soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 18 (2017) / Rubrik "Werkstatt" / Standort Graz
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/535/967.pdf


Regina Enzenhofer:

Erasmus+-Projekt INCREASE

Interdisziplinäre Weiterentwicklung von Kompetenzen für BetreuerInnen in stationären Jugend[hilfe]einrichtungen und Kriseninterventionszentren


1. Einleitung

Jugendliche, die im Rahmen der stationären Kinder- und Jugendhilfe, des Flüchtlingswesens und auch Behindertenhilfe betreut und begleitet werden, stellen insbesondere dann sehr komplexe Anforderungen an MitarbeiterInnen dieser Einrichtungen, wenn sie aufgrund verschiedenster Entwicklungs- und Erfahrungshintergründe besonders auffällige Verhaltensweisen „leben“. Diese äußern sich im Alltag als depressives und/oder höchst aggressives Verhalten, Angstzustände, Selbstverletzungen, latente Selbst- und/oder Fremdgefährdungen, mangelnde Lernkompetenzen oder Arbeitshaltungen, Schulverweigerung, Suchtmittelkonsum, Delikte etc.

Oftmals kommt es dann bei fehlender Zusammenarbeit aller relevanten Fachrichtungen bzw. zuständigen Einrichtungen zu einer dauerhaften Überforderung der BetreuerInnen und damit zu einer vorzeitigen Entlassung von Jugendlichen. Andere Zuständige versuchen in der Folge – früher oder später – erneut, eine tragfähige Betreuungsform für diese, teilweise schon als „unbetreubar“ wahrgenommenen Jugendlichen zu entwickeln. Und oftmals geht man dann letztendlich davon aus, dass sie nur noch in Spezialeinrichtungen betreut werden können.

Diese Erfahrungen in der direkten Arbeit mit fremduntergebrachten Jugendlichen werden seit vielen Jahren in Arbeitsgruppen, Vernetzungsgremien sowie Tagungen diskutiert, auf regionaler und nationaler Ebene. Beispiele dafür sind in der Steiermark die IGSWG, die Plattform Jugendwohlfahrt – Jugendpsychiatrie, die Suchtkompetenzgruppe, die Tagung „Gelungene Kooperation von Jugendwohlfahrt und Jugendpsychiatrie“, oder österreichweit die JuQuest-Tagungen. Es geht dabei immer auch um die Initiierung, Umsetzung, Verbesserung der Kooperationen verschiedener Fachdisziplinen und Zuständigkeitsbereiche. Anfang 2015 nutzten wir, die Jugend am Werk Steiermark GmbH, die Möglichkeit, im Rahmen des aktuellen EU-Programms für Jugend, Bildung und Arbeitsmarkt ein „Erasmus+: Jugend in Aktion – Key Action 2-Projekt“ zu beantragen. Diese Förderlinie fokussiert auf länderübergreifende Projekte, die als „Strategische Partnerschaften“ unter anderem neue Methoden und Lernangebote entwickeln. Sie sollen nachhaltig wirken und auf systematischer Ebene zu Veränderung beitragen (vgl. Jugend in Aktion 2017).

Das Projekt INCREASE sollte insbesondere mit der Entwicklung eines Weiterbildungscurriculums eine Basis schaffen, interdisziplinäre Handlungskompetenzen von MitarbeiterInnen mit der Zuständigkeit der stationären sozialpädagogischen Betreuung und Begleitung von Jugendlichen zu fördern. Dies aus der Gewissheit heraus, dass Betreuungs- und damit auch Beziehungsabbrüche mit Jugendlichen reduziert werden können, wenn sie, die im Alltag in Abstimmung mit den TeamkollegInnen rund um die Uhr mit den Jugendlichen arbeiten, mit hoher Bewusstheit hinsichtlich der geforderten personalen, sozialen und Fachkompetenz auch fallführend und Netzwerke für die Jugendlichen initiierend tätig sein können. Der Aufgabenbereich umfasst, wie im Projektantrag (Jugend am Werk Steiermark GmbH 2015: 3) erläutert,

