soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 17 (2017) / Rubrik "Thema" / Standort St. Pölten
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/502/905.pdf
Andrea Nagy:
1. Einleitung
In einem internationalen Handbuch zum Kindeswohl wird beschrieben, dass sich ein Wandel der Adressat_innengruppe stationärer Unterbringung vollzogen hätte. Heute gäbe es in stationären Unterbringungssettings weniger Kinder als früher, die ‚einfach nur‘ einen schützenden familiären Rahmen benötigten und daher untergebracht würden. Häufiger hätten es Sozialpädagog_innen mit ”seriously problematic adolescents“ (Del Valle 2014: 2954) zu tun, wobei Del Valle einige der problematisierten Verhaltensweisen beschreibt:
”Disobedience, physical damage to the facilities, aggression against the youngest or most vulnerable children, confrontational and violent behavior toward staff, and fleeing are now characteristic of residential care.“ (ebd.)
Der Autor dieses Fachtextes beschreibt weiter, dass es ein spezielles Training und Handwerkszeug bräuchte, um mit solchen von ihm problematisierten Verhaltensweisen Umgang zu finden und um gewalttätige Situationen und Konflikteskalationen mit potentiell gravierenden Folgen zu vermeiden.
”Special training and skills are required for anticipating and dealing with such problems, to prevent violent situations, and react in ways to avoid escalation of conflict with potentially serious consequences.“ (ebd.)
Als positiv im Sinne eines speziellen Handwerkszeugs und Trainings wird die europäische Tradition der Sozialpädagogik erwähnt, die es ermögliche, eine Methodik auf der Grundlage von pädagogisch planvollem Handeln zu etablieren. Jene Methodik würde sowohl wohlbegründete Ziele, als auch Umsetzungsmodelle, Handlungen und Techniken bereithalten. Er streicht die sozialpädagogischen Traditionen positiv heraus gegenüber der Tradition in englischsprachigen Ländern, in stationären Unterbringungen vornehmlich unqualifiziertes Personal einzusetzen.
In der Tat beschreiben auch Sozialpädagog_innen in Österreich, dass sich die Adressat_innengruppe stationärer Unterbringung Del Valles Analyse entsprechend gewandelt hätte. Für eine konkrete Umgangsstrategie in Bezug auf Gewaltprävention, bzw. in Bezug auf den Umgang mit jugendlicher Gewalt in stationären sozialpädagogischen Einrichtungen empfinden sie sich alleine durch die Möglichkeit planvoller sozialpädagogischer Handlungsweisen oft nicht ausreichend qualifiziert, bzw. trotz ausreichender Qualifizierung nicht durchgängig in ausreichender Weise handlungsfähig. Der Bericht der Volksanwaltschaft über Kinder und Jugendhilfeeinrichtungen von 2015 (vgl. Volksanwaltschaft 2016) verweist in diesem Zusammenhang auf Probleme des falschen Settings und erwähnt auf Seite 65, dass mehr Kleingruppen bzw. Einzelbetreuung benötigt würde, um mit den Gegebenheiten umzugehen, wie sie sich in stationären Unterbringungen derzeit darstellen.
„Immer wieder finden die Kommissionen in sozialpädagogischen Einrichtungen Kinder und Jugendliche vor, die dringend eine spezielle Betreuung in Kleingruppen oder sogar Einzelbetreuung benötigen würden, weil sie nur bedingt gruppentauglich und mit den vorherrschenden Gegebenheiten massiv überfordert sind. Deren psychosoziale Überforderung überträgt sich auf das Personal, das zuweilen auch massiveren körperlichen Attacken ausgesetzt ist. Körperliche Übergriffe auch gegen andere Minderjährige können nicht durchgehend verhindert werden. Verängstigt angetroffene Mitbewohnerinnen und -bewohner sowie demolierte Einrichtungen sprechen eine deutliche Sprache.“ (Volksanwaltschaft 2016: 65)
2. Strukturelle und analytische Ebenen der Betrachtung
Gewaltprävention und Umgang mit jugendlicher Gewalt in stationären Unterbringungen ist ein Thema, das auf mehreren Strukturebenen betrachtet werden muss. Zum einen ist es die Ebene der Adressat_innen und deren (veränderte) Bedürfnisse, die von Bedeutung ist. Auch eine veränderte ‚Aufnahme’-Politik in Einrichtungen stationärer Unterbringung kann zu zuvor beschriebenem Phänomen der erhöhten Anforderungen an das Personal in sozialpädagogischen Einrichtungen beitragen. In Bezug auf konkrete sozialpädagogische Interventionen bildet die nächste Ebene nach den Adressat_innen oder Nutzer_innen die der professionellen Umgangsweisen sozialpädagogischer Fachkräfte und damit unweigerlich verbunden die persönliche Ebene der einzelnen Person in Ausübung ihrer professionellen Rolle. Darüber hinaus spielen die ‚kollektive‘ Ebene des Teams, die Ebene der sozialpädagogischen Organisation bzw. der Leitungs- und Entscheidungsebene und zu guter Letzt die der gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine Rolle.
