soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 19 (2018) / Rubrik "Thema" / Standort Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/568/1026.pdf


Bernd Rohrauer:

Freiräume im Wohnumfeld

Über die ermöglichende Bedeutung wohnortnaher Freiraumressourcen vor dem Hintergrund ungleich verteilter gesellschaftlicher Teilhabemöglichkeiten – am Beispiel von BewohnerInnen des Wiener Gemeindebaus


1. Einleitung, Aufbau

Der vorliegende Artikel dient der Präsentation praxisrelevanter Ergebnisse meiner Masterarbeit.

Am Beispiel von BewohnerInnen des Wiener Gemeindebaus beschäftigte mich die Frage, welche Bedeutung wohnortnahen Freiraumressourcen zur Ausbildung von Sozialem Kapital und Handlungskompetenzen, vor dem Hintergrund der ungleichen Verteilung gesellschaftlicher Zugangsmöglichkeiten, zukommen kann. Dabei lag der Fokus bei ermöglichenden Potenzialen auf den individuellen AkteurInnenebenen. Hintergrund dafür ist die Annahme, dass aktuelle Praxen der Sozialraumarbeit dazu tendieren, bestehende lokale Machstrukturen auszublenden, und deshalb dazu beitragen können, bestehende Benachteiligungseffekte zu verstärken.

Dies, wenn im Kontext von Aktivierungs- und Partizipationsprozessen bzw. der Förderung von bürgerInnenschaftlichem Engagement, der ungleichen Verteilung relevanter Zugangs- und Beteiligungsressourcen auf AkteurInnenebene mit der Verteilung professioneller Ressourcen nach dem Gießkannenprinzip begegnet wird.

Worauf sich diese Annahme gründet, das soll zu Beginn des Beitrages näher beschrieben werden. Nach der Vorstellung der konzeptuellen Orientierung und des Designs der zugrundeliegenden Untersuchung gilt der Hauptteil des Artikels der Präsentation ausgewählter Ergebnisse. Die Auswahl orientiert sich am Ziel, praxisrelevante Anforderungen und Empfehlungen hinsichtlich der professionsgeleiteten Ausgestaltung und Begleitung von begleiteten Gelegenheitsstrukturen aus dem Material zu generieren.


2. Soziales Kapital als kollektives Gut und die Anschlussfähigkeit sozialraumorientierter Praxis an politisch propagierte Erfordernisse des neoliberalen Marktes

Die weitläufig aktuelle Programmatik geht in der sozialräumlichen Praxis von der Vorstellung eines (social) return of investment aus, der auf einer Verkürzung des Prinzips der Ressourcenorientierung fußt. Kennzeichnend für solche Programme sind Schlüsselbegriffe wie „Ausbildung von Sozialem Kapital“, „Aufbau selbsttragender Strukturen“ etc. Über aktivierende Interventionen sollen die investierten Maßnahmen zu einer Übertragung sozialstaatlicher Verantwortungen in zivilgesellschaftlich getragene führen. Zu beachten ist allerdings, dass der Sozialkapitalbegriff implizit an der Deutung von Robert D. Putnam (2000) orientiert ist. Charakteristisch für das putnamsche Verständnis von Sozialkapital – als maßgeblicher Faktor für „die wirtschaftliche Vitalität (…) einer Region“ (Mayer 2004: 64) – ist die gute Anschlussfähigkeit an neoliberale Praktiken auf den unterschiedlichen Skalierungsebenen des politischen europäischen Unionsraums – Stichwort: Multi-Level-Governance.

Mittels Förderung von Sozialkapital als kollektives, marktkompatibles Gut einer Gemeinschaft zur Erwirkung territorialer Kohäsion wird der De-Territorialisierung sozialstaatlicher Regulierung auf der nationalen Maßstabsebene entgegnet mit der „(Re-)Territorialisierung des Sozialen“ (Kessl/Otto 2007) auf der lokalen Ebene. Dies betrifft im Besonderen Programme in Raumausschnitten, welche als soziale Brennpunkte bzw. benachteiligte Gebiete benannt werden. Die operationalisierte Übertragung von Verantwortung auf private AkteurInnen im Quartier kann als territoriales Subsidaritätsprinzip vor dem Hintergrund des Rückbaus sozialstaatlicher Leistungen behauptet werden. (vgl. u. a. Dahme/Wohlfahrt 2015: 121)

