecke 2010: 15). Er schlussfolgert: „Pädagogen sind professionelle Lernhelfer.“ (ebd.) Des Weiteren betont Wildfeuer, dass „die drei Dimensionen von Wissen, Können und Haltung konstituierend für professionelle Handlungskompetenz angesehen werden können.“ (Wildfeuer 2011 zit. nach Schwer/Solzbacher/Behrensen 2014: 56) Diese Gedanken führen zu folgender Aussage:

„Will man pädagogisches Verhalten professionalisieren, also an wissenschaftlich reflektierten Vorstellungen ausrichten, dann muss man nicht nur das Wissen, sondern auch diese internalisierte Alltagspädagogik verändern.“ (Schäfer 2010: 39)

Nentwig-Gesemann et al. (2012) postulieren in der WiFF-Expertise (Weiterbildungsinitiative Frühpädagogischer Fachkräfte), dass professionelles pädagogisches Handeln ein Merkmal der Professionalisierung ist und die Dimensionen von handlungsleitenden Orientierungen, Werthaltungen und Einstellungen der PädagogInnen beinhaltet. Diese können als Ausgangspunkt verstanden werden, um eine Entwicklung von professioneller pädagogischer Haltung zu erreichen. (vgl. Nentwig-Gesemann et al. 2012: 53, Schwer/Solzbacher/Behrensen 2014: 65) In der vorliegenden Fachliteratur werden also bedeutende Voraussetzungen genannt und die gegenseitige Einflussnahme von Kompetenzen dargestellt. Hinweise auf konkrete Schritte zum Erwerb von professioneller pädagogischer Haltung sind hingegen nicht explizit ausgewiesen. (vgl. Schwer/Solzbacher 2014: 9)

Die Ausbildung sowie die regelmäßige Fort- und Weiterbildung stellen für PädagogInnen demnach eine wesentliche Voraussetzung dar, um die Entwicklung ihrer professionellen pädagogischen Haltung zu fördern. Weiterbildungsseminare und Fortbildungen können nach Nentwig-Gesemann et al. (2012) dazu beitragen, ständig an der Entwicklung und Reifung von professioneller pädagogischer Haltung zu arbeiten.


3.4 Reflexion

Reflektieren kann als eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und den Auswirkungen im pädagogischen Handeln verstanden werden und zählt daher zu den Kernkompetenzen der PädagogInnen. Nentwig-Gesemann et al. (2012) stellen die Reflexionskompetenz ins Zentrum ihrer Publikation, sie wird auch habituelle Orientierung genannt und umschließt unter anderem die Empathiefähigkeit, die Feinfühligkeit, die sensitive Responsivität, eine ressourcenorientierte Perspektive und einen offenen und wertschätzenden Umgang mit Diversität. Im Verständnis eines Netzwerkes aus verwurzelten und internalisierten Lebenserfahrungen, die „im Rahmen von längerfristig angelegten Professionalisierungsprozessen einsozialisiert werden müssen.“ (Nentwig-Gesemann 2012: 17)

Schäfer (2010) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass Veränderungen im pädagogischen Handeln langwierigen und spiralförmigen Lernprozessen unterwerfen müssen, in denen es um eine „allmähliche Neujustierung in immer neuen kritisch überdachten Versuchen“ (Schäfer 2010: 40) geht, bis hin zur „Implementation neuer Ideen und Verhaltensweisen.“ (ebd.) Er macht hiermit deutlich, dass Verhaltensveränderung nur erfolgen kann, wenn PädagogInnen selbst stetig dazulernen. In der alltäglichen Praxis hemmt die fehlende Zeit eine schrittweise Reflexion aller Arbeitsprozesse. Notwendig für professionelle Reflexion ist die Möglichkeit zum Nachdenken über erlebte Fälle und Episoden der alltäglichen Praxis. Für das Gelingen von Veränderungen zeigt der Autor weitere Merkmale auf. Die Wahrnehmungsfähigkeit des eigenen Handelns, das reflektierte Verstehen und das Handeln in Bezug auf das professionelle Wissen abzugleichen sind bedeutende Bedingungen der Verstehensprozesse. Darüber hinaus gilt es auch, über Rahmen- und Kontextbedingungen im Kindergarten nachzudenken, sodass Gelegenheiten entstehen, den spiralförmigen Prozess der Haltungsveränderung in Gang zu bringen. (vgl. Schäfer 2010: 41)