Wissenschaftliche Begriffsdefinitionen von Gewalt variieren im Allgemeinen in Bezug auf die Weite oder Enge des Begriffes. Unterschiedliche Definitionen orientieren sich dabei an drei Elementen, die jedenfalls ‚gegeben‘ sind: Motivation der Gewalthandlung, Kontext der Gewalthandlung und Beteiligte der Gewalthandlung. ‚Gewalt‘ ist als Unterbegriff der ‚Aggression‘ zu verstehen, und zwar als jener Teil der Aggression, der destruktiv ist. Eine mögliche Definition personaler Gewalt ist:
„(…) alle feindseligen Handlungen, bei denen die physische oder psychische Schädigung von Personen und Sachen intendiert ist.“ (Meyer 2004: 17)
Neben der personalen Gewalt gibt es die strukturelle Gewalt, die nicht unter dem Aggressionsbegriff subsumiert werden kann. Bei der strukturellen Gewalt tritt kein personaler Aggressor, keine personale Aggressorin auf. Strukturelle Gewalt ist in das Gesellschaftssystem verwoben und zeigt sich zum Beispiel in Ungleichheits- und Machtverhältnissen, Privilegien und Diskriminierungen.
Unter Gewaltprävention sind im Kinder- und Jugendhilfebereich einmal die Identifizierung und Veränderung von gesellschaftlichen Bedingungen zu verstehen, die gewalthaltige Beziehungen fördern (Primäre Prävention oder Verhältnisprävention); einmal in Form der Verhaltensprävention oder Sekundärer Prävention die Stärkung von jugendlichen Lebenskompetenzen, die es ihnen ermöglichen, ohne gewalttätiges Verhalten auszukommen, also die Verhinderung des Entstehens gewalttätigen Verhaltens; und einmal die Tertiäre Prävention in der es um die Verhinderung von Rückfällen in gewalttätige Verhaltensweisen und die Resozialisierung geht. (vgl. Schubarth 2000: 137) Neben Gewaltspezifischen Präventionsansätzen wie Anti-Aggressivitäts-Training (AAT), gewalttherapeutische Methoden oder Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) ist Gewaltprävention vor allem in sozialpädagogischen Einrichtungen auch ein Stück weit Gewalt-unspezifisch zu denken. Ein Empowerment- und Ressourcenfokussierter Ansatz, in dem Kindern und Jugendlichen angemessene Eigenverantwortung zugeschrieben wird, in dem allgemeine Lebenskompetenzen erworben und vergrößert werden, in dem Räume der (auch zum Teil eigensinnigen) Selbstorganisation Jugendlicher bestehen und mit Bezugspersonen ein Beziehungsmodus des offenen Aushandelns und der partizipativen Alltagsgestaltung ‚gelebt‘ wird, kann als ‚gewaltunspezifische‘ Gewaltprävention angesehen werden. In Bezug auf Gewaltprävention geht es diametral entgegen dem, was Alltagsmeinungen zum Teil nahe legen, nicht um Repression, Disziplin und Strafe, sondern um einen Zuwachs an Selbstbestimmung der Jugendlichen, mit dem Ziel „nach eigenen Maßstäben buchstabierte Koordinaten von Lebenskohärenz, Identität und Selbstwert entwerfen [zu] können“ (Herriger 2002: 103)
Neben fundiertem Wissen, welches professionelle Sozialpädagog_innen über Interaktionsdynamiken von Gewalt, Erscheinungsformen, gesellschaftliche und biografische Ursachenkomplexe und subjektive Motivationen zur Gewaltausübung erwerben müssen, braucht es eine individuell erarbeitete und reflektierte Grundhaltung des Wohlwollens und der Neugier einer jeden Mitarbeiterin und eines jeden sozialpädagogischen Mitarbeiters gegenüber den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen, welche Ambiguitätstoleranz ermöglicht und die Kompetenz, Differenzierungen vorzunehmen.1
Arnold (2007: 14) schreibt diesbezüglich:
„[Kinder und Jugendliche] benötigen niemanden, der sie mit eindeutigen Richtig-falsch-Aussagen konfrontiert, sie brauchen vielmehr jemanden, der ihnen zu zeigen vermag, wie man im Wechselspiel von Erproben und Sichdefinieren Klarheit, Richtung und Struktur in seinem Lebenslauf entwickelt. Dies ist ein riskanter Prozess. Und notwendig sind dafür Begleiter, die selbst diese komplexe Aufgabe ihrer Identitätssuche bewältigt haben, ohne in einer rigiden Ichbezogenheit erstarrt zu sein. Solche Menschen zeigen uns, dass es nicht um Disziplin und Disziplinierung, sondern um Identität und Verantwortung geht“.