Die Territorialisierung von sozialen Problemen basiert auf der Entindividualisierung derselben durch Übertragung von konkret Betroffenen auf einen Raumausschnitt. Dieser erweist sich als blind für Machtverhältnisse auf der lokalen Ebene, und in der handlungslogischen Folge als unsensibel bzgl. der Frage des ein- und ausschließenden Gehalts der professionellen Interventionen (Schwelligkeiten). Die dahinterliegende Logik ist recht simpel: Je diverser die Elemente eines als empirische Einheit zusammengefassten Gebietes sind, als desto weniger repräsentativ erweisen sich die dieser Einheit zugeschriebenen Eigenschaften für die konstituierenden Elemente. Professionelle Angebote, die das Ziel verfolgen, Soziales Kapital im Verständnis eines kollektiven Gutes zu fördern, und sich entlang fachlicher Standards am Prinzip der Ressourcenorientierung orientieren, erreichen in der Konsequenz daraus zuvorderst jene AkteurInnen, die bereits über entsprechende Handlungskompetenzen verfügen, um als MultiplikatorInnen und GestalterInnen wirksam zu werden. Verstärkt wird dies durch den Handlungsdruck, der auf den betrauten professionellen Institutionen lastet. Es werden somit jene „empowert“, die gegenüber den anderen AkteurInnen auf der horizontalen/lokalen Ebene bereits im Vorteil sind, während, wie Chantal Munsch dies empirisch herausarbeitet (vgl. Munsch 2003, 2005), die an individuellen Ressourcen Benachteiligten unsichtbar bleiben bzw. werden.

Einer territorialen Kohäsion im Sinne des „neoliberalen Produktivismus von Standorten im global Wettbewerb“ (Altvater 2008: 9) mag diese Form der Aktivierung zu einem Selbstmanagement zuträglich sein. Als Kollateraleffekt gilt es allerdings, die Gefahren von sozialer Stratifikation und residenzieller Segregation durch Verstärkung der ungleich verteilten Zugänge von gesellschaftlicher Mitgestaltung zu berücksichtigen.


3. Soziales Kapital als individuelles Gut im Kontext der Bildungsdimension von Gemeinwesenarbeit als Ressource zugunsten alternativer Zugänge von GWA

Eine deutlich andere Vorstellung zum Begriff des Sozialen Kapitals findet sich bei Pierre Bourdieu (2012). Soziales Kapital ist bei Bourdieu kein kollektives Gut einer (konstruierten) Gemeinschaft, sondern ein individuelles. Neben dem ökonomischen und dem kulturellen Kapital entscheidet es über die Stellung bzw. auch die Gestaltungsmöglichkeiten eines Individuums in bzw. an der Gesellschaft.

Rückbezogen auf die aktuellen Programme von sozialraumorientierter Sozialer Arbeit ergeben sich aus den Deutungsverschiedenheiten von Sozialem Kapital nach Putnam oder nach Bourdieu zwei völlig verschiedene Implikationen hinsichtlich der Ausrichtung der professionellen Praxis von Sozialraumarbeit. Offensichtlich ist nämlich, dass die Orientierung an einem Gemeinwesen auf einer Konstruktion aufbaut, deren Produktionsbedingungen in der Praxis in der Regel unterbelichtet bleiben. Sozialraumorientierte Soziale Arbeit bezieht sich nicht auf das Individuum, sondern auf einen sozialräumlich gedachten territorialen Gebietsausschnitt als basale Referenzgröße. Ressourcenorientierung und Aktivierung wird zum human mining individueller Ressourcen zugunsten der kollektiven respektive „marktförmigen“ Nutzenmaximierung. Dies entspricht der putnamschen Logik des Sozialkapitalbegriffs. Eine Orientierung an der Deutung nach Bourdieu müsste aber, anstelle des Gemeinwesens als Referenzgröße, bei den betroffenen AkteurInnen selbst ansetzen.


4. Sozialraum und die relative Bedeutung der Wohnumgebung als Ort des leichten Handelns.

Die folgenden Ausführungen zur Raumrelationalität knüpfen an den Begriff des Wohnortes und der Wohnumgebung an. Umgelegt auf die Praxis von Sozialraumarbeit geht es hier also um konkretere Interventionsfelder, welche BewohnerInnen eines Gebietsausschnittes als AkteurInnen betreffen. Auf Theorieebene bekannt ist die Kritik, dass mittels professioneller sozialräumlicher Arbeit entlang der im Raumausschnitt verfügbaren Ressourcen soziale Probleme bearbeitet werden sollen, deren Ursachen und notwendige Ressourcen zur konstruktiven Bearbeitung anderswo zu verorten sind (Bsp. Arbeitslosigkeit) (vgl. u. a. Stoik 2014: 189). Die Relationalität des sozialen Raumes wird dabei territorial verkürzt und verfälscht projiziert.

Der Blickpunkt soll nun von der Ebene (territorialer) Gemeinwesen auf die AkteurInnenebene verschoben werden. Im Kontext der Raumrelationalität erscheint die sozialräumliche Mobilität hier als eine relevante Variable. Je nach Ausprägung derselben passiert die Befriedigung von sozialen Bedürfnissen innerhalb der ausdifferenzierten Gesellschaft in mehr oder weniger unterschiedlichen sozialen Räumen. Besonders Personen, denen aufgrund mangelnder Kapitalressourcen der Zugang zu gesellschaftlichen Teilbereichen (Arbeit, Konsum etc.) verwehrt bleibt, sind bezüglich der Erfüllung ihrer Bedürfnisse noch stärker auf die ihnen zugänglichen Ressourcen angewiesen. Der Wohnumgebung kann hier als Ressource eine kompensative Rolle zur Erfüllung jener sozialen Bedürfnisse zukommen, die gemeinhin nicht dem Teilbereich „Wohnen“ zugeschrieben werden.