Fachliche Begleitung für PädagogInnen ist bedeutend, da diesen so geholfen werden kann, einen Einblick in „verborgene Mechanismen und Zusammenhänge dieses Handelns“ (Schäfer 2010: 40) gewinnen zu können. Demnach ist es unabdingbar in der Praxis zu lernen, über Handlungen in konkret erlebten Situationen nachdenken zu können und fehlerhafte Verhaltensweisen anzupassen.

Zusammenfassend schlussfolgert Schäfer (2010), dass eine Akademisierung von KindergartenpädagogInnen alleine nicht reicht. Es bräuchte einen Ort, „an dem solches Nachdenken über einen längeren Zeitraum hinweg“ (Schäfer 2010: 41). stattfinden kann. Ich kann dieser Schlussfolgerung zusprechen, da erfahrungsgemäß den zeitlichen Strukturen für Reflexion und Austausch gerade im elementarpädagogischen Bereich noch immer viel zu wenig Beachtung beigemessen werden.

Fortbildungen oder Weiterbildungen sollten auf Verstehensprozesse abziehlen, die eine Weiterentwicklung von individuellen biografischen Erfahrungen ermöglichen können. (vgl. ebd.: 40)


3.4.1 Methode der Work Discussion als Beispiel zur Reflexion

In den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts vertiefte Martha Harris die Arbeit von Esther Bick, die in den 50er-Jahren die Methode der Infant Observation etablierte. Es ist notwendig, „über das persönliche Erleben im Kontext des eigenen beruflichen Handelns nachzudenken.“ (Steinhardt/Reiter 2009: 136) Harris verlangte ein weiteres Ausbildungselement für PädagogInnen, nämlich die Work-Study Group. (vgl. ebd.: 136f) Es bietet den TeilnehmerInnen das Umfeld, in dem „konkrete Interaktionserfahrungen aus dem eigenen Berufsalltag“ (ebd.: 137) präsentiert und reflektiert werden können. Beim Transfer der Methode zum beruflichen Alltag des elementaren Bildungsbereiches ergibt sich mitunter auch ein verschärfter Blick auf die „Arbeitsbedingungen, die zuvor nicht beachtet oder nicht hinterfragt worden waren“ (ebd.: 139), sie „lassen erst im Prozess der Reflexion Sinnhaftigkeit und Bedeutung erkennen.“ (ebd.) Daher besteht die Möglichkeit zur Veränderung, nicht durch Hindernisse, die von der Organisation ausgehen, sondern auch durch Belastungsfaktoren, die sich in der individuellen Persönlichkeitsstruktur der Handelnden abbilden lassen. (vgl. ebd.)

Neben der Supervision hat sich das Work-Discussion-Seminar bislang noch wenig durchgesetzt in der Reflexion des beruflichen Handelns, da es bisweilen ähnlich wie die Balintgruppe, die in der Zwischenkriegszeit entwickelt wurde, eher als frühe Form von psychoanalytischer Supervision verstanden wird. Wie Steinhardt und Reiter (2009) herausarbeiten, ist die Work Discussion allerdings keine Methode der schnellen Lösungen für Probleme im Kindergartenalltag, sondern die Eröffnung eines Verstehensprozesses, der dazu beiträgt „eine veränderte Haltung im beruflichen Alltag einnehmen zu können.“ (ebd.: 155)


3.4.2 Psychoanalytische Pädagogik

Der Dialog zwischen der Pädagogik und der Psychoanalyse, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand, wird mittlerweile wieder seltener geführt. Müller, Krebs und Finger-Trescher (2002) arbeiten heraus, warum es jedoch sinnvoll erscheint, diesen aufrecht zu erhalten. Es besteht von beiden Disziplinen ein Interesse am Blickwinkel des Anderen, wenngleich es bedeutet, sich intensiv mit dem vielfältigen Diskurs auseinander setzen zu müssen. (vgl. Müller/Krebs/Finger-Trescher 2002: 10)

