soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 21 (2019) / Rubrik "Thema" / Standort Pölten
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/604/1089.pdf


Sophie Nix:

Kenia: Gesellschafts- und Gemeinschaftsentwicklung im Großen und im Kleinen

Beispiele aus Gesundheits- und Sozialprojekten einer ehemaligen Kolonie mit hohem Innovationspotenzial


1. Einleitung

In diesem Beitrag soll ein Einblick in Kenias Sozial- und Gesundheitswesen gegeben werden, ausgehend von einem anfänglichen Überblick über die Entwicklungen, die in diesem ostafrikanischen Staat in den letzten 55 Jahren stattgefunden haben. Vom Kolonialstaat nahezu ohne Bildungs- und Gesundheitssystem wurde Kenia zu einem Staat, welcher demokratisch, föderalistisch, wohlfahrtsstaatlich, innovationsorientiert und entwicklungsorientiert agiert. Ich stelle folgend einige Community Projekte vor, wobei ich es vermeiden werde, die verschiedenen NGOs zu nennen, da dies aufgrund von deren Vielzahl zu Unübersichtlichkeit führen würde. Die NGO-Landschaft ist geprägt von privaten Stiftungen/Projekten, Projekten der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) sowie internationalen Unterstützungsfonds (UN, WHO etc.), wobei es staatliche Bewilligungs- und Regulierungsprozesse für die NGO-Arbeit im Land gibt.

Für die Recherche zu Kenias Sozial- und Gesundheitswesen führte ich Interviews mit Dr.in Busra Ahmed und Clinton Ngonyo. Busra Ahmed ist Ärztin am Kilifi County Hospital, die derzeit ihre FachärztInnenausbildung zur Gynäkologin macht und sich auf Teenagerschwangerschaften und die damit verbundenen Auswirkungen spezialisiert hat. Clinton Ngonyo hat viele Sozial- und Gesundheitsprojekte mitinitiiert und durchgeführt. Als Chef des Unternehmens Lamu Holiday Solutions ist es ihm ein Anliegen, Menschen einander näherzubringen. Er widmet sich vor allem der Community-Arbeit jenseits von Stammesgrenzen und nutzt hierfür viele Verbindungen, die durch seinen Beruf entstanden sind.

Abbildung 1
Abbildung 1: Dr.in Busra Ahmed. (Privataufnahme von ihr selbst zur Verfügung gestellt)

Abbildung 2
Abbildung 2: Clinton Ngonyo. (Privataufnahme von ihm selbst zur Verfügung gestellt)


2. Vom Kolonialstaat zur unabhängigen Demokratie

Kenia konnte sich erst 1963 von der englischen Kolonialherrschaft befreien. Seither hat sich die Bevölkerung von ca. 8 auf ca. 50 Million erhöht, wobei sich viele EinwohnerInnen erst behördlich registrieren lassen, wenn sie eine Geburtsurkunde brauchen und sich Ausweisdokumente ausstellen lassen (vgl. Pelowski et al. 2015) – ein Fakt, der vielen in Europa abwegig erscheint.

Trotz der 47 Bundesländer (Countys) und 13 Volksgruppen mit jeweils eigenen Sprachen konnte sich das Land enorm schnell entwickeln, was für eine Innovationsfreudigkeit spricht, die sich z.B. in der Etablierung eines mobilen Finanztransaktionssystems wie M-Pesa oder der Umsetzung des generellen Rauchverbots in der Öffentlichkeit (vgl. Karimi/Ayah/Olewe 2016:1) zeigt. Auch ist es verboten, nur stammesinterne Vereine registrieren zu lassen, was ein wichtiger Schritt für die Vereinigung des Landes ist.

Allein von den 1990er-Jahren bis heute konnte die Lebenserwartung um fast 20 Jahre gesteigert werden (vgl. WHO 2018: 1). Derzeit sind knapp 42% der Bevölkerung unter 15 Jahre alt und damit schulpflichtig bzw. im Kleinkindalter. Nur 4,5% der KenianerInnen sind über 60 Jahre alt (vgl. WHO 2018: 1). Die meisten Menschen sterben immer noch an Infektions-, Kinder und vor allem an Durchfallerkrankungen (vgl. WHO 2017: 1). Zugang zu Trinkwasser, hygienebezogene sowie kinder- und jugendbezogene Themen sind dementsprechend dringende Anliegen in Kenia.