An dieser Stelle soll auf die symbolische Handlungstheorie von Ernst Emmrich Boesch (1980) und dessen Theorem des ständigen Strebens nach Handlungsfähigkeit zur (Re-)Konstruktion von Ich-Identität (Identitätstheorie) und zur Herstellung einer „Ich-Welt-Kongruenz“ (Handlungstheorie) Bezug genommen werden. Die unmittelbare Wohnumgebung stellt als Ort des „leichten Handelns“ die niederschwelligste Gelegenheitsstruktur zur Erprobung und Entfaltung von Handlungspotenzial und Selbstwirksamkeit zugunsten der Herstellung dieser „Ich-Welt-Kongruenz“ dar. Der Status „Ort des leichten Handelns“ ergibt sich daraus, dass es sich in der Regel um den Mittelpunkt-Ort als territoriale Referenz des individuellen Seins handelt. Es ist anzunehmen, dass sich entlang der individuellen Möglichkeiten und Ressourcen die Erschließung der Umwelt zur Erfüllung personeller Bedürfnisse von diesem Ort ausgehend vollzieht. Jene, die in ihrer sozialräumlichen Mobilität gehandicapt sind, bleiben stärker auf ihren Wohnort, so sie einen haben, zurückgeworfen. Dies drückt sich in einer stärkeren Binnenorientierung und einer damit zusammenhängenden höheren Vulnerabilität gegenüber Einflüssen/Kontexteffekten aus der unmittelbaren Wohnumgebung aus. (vgl. Kurtenbach 2017: 65)

Neben der sozialräumlichen Mobilität als Indikator für die Binnenorientierung lohnt die Einbindung eines weiteren Begriffs, nämlich den der Ortsbindung. Dieser beschreibt nach Judith Beil „die positive emotionale Bindung an einen bestimmten Umweltausschnitt“ (Beil 2012: 68). Die Bedeutung von wohnraumbezogenen (Freiraum-)Ressourcen auf individueller Ebene steht neben der sozialräumlichen Mobilität demnach auch im Zusammenhang mit Einstellungen und Dispositionen. Social trust bedeutet bei Kurtenbach das „Ausmaß des Vertrauens eines Bewohners in die Nachbarschaft“ (Kurtenbach 2017: 66), das einen Effekt auf die Kooperationsbereitschaft, also etwa die Bereitschaft der Auseinandersetzung und Nutzung öffentlicher Ressourcen im Wohnumfeld, hat. Die Annahme, die sich daraus ergibt, ist, dass eine erhöhte Binnenorientierung aufgrund eingeschränkter sozialräumlicher Mobilität nicht bedeutet, dass die für die Betroffenen prinzipiell zugänglichen (wohnortnahen) Ressourcen zugunsten der kompensativen Erfüllung sozialer Bedürfnisse bzw. zur Erweiterung der individuellen Handlungsmöglichkeiten auch entsprechend wahrgenommen und genutzt werden. Neben der Dimension social trust nach Kurtenbach als Maß für das Vertrauen an die Umwelt, dürfen hier aber auch Einstellungsfaktoren zu Selbsteinschätzung, sozialer (Un-)Sicherheit, Selbstwert etc. als einflussgebend angenommen werden. Der Blick auf sozialraumbezogene Angebotsausrichtungen sollte daher auch auf jene Betroffenen fokussieren, die gemessen an sozialstatistischen Faktoren eine erhöhte Binnenorientierung aufweisen sollten, und dennoch unsichtbar bleiben.


5. Forschungsdesign des Masterarbeitsprojektes „Freiräume im Wohnumfeld“

Vor der Präsentation der thematisch relevanten Ergebnisse, soll kurz dargestellt werden, wie diese zustande gekommen sind. Das Kernanliegen der Untersuchung lag in der Beforschung der folgenden Frage:

„Welche Bedeutung(en) haben (insbesondere begleitete) Gelegenheitsstrukturen1 für soziale Interaktion für unterschiedliche BewohnerInnen im Kontext jeweiliger Sozialisationserfahrungen und Lebenslagen im Hinblick auf die Entwicklung von Sozialem Kapital und der individuellen Handlungskompetenzen am Beispiel des Sozialraums ‚Wiener Gemeindebau‘“? (Rohrauer 2017: 32)

Für die Umsetzung wurde ein triangulatives Design nach dem Komplementaritätsmodell (vgl. Kelle/Kluge/Prein 1993: 9; Kelle/Kluge/Prein 1993:18-25) gewählt. Dieses gliedert sich in einen quantitativen und einen darauf aufbauenden qualitativen Teil. Der quantitative Teil, der der Hauptfrage vorangestellt ist, begründet sich aus theoriegestützten Vorannahmen, die sich sehr gut für eine Operationalisierung durch statistische Hypothesenbildungen eigneten. Diese waren:

  1. „Dass die Nutzungsintensität und Nutzungsvielfalt nahräumlicher Ressourcen im Zusammenhang steht mit Faktoren der Lebenslage bzw. Kategorien des Interdependenzmodelles nach Degele und Winkler 2009 (Klasse, Geschlecht, Ethnie, Körper)
  2. dass die Wohndauer einen Einfluss auf Nutzung, Aktivität, und Bewertung nahräumlicher Ressourcen hat.
  3. dass BewohnerInnen, welche stärker auf die Ressourcen der Wohnumgebung angewiesen sind, diese auch intensiver und vielfältiger nutzen (Binnenorientierung nach Kurtenbach 2017: 64).
  4. dass die Intensität und Vielfalt der Nutzung nahräumlicher Ressourcen im positiven Zusammenhang mit der Bewertung und Priorisierung des sozialen Nahraums steht (Wohnumgebung als „Ort des leichten Handelns“ zur Herstellung von ICH-Welt-Kongruenz nach Boesch 1980).
  5. dass die Intensität und Vielfalt der Nutzung nahräumlicher Ressourcen im positiven Zusammenhang mit dem Aufbau und der Pflege sozialer Kontakte in der Wohnumgebung steht.
  6. dass sich zwischen Faktoren der Lebenslage und der Bewertung und Priorisierung des sozialen Nahraumes Zusammenhänge finden lassen.
  7. dass die Bewertung des Nahraumes im positiven Zusammenhang mit (der Bereitschaft zu) nachbarschaftlichem Engagement steht (siehe social trust nach Kurtenbach 2017: 64 als Voraussetzung für Nutzung zur Erfüllung von Selbstwirksamkeit nach Boesch 1980).
  8. dass aufgrund des Zusammenhangs Nr. 6 auch zwischen Faktoren der Lebenslage und (Bereitschaft zu) nachbarschaftlichem Engagement Zusammenhänge bestehen.
  9. dass die Bedeutung des Aufbaus und der Pflege sozialer Kontakte im Wohnumfeld im positiven Zusammenhang mit (der Bereitschaft zu) nachbarschaftlichem Engagement steht.
  10. dass die Bewertung der nachbarschaftlichen Kontakte und deren Intensität im positiven Zusammenhang mit der Bewertung und Priorisierung des sozialen Nahraumes steht.“ (Rohrauer 2017: 33)
Für die Umsetzung des quantitativen empirischen Teils wurde auf bestehende Rohdatensätze zweier unabhängiger Untersuchungen zurückgegriffen. Datensatz I (n=107) beruht auf einer bei wohnpartner durchgeführten internen BewohnerInnenbefragung, für die ich verantwortlich zeichnete, und die erhob
  1. welche Faktoren *Engagement2 im Wohnumfeld fördern bzw. hemmen und
  2. welche Interessen, Themen und Bedarfe hinsichtlich der Angebotsausgestaltung im Handlungsfeld nachbarschaftliches Engagement sichtbar werden.

Das Erhebungsinstrument kombinierte standardisierte Fragebogenelemente mit offenen Fragen. Erhoben wurde face-to-face im öffentlichen Wohnumfeld durch fachliche MitarbeiterInnen von wohnpartner im Zeitraum Mai bis Oktober 2015 in Wohnhausanlagen in 20 Bezirken von Wien. Grundgesamtheit der nicht repräsentativen Stichprobe bildeten jene BewohnerInnen, welche als NutzerInnen der wohnortbezogenen Gelegenheitsstrukturen werktagsüber zwischen 10.00 und 20.00 Uhr sichtbar wurden.

Datensatz II (n=231) ist das Ergebnis einer Forschungskooperation von wohnpartner mit dem Soziologischen Institut der Universität Wien zum Thema „Soziales Kapital im Wiener Gemeindebau“ unter Leitung von Christoph Reinprecht und Christina Liebhart. Erhoben wurde in 5 ausgewählten Gemeindebauten3 im Frühjahr 2015. Im Unterschied zur nicht zufälligen Stichprobenziehung bei Datensatz I wurden hier auch Personen in Privatwohnungen befragt. Daher unterscheidet sich die Grundgesamtheit, welche sich hier auf Menschen bezieht, welche (werk-)tagsüber sowohl in öffentlichen oder auch privaten Räumen des Gemeindebaus anzutreffen sind. Damit wurden hier potenziell auch jene berücksichtigt, die im öffentlichen Raum ggf. weniger sichtbar bleiben.

Während sich der erste empirische Teil mit Freiraumressourcen im allgemeineren Sinne hinsichtlich des Zusammenwirkens mit Faktoren der Lebenslage und Auswirkungen der Nutzung derselben beschäftigte, erfolgte im qualitativen Analyseschritt die Konzentration und Eingrenzung auf professionell inszenierte und begleitete Gelegenheitsstrukturen. Im Zentrum des Interesses stand hier der Aspekt der Entwicklung/Veränderung (Einstellungen, Kompetenzen, Ressourcen) im Kontext der Nutzung derselben und im Zusammenwirken mit spezifischen biografischen und lebenslagenbedingten Faktoren im Fallverlauf. Vor diesem Hintergrund beruhte die Selektion der beiden InterviewpartnerInnen auf einer bewussten Auswahl. Selektionskriterium war, dass die InterviewpartnerInnen kontinuierliche NutzerInnen begleiteter Gelegenheitsstrukturen waren und aufgrund spezifischer Merkmalsausprägungen4 eine erhöhte Binnenorientierung angenommen werden konnte. Die Interviews wurden methodisch entlang der problemzentrierten Interviewführung nach Witzel (2000) gestaltet. Hinsichtlich der Auswertung wurde zunächst thematisch nach Mayring (2010) codiert, dann aufgrund des interpretativ-sinnverstehenden Gehaltes der Daten der Systemanalyse nach Froschauer/Lueger (2003) der Vorzug gegeben.