Im professionellen Selbstverständnis der psychoanalytischen Pädagogik gibt es seit Beginn die Auseinandersetzung ein „Spannungsverhältnis zwischen bildender Hilfe zur Lebensbewältigung und Aufarbeitung geschädigten Lebens.“ (ebd.: 12) Ich verstehe die Hilfe zur Lebensbewältigung so, dass sich Menschen mit dem eigenen Handeln und all den dafür zugrundeliegenden Persönlichkeitsstrukturen auseinandersetzen, während in der Aufarbeitung geschädigten Lebens das Verständnis von defizitären Verhaltensmerkmalen intendiert wird. In diesem Zusammenhang gewinnt ein Zitat von Helmut Figdor besondere Bedeutung für die Pädagogik, in dem er fordert, die „Psychoanalyse sollte keine neue Erziehungslehre – im Sinne eines überindividuell gültigen Inventars von Verhaltensregeln konstituieren, sondern sich der Pädagogik zur Verfügung stellen.“ (Figdor 1989: 136 zit. nach Müller/Krebs/Finger-Trescher 2002: 9) Wird diese Forderung so verstanden, dass das pädagogische Handeln besser auf die AdressatInnen ausgerichtet sein muss, also die Kinder und Jugendlichen, dann ist gleichsam eine Annäherung an die Kernkompetenzen pädagogischer Theorie und die Annäherung an das heilpädagogische Verständnis erfolgt. Datler und Müller weisen auch darauf hin, dass eine notwendige Auseinandersetzung der PädagogInnen mit sich selbst zu erfolgen hat. Deren Wirkung auf die AdressatInnen kann dadurch erst verstanden werden. (vgl. Datler 1994 und Müller 1989, 2002, beides zit. nach Müller/Krebs/Finger-Trescher 2002: 13) Schon Sigmund Freud betonte, welche Bedeutung eine Selbsterfahrung in der psychoanalytischen Analyse für ErzieherInnen habe, indem er ausrückt, dass „sonst das Objekt seiner Bemühungen, das Kind, ein ungelöstes Rätsel bleiben muss.“ (Freud zit. nach Müller/Krebs/Finger-Trescher 2002: 13) In der weiteren Ausarbeitung zeigt sich das Dilemma, denn es würde als Zumutung empfunden werden, wenn alle pädagogischen Fachkräfte vorerst eine psychoanalytische Analyse durchlaufen müssten, bevor sie in diesem Beruf wirken dürfen. (vgl. ebd.: 13f)


4. Entwicklungspotenzial durch Veränderungsprozesse

Im Sinne der Entwicklung von professioneller pädagogischer Haltung muss im Zuge der Qualitätsentwicklung in Kindergartenteams auch von Veränderungsprozessen gesprochen werden, die sowohl in der individuellen MitarbeiterInnenführung, als auch auf der Ebene des Teams umgesetzt werden können.

Diesen Ansatz verfolgt das Changemanagement, welches die Steuerung von Veränderungsprozessen intendiert. In den letzten 15 Jahren haben sich zahlreiche Themenfelder erschlossen, die einem ständigen Wandel unterliegen. (vgl. Fialka 2011b: 1) Dazu gehören neben gesellschaftlichen Veränderungen sowie neuen politischen und volkswirtschaftlichen Interessen auch das Selbstverständnis und die Professionalisierung, deren Bedeutung bereits diskutiert wurde.