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2. Eckdaten zum Projekt

2.1 Projektpartner

Bei der Zusammensetzung der Projektpartnerschaft von INCREASE wurde darauf geachtet, dass die beteiligten Organisationen Kompetenzen sowie Erfahrungen zu den verschiedenen, für das Projekt relevanten Arbeitsbereichen mitbringen: direkte Arbeit mit stationär betreuten Jugendlichen, sowohl professioneller Art als auch im Freiwilligenbereich, Weiterbildung, Forschung, EU-Projekte. Das Konsortium setzt sich aus den folgenden sieben Organisationen zusammen:

Eine zusammenfassende Information über die Arbeitsbereiche der einzelnen Partnerorganisationen ist auf der Projekt-Homepage www.jugendinaktion.at zu finden.


2.2 Projektdauer

Die Projektdauer bzw. Finanzierung war auf 24 Monate ausgerichtet, gegen Ende der Laufzeit wurde eine Verlängerung um zwei Monate beantragt und genehmigt (allerdings ohne Ausweitung des finanziellen Förderrahmens). Diese war nötig geworden, da es aufgrund von Personalwechsel bei einzelnen Organisationen sowie ungeplanten extremen Herausforderungen im sonstigen Arbeitsalltag zu mehreren Verzögerungen bei der Entwicklung der Produkte gekommen war. Das Projekt startete im September 2015, und wird im November 2017 abgeschlossen.


2.3 Projektförderung

INCREASE wurde durch die Nationalagentur „Interkulturelles Zentrum“ genehmigt. Diese ist in Österreich die für „Erasmus+: Jugend in Aktion“-Projekte zuständig. Die Finanzierung erfolgt mit Unterstützung der Europäischen Kommission, einen Teil tragen aber auch die Projektpartner selbst.


3. Projektauftrag

Entsprechend der Förderlinie „Erasmus+: Jugend in Aktion – Key Action 2“ bzw. der Konzeption des INCREASE-Projekts entwickeln die Projektpartner gemeinsam drei „Intellectual Outputs“, diese werden jeweils von einer Partnerorganisation geleitet. Jugend am Werk Steiermark als Projektnehmer organisiert zudem eine Abschlussveranstaltung.


3.1 Intellectual Outputs (IO)

3.1.1 IO 1: INCREASE-Forschungsstudie

Um mehr über den Rahmen, den Bedarf und die Möglichkeiten der Zielgruppe des Projekts, die MitarbeiterInnen von stationären Einrichtungen für Jugendliche, zu erfahren, analysieren die Projektpartner für jedes Land relevante Faktoren und Studien und führen eine Fragenbogenerhebung sowie ExpertInneninterviews durch. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen in Bezug auf Inhalte, Aufbau und Dauer des Weiterbildungsprogramms. Die Ergebnisse werden in einem Forschungsbericht veröffentlicht.


3.1.2 IO 2: INCREASE-Curriculum und Lernunterlagen

Auf Grundlage der Forschungsstudie entwickeln die Partner ein Weiterbildungscurriculum im Ausmaß von ca. 80 Lerneinheiten und 3-4 ECVET-Punkten, das besonders auf die Entwicklung von interdisziplinären Handlungskompetenzen abzielt. Dieses wird in den Partnerländern (ausgenommen Deutschland) einmal mit zumindest zehn TeilnehmerInnen in Form eines Pilottrainings umgesetzt. Die Rückmeldungen werden durch die Partnerorganisation aus Deutschland evaluiert; aufgrund der Ergebnisse erfolgt eine Revision. Das Curriculum inklusive Lernunterlagen wird veröffentlicht und steht somit allen Interessenten zur Weiterverwendung zur Verfügung.


3.1.3 IO 3: INCREASE-Empfehlungen

Während der gesamten Projektdauer wird an der Entwicklung von Empfehlungen gearbeitet, die im Zusammenhang mit dem Projektschwerpunkt stehen. Diese Sammlung kann dann bei künftigen jugendpolitischen Diskussionen, Entwicklungen und Entscheidungen auf nationaler, aber auch europäischer Ebene Berücksichtigung finden. Das Empfehlungspapier wird ebenfalls veröffentlicht.