Sozialpädagogisches ‚Können‘ in Bezug auf Umgang mit Gewalt und Gewaltprävention ist in diesem Sinne zu verstehen.
Sozialpädagogische Interventionen, Methoden und Werkzeuge zur Gewaltprävention und Umgang mit Gewalt sollten auf individuelle Bedürfnisse der betreffenden Kinder und Jugendlichen ausgerichtet sein und individuelle Lebenszusammenhänge der Jugendlichen in besonderer Weise berücksichtigen.
Ebenso wie Gewalt-Präventionsmaßnahmen dann am Erfolgreichsten sind, wenn sie sich an den Selbstorganisationskompetenzen und den personalen wie sozialen Ressourcen der Adressat_innen orientieren, ist die Qualifizierung der Fachkräfte in Bezug auf Gewaltprävention und auf den Umgang mit jugendlicher Gewalt in stationären Unterbringungen in allen genannten Dimensionen (Wissen, Haltung und Können) dann am Nachhaltigsten, wenn diesbezügliches Lernen an den je individuellen Vorerfahrungen anknüpft, und eine Weiterentwicklung vom je individuellen Reflexions- und Wissenstand aus ermöglicht. Daher sind ‚vorgefertigte‘ Methoden im Umgang mit Gewalt oft nicht von umfassendem Erfolg bei der (top-down) Implementierung. Definitiv sind jedoch eine klare Haltung der Entscheidungsebene, bzw. auch verbindliche (Fortbildungs-)Maßnahmen in sozialpädagogischen Organisationen erforderlich. Dies wird unter anderem im Leitfaden für gewaltfreie sozialpädagogische Einrichtungen des Bundesministeriums für Familie und Jugend (vgl. BMFJ o.J.) und des European Councils dargelegt.
Das Südtiroler Kinderdorf hat vor einigen Jahren umfangreiche Bildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Gewaltprävention und im Umgang mit Gewalt angestrengt, im Rahmen dessen ich einen Workshop zur internen Mitarbeiter_innenschulung abgehalten habe. Dieser zielte auf die persönliche Ebene der einzelnen Mitarbeiter_innen in Ausübung ihrer professionellen Rolle und die ‚kollektive‘ Ebene der Wohngruppen-Teams ab und berücksichtigte unterschiedliche Wissensstände und Vorerfahrungen der einzelnen Personen. Die Konzeption des Workshops wird in der Folge als Beispiel eines partizipativen Erarbeitens praktischer Strategien in der Gewaltprävention und im Umgang mit Jugendlicher Gewalt dargelegt. Die Mitarbeiter_innenschulung wurde auf Grundlage eines Konzeptes von Dr. Gerald Thurnher (Netz/Innsbruck) und Prinzipien des nicht formalen Lernens entwickelt.
3. ‚Nicht formales Lernen‘ (NFL)
‚Nicht formales Lernen‘ (NFL) steht für eine Form des Gemeinschaftslernens, die sich aus Bildungsreformbewegungen heraus entwickelt hat und besonders in der internationalen Jugendbildung seit den 1970er-Jahren vermehrt eingesetzt wird. Eine große und noch einmal ‚neue‘ Bedeutung gewann das NFL seit den 1990er-Jahren in der europäischen Gesetzgebung mit der Ausrichtung am lebenslangen und lebensumspannenden Lernen. (vgl. European Commission 2000). Während ein formaler Kanon des NFL lange Zeit fehlte, wurde das innovative Potenzial, das NFL besitzt, bereits vielfach hervorgehoben. Die Konzeption des Workshops beruht auf Grundprinzipien des NFL, da zentrale Prinzipien des NFL sowohl für das Setting, als auch für die Thematik angemessen erscheinen. Der innovative Charakter von NFL eignet sich auch insofern, als Gewaltprävention, deeskalierende und in ihrer Konsequenz konstruktive Umgangsweisen mit jugendlicher Gewalt in sozialpädagogischen Einrichtungen immer ein gewisses Maß an ‚Innovation‘ enthalten (müssen), sofern es sich um Formen handelt, die auf die spezifischen Mitarbeiter_innen, Teams und Jugendlichen Adressat_innen sowie den Kontext ‚zugeschnitten‘ sind.