6. Ergebnispräsentation der Masterarbeit

Das praxisorientiertes Forschungsziel war es, auf Basis der Ergebnisse, Anforderungen und Empfehlungen hinsichtlich der professionsgeleiteten Ausgestaltung, Inszenierung und Begleitung von begleiteten Gelegenheitsstrukturen aus dem Material zu generieren. Auf Basis dieses Ziels wurde eine Auswahl zur Präsentation der relevantesten Ergebnisse getroffen, die nun vorgestellt werden sollen.5


6.1 Die Rolle von lokalen Gelegenheitsstrukturen vor dem Hintergrund verschiedener Zugangsvoraussetzungen zu Ressourcen gesellschaftlicher Teilhabe

Die Ergebnisse der quantitativen Analyse sprechen für die Annahme der folgenden Zusammenhänge: Die Nutzung von Freiraumressourcen korreliert positiv mit der Bedeutung, Ausprägung und Priorisierung von sozialen Kontakten im Wohnumfeld sowie mit dem Vertrauen in die Wohnumgebung und die Ortsbindung. Mit den Ausprägungen der Variablen, welche die angegebene Bedeutung, Ausprägung und Priorisierung der nachbarschaftlichen Kontakte messen, steigt außerdem signifikant der angegebene Anteil und die Bereitschaft für soziales Engagement im Wohnumfeld.

Die statistischen Hypothesentests, welche Zusammenhänge zwischen den Dimensionen Nutzung, Kontakt, *Engagement, Einstellungen/Ortsbindung messen, sprechen damit überwiegend für die Bestätigung der Annahme, dass den wohnortnahen Ressourcen der Wohnumgebung ein erhebliches Potenzial für Aufbau und Pflege sozialer Kontaktbeziehungen und der Entstehung von Initiativen und *Engagements sowohl im Wohnumfeld und auch darüber hinaus zukommt. Eine Ausnahme bildet die Zurückweisung eines angenommenen Zusammenhangs zwischen der Variablen der Ortsbindung sowie der Nutzung mit Variablen zum Engagement: Nicht nur für die anhand der Merkmale als junge Mütter identifizierbare Gruppe zeigte sich bei der vertiefenden Analyse hier kein Zusammenhang. Vielmehr offenbarte der Datensatz II, dass das Item, das die pro Haushaltsmitglied verfügbare Wohnfläche misst, (gefolgt von jenem des Haushaltsäquivalenzeinkommens pro Haushaltsmitglied) als jenes zu identifizieren ist, das den stärksten Einfluss auf die Ausprägung der Nutzungsvariablen hat, und folglich als Maß für die Binnenorientierung angenommen werden kann. Dass dieses Item besonders auf junge Familien mit vergleichsweise großer Haushaltsgröße zutrifft, und dass es sich auch im Zusammenhang mit der späten Öffnung des Gemeindebaus nach 2000 für Drittstaatsangehörige um einen erhöhten Anteil an Personen mit nicht-österreichischem Pass handelt, verweist neben der Multidimensionalität und der Schwierigkeiten der notwendig verkürzten Darstellung der Ergebnisse in diesem Rahmen auch auf die Gefahr der ethnischen Kulturalisierung von Konflikten. Was den „fehlenden“ Zusammenhang der Nutzungsdimension mit Engagement im Verständnis einer (kompensativen) Ressource zur Teilhabe an Gesellschaft betrifft, legt die festgestellte Bedeutung des verfügbaren privaten Rückzugsraums nahe, dass im Kontext von Binnenorientierung dem öffentlichen Raum neben der Funktion gesellschaftlicher Teilhabe auch die Funktion der Kompensation privater Rückzugsräume zukommen kann.

Wo es einen Mangel an Gelegenheitsstrukturen gibt, bleiben die Menschen unsichtbar und Nachbarschaft wird als anonym erlebt. Menschen, die es sich „leisten“ können, weichen auf andere Räume aus. Im Sample der Datenanalyse I wurde das bei der Altersgruppe der älteren erwachsenen Frauen sichtbar. Das Freiwerden von Zeitressourcen durch die abgeschlossene Adoleszenz der Kinder zeigt sich hier vielfach gepaart mit sozialen Engagements, die außerhalb der Wohnumgebung stattfinden, und im Untersuchungskontext zunächst überraschend diese Gruppe von Frauen um die 50 Jahre als jene ausweist, welche verstärkt innovative Ideen einbringen (Bsp. Upcycling, alternative Währungen etc.). Die Auswertung der offenen Antworten unterstützt die Annahme, dass dem Bedürfnis der sinnvollen Zeitgestaltung dort nachgegangen wird, wo sich diesbzgl. Möglichkeiten finden.