Internationale Kooperationen sind im kenianischen Sozial- und Öffentlichkeitswesen stark sichtbar. Es gibt kaum Universitäten, Krankenhäuser oder andere öffentliche Einrichtungen, ohne internationale Fördermittel (vgl. Von Alvensleben/Bretz/Blumbach 2017: 10). Die offiziellen Amtssprachen sind Englisch und Kiswahili. Diese sind auch Unterrichtssprachen.

Eine flächendeckende Gesundheitsversorgung wird derzeit etabliert, wie auch der ehrgeizige Kenya Health Policy Plan 2014–2030 zeigt (vgl. Ministry of Health 2014a). Zudem werden Grundeinkommenspilotprojekte (vgl. Witte 2017) durchgeführt – viele mit der Unterstützung bzw. auch auf Initiative von WHO, NGOs und mit EZA-Mitteln und -Projekten. So wurde beispielsweise laut Dr.in Ahmed vom Kilifi County Hospital ein Programm gegen Müttersterblichkeit begonnen. Es wurde festgestellt, dass viele Frauen zu Hause gebären, was zu diversen Komplikationen mit Todesfolge führen kann, da diese Frauen im Bedarfsfall nicht mehr rechtzeitig ärztlich versorgt werden können. Als eine Kooperation von Krankenhaus und NGO wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem jede Frau, die im Krankenhaus gebärt, ein Kinderstarterpaket mit Badeschüssel, Windeln und anderen Dingen bekommt. Da der Aufenthalt im Kilifi County Hospital ohne vorliegende Krankenversicherung nur zwischen 100 und 300 Kenianischen Shilling pro Nacht kostet, konnten mit dieser sehr einfachen Maßnahme schon sehr viele Frauen überzeugt werden, zur Geburt ins Krankenhaus zu kommen. Damit konnte laut Dr.in Ahmed sowohl die Müttersterblichkeit als auch die Säuglingssterblichkeit maßgeblich gesenkt werden. Die genauen Zahlen liegen voraussichtlich 2020, zum Ende der Begleitstudie, vor.


3. Das Gesundheitswesen in Kenia

In Kenia kann zwar nicht von einer flächendeckenden, hochentwickelten Gesundheitsversorgung, die mit der österreichischen vergleichbar ist, gesprochen werden, doch erfolgte in den letzten Jahren ein massiver Ausbau der Gesundheitsversorgung. Dieser Ausbau ist zu großen Teilen den Förderungen und Initiativen von NGOs oder anderen Finanziers zuzuschreiben. Die kenianische Regierung setzte mit entsprechenden Regulierungen notwendige, ergänzende Schritte und lenkt und gestaltet durch Kooperationsprojekte diese Projekte mit, wie z.B. durch den Kenya Health Policy Plan 2014–2030. Um das Gesundheitswesen zu verstehen, müssen drei Dinge geklärt werden: Der Ausbildungsmodus von Gesundheitsberufen, der Infrastrukturmodus sowie der Versicherungsmodus.


3.1 Sozialversicherung und Krankenversicherung

Kenia hat sich in seiner Verfassung von 2010 zum Ziel gesetzt, eine universelle Gesundheitsversicherung (Universal Health Coverage) zu etablieren. In einem Gemeinschaftsprojekt aus privaten, öffentlichen und internationalen GeldgeberInnen werden die öffentlichen und privaten Versicherungsleistungen gebündelt, um gemeinsam dieses Ziel zu erarbeiten. Schon jetzt verfügt Kenia über ein privates Sozialversicherungssystem mit Pensions- und Krankenversicherung. Aufgrund des breiten Spektrums privater Versicherungen ist eine genaue Angabe über die Versicherungsabdeckung zwar nicht möglich, es kann aber festgestellt werden, dass immer mehr Menschen einen Versicherungsschutz genießen.

Es gibt in Kenia ein sehr breites Angebot an privaten Krankenversicherungen. Der National Health Insurance Fund (NHIF) ist die größte öffentliche Krankenversicherung. ArbeitgeberInnen können ihre Angestellten hier versichern. Es ist aber auch möglich, sich selbst zu versichern. In beiden Fällen ist die Familie mitversichert. Oftmals kaufen auch Regionalverwaltungen Versicherungen für EinwohnerInnen. So hat die Lamu County Verwaltung 2017 laut Clinton Ngonyo einige Tausend Versicherungen gekauft. EinwohnerInnen konnten sich für eine dieser Versicherungen bei der Regionalverwaltung melden und erhielten den Versicherungsschutz für ein Jahr. Langfristiges Ziel der Regierung ist es, allen KenianerInnen bis 2022 eine universelle Krankenversicherung zu ermöglichen. Am 01.12.2018 wurde das Projekt in vier Countys gestartet und soll nach und nach in allen Countys implementiert werden.