Als essenzielle Elemente von NFL beschreibt Chisholm (2000: 7) [frei Übersetzt durch die Verfasserin] die ausgeglichene Koexistenz und Interaktion zwischen kognitiven, affektiven und praktischen Dimensionen des Lernens; Verbindung von individuellem und sozialem Lernen, partnerschaftlich orientierter Solidarität und symmetrischen Lehrer-Schüler_innen-Verhältnissen; Partizipatorisch und Lerner_innenzentriert; Ganzheitlich und am Prozess orientiert; Nahe an realen Lebensbezügen, experimentell und am ‚Lernen am Tun‘ orientiert, interkulturellen Austausch als Lerngelegenheiten wahrnehmend; Freiwillig und idealerweise für jeden zugänglich; Oberste Zielsetzung ist, demokratische Werte und Kompetenz zu praktizieren und zu vermitteln.
Manche dieser Elemente hatten für den Workshop kaum Bedeutung, während einige große Bedeutung hatten. Die Elemente von großer Bedeutung waren, dass es sich vom Rahmen her um ein betriebliches Lernen (vocational training) handelte, das nicht im Sinne formaler Bildung zertifiziert wurde, daher wurden keine ‚Lernergebnisse‘ abgefragt. Das Lernen wurde als Prozess betrachtet und orientierte sich weitestgehend an den individuellen Lernbedürfnissen über intrinsische Motivation. Die Nachfrage einer Fortbildung zum Thema Umgang mit Gewalt und Gewaltprävention war von den Mitarbeiter_innen gekommen, ein Lernbedarf wurde von den Teilnehmenden selbst wahrgenommen. Es handelte sich um ein Lernsetting, in dem aus der Praxis für die Praxis, anhand praktischer Bezüge gelernt wurde. Weiters handelte es sich in dem Setting um Wissensproduktion statt Absorption und um die Eigenaktivität der Teilnehmer_innen bei der Wissensgenerierung, die in ihrem Tätigkeitsbereich als ‚kompetent‘ wahrgenommen werden. Es handelte sich um flache Hierarchien innerhalb des Lernarrangements, weil ich als Leiterin des Workshops selbst auch Praktikerin war. Dem Element der demokratischen Werte und Kompetenz-Vermittlung und -Praxis kommt in Bezug auf das Thema Gewaltprävention und Umgang mit Gewalt noch einmal eine besondere Bedeutung zu, da ‚gewaltfreie‘ Erziehung und Kommunikation ganz basal auf demokratischen Werten ruht und die Förderung von demokratischem Denken und Handeln selbst ein Inhalt gewaltpräventiver Lernarrangements ist. Das Lernarrangement selbst orientiert sich somit an Prinzipien, die auch Inhalt der Vermittlung sind.
4. Fokus auf praktische Kompetenzen
Als Kompetenz wird im Duden einerseits ein (1.) Vermögen, bzw. eine Fähigkeit bezeichnet, und andererseits eine (2.) Zuständigkeit, bzw. Fähigkeit. Mithilfe dieser Definitionen wird deutlich, dass es sich bei der Kompetenz nicht ausschließlich um eine potenzielle, sondern mit der zweiten Bedeutung ‚Zuständigkeit‘ auch um eine ausgeübte Fähigkeit handelt. Die Konzentration auf Kompetenzen, die im Workshop zentral verfolgt wurde, lenkt die Aufmerksamkeit auf die eigene Praxis, auf Situationen, die schon durchlebt wurden. Kompetenzen erscheinen als etwas ‚Verinnerlichtes‘, ‚Verstandenes‘, ‚Anwendbares‘ – häufig ohne zunächst explizit benennen zu können, worin die entsprechende Kompetenz genau besteht. Bei Kompetenzen handelt es sich laut Erpenbeck und Heyse (1999) um Fähigkeiten, selbst organisiert und kreativ zu handeln. Kompetenz ist nur dann gemeint, wenn es um die erfolgreiche Bewältigung komplexer Anforderungen geht, die hoch genug sind, um selbst organisiertes Handeln tatsächlich zu erfordern. Kompetenz ist auch nur dann gemeint, wenn Lernprozesse zu den notwendigen Voraussetzungen gehören, damit die komplexen Anforderungen bewältigt werden können. (vgl. Erpenbeck/Heyse 1999) Beides ist in Bezug auf die zuvor dargelegten Erfordernisse der Gewaltprävention und des Umgangs mit jugendlicher Gewalt in sozialpädagogischen Einrichtungen gegeben. Heyse, Erpenbeck und Michel (2002), die sich mit beruflicher Weiterbildung befassen, legen bereits 2002 Folgendes in Bezug auf Kompetenzen dar:
„Die Entwicklung von Kompetenzen bildet (…) zunehmend den Mittelpunkt einer modernen beruflichen Weiterbildung“ (Heyse/Erpenbeck/Michel 2002: II).