3.1.4 INCREASE-Multiplier Event

Im Rahmen einer internationalen Tagung in Graz werden die Ergebnisse an die Stakeholder des INCREASE-Projekts präsentiert und diskutiert. Dies sind zum einen die MitarbeiterInnen von stationären Einrichtungen, zum anderen aber alle (potenziellen) Kooperationspartner bzw. -organisationen sowie EntscheidungsträgerInnen in Organisationen, Behörden und auf politischer Ebene.


4. Umsetzung des Projekts

Das Projekt läuft mittlerweile beinahe zwei Jahre, es gibt viele Erfahrungswerte bei allen Beteiligten und zielführende Entwicklungen. Einige Projekt-MitarbeiterInnen waren bereits recht erfahren in der Umsetzung von EU-Projekten. Damit konnten beispielsweise die (möglichen) Erwartungen hinsichtlich der Qualität der erarbeiteten Produkte klar kommuniziert werden, letztendlich dann bei der Projektabnahme geforderte Nachweise (Teilnehmerlisten von Projekttreffen, Finanzbelege etc.) wurden nicht vergessen, die Informationsweitergabe über das Projekt an Stakeholder (BetreuerInnen von stationären Einrichtungen, Organisationen anderer relevanter Zuständigkeiten wie zum Beispiel SozialarbeiterInnen oder Jugendpsychiatrie, die öffentliche Verwaltung etc.) war von Anfang an im Handlungsplan mitberücksichtigt, der Projektverlauf wurde mehrfach evaluiert.

Wie im sonstigen Arbeitsalltag auch, beeinflussen die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen von Organisationen sowie die fachlichen und persönlichen Kompetenzen der MitarbeiterInnen das zielorientierte Vorankommen des Projekts INCREASE ganz wesentlich. Erfreulich war von Beginn an, dass das Interesse und Engagement von allen beteiligten Projektpartnern bzw. der MitarbeiterInnen sehr groß war. Damit konnte die Projektidee über die gesamte Projektlaufzeit fokussiert verfolgt werden.


4.1 Arbeitsweise und Herausforderungen

Im Rahmen von jeweils zweitägigen Projekttreffen wurden die Grundlagen sowie Ideen für die (Weiter-)Arbeit am Projekt von den jeweils für die Koordination hauptverantwortlichen Partnern präsentiert und dann von allen diskutiert und die nötigen Entscheidungen getroffen. Beim ersten Treffen im Oktober 2015 in Florenz erfolgte aufgrund der teilweise unterschiedlichen rechtlichen Situation sowie der sonstigen Gegebenheiten und Handhabung der stationären Betreuung von Jugendlichen in den einzelnen Ländern die Konkretisierung der Zielgruppe und eigentlichen NutznießerInnen wie folgt: INCREASE fokussiert

Weiters wurden die Eckpfeiler der Bedarfserhebung konkretisiert. Im April 2016 fand in Ulm das zweite Treffen statt. Auf Basis der Ergebnisse der Erhebung in allen Partnerländern (IO 1) und der Vorgaben des Projekts (Umfang, Pilottraining etc.) wurden die Grundannahmen für die Entwicklung des Curriculums konkretisiert. Und es galt, die Grundlagen von ECVET so weit zu verstehen, dass in der folgenden Entwicklungsarbeit von jedem Partner die in den Modulen beabsichtigten Lernergebnisse formuliert sowie die Überprüfung dieser Zielerreichung durch entsprechende Aufgaben konkretisiert werden können.

Das dritte Treffen im Jänner 2017 in London wurde in hohem Ausmaß der Erarbeitung der formalen und organisatorischen Grundlagen für die Umsetzung des Pilottrainings in den einzelnen Ländern genutzt: maximal fünf Tage im Zeitraum März bis Mai 2017; Reihenfolge der einzelnen Modulaktivitäten festlegen; MitarbeiterInnen aus stationären Einrichtungen, die mindestens ein und maximal sieben Jahre Erfahrung haben; die TrainerInnen müssen Erfahrung in der stationären Arbeit oder einen besonderen Bezug dazu über Kooperationsbeziehungen zu stationären Einrichtungen haben. Weiters wurde die Evaluation des Pilottrainings diskutiert und der Umfang der Fragen auf eine gute Effizienz hinsichtlich der möglichen Empfehlungen für die Revision des bereits entwickelten Curriculums ausgerichtet.