Während die Anonymität einerseits als eine Qualität des urbanen Lebens betrachtet werden kann, galt in Abgrenzung zu idyllisch verklärten ländlichen Nachbarschaftsidealen das Augenmerk der Untersuchung einer differenzierteren Erfassung, indem diese sich an der Überlegung orientierte, dass die Bedeutung nahräumlicher sozialer Kontaktnetze und Nutzungspotenziale ungleich stärker bei jenen ausgeprägt ist, deren Aktionsräume eher auf die Wohnumgebung eingegrenzt bleiben.

Diese Überlegung zeigt sich entlang der Ergebnisse der statistischen Analysen als annehmbar und kommt entlang der Faktoren Gesundheit und Erwerbsarbeitslosigkeit auch in den Ergebnissen der qualitativen Analyse deutlich zum Ausdruck.

Menschen, die aufgrund unterschiedlicher Merkmale einen höheren Grad an Binnenorientierung aufweisen, fehlt es häufig an Möglichkeiten zur Zeitgestaltung und der niederschwelligen Partizipation an Gesellschaft. Die Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass dies vor allem auf junge Mütter (oft mit Migrationshintergrund und im Kontext traditioneller Geschlechterrollen), auf ältere Menschen sowie auf Kinder und Jugendliche zutrifft.

Empfehlungen für die Praxis:


6.2 Die Sichtbarkeit von (potenziell) Betroffenen und Ausschlussmechanismen

Ein wichtiges Ergebnis im Vergleich der beiden ausgewerteten Rohdatensätze sind die deutlichen Verteilungsunterschiede entlang der gemeinsam erhobenen sozioökonomischen Merkmale. Die verschiedenen Verteilungen der Zusammensetzung der Erreichten im öffentlichen Raum zu jenen Personen, die in ihren Wohnungen angetroffen wurden, legen nahe, dass ein höherer Grad an Binnenorientierung nicht zwingend mit einer erhöhten Sichtbarkeit durch die Nutzung wohnortbezogener Gelegenheitsstrukturen einhergehen muss. Ein Beispiel dafür war eine vergleichsweise hohe Anzahl an jungen Männern im erwerbsarbeitsfähigen Alter, welche im öffentlichen Raum (Datensatz I) eher unsichtbar blieben. Auf empirischer Basis konnten hier keine Erklärungsmodelle entlang quantitativer vertiefender Auswertungen erkannt werden. Allerdings ließ sich aus der qualitativen Analyse ein möglicherweise erhellender Bezug zu Ergebnissen bei Klatt und Walter (2011) knüpfen. Diese stellten im Rahmen ihrer Untersuchung fest, dass professionelle Zeitgestaltungsangebote kaum von Männern genutzt werden, weil diese von diesen als „weiblich“ empfunden werden. Bei der Auswertung des Interview II fiel auf, dass die Befragte, die von ihr genutzte Gelegenheitsstruktur konsequent und wiederholt als „BewohnerInnenzentrum“ bezeichnete.

Auffällig andererseits war, dass die genannten konkreten Aktivitäten fast ausschließlich „Frauen“ adressierten und die erwähnten Tätigkeiten sehr deutlich traditionellen Geschlechterzuschreibungen entsprachen. Es liegt die Annahme nahe, dass die seitens der ProfessionalistInnen verwendete geschlechtsneutrale Aussprache des Binnen-I anders, nämlich in der Auslegung der eingeschlechtlich weiblichen Form rezipiert wurde, und dadurch jene geschlechtertypischen Differenzierungen verstärkt wurden, die eigentlich mittels genderneutraler Begriffe nivelliert werden wollten. Ein daran geknüpfter weiterer Verstärkungseffekt darf angenommen werden, wenn es sich so verhält, dass dadurch vorrangig Frauen erreicht werden und eine partizipative bzw. nutzerInnenorientierte Angebotsentwicklung ausgehend von den erreichten AdressatInnen zur traditionell geschlechtertypischen „Einfärbung“ der Angebotsstruktur beiträgt, die im Rahmen der lokalen Aktivierungs- und Öffentlichkeitsarbeit kommuniziert wird.

Die quantitative Analyse des Datensatzes I zeigte, dass höherschwelligere Formen von Engagement, wie etwa die MietervertreterInnenarbeit überproportional durch ältere männliche Bewohner wahrgenommen werden. Ergänzt und relativiert wird dieses Bild einer unausgewogenen Verteilung von traditionellen/höherschwelligen Formen von Engagement nach Altersgruppen durch diebzgl. relevante Zusammenhänge aus der Datenanalyse II. Diese zeigte, dass der proportionale Anteil jener, welche eher ein vermeidendes Verhalten in Bezug auf die nahräumlichen Ressourcen an den Tag legen, bei den älteren BewohnerInnen am höchsten ist. Es sei daran erinnert, dass im Unterschied zur Datenanalyse I hier auch Personen berücksichtigt wurden, die nicht im öffentlichen Raum, sondern in ihren Wohnungen angetroffen wurden. Die überproportionale Vertretung von SeniorInnen in Angebotsformen traditioneller Ehrenamtlichkeit erscheint demnach ein Stück weit relativiert, durch den sehr hohen Anteil innerhalb dieser Altersgruppe, der den öffentlichen Raum und Möglichkeiten der Partizipation im nachbarschaftlichen Umfeld meidet. Dafür sprechen auch die hoch signifikanten und stark ausgeprägten positiven Korrelationen von Alter sowie Wohndauer mit privat verfügbarem Rückzugsraum sowie Äquivalenzeinkommen pro Haushaltsmitglied, als festgestellte Indikatoren bzgl. der Freiraumressourcennutzung.