Seither ist Kompetenzorientierung noch zu einem viel größeren Schlagwort geworden und über die Bildungsstandards sowohl im Schul- als auch Hochschulwesen fix verankert. Es gibt auch kritische Stimmen zum Kompetenzbegriff, welcher ‚überhand‘ genommen hat und den Bildungsbegriff dadurch ein Stück weit ‚ablöst‘. Kritisiert wird im Rahmen dessen der Verlust eines utopischen, gesellschaftstransformierenden Potenzials. Während der Bildungsbegriff ein utopisches, also auch transformatives Element in Bezug auf gesellschaftliche Verhältnisse enthält, betont die Kompetenz als ein Konzept im Rahmen einer Persönlichkeitstheorie die subjektive Seite und die Bewältigung praktischer (Lebens-)Probleme. Ganz in diesem Sinne einer Persönlichkeitstheorie definieren Erpenbeck und Heyse (1999: 157) grundlegende Selbstorganisationsdispositionen.
Unter einer Disposition wird „die Gesamtheit der bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entwickelten inneren Voraussetzungen zur psychischen Regulation einer Tätigkeit“ (Schmidt 2005: 159f) verstanden. Als grundlegende Selbstorganisationsdispositionen bezeichnen Erpenbeck und Heyse (vgl. 1999: 157) beispielsweise sich selbst gegenüber reflektierend und kritisch zu sein, bzw. mit fachlichem und methodischen Wissen ausgerüstet, offene und unscharfe Probleme schöpferisch zu bewältigen; mit anderen kreativ zu kooperieren und zu kommunizieren oder produktive Einstellungen, Werthaltungen und Ideale zu generieren. All diese Selbstorganisationsdispositionen sind in Bezug auf Gewaltprävention und Umgang mit jugendlicher Gewalt erforderlich und kamen im Workshop zum Einsatz. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse und das Resultat der je personal bewältigten Situationen und Herausforderungen in den kollegialen Austausch gebracht. In Bezug auf das Thema Gewaltprävention, bzw. den Umgang mit jugendlicher Gewalt hat es im biografischen Lebensverlauf der Mitarbeiter_innen in irgendeiner Form einen Kompetenzerwerb gegeben. Sei es durch Schule und Ausbildung oder durch gewisse Anforderungen, die in der eigenen Biografie liegen, sei es durch die bereits ausgeübte praktische Tätigkeit in den Wohngruppen, durch die Zuständigkeit für Jugendliche und den täglichen Umgang, durch Weiterbildung, Supervision, Gespräche mit anderen, die ähnliche Aufgaben bewältigen. Diese Kompetenzen werden bewusst gemacht und bilden den Ausgangspunkt der weiteren Beschäftigung. Die Fortbildung zielte darauf ab, die in den Teams der Wohngruppen des Südtiroler Kinderdorfes vorhandenen Kompetenzen für alle nutzbar zu machen und (dabei) eigene Kompetenzen ganz konkret weiterzuentwickeln.
5. Ablauf des Workshops2
In einem ersten Schritt geht es um die Reflexion des Kompetenz-Begriffs. Was fällt den Mitarbeiter_innen zu ‚Kompetenzen‘ ein, wie stehen sie zu diesem Begriff in Bezug auf den Umgang mit (jugendlicher) Gewalt und Gewaltprävention? Welche Verbindungen können geknüpft werden zwischen sozialpädagogischen Kompetenzen und Gewaltprävention und Umgang mit jugendlicher Gewalt in stationärer sozialpädagogischer Unterbringung?
Anschließend werden in Einzelarbeit alle Kompetenzen, die die Mitarbeiter_innen in Bezug auf den Umgang mit Gewalt in ihrem Leben bereits gewonnen haben, auf ein Blatt Papier geschrieben (siehe dazu auch den Anhang: Selbstbefragung zu Kompetenzen, die im Lebensverlauf in Bezug auf Gewaltprävention und Umgang mit jugendlicher Gewalt erworben wurden). Die Auflistung wird nicht öffentlich gemacht. Im Plenum werden dann gemeinsam alle Kompetenzen gesammelt, die in Bezug auf die Jugendarbeit in den stationären Wohngruppen bezüglich des Umgangs mit Gewalt aus der Sicht aller Beteiligten erforderlich sind, bzw. hilfreich sein könn[t]en. Im Anschluss wird die eigene Kompetenzliste mit der Liste der erforderlichen Kompetenzen abgeglichen und es wird festgestellt, welche Kompetenzen (individuell) noch gebraucht, bzw. im Sinne einer Verbesserung der professionellen Handlungsfähigkeit weiterentwickelt werden könnten. Danach wird bei einem ‚Marktplatz der Kompetenzen‘ die fehlende Kompetenz, oder die, an der Interesse besteht, ‚eingeholt‘. Dies geschieht in Form von 10-minütigen Interviews, die je mit denjenigen Personen vereinbart werden, die die einem selbst noch fehlende Kompetenz oder die Kompetenz, an der man selbst interessiert ist, die man weiterentwickeln will, ‚anzubieten‘ haben. Dazu werden Terminlisten für Zweiergespräche angefertigt, die im Anschluss abgearbeitet werden. Zurück im Plenum wird die gemeinsame Arbeit reflektiert. Abschließend werden in Einzelreflexion zwei konkrete Schritte vermerkt, die die einzelnen Mitarbeiter_innen in Bezug auf ihre eigene Kompetenzentwicklung in nächster Zeit konkret ‚angehen‘ wollen, und wodurch dies ganz konkret geschehen könnte. Einige dieser Selbstreflexionsergebnisse können im Plenum öffentlich gemacht werden, es besteht aber kein Zwang dazu. Die Dauer des Workshops ist mit 4 Stunden inklusive 1/2 Stunde Pause minimal anzuberaumen, die Teilnehmer_innenzahl ist mit 16 ideal.