3.2 Ausbildung von Gesundheitsberufen

Bis zur Unabhängigkeit gab es aufgrund der englischen Kolonialherrschaft keine Universität in Kenia. Erst 1970 eröffnete die erste Universität. Mittlerweile gibt es über 30 öffentliche und 23 private Universitäten und Hochschulen, wobei es nur insgesamt 320 Studienplätze für Medizin und Chirurgie und 23 Studienplätze für Zahnmedizin gibt (vgl. Von Alvensleben et al. 2017: 9,14). Auch die Schulpflicht und damit die Öffnung der Volksschulen konnte erst nach der Unabhängigkeit eingeführt werden.

Kenianische MedizinstudentInnen müssen nach ihrem Abschluss ein Praxisjahr in einem zugewiesenen Krankenhaus absolvieren. FachärztInnenausbildungen müssen privat finanziert werden. Sie finden am Kenyatta National Hospital statt. Im Rahmen der Ausbildung müssen die ÄrztInnen laut Dr.in Ahmed ohne Bezahlung arbeiten. Um dies zu finanzieren, können sich ÄrztInnen öffentlicher Krankenhäuser verpflichten, nach der Ausbildung wieder zurückzukehren und dort anschließend als FachärztInnen für vier mindestens Jahre tätig zu sein – für ein, im Vergleich zum privaten Medizinsektor, geringes Gehalt. Mit solchen Maßnahmen konnte die Regierung den ÄrztInnenmangel im Land zumindest ansatzweise reduzieren.


3.3 Gesundheitsversorgungsinfrastruktur

Abbildung 3
Abbildung 3: Das mehrstufige Gesundheitssystem in Kenia. (Eigene Darstellung nach Ministry of Health 2014a: 6, 54)


Als erste Anlaufstelle gibt es im ganzen Land Dispensaries. Das sind Primärversorgungsstellen, welche von diplomiertem Gesundheits- und Krankenpflege Personal (DGKP) geleitet werden. Diese sind mit einem Grundstock an Medikamenten ausgestattet und verfügen z.T. über Betten. Sie werden entweder öffentlich oder privat bzw. über NGOs finanziert. Auf 10.000 EinwohnerInnen soll laut dem kenianischen Gesundheitsministerium eine Dispensary kommen (vgl. Ministry of Health Kenya 2014b:9). Health Centers sind ähnliche Institutionen, die aber auf bestimmte Anliegen spezialisiert sind (z.B. Ambulanzen, Geburtshäuser, OptikerInnen, ZahnärztInnen o.ä.). Die County Hospitals sind Bundesländer-Krankenhäuser, von denen in jedem Bundesland mindestens eines steht. Es sind kleine Krankenhäuser ohne Spezialisierungen und verfügen meist nur über eine Grundausstattung (d.h. kein MRT/CRT, sondern nur ein Röntgengerät, keine Intensivstation etc.). Von den County Hospitals wird im Bedarfsfall an die National Hospitals überwiesen. Diese verfügen über eine bessere Ausstattung und sind in der Lage, komplexere Operationen und Behandlungen durchzuführen (vgl. Ministry of Health 2014a: 42). Die jeweiligen Gesundheitseinrichtungen inklusive eines minimalen Angebotsüberblicks können online in der Kenya Master Health Facility List eingesehen werden (vgl. Ministry of Health 2019).


3.3.1 Praktisches Umsetzungsbeispiel in den Regionen

Die Shela Dispensary, eine der Dispensarys auf Lamu, die inmitten des reichsten Dorfes (Shela) auf der Insel liegt, wurde mit privaten Spenden gegründet, gehört aber offiziell dem Staat. Das Grundstück wurde gespendet, das Haus ebenfalls. Die laufenden Kosten werden größtenteils durch Spenden und private Zuwendungen finanziert. Es ist eine der wenigen Dispensaries, die einen größeren Medikamentenvorrat hat und eine der wenigen, bei der die zuständige DGKP im Gebäude lebt und damit Tag und Nacht für Notfälle erreichbar ist. Geplant ist, dass Teams aus 2–5 DGKP in den Dispensaries in Kenia arbeiten (vgl. Ministry of Health 2014b:13). Auch hierfür ist die Finanzierung durch NGOs und Privatspenden grundlegend erforderlich. Wie Dr.in Ahmed berichtete, werden Medikamente in der Regel alle drei Monate nachgeliefert. Werden mehr oder schneller Medikamente benötigt, müssen andere Distributionswege gefunden werden.