Dazu passend zeigte sich auch ein signifikant negativer Zusammenhang von Alter sowie Wohndauer mit der Wohnzufriedenheit und dem Vertrauen in die Wohnumgebung. Dies stimmt überein mit der Annahme, dass das Vertrauen in die Wohnumgebung („social trust“) im positiven Zusammenhang mit Kooperationsbereitschaft und im negativen mit Vermeidungsveralten im Wohngebiet steht (vgl. Kurtenbach 2017: 66). Empirisch widerspricht demgegenüber der festgestellte negative Zusammenhang der Wohndauer mit der Wohnzufriedenheit vergleichbaren Studienergebnissen, demnach Vertrauen in die Wohnumgebung positiv mit der Wohndauer korrelieren (vgl. u. a. Klatt/Walter 2011: 181-191). Während die Analyse von Datensatz I nützliche Hinweise auf Normalisierungs- und Ausschließungsprozesse aufgrund etablierter Verhaltensweisen und Normen gegenüber neueren BewohnerInnen gibt, verweisen die Ergebnisse der Datenanalyse II umgekehrt auf Rückzugs- und Vermeidungsverhalten bei schon länger in den Wohnhausanlage (WHA) Lebenden. Dieses geht einher mit eher negativen Einstellungen gegenüber der WHA und negativen Prognosen was die Entwicklung der WHA betrifft, und bildet sich im Datensatz I bei den offenen Fragen zu Nachbarschaftskontakten in der Problematisierung von wahrgenommenen demografischen Veränderungen ab. Veränderungen der BewohnerInnenstruktur und abweichende Verhaltens- und Nutzungsweisen stellen Quellen von sozialer Verunsicherung dar. Der an die Wohnumgebung geknüpfte Anspruch des Vertrauten wird als verloren oder als gefährdet wahrgenommen. Dies drückt sich empirisch einerseits in eher vermeidendem Verhalten und sozialem Rückzug oder andererseits in aktiven Engagements im Sinne der Bewahrung und Wiederherstellung gewohnter Ordnung im Rahmen „traditioneller“ höherschwelliger Formen der Ehrenamtlichkeit aus. Das Zusammenwirken vom Wunsch nach Mitbestimmung und Kontrolle spiegelt sich außerdem im gebildeten Faktor Kontrolle wider. Dieser verbindet aufgrund der starken Korrelation die Variablen Wunsch nach Mitbestimmung, Überwachungskameras und polizeilicher Präsenz und erweist sich als umso stärker ausgeprägt, je älter die Befragten sind und je länger sie bereits in der WHA leben.

Jene Befragten, die angeben, sich aktiv zu *engagieren, geben im Rahmen der quantitativen Datenanalyse auch Hinweise darauf, dass die Wahrnehmung von Schnittmengen und Gemeinsamkeiten, der als sehr unterschiedlich und fremd wahrgenommenen Lebenswelten, eine besondere Herausforderung darstellt.

Empfehlungen für die Praxis:


6.3 Gelegenheitsstrukturen und Potenziale der Entwicklung von Sozialem Kapital und Handlungskompetenz

Was in beiden Fallverläufen, insbesondere in Interview 1, deutlich zum Ausdruck kommt, ist die Kontingenz von Handlungskompetenz und Sozialem Kapital. Trotz der Multifaktorialität lässt der Fallverlauf in Interview 1 kaum Zweifel daran, dass Erfahrungen im Umfeld der begleiteten Gelegenheitsstruktur BewohnerInnenzentrum biografisch maßgeblich und nachhaltig zur Erweiterung der individuellen Handlungskompetenz beigetragen haben. Deutlich wurde dabei auch das Wechselverhältnis zwischen Sozialem Kapital und Handlungskompetenz. In einem Interview betrifft dies die Bedeutung von Selbstwirksamkeit durch positive Reziprozitätserfahrungen zur Ausbildung von Selbstsicherheit als Voraussetzung zur Erweiterung des Lernraumes und der Bereitschaft, neue Aktivitäten zu erproben und Grenzen auf Basis erreichter Ziele zu erweitern. Mit sozialer Vernetzung einher geht außerdem die Wahrnehmung neuer Impulse und die Erprobung von Handlungsalternativen, wobei soziale Interaktion zur darüberhinausgehenden Entwicklung und experimentellen Erprobung neuer Handlungsmöglichkeiten führen kann. Ebenso erweist sich die soziale Interaktion als Instrument des Austausches von Informationen, die ermöglichende Brückenfunktionen bei der Erweiterung eigener Handlungsspielräume einnehmen können. Entlang der qualitativen Analyseergebnisse verhält es sich so, dass der idealtypische Fallverlauf recht gut anschlussfähig zu einem Verständnis von Betroffenen als humanes Kapital im Sinne der Nutzbarmachung freiwillig Aktiver ist. Doch auch, wenn es sich in beiden Fällen so verhält, dass die Erweiterung der individuellen Handlungskompetenzen und des Sozialen Kapitals zu *Engagements in der Wohnumgebung führte, ist unabhängig von diesen Engagements anzunehmen, dass die sozialen Kontakte, welche über die Gelegenheitsstruktur ermöglicht wurden, für sich allein genommen die Lebensqualität nachhaltig bereichern konnten.