6. Hintergrund und Effekte
Die verschiedenen Sequenzen (Einzelarbeit, Zweiergruppenarbeit, Plenum), die im Ablaufmodell vielleicht ,banal‘ erscheinen, sind in ihrer Gesamtheit dazu geeignet, folgende Lern und Entwicklungsfördernden Prozesse anzuregen:
Die Konzentration auf Kompetenzen (statt Fachwissen) lenkt die Aufmerksamkeit auf die je eigene Praxis der Mitarbeiter_innen, auf Situationen, die schon durchlebt wurden. Durch das Nachdenken über die von der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter selbst wahrgenommenen Kompetenzen in der Gewaltprävention und im Umgang mit jugendlicher Gewalt wird ein Prozess angeregt, der die Aufmerksamkeit vom ‚hilflos sein‘ abzieht und auf die potenziellen Handlungsoptionen lenkt. Der Workshop wurde unter anderem aus dem Grund abgehalten, da sich Mitarbeiter_innen angesichts jugendlicher Gewalt (Zerstörungen, Übergriffe) und nicht zuletzt angesichts des Verbots, selbst mit Gewalt oder Strafen zu reagieren, als hilflos wahrgenommen hatten. Hilflosigkeitsempfinden bewirkt in der Regel den Ausschluss vieler möglicher alternativer Handlungsoptionen im Zusammenhang mit gewalttätigem Verhalten oder der Gewaltprävention. In der Regel sind die Handlungsoptionen von Mitarbeiter_innen größer und Variantenreicher als diejenigen der Gewalt ausübenden Jugendlichen. Das realistische Wahrnehmen dieser Handlungsoptionsbreite kann bereits Gelassenheit und Stabilität bewirken und vermitteln und somit potenziell deeskalierend wirken. Das gemeinsame Nachdenken über die erforderlichen Kompetenzen im Umgang mit jugendlicher Gewalt forciert einen Prozess der Entwicklung eines geteilten Verständnisses und einer geteilten Haltung in Bezug auf Gewaltprävention und deeskalierende Umgangsweisen im Zusammenhang mit jugendlicher Gewalt, bzw. eine eigene Positionierung in Bezug auf die allgemeine Haltung der Einrichtung. Dadurch werden potenziell die Teams gestärkt, da solche Themen in einem alltäglichen Rahmen oft nicht angesprochen werden können. Werden Erfahrungen, Ansichten, Leitgedanken, Haltungen etc. im Rahmen des Workshops unter der Gegebenheit eigenen Expert_innentums ausgesprochen, erklärt, definiert, diskutiert, werden Interventionen oder Möglichkeiten konstruktiven Umgangs konkret erfassbar. Die Vorstellungen bezüglich allgemeiner Kompetenzen, die in Wohngruppen erforderlich sind, um in der Gewaltprävention und mit jugendlicher Gewalt in einer deeskalierenden, an demokratischen Werten orientierten und in der Konsequenz konstruktiven Weise umgehen zu können, müssen ausgesprochen werden, da sie allgemein verhandelt werden und kein Mitarbeiter und keine Mitarbeiterin sich persönlich in Bezug auf eine selbst wahrgenommene Inkompetenz ‚verantworten‘ muss. Mitverhandelt werden dabei auch Ansprüche an die Teammitglieder und die Teamprofessionalität. Beim Marktplatz der Kompetenzen, welcher entsprechend der Prinzipien NFLs einige affektive und praktische Dimensionen von Lernen enthält, geht es darum, eigene (angebotene) Kompetenzen weiterzuvermitteln, bzw. zu erklären. Nicht selten wird an diesem Punkt erkannt, dass man gar nicht so ‚kompetent‘ ist, wie man ursprünglich meinte, dass man selbst nicht mehr ganz überzeugt ist von dem, was man ursprünglich angenommen hat, hier jedoch in Form einer Haltung die meist3 nicht ‚Hilflosigkeit‘ sondern ‚Das-genau-wissen-Wollen‘ bewirkt, bzw. die Suche nach alternativen Wissensquellen. Zum Dazulernen gehört immer auch das Verlernen, das Hinterfragen von gewohntem Denken oder vermeintlichen Gewissheiten. Erst dadurch werden neue Differenzierungsmöglichkeiten erkannt. Am Marktplatz der Kompetenzen werden zum Teil ganz konkrete Handlungsweisen weitervermittelt, die vom Gegenüber gar nicht gewusst, bzw. gar