Klarerweise dienen solche Projekttreffen auch dem persönlichen Kennenlernen bzw. auch dem Austausch der einzelnen beteiligten Personen. Die informellen Zusammenkünfte am jeweiligen Vorabend sowie die Mittag- und Abendessen bieten dafür eine gute Möglichkeit. Damit kann sich eine zusätzlich tragende Basis für den zielführenden Projektabschluss entwickeln. Denn das gemeinsame Erarbeiten der wesentlichen Inhalte und Schritte der nächsten Projektphase sowie die fachlich und vom zeitlichen Aufwand her ausgewogene Aufgabenverteilung zwischen den Partnerorganisationen sind eine enorme Herausforderung während des gesamten Projektzeitraums.

Zusammengefasst bezeichne ich die Zusammenarbeit in einem EU-Projekt als „Teamarbeit in Fernbeziehung“. Denn außerhalb der Projekttreffen erfolgt die Verständigung zwischen den Partnern in der Regel per E-Mail, in besonderen Situationen einer Arbeitsphase von Projekt-Untergruppen oder bei zwischendurch nötigen größeren Teamentscheidungen haben aber Arbeitsgespräche mittels Telefon die bessere Effizienz. Aus Kostengründen erfolgen diese ebenfalls via Internet (Skype o. ä.), auch wenn es zeitweise Verbindungsprobleme bzw. eine schlechte Leitungsqualität gibt.

Eine solche Projektarbeit unterscheidet sich aber in einem weiteren Punkt ganz wesentlich von der Teamarbeit in stationären Einrichtungen oder der Entwicklung eines nationalen/regionalen Projekts: Die gemeinsame Sprache ist Englisch. Die (Zwischen-)Ergebnisse werden allerdings meist in der Landessprache entwickelt, dann wird übersetzt und an alle Partner verschickt bzw. auf die gemeinsame Arbeitsplattform hochgeladen. Letztendlich werden alle Ergebnisse in die Landessprachen übersetzt, damit sie auf nationaler Ebene gut nutzbar sind.

Insgesamt war der Projektverlauf von INCREASE von Anfang an sehr zufriedenstellend, besondere Herausforderungen wurden im Wesentlichen recht konstruktiv bewältigt. Fachliche und methodische Schwerpunktsetzungen sowie Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Ausmaßes oder der tatsächlichen Wahrnehmung von Zuständigkeiten konnten nach längeren Diskussionen oder durch spezifische Inputs einzelner Partner geklärt bzw. gelöst werden. Bei zwei Partnerorganisationen gab es mehrmals einen Wechsel der zuständigen MitarbeiterInnen, gute Übergaben sowie hohes Engagement der neuen, aber auch die breite Bereitschaft aller anderen, diese möglichst rasch mit der nötigen Unterstützung und Geduld in die weitere Projektarbeit einzubinden, ermöglichten jeweils einen halbwegs kontinuierlichen Fortgang von INCREASE. Mehrere Partner waren immer wieder über längere Zeit durch ihre Zuständigkeiten im angestammten Arbeitsbereich oder durch weitere Projekte sehr gebunden, sodass vereinbarte Termine mehrfach nicht eingehalten werden konnten. Und letztendlich stellte sich auch immer wieder die Frage, wie damit umgegangen werden kann, wenn die geförderte Zeit bzw. das gegebene Budget nicht ausreichend zur Verfügung steht, inwiefern Abstriche von der ursprünglichen Idee sowie von Ansprüchen gemacht werden können bzw. müssen, oder ob über die eigene Organisation zeitliche Kapazität eingebracht werden kann. Denn das Ziel aller Projektpartner war, Ergebnisse zu entwickeln, die in jedem Land auch künftig gut genutzt werden können. Letztendlich waren aufgrund des Projektverlaufs zwei Änderungsanträge an die Nationalagentur nötig:

Beide Änderungsanträge wurden genehmigt.


