soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 21 (2019) / Rubrik "Junge Wissenschaft" / Standort Innsbruck
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/620/1101.pdf


Jennifer Mair:

Vermittlung von Gender-Kompetenz in Bachelorstudiengängen der Sozialen Arbeit im österreichweiten Vergleich


1. Einleitung

Die Auseinandersetzung mit der Strukturkategorie Geschlecht gewinnt in der Sozialen Arbeit in Theorie, Praxis und Lehre nicht nur zunehmend an Bedeutung, sondern markiert ein wichtiges Professionalitätskriterium, wie beispielsweise Böllert und Karsunky (2008) unterstreichen:

„‚Genderkompetenz‘, so heißt eine neue Schlüsselqualifikation, die auch in der Sozialen Arbeit zu einem wichtigen Professionalitätsmerkmal avanciert. Dieser Begriff steht für all jene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissensdimensionen, über die eine Fachkraft der Sozialen Arbeit verfügen muss, um insbesondere im Zuge der Implementierung und Umsetzung der Gender Mainstreaming Strategie die eigene Arbeit geschlechterbewusst und gleichstellungsorientiert gestalten zu können.“ (Böllert/Karsunky 2008: 6)

Es stellt sich aus theoretischer Perspektive dementsprechend nicht (mehr) die Frage, ob sich angehende Sozialarbeiter_innen mit dem Thema Gender, Ungleichheit und gesellschaftliche Machtstrukturen im Bachelorstudium für Soziale Arbeit auseinandersetzen müssen. Geschlechtergerechtigkeit ist ein fester Bestandteil der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (vgl. Vereinte Nationen 1948, Art. 2), in Vertragspartnerschaften für weitere internationale Übereinkommen (vgl. BMVRDJ 2009), in den verfassungsrechtlichen Grundlagen (vgl. StGG Art. 2; B-VG Art. 7 Abs. 1–4), in der gesetzlichen Verankerung des Gender-Mainstreamings1 (vgl. Czollek/Perko/Weinbach 2009: 85–86) sowie dem Gleichbehandlungsgesetz (vgl. BMASK 2018) und hat höchste Relevanz für Soziale Arbeit.

Wer sich der Thematik angenähert hat, weiß über die Komplexität, Kontroversen und Theorienvielfalt Bescheid. Darüber hinaus wird man mit vielen weiteren Ungleichheitsdimensionen konfrontiert, welche meist unter dem Überbegriff Diversity zusammengefasst werden (vgl. Abdul-Hussain 2012: 88). Eine professionelle Haltung einzunehmen, ohne sich in diversen Kategorien zu verlieren, einzelne Kategorien zu übersehen bzw. zu absorbieren oder zu ihrer Stabilität beizutragen, wird als große Herausforderung angesehen (vgl. Crenshaw 2013: 36). Doch wie gehen Studiengänge für Soziale Arbeit in Österreich im Zuge ihres Lehrauftrages mit dieser anspruchsvollen und verantwortungsvollen Aufgabe um? In welchem Ausmaß werden Studierende vorbereitet, um den Anforderungs- und Qualitätsmerkmalen sozialer Gerechtigkeit in der beruflichen Praxis – eingebettet in einer Gesellschaft, in der Geschlechterzugehörigkeit nach wie vor relevant ist – gerecht zu werden?

Dieser Beitrag stellt eine Zusammenfassung von Inhalten und Ergebnissen dar, welche im Rahmen der Bachelorarbeit Vermittlung von Gender-Kompetenz im Bachelorstudiengang für Soziale Arbeit an Fachhochschulen in Österreich (Mair 2018) im Fachgebiet Soziale Arbeit im Juni 2018 am Management Center Innsbruck erarbeitet wurden. Vertiefend wird an dieser Stelle auf die Kategorie Geschlecht eingegangen, ohne andere personenbezogene Unterscheidungsmerkale wie beispielsweise sexuelle Orientierung, Alter, Nationalität und Ethnie, Hautfarbe, Beeinträchtigung oder Religion vernachlässigen zu wollen. Vorab soll darauf hingewiesen werden, dass die Kategorie Geschlecht im gesellschaftlichen Verhältnis untrennbar mit anderen Unterscheidungsmerkmalen verwoben ist. Eine mehrdimensionale Analyse von sozialen Problemen ist unabdingbar (vgl. Crenshaw 2013: 36).

In Hinblick auf die Etablierung von Gender-Kompetenz ist ein Zusammenspiel unterschiedlicher Dimensionen Sozialer Arbeit essenziell. Nach Czollek et al. (2009) fallen unter den Begriff Soziale Arbeit:

In diesem Artikel liegt der Fokus auf den Ausbildungsorten der Sozialen Arbeit und setzt sich mit nachstehender Fragestellung auseinander: In welchem Ausmaß ist der Erwerb von Gender-Kompetenz für Studierende im Bachelorstudiengang für Soziale Arbeit an (Fach-)Hochschulen in Österreich zugänglich?