nicht für durchführbar gehalten wurden. Ein Verständigungsprozess wird in Gang gebracht, in dem durch das Erklären auch die je eigene Kompetenz des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin bewusster werden kann. Oder Lücken des je eigenen Verständnisses werden durch eine Nachfrage des Gegenübers offensichtlich. Im letzten Schritt werden konkrete Pläne der eigenen Kompetenzerweiterung gefasst. Durch die Wahrung der ‚Privatsphäre‘ (biografische Kompetenzlisten sowie konkrete Handlungsschritte zur Kompetenzerweiterung werden nicht öffentlich gemacht) gibt es keinen Grund, einen eigenen Entwicklungsbedarf nicht wahrzunehmen. Lern- und Entwicklungsbedarf kann den Mitarbeiter_innen selbst bewusst werden. Meist stellt sich aber auch ein zufriedenes Gefühl angesichts der gemeinsam erfassten und geklärten Kompetenzen ein, die eine gute Grundlage der gemeinsamen Arbeit bilden. Ein Gefühl, kein Einzelkämpfer, keine Einzelkämpferin sein zu müssen, wirkt ebenfalls potenziell deeskalierend. Insgesamt stärkt die Erfahrung des gemeinsamen Austausches den Zusammenhalt. Ein gemeinsames Bewusstsein an derselben Sache mit ähnlichen Problemen zu arbeiten kann entstehen sowie die Stärkung einer Identität als kompetente(r), jedoch weiterlernende(r) Sozialpädagog_in.
7. Allgemeines Fazit und Ausblick
Gewaltprävention sowie der Umgang mit jugendlicher Gewalt in stationären sozialpädagogischen Einrichtungen macht Kontext-, Personen- und Situationsangemessene Konzepte und Strategien erforderlich. Ausgehend von einer in Bezug auf Gewaltprävention und Umgang mit jugendlicher Gewalt entscheidenden Ebene personaler, fachlicher und Teambezogener Mitarbeiter_innenkompetenz in stationären Einrichtungen und ausgehend von wissenschaftlichen Erkenntnissen in Bezug auf Gewalt und Gewaltprävention wurde im vorliegenden Artikel argumentiert, dass partizipatives Erarbeiten praktischer Strategien in der Gewaltprävention und im Umgang mit Jugendlicher Gewalt auf der Ebene der Mitarbeiter_innen sozialpädagogischer Einrichtungen eine mögliche und nützliche Form der Wissensgenerierung ist. Insbesondere dadurch, da nicht Repression, Disziplin und Strafe, sondern der Zuwachs an Selbstbestimmung und Beteiligung und die vergrößerte allgemeine Lebens- und Alltagsgestaltungskompetenz der Kinder und Jugendlichen ein zentrales Thema in Bezug auf Gewaltprävention ist. Inhalte, die auf die stärkere Partizipation Beteiligter zielen, werden bestenfalls durch eben diese Prinzipien erarbeitet. Durch den kooperativen Einsatz der Dispositionen zur Selbstorganisation aller Mitarbeiter_innen, die mit der Thematik zu tun haben, können konkrete Organisationsbezogene Strategien und ‚alltagstaugliche‘ fachliche und personale Kompetenzen (weiter-)entwickelt werden, die in der Gewaltprävention wirksam werden. Dies wurde am Beispiel eines im Südtiroler Kinderdorf durchgeführten Workshops dargestellt, in welchem Grundprinzipien NFLs zur Anwendung kamen. NFL wird vor allem in der internationalen Jugendbildung eingesetzt und es wäre naheliegend, unter Einbezug zentraler Elemente von NFL zukünftig ein Setting zu entwickeln, indem sich auch Kinder und Jugendliche in angemessener Form an der Entwicklung von Strategien im Umgang mit Gewalt in stationären sozialpädagogischen Einrichtungen beteiligen können (ohne dabei für die Zwecke der Einrichtung instrumentalisiert zu werden). Angesichts der zuvor dargelegten umfangreichen Wissensinhalte zum Thema Gewalt und Gewaltprävention erscheint darüber hinaus eine Weiterentwicklung von Formaten der laufenden Praxis- und Kompetenzbezogenen Weiterbildung sozialpädagogischer Mitarbeiter_innen, die in hohem Maße auf Selbstorganisation durch die Mitarbeiter_innen beruhen, interessant.