Bedeutend zeigt sich in diesem Zusammenhang nicht ausschließlich die individuelle Entwicklung von PädagogInnen, sondern vielmehr wird das Kindergartenteam als eine lernende Organisation mitbedacht, die es versteht, Bedingungen zu schaffen, in denen fachliche Entwicklung von pädagogischen Fachkräften Unterstützung und Begleitung findet. Diesen Aspekt verstärkt auch Thomas Klatetzki (1993, 1998 zit. nach Müller/Krebs/Finger-Trescher 2002) im Ansatz der Systemtheorie, die sich mit „jeweiligen Akteuren professionellen (...) Handelns und die Art der in die organisatorischen Strukturen eingeschriebenen Selbstreferenzen“ (Müller/Krebs/Finger-Trescher 2002: 15) auseinandersetzt. Der Organisationssoziologe beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie aus richtigen Einsichten die Fähigkeit zu entsprechendem professionellen Handeln entsteht. (vgl. Müller/Krebs/Finger-Trescher 2002: 15) Für Klatetzki ist es hierbei jedoch bedeutend, ob im Arbeitsfeld die notwendigen Bedingungen im institutionellen Gefüge nur eingefordert werden, oder ob das Team diese selbst gestalten kann und zu ihrer ureigenen Aufgabe zählt (vgl. Klatetzki 1998, zit. nach Müller/Krebs/Finger-Trescher 2002: 43f). Umgelegt auf den Arbeitsalltag im Kindergarten zeigt sich, dass das Überdenken der hierarchischen Strukturen, die Entwicklung von multiprofessionellen Teams und die Evaluierung von gesetzten Maßnahmen geleistet werden muss. Im Hinblick auf die notwendige Neugestaltung der Bildungsinstitutionen in Österreich benötigt es lernende Organisationen im Kindergarten, um die Anforderungen von früher Bildung in der Elementarpädagogik umsetzen zu können.

In den letzten Jahren ist zudem mit akkreditierten Studiengängen eine wesentliche Veränderung für die Elementarpädagogik in Österreich eingeläutet worden, wie sich am Beispiel des Studiengangs „Sozialmanagement in der Elementarpädagogik“ (FH Campus Wien o.J.) zeigt. Diese Grundlagen könnten eine Basis schaffen für den professionellen Erkenntnisgewinn und die daraus resultierende Professionalisierung der PädagogInnen im elementaren Bildungsbereich.

Aber auch in Bezug auf professionelle Aus- und Weiterbildung ist in jedem Fall der Ansatz von Fialka (2011b) zu beachten, die allen Fachkräften empfiehlt, die Veränderung einer pädagogischen Haltung nicht alleine in Angriff zu nehmen. Große Chancen bestehen in der Wandlungsfähigkeit von Teams in Kindergärten, welche gemeinsam gestaltet werden können. Die Autorin spricht auch von der notwendigen Unterstützung durch den Kindergartenträger, denn (Fialka 2011b: 4) Somit rückt neben den zeitlich befristeten, zielorientierten und durchstrukturierten Prozessen der Veränderung auch noch eine weitere Intention im Vordergrund. Die Leiterin des Kindergartens, die Visionen und Ziele für die Bildungsschwerpunkte definieren muss und notwendige Handlungspläne umsetzt, hat eine große Bedeutung für das Gelingen solcher Veränderungsprozesse. Ihre analytischen Fähigkeiten sowie ihre Kommunikations- und Konfliktfähigkeit stellen ein wesentliches Kriterium dar, um Prozesse des Changemanagements umsetzen zu können. Des Weiteren werden visionäre Fähigkeiten, Widerstandskraft und Entscheidungs- sowie Umsetzungsbereitschaft gefordert, die ihrerseits dazu beitragen, Veränderungsprozesse gut begleiten und unterstützen zu können. (vgl. ebd.: 6) In diesem Prozess ist der Einsatz einer Situationsanalyse als Ausgangspunkt von Veränderungsprozessen wichtig. Darin werden individuelle Lernfelder von MitarbeiterInnen ebenso wie Teamstrukturen und -dynamiken sichtbar. Die Veränderung in der Gestaltung des beruflichen Alltages führen zu weiteren Prozessen der Veränderung. Sie münden schließlich in „eine gemeinsame Haltung zur Arbeit mit Familien.“ (ebd.: 8)

Fialka betont, dass neben der Persönlichkeitsstruktur der Leiterin auch der „Entwicklungsstand“ der KindergartenpädagogInnen ausschlaggebend ist. Dieser Umstand an sich erfordert aus meiner Sicht die Notwendigkeit, dass LeiterInnen als direkte Führungskräfte auch in der Lage sein sollten, die MitarbeiterInnen zu beobachten, zu begleiten und zu unterstützen. Diese Anforderung ist sehr schwierig umzusetzen, da es im Kindergartenalltag wenig zeitliche und personelle Ressourcen dafür gibt.