Empfehlungen für die Praxis:


7. Fazit

Die hier zusammengefassten Ergebnisse zeigen, dass die Abhängigkeit von Ressourcen der Wohnumgebung entlang diverser sozialstatistischer Merkmale unterschiedlich verteilt ist und Soziale Arbeit gefordert ist, sich sensibel gegenüber diesen Unterschieden zu verhalten, um nicht dazu beizutragen, die Wirksamkeit gesellschaftlicher Strukturen der Produktion und Verstärkung von Benachteiligungseffekten zu reproduzieren. Bei allen fachlichen Vorbehalten gegenüber der Rolle, die Soziale Arbeit im Kontext der Übertragung sozialstaatlicher Verantwortungen auf die Kommunen durch Initiativen zur Ausbildung von (lokal-kollektivem) Sozialem Kapital übernimmt, darf nicht übersehen werden, welche ermöglichende Rolle sozialräumlicher Sozialer Arbeit auf der Mikroebene zukommen kann, wenn diese sich sensibel gegenüber den konkreten lokalen Bedarfen zeigt und sich den bildungsbezogenen emanzipatorischen Potenzialen ihres Handelns bewusst ist. Als dahingehend förderlich erweist sich entlang der Untersuchungsergebnisse eine Verlagerung der Perspektive weg von homogenisierenden sozialräumlichen Bedarfsdeutungen hin zu einem sozialräumlichen Blick, der sich sensibler zeigt gegenüber lokal verschieden verteilter Zugangsvoraussetzungen und Handlungskompetenzen in Relation zu gegebenen lebensweltlichen Betroffenheiten. Der Orientierung an einem niederschwelligen Zugang ist es geschuldet, vor Ort und auf der Mikroebene der Wohnumgebung als „Ort des leichten Handelns“, verstärkt jene zu berücksichtigen, die darauf mangels Alternativen im besonderem Ausmaß angewiesen sind.


Verweise
1 Gelegenheitsstrukturen wurden im Untersuchungskontext unterschieden in begleitete und unbegleitete. Angesprochen sind damit räumliche Settings, in denen Menschen im öffentlichen Raum einander sprichwörtlich „über den Weg laufen“ (Waschküchen, Parkbank, Chatroom etc.), unabhängig vom primären Nutzungszweck dieses räumlichen Arrangements. Begleitete Gelegenheitsstrukturen meinen im Untersuchungskontext institutionell gerahmte Gelegenheitsstrukturen, die zum primären Zweck der Förderung von sozialer Interaktion initiiert und/oder begleitet werden.
2 Aufgrund der Vielfalt synonym verwendeter Begriffe, dient „*“ als Platzhalter für ehrenamtlich, freiwillig, zivilgesellschaftlich, bürgerInnenschaftlich, lokal etc. Angesprochen sind also alle gebräuchlichen Formen der Bezeichnung von „Ehrenamtlichen“ und „freiwilligem“ Engagement.
3 Konkret handelt es sich um die folgenden WHA: Karl Waldbrunner Hof (3. Bezirk), Karl Wrba Hof (10. Bezirk), Reismannhof (12. Bezirk), Wienerberstr. (12. Bezirk), Pirkebnerstr. 1-3 (12. Bezirk).
4 Faktoren für ein kritisches Lebensereignis waren solche, welche sich aus der Interpretation der quantitativen Analyse als relevant für die Annahme einer stärkeren Binnenorientierung annehmen ließen. Bzgl. der InterviewpartnerInnen waren diese: Verlust einer langjährigen Beschäftigung + Langzeitarbeitslosigkeit und Massive gesundheitsbedingte Mobilitätsbeeinträchtigung + Sprachbarriere + häufiger Wohnortwechsel.
5 Die nachfolgenden Ausführungen geben den Inhalt der Masterarbeit „Freiräume im Wohnumfeld“ (Rohrauer 2017: 116-125) wieder. Die Inhalte wurden für die Darstellung im Artikel weitgehend übernommen und teilweise angepasst.


Literatur

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Über den Autor

Bernd Rohrauer, MA

Aktuell beschäftigt bei wohnpartner Wien; Studium „social design“ an der Universität für angewandte Kunst Wien.