Verweise
1 Ein intersektionaler Ansatz, wie er in der Gewaltinfo des Bundesministeriums für Familie und Jugend beschrieben wird, macht die wechselseitigen Zusammenhänge gesellschaftlicher Positionen (in deren Kontext sich individuelle Lebensumstände bewegen) potenziell analytisch erfassbar und ist dazu geeignet, Gewalt als Phänomen zu erfassen ohne zu generalisieren. (vgl. z. B. Scambor 2013)
2 Der Ablauf des Workshops wurde mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Gerald Thurnher in allen wesentlichen Schritten aus einer internen Veranstaltung zur Organisationsentwicklung und zum Wissensmanagement des ABW & SPI Netz/Innsbruck übertragen, die Dr. Gerald Thurnher selbst konzipiert hat.
3 Ich habe diesen, bzw. ähnlich konzipierte Workshops schon in unterschiedlichen Kontexten wiederholt, daher ist ‚meist‘ ein angemessener Ausdruck für den beschriebenen Effekt.
Anhang
Selbstbefragung zu Kompetenzen, die im Lebensverlauf in Bezug auf Gewaltprävention und Umgang mit jugendlicher Gewalt erworben wurden:
Literatur
Arnold, R. (2007): Aberglaube Disziplin. Antworten der Pädagogik auf das „Lob der Disziplin”. Heidelberg.
BMFJ – Bundesministerium für Familien und Jugend (o.J.): Leitfaden für gewaltfreie sozial-/pädagogische Einrichtungen. https://www.bmfj.gv.at/familie/gewalt/leitfaden-gewaltfreie-einrichtungen.html (28.12.2016)
Chisholm, L. A. (2000): Towards a Revitalisation of Non-formal Learning for a Changing Europe. Report of the Council of Europe Youth Directorate Symposium on Non-formal Education. Strasbourg.
Del Valle, Jorge F. (2014): Children in State Care. In: Ben-Arieh, A. et al. (Hg.): Handbook of Child Well-Being. Dordrecht: Springer Science+Business Media, DOI 10.1007/978-90-481-9063-8_119.
Erpenbeck, J. / Heyse, V. (1999): Die Kompetenzbiographie. Strategien der Kompetenzentwicklung durch selbstorganisiertes Lemen und multimediale Kommunikation. Münster/New York/Berlin: Waxmann.
European Commission (2000): A Memorandum on Lifelong Learning. SEC (2000) 1832, Brussels, http://www.bologna-berlin2003.de/pdf/MemorandumEng.pdf (22.07.2005).
Herriger, N. (2002): Empowerment in der sozialen Arbeit. Eine Einführung. 2. Aufl., Stuttgart.
Heyse, V. / Erpenbeck, J. / Michel, L. (2002): Lernkulturen der Zukunft. Kompetenzbedarf und Kompetenzentwicklung in Zukunftsbranchen. In: Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung (Hg.): QUEM-Report 74- Berlin (QUEM).
Meyer, P. (2004): Grundlagen menschlicher Gewaltbereitschaft. Beiträge evolutionärer Forschung. In: Heitmeyer, W. / Soeffner, H.-G. (Hg.): Gewalt. Entwicklungen, Strukturen, Analyseprobleme. Frankfurt a. M., S. 383-410.
Scambor, Elisabeth (2013): Intersektionale Gewaltprävention – eine Frage der Haltung. http://www.gewaltinfo.at/themen/2013_05/intersectionale_gewaltpraevention.php (28.12.2016)
Schmidt, Siegfried J. (2005): Lernen, Wissen, Kompetenz, Kultur. Vorschläge zur Bestimmung von vier Unbekannten. Heidelberg: Carl-Auer Systeme, http://www.carl-auer.de/programm.php?isbn=3-89670-496-6 (22.12.2008).
Schubarth, W. (2000): Gewaltprävention in Schule und Jugendhilfe: Theoretische Grundlagen, empirische Ergebnisse, Praxismodelle. Neuwied: Kriftel.
Volksanwaltschaft (Hg.) (2016): Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat 2015. Präventive Menschenrechtskontrolle, http://volksanwaltschaft.gv.at/downloads/8n2qb/PB39pr%C3%A4ventiv.pdf (28.12.2016)
Über die Autorin
Mag. phil. Andrea Nagy
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