4.2 Ergebnisse und aktueller Stand

Die Zusammenfassung der Ergebnisse der INCREASE-Forschungsstudie (IO 1) lassen sich folgendermaßen beschreiben: Der Bedarf an Weiterbildung für MitarbeiterInnen in stationären Einrichtungen für Jugendliche ist hoch. Da jedes Land sein eigenes Jugendhilfesystem mit eigener Geschichte, eigenen rechtlichen Anforderungen und auch fachlichen Standards hat, könnte das auch die Ausbildung bzw. Qualifikation der MitarbeiterInnen beeinflussen und damit auch den professionellen Ansatz in der stationären Einrichtung. Allerdings gaben zwischen 60% (Großbritannien) und 100% (Italien) der 164 befragten MitarbeiterInnen von stationären Einrichtungen an, dass sie das Gefühl unzureichenden Know-hows in bestimmten Situationen kennen. Wenngleich mit etwas unterschiedlicher Gewichtung, wurden die Themenbereiche Zusammenarbeit, Vernetzung, interdisziplinäre Diagnose, rechtliche Rahmenbedingungen, Handlungsfelder und Verantwortlichkeiten, Innovationen in der Sozialpädagogik/Jugendarbeit und Sozialarbeit sowie mit der Sozialarbeit und -pädagogik verknüpfte Disziplinen als bedeutsam in allen beteiligten Ländern bestätigt. Die Antworten der 95 MitarbeiterInnen von kooperierenden Einrichtungen verschiedener Zuständigkeiten (Jugendamt, Jugendpsychiatrie, Schule, Bewährungshilfe, Arbeitsprojekte usw.) betonten ebenfalls, dass die Betreuungspersonen für Jugendliche in diesen Bereichen mehr Wissen benötigen, um mit den komplexen Herausforderungen adäquat umgehen zu können. Die Weiterbildung solle in erster Linie praktisch und fallorientiert sein, viele scheinen skeptisch in Bezug auf die Methodik des Fernstudiums zu sein.

Für das INCREASE-Curriculum wurden diese Themenbereiche in fünf Module eingearbeitet:

Ergänzend werden in jedem Modul auch der rechtliche Rahmen sowie die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten der verschiedenen Beteiligten einbezogen.

Inhaltlich wurde darauf geachtet, dass der Fokus auf die Herausforderung der (sozial-)pädagogischen Zuständigkeit für stationär betreute Jugendliche im Alter von 13-18 Jahren gerichtet ist. Da diese in Krisensituationen sowie bei kritischen Betreuungsverläufen sehr hoch ist, soll durch die Vermittlung von Fach- und Handlungswissen zu den Modulthemen sowie durch die Entwicklung von konkreten Handlungskompetenzen (z. B. Handlungsleitfaden bei Betreuungskrisen für das Team erstellen/kommunizieren/adaptieren) und interdisziplinärem Selbstverständnis die Arbeit mit Jugendlichen mit besonderen Bedarfslagen sowie sehr dynamischen Gruppenkonstellationen in ihrer Komplexität professioneller wahrgenommen und damit (noch) besser und somit auch zufriedenstellender ausgeführt werden können. Methodisch nehmen die Reflexion eigener Erfahrungen mit Fällen, Teamarbeit und Kooperation/Vernetzung sowie lösungsorientiertes Ideen-Entwickeln einen zentralen Platz ein, aber auch Vorträge und das Durcharbeiten von Lernunterlagen und einschlägigen Fachartikeln ist vorgesehen. Jedes Modul besteht zur Hälfte aus Trainings mit Anwesenheit (face-to-face) und Fernstudium/Heimarbeit (distant-learning). Weiters sind, in Abstimmung mit den Interessen der TeilnehmerInnen, zwei Exkursionen in spezialisierte Einrichtungen anderer Fachrichtungen (z. B. Jugendpsychiatrie, Justiz, Sozialarbeit/Jugendamt) als Angebot eingeplant.