Für weniger dicht besiedelte Gebiete werden oftmals mobile Lösungen gefunden. So hat sich in Lamu County die NGO Safari Doctors etabliert. Die Organisation besucht die fünf Inseln des Lamu County sowie Teile des Festlands und bietet an elf Standorten mobile Klinikversorgung für Mensch und Tier (vgl. Safari Doctors 2017). So werden monatlich 800 Menschen erreicht. Meist reist allerdings kein/e HumanmedizinerIn mit, sondern DGKPs und ein/e VeterinärmedizinerIn. Gerne werden Freiwillige mitgenommen sowie laufend SpenderInnen für das Projekt gesucht. Solche mobilen Kliniken besuchen auch Schulen, um die SchülerInnen zu impfen. Dadurch konnte die Durchimpfungsrate in Kenia in den letzten Jahren angehoben werden. Derzeit stagniert sie bei knapp 90%, bedingt durch Engpässe bei der Impfstoffbeschaffung und Problematiken rund um die Lagerung.

Oft entstehen Projekte, weil jemand einen Bedarf erkennt und eine Lösung anbieten kann. So erkannte Clinton Ngonyo, dass viele Kinder und Erwachsene in Mararani, einem Dorf in der Mitte der Insel Lamu, in dem vor allem sehr armen Menschen leben, unter einer Jigger Infektion leiden. Nach einigen Recherchen fand er eine Behandlungsmöglichkeit. Er finanzierte sein Jigger/Tungiasis-Projekt mit Hilfe privater SpenderInnen, die er über seine Arbeit in der Tourismusbranche kennengelernt hat. Tungiasis ist eine Hautinfektion an den Füßen, die durch einen bestimmten Sandfloh hervorgerufen wird und sehr schmerzhaft ist (vgl. Feldmeier 2015). Das Projekt bestand darin, dass an je zwei Nachmittagen pro Woche, über sechs Monate hinweg alle Kinder und Erwachsenen des Dorfes Mararani behandelt wurden. Anschließend wurden ihnen Schuhe geschenkt, da diese den effektivsten Schutz gegen das Einnisten der Flöhe darstellen.

Clintons nächstes Projekt ist die Bekämpfung von Bettwanzen. Eine öffentliche Toilette und einen Brunnen hat er schon ermöglicht, nur die flächendeckende Versorgung mit (Ab-)Wasserleitungen lässt in Mararani noch auf sich warten. Derzeit arbeitet er an der Etablierung eines stammesübergreifenden Dorfvereins, der Kinderbetreuung, Bildung und Vernetzung ermöglichen soll. Grundsätzlich ist bemerkbar, dass viele Gesundheitsimpulse aus der Gemeinschaft selbst bzw. von NGOs und privaten SpenderInnen kommen. So verfolgt die WHO schon länger die Idee einer Universal Healthcare Coverage und setzt diese in Kenia mit um.

Abbildung 4
Abbildung 4: Clinton Ngonyo bei der Jigger-Behandlung im Rahmen der Mascani Youth Initiative (Facebook 2018).


4. Verbindungen vom Gesundheits- und Sozialwesen

Das Sozialwesen in Kenia ist stark durch NGOs, community-basierte Projekte und nationale Reformpläne, zu denen ich auch die UHC-Pläne zähle, bestimmt. Es konnte gezeigt werden, dass das Gesundheitswesen sehr eng mit dem Sozialwesen verbunden ist, da die Problemfaktoren oftmals ident sind (Krankheit führt z.B. zur Adressierung des Gesundheitswesens und ist verbunden mit Lohnausfällen, die in weiterer Folge zu weiterer Armut führen können).