Im Detail ist diese Phase der MitarbeiterInnenführung im Coaching angesiedelt, das eine Beratungsform darstellt, „bei der es um die Unterstützung, Weiterentwicklung und auch die Veränderung beruflichen Handelns geht.“ (ebd.: 117) Dieser Gedanke spiegelt sich in der professionellen pädagogischen Haltung von PädagogInnen wider, die gleichsam vom Arbeitsumfeld, dem Kindergarten, als auch von der Leitung selbst gelebt und umgesetzt werden muss.

Für das Gelingen von Veränderungsprozessen führt Schäfer (2010) noch weitere Merkmale an. Mitunter ist die Wahrnehmungsfähigkeit des eigenen Handelns bis zum reflektierten Verstehen gemeint, in dem das Handeln in Bezug auf das professionelle Wissen abgeglichen werden muss. Darüber hinaus spricht der Autor auch über Rahmen- und Kontextbedingungen, die notwendig sind, um den spiralförmigen Prozess der Veränderung in Gang zu bringen. (vgl. Schäfer 2010: 41)


5. Conclusio

Für die Entwicklung der professionellen pädagogischen Haltung stellt die Bereitschaft der Weiterentwicklung der Persönlichkeit, der Kompetenzen und des Fachwissens eine wesentliche Voraussetzung dar, denn im Kindergarten arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, die aufgrund von eigenen biografischen Lernerfahrungen auch verschiedene Werte, Einstellungen und Haltungen mitbringen.

Situationen, die KindergartenpädagogInnen in ihrem Arbeitsfeld wahrnehmen, müssen daher gemeinsam erarbeitet und reflektiert werden können, um ein Verständnis davon zu entwickeln, wie sie von anderen erlebt werden. Diese Verstehensprozesse können dazu dienen, die Entwicklung von professioneller pädagogischer Haltung zu begünstigen.

Ausgangspunkt der Auseinandersetzung ist eine Lücke in der Wissenschaft, die sich zunehmend als bedeutend für eine gelingende Erziehung darstellt. Diese zu erörtern und mit konkreten Anregungen das Entwicklungspotenzial von professioneller pädagogischer Haltung zu erarbeiten, steht im Fokus. Ein vertieftes Verständnis der Begriffe wird dennoch erst unter Berücksichtigung von Theorien und Modellen möglich. Reflexion, Aneignung von Fachwissen und immerwährende Lernprozesse können Einfluss auf die Persönlichkeit eines Menschen nehmen. Dadurch kann sich nicht nur das pädagogische Handeln der KindergartenpädagogInnen verändern, es werden auch die Professionalität und die Haltung beeinflusst. Dies ist wichtig für eine professionelle Pädagogik, wie sie im elementaren Bildungsbereich gefordert wird.


Literatur

FH Campus Wien (o.J.): Sozialmanagement in der Elementarpädagogik. Bachelorstudium, berufsbegleitend. https://www.fh-campuswien.ac.at/studium/studien-und-weiterbildungsangebot/detail/sozialmanagement-in-der-elementarpaedagogik.html?tx_asfhcw_course%5Bcontroller%5D=Course&cHash=f71242e9309ad8f361cff08e07d0eea2 (1.6.2016).

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Über die Autorin

Sonja Schmid, Jg. 1983

Studierende des berufsbegleitenden Studiengangs „Sozialmanagement in der Elementarpädagogik“ an der FH Campus Wien
Fachinspektorin für pädagogische Qualitätssicherung in Kindergärten der pfarrlichen Trägerschaft, Leiterin eines Privatkindergartens in Wien