Im Rahmen eines Pilottrainings wurde das Curriculum in vier Ländern (Österreich, Italien, Griechenland und Rumänien) umgesetzt. Die Evaluation auf mehreren Ebenen (zu jedem Modul sowie dem gesamten Training mittels Fragebogen; nach jedem Trainingstag bzw. Trainerwechsel Vergabe von Punkten) ergab, dass die TeilnehmerInnen, TrainerInnen und Organisatoren insgesamt recht zufrieden waren mit der Weiterbildung (siehe Tabelle 1):

  Alle Österreich Italien Rumänien Griechenland
TeilnehmerInnen 5,32 (0,64) 4,59 (0,49) 5,20 (0,57) 5,85 (0,10) 5,65 (0,34)
TrainerInnen 5,07 (0,75) 4,78 (0,75) 5,36 (0,51) 5,09 (0,13) 5,32 (0,58)
Organisatoren 5,40 (0,89) 5,00 (0,00) 6,00 (0,00) 5,00 (0,00) 6,00 (0,00)

Tabelle 1: Zufriedenheit insgesamt auf einer 6 Punkte-Likert-Skala von 0 (überhaupt nicht zufrieden) bis 6 (voll zufrieden); Daten als Mittelwert (und Standardabweichung) (Universität Ulm 2017: 12)

TrainerInnen grundsätzlich zufrieden waren mit der Auswahl und dem erzielten/beabsichtigten Nutzen. Allerdings würden mehr Anwesenheitszeiten und damit eine Reduktion des Distant-learning-Anteils präferiert. Die einzelnen Module werden hinsichtlich der Inhalte und Lernmaterialen im Durchschnitt mit einer Zufriedenheit von 5,21 bis 5,48 bewertet (bei einer Nennung von 6 für sehr zufriedenstellend), auch wenn sie von einzelnen teilweise als etwas zu Theorie- und zu wenig Praxisorientiert wahrgenommen wurden. Weiters gab es weniger Zustimmung von den TrainerInnen (20%) als von den TeilnehmerInnen (53,6%), dass die vorgesehene Zeit für das Ausmaß der Lerninhalte ausreicht. Teilweise gibt es Unterschiede in länderspezifischen Teilergebnissen; es müssten aber noch mehrere Trainings durchgeführt werden, um zu sehen, ob sich diese bestätigen.

Zusammenfassend merkten TeilnehmerInnen und TrainerInnen an, dass diese Weiterbildung geeignet ist, relevantes Wissen und Kompetenzen für den Zuständigkeitsbereich der stationären Betreuung von Jugendlichen zu erweitern, und dass sich TeilnehmerInnen gestärkt fühlten, in der Folge auch KollegInnen zu diesen Themen zu instruieren bzw. zu trainieren.

Ein weiteres Ergebnis des Projekts sind die INCREASE-Empfehlungen (IO 3): Diese beziehen sich zum einen auf den Rahmen der stationären Betreuung von Jugendlichen. Es geht hier um einheitliche nationale bzw. regionale gesetzliche Rahmenbedingungen und Mindeststandards, familiennahe Unterbringung, Recht auf stationäre Betreuung für alle, die eine solche brauchen, interdisziplinäre Kooperation und entsprechende (Kommunikations-)Strukturen, Informationstransfer bei einem Umzug in ein anderes Land und Kontinuität der Betreuung beim Erreichen der Volljährigkeit. Zum anderen liegt der Fokus auf der Sicherstellung von grundsätzlichen Strategien für die Möglichkeit des Lebenslangen Lernens der Betreuerinnen und Betreuer in stationären Einrichtungen. Kooperationen mit anderen Einrichtungen zum Austausch von innovativen Methoden, finanzielle Förderprogramme, die den Austausch (trans-)nationaler „Best-practice“-Modelle ermöglichen, voll bezahlte Praktikumsplätze und Ausbildungsstellen, wettbewerbsfähige Bezahlung der Tätigkeit sowie psychologische Unterstützung der MitarbeiterInnen, um herausfordernde Krisensituationen besprechen zu können, werden als dringende Maßnahmen erachtet.