Die Krankenhaussozialarbeit hat vorrangig die Aufgabe, mit PatientInnen und ihren Angehörigen Schuldentilgungspläne für die angefallenen Krankenhausrechnungen zu erarbeiten. Weiters ist die Sozialarbeit mit Sensibilisierungsprogrammen (Hygienemaßnahmen, Trinkwasserbereitung etc.) und der Beratung von PatientInnen und ihren Angehörigen betraut. Dies wird meist in sehr enger Zusammenarbeit mit dem medizinischen Personal und NGOs gemacht. In Kilifi County beschäftigen sich die SozialarbeiterInnen neben den Schuldentilgungsplänen vorwiegend mit Teenagerschwangerschaften und deren Auswirkungen; dazu gehören möglicher Schulabbruch und gesundheitliche und juristische Konsequenzen – Sex mit unter 18-jährigen Mädchen wird als Missbrauch geahndet, außer der Mann heiratet sie mit Einwilligung der Eltern. Darüber hinaus wird sich Präventionsprogrammen gewidmet: Kondome für Frauen und Männern liegen auf allen Toiletten öffentlicher Gebäude, wie Krankenhäuser, Behörden oder Schulen auf, ebenso gibt es Informationskampagnen zu Verhütung und NGO-Unterstützung bei der Finanzierung von Langzeitverhütungsformen wie der Spirale oder Ähnlichem. Die Arbeit ist also sehr stark eine Koordinierungsarbeit zwischen Gesundheitsleistungen, NGO-Angeboten und gesellschaftlichen Bedürfnissen.

Weiters gibt es den Bereich der Community als Grundstufe des Gesundheitssystems. Es werden seit den 1980er-Jahren Community Health Volunteers ausgebildet. Diese ehrenamtliche Tätigkeit ist auf die Gesundheitsbildung und den niederschwelligen Zugang zu Gesundheitsleistungen in der eigenen Community fokussiert. Public Health Volunteers vermitteln in Peer to Peer-Projekten Wissen über Familienplanung, Hygienemaßnahmen, einfache Gesundheitsbeschwerden etc., also Wissen darüber, wie Gesundheit erhalten werden kann. Dies ermöglicht andere Ansatzpunkte, als sie ein medizinisches System bietet. Gesundheitsgefährdungen sollen so frühestmöglich erkannt und (wenn möglich) in der Community adressiert werden. Die Ausbildung ist durch das kenianische Gesundheitsministerium geregelt. Die Ehrenamtlichen sind in einem Netzwerk tätig, welches dem Austausch und der Weiterbildung dient. Sie werden von der Community für die Funktion ausgewählt. Die Ausbildung von Community Health Volunteers wird auch in anderen Staaten Afrikas umgesetzt und ist in Kenia so erfolgreich, dass es in die nationale Gesundheitsstrategie Eingang gefunden hat (vgl. Ministry of Health 2014a: 35).


5. Conclusio

Das Gesundheits- und Sozialwesen ist in Kenia stark von Spenden abhängig. Bleiben diese aus, ist der laufende Betrieb gefährdet. Die Projekte, die es überall im Land gibt, sind meist abhängig von Personen, die hinter diesen stehen und die für Gelder, die Beschaffung von Medikamenten oder anderem benötigten Material lobbyieren. Die Public-Private-Partnership-Politik hat in Kenia viel ermöglicht. Doch zeigt sich auch, dass die öffentliche Versorgung immer noch stark unterfinanziert ist und nur das Nötigste abdeckt. So gibt es in öffentlichen Krankenhäusern keine in der Versicherung inkludierten Mahlzeiten. Immer wieder kommt es zu Engpässen bei Medikamenten und anderem benötigten Material. Wer es sich leisten kann, lässt sich im Ausland oder in Privatkliniken versorgen.

Die größten Herausforderungen der Zukunft scheinen die flächendeckende Implementierung eines Müllbeseitigungssystems sowie die flächendeckende Versorgung mit Trinkwasser bzw. überhaupt einer Wasserinfrastruktur zu sein. Schlussendlich bringt die beste Gesundheitsversorgung nichts, wenn basale Bedürfnisse wie z.B. auf sauberes Wasser nicht erfüllt werden und Kinder vom Wasserkonsum krank werden. Community Health Workers zeigen, wie diese Projekte im Kleinen angegangen werden können.