Der aktuelle Stand hinsichtlich der beauftragten Ergebnisse „Intellectual Outputs“ (IOs) bzw. des Projektabschlusses ist mit Ende August 2017 wie folgt:


5. Was kommt danach? – Nachhaltigkeit der Ergebnisse!

Ein deutlich formuliertes Ziel von Erasmus+-Key Action 2-Projekten ist auch, dass sie die „intensive Verbreitung und Nutzung von existierenden und neu geschaffenen Produkten oder Ideen unterstützen“ (Jugend in Aktion 2017). In diesem Zusammenhang wurde im Projektantrag (Jugend am Werk Steiermark GmbH 2015: 56) erläutert, welche Ergebnisse und Aktivitäten auch nach Ende des Projekts genutzt bzw. weitergeführt werden:

„After the project end it will be important to keep the discussion about the training programme about the interdisciplinary challenges in modern youth work in resdential youth care and crisis intervention as this will be the engine for sustainable use of results. As long as organisations and persons are aware of their need for interdisciplinary training in youth work, INCREASE will always be the appropriate solution for youth worker training and high quality youth work. (…)

Moreover all partners will offer the INCREASE training programme at least once a year for the target group so that this will get a permanent offer for further education for youth workers and social workers in the partner countries.

Beyond this additional FE training organisations for youth workers and in youth welfare will be identified in every partner country which are interested in offering the INCREASE curriculum for the target group members. This will lead to a broad and sustainable offer for the target group in focus.“

Sowohl bei der Bedarfserhebung als auch während des Pilottrainings gab es in allen am Projekt beteiligten Ländern eindeutige Rückmeldungen dahingehend, dass die Ausbildungen keine ausreichende Grundlage für die komplexen Herausforderungen in der stationären Betreuung von Jugendlichen zur Verfügung stellen. Deshalb wird die im Projektantrag auch erwähnte Überlegung „we find it particularly interesting and important to provide feedback into the professional development of youth workers at universities, university colleges and universities of applied sciences as sooner or later it would also be important to reflect this interdisciplinary approach also in the academic initial education of youth workers“ (Jugend am Werk Steiermark GmbH 2015: 55) als nachhaltige Maßnahme für die Verbreitung der Projektidee bzw. -ergebnisse für die Folgejahre eingeplant.


Literatur

Jugend am Werk Steiermark GmbH (2015): INCREASE. Interdisziplinäre Weiterentwicklung von Kompetenzen für BetreuerInnen in stationären Jugendhilfeeinrichtungen und Kriseninterventionszentren. Projektantrag für ein Erasmus+-Key Action 2-Projekt. Unveröffentlicht.

Jugend in Aktion (2017): Strategische Partnerschaften – Key Action 2. http://www.jugendinaktion.at/strategische-partnerschaften (31.08.2017).

Universität Ulm, Jugend am Werk Steiermark GmbH & INCREASE Projektpartner (2016): INCREASE Forschungsstudie. Intellectual Output 1 (IO 1). http://www.increase-project.eu/index.php/de/downloads-de-de (18.9.2017).

Universität Ulm, unter Mitarbeit von den INCREASE Projektpartnern Jugend am Werk Steiermark GmbH und ARSIS (2017): INCREASE Pilottraing – Evaluationsbericht [Unveröffentlicht].


Weitere Informationen, Kontaktdaten Projektleitung

Jugend am Werk Steiermark GmbH, www.jaw.or.at
Mag.a Regina Enzenhofer, regina.enzenhofer@jaw.or.at
Website: www.increase-project.eu / www.facebook.com/increaseeuproject


Über die Autorin

Mag.a Regina Enzenhofer, Jg. 1962
regina.enzenhofer@jaw.or.at

Ausbildungen: Studium Erziehungswissenschaft/ Sozialpädagogik Universität Graz, Gestaltpädagogik und -beratung, NLP-Practitioner.
Berufliche Tätigkeiten: (sozialpädagogische) Kinderbetreuung, Konzeptentwicklungen (Jugendhilfe, Arbeitsmaßnahme), Forschungsprojekt Jugendwohlfahrt, Leitung von Seminaren (Sozialpädagogik, Jugendliche, Krisenintervention, Kooperation), Beratung Sorgentelefon, Leiterin Kriseninterventionsstelle tartaruga von Jugend am Werk Steiermark seit 1994, Projektleitung INCREASE (Erasmus+-Jugend in Aktion-Projekt)