Verweise
1 Die Mutter von Dr.in Ahmed hat ihre neun Kinder erst registriert, als eines der Kinder Ausweisdokumente brauchte. Sie ging zum Standesamt und nannte neun Daten, die mehr oder weniger zwei Jahre auseinanderlagen, da sie etwa in diesem Abstand ihre Kinder geboren hatte. Bis heute wissen die meisten meiner kenianischen FreundInnen und Bekannten ihr genaues Geburtsdatum nicht, da sie dies auch nicht für wichtig erachten. Die WHO schätzt, dass die Registrierungsrate zwischen 2008 und 2009 bei 60% lag (vgl. WHO 2015: 1).
2 M-Pesa ist ein Finanztransaktionssystem, welches über SIM-Karten funktioniert. Ähnlich einem Bankkontosystem ist es damit möglich Geld zu verschicken, abzuheben, einzuzahlen etc., ohne aber die Bankeninfrastruktur (Bankomaten, Bankfilialen etc.) zu benötigen.
3 Eine Sanitäranlageninfrastruktur stand 2015 laut der WHO nur ca. 30% der Bevölkerung zur Verfügung (vgl. WHO 2015: 2).
4 Derzeit ist 1€ umgerechnet rund 112 ksh; Stand 18.02.2019.
5 Einige Impfstoffe müssen kühl gelagert werden; aufgrund der vorherrschenden Temperaturen und wegen häufig auftretenden Stromausfällen ist dies immer wieder herausfordernd.

Literatur

Facebook (2018): Mascani Youth Initiative https://www.facebook.com/maskaniyouthinitiative/photos/a.2009446712712489/2192977981026027/?type=3&theater (18.01.2018).

Feldmeier, Herrmann (2015): Das große Leiden an einem Floh. https://www.nzz.ch/wissenschaft/medizin/das-grosse-leiden-an-einem-winzigen-floh-1.18630360 (15.01.2019).

Ministry of Health (2019): Kenya Master Health Facility List. http://kmhfl.health.go.ke/#/home (10.01.2019).

Ministry of Health (2014a): Kenya Health Policy 2014–2030. Towards attaining the highest standard of health. https://www.afidep.org/?wpfb_dl=80 (10.01.2019).

Ministry of Health (2014b): Human Resources For Health Norms and Standards. Guidelines For The Health Sector. http://www.health.go.ke/wp-content/uploads/2015/09/16th%20october%20WHO%20Norms%20and%20Standarnds%20%20Book.pdf (18.02.2019).

Pelowski, Matthes/Wamai, Richard G./Wangombe, Josph/Nyakundi, Helen/Oduwo, Geofrey O./Ngugi, Benjamin K/Ogembo, Javier G (2015): Why Don’t You Register Your Child? A Study of Attitudes and Factors Affecting Birth Registration in Kenya, and Policy Suggestions. https://doi.org/10.1080/00220388.2015.1010156 (18.01.2019).

Safari Doctors (2017): The Journey. http://www.safaridoctors.org/the-journey/ (10.01.2019).

Von Alvensleben, Julia/Bretz, Sabine/Blumbach, Helmut (2017): DAAD Bildungssystemanalyse. Kenia. Daten & Analysen zum Hochschul- und Wissenschaftsstandort. https://www.daad.de/medien/der-daad/analysen-studien/bildungssystemanalyse/kenia_daad_bsa.pdf (10.01.2019).

Witte, Patrick (2017): Geld zu verschenken. http://www.spiegel.de/wirtschaft/kenia-givedirectly-grundeinkommen-als-entwicklungshilfe-a-1179744.html (11.01.2019).

WHO (2018): Country Cooperation Strategy at a glance. Kenya. http://www.afro.who.int/sites/default/files/2018-02/ccs_brief_ken_en_2017_0.pdf (14.01.2019).

WHO (2015): Kenya: WHO statistical profile. https://www.who.int/gho/countries/ken.pdf (14.01.2019).


Weiterführende Informationen

CIA – Central Intelligence Agency (o.J.): The World Factbook. Kenya. https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ke.html.

International finance Group (o.J.): M-Money Channel Distribution Case – Kenya. Safaricom M-Pesa. https://www.ifc.org/wps/wcm/connect/4e64a80049585fd9a13ab519583b6d16/tool+6.7.+case+
study+-+m-pesa+kenya+.pdf?mod=ajperes.

Ministry of Health (2018): CS Health launches UHC pilot registration. http://www.health.go.ke/?p=4938.

Ministry of Health (2013): Community Health Volunteers (CHVs). Basic modules handbook. http://guidelines.health.go.ke:8000/media/CHV_handbook_PDF-F.pdf.

World Health Organisation (2018): Together on the road to universal health coverage. A call to action. https://www.who.int/universal_health_coverage/road-to-uhc/en/.


Über die Autorin

Sophie Nix, MA

Die Politikwissenschaftlerin, welche derzeit den Master Soziale Arbeit an der FH St. Pölten absolviert, beschäftigt sich schon seit Jahren mit den Verbindungen von Sozial- und Gesundheitswesen, was auch Thema ihrer Masterarbeit ist.