Zur Beantwortung der Fragestellung findet zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Begriff Gender-Kompetenz statt, um darauf aufbauend die Ausbildungssituation in Österreich hinsichtlich Gender-Kompetenz mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse zu beleuchten. Diese Dokumentenanalyse beinhaltet eine Überprüfung der Syllabi und Curricula von neun österreichischen Bachelorstudiengängen Soziale Arbeit auf Lehrveranstaltungen mit gendertheoretischen Schwerpunkten bzw. mit Gender als Querschnittsthema. Vordefinierte Untersuchungskriterien führen zu einem Ranking der einzelnen (Fach-)Hochschulen.

Der vorliegende Beitrag versteht sich als Momentaufnahme davon, in welchem Umfang der Erwerb von Gender-Kompetenz auf Hochschulebene für angehende Sozialarbeiter_innen in Österreich anhand der angebotenen Lehrveranstaltungen – gemessen in Semesterwochenstunden (SWS) und European-Credit-Transfer-System (ECTS) Credits – forciert wird. Inwieweit die Vermittlung von Gender-Kompetenz unabhängig von expliziten Nennungen in Lehrveranstaltungstiteln & Syllabi in der Lehre erfolgt, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beitrags.


2. Gender-Kompetenz

In der einschlägigen Fachliteratur wird Gender-Kompetenz als Schlüsselqualifikation beschrieben, welche in der Sozialen Arbeit als „Professionalitätsmerkmal“ zunehmend an Bedeutung gewinnt (vgl. Böllert/Karsunky 2008: 6). Die Etablierung von Gender-Kompetenz ist auf die zweite Welle der Frauenbewegung (1970er-Jahre) und die Implementierung von Gender-Mainstreaming zurückzuführen (vgl. Kunert-Zier 2008: 49). In der Fachliteratur lässt sich weder eine einheitliche Definition von Gender-Kompetenz noch eine klare Umschreibung feststellen (vgl. Liebig/Rosenkranz-Fallegger/Meyerhofer 2009: 43). Im Handbuch Gender-Kompetenz. Ein Praxisleitfaden für (Fach-)Hochschulen wird Gender-Kompetenz beispielsweise wie folgt definiert:

„Gender-Kompetenz umfasst das Wissen über Geschlechterverhältnisse und deren Ursachen sowie die Fähigkeit, dieses Wissen im alltäglichen Handeln anzuwenden und auf individueller Ebene zu reflektieren. Gender-kompetentes Handeln zielt auf die individuelle und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Geschlechterkonstruktionen und daran anschließenden Ungleichheiten und bildet grundlegendes Element der Gleichstellung von Frau und Mann.“ (Liebig et al. 2009: 44, Herv. JM)2

Aus vorliegender Definition geht hervor, dass Gender-Kompetenz ein anspruchsvolles Konzept darstellt. Das Zusammenspiel von einem fundierten Basiswissen rund um das gesellschaftliche Verhältnis der Geschlechter – Geschlecht hier verstanden als Strukturkategorie – sowie der Fähigkeit, einen Transfer in die Praxis herzustellen und dabei in einen individuellen Reflexionsprozess treten zu können, wird vorausgesetzt. Darüber hinaus wird für die Soziale Arbeit ersichtlich, dass die Umsetzung von Gender-Mainstreaming durch eine gendergerechte Soziale Arbeit auf Mikro-Ebene (der unmittelbaren sozialarbeiterischen Praxis), auf Meso-Ebene (der Hochschule, Institutionen und Netzwerke der Sozialen Arbeit) als auch auf Makro-Ebene (Theorien Sozialer Arbeit und Sozialpolitik) beleuchtet werden muss.

Im Folgenden soll auf zwei unterschiedliche Modelle eingegangen werden, welche die Bausteine von Gender-Kompetenz näher erläutern sollen: „Gender-Kompetenz als Reflexionskompetenz“ (Budde/Venth 2010: 22) von Budde und Venth und „Gender-Kompetenz als Handlungskompetenz“ (Schnier 2012: 112) von Schnier.


2.1 Gender-Kompetenz als Reflexionskompetenz

Budde und Venth (2010: 22) begreifen Gender-Kompetenz als eine Reflexionskompetenz in Hinblick auf „lebenslange[s] Lernen“ (ebd.: 23) für pädagogisches Personal (vgl. ebd.: 22–23). In vorliegender Arbeit wird unter anderem auf dieses Modell zurückgegriffen, da Reflexionskompetenz ein unmittelbares Qualitätskriterium der Sozialen Arbeit darstellt. Darüber hinaus ist ein Ineinandergreifen von Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Hinblick auf ein breit gefächertes Handlungsspektrum gegeben.

Abbildung 1
Abbildung 1: Das Modell „Genderkompetenz als Reflexionskompetenz“ nach Budde und Venth (2010: 24).


In Anlehnung an Kunert-Zier (2005) bauen Budde und Venth ihr Modell „Genderkompetenz als Reflexionskompetenz“ auf den drei Elementen Wollen, Wissen und Können auf (vgl. Budde/Venth 2010: 23). Wollen beschreibt die Triebkraft, sich für die Chancengleichheit der Geschlechter einzusetzen (vgl. ebd.). Des Weiteren wird an dieser Stelle die Bereitwilligkeit, sich mit der eigenen Geschlechtersozialisation auseinanderzusetzen, verstanden (vgl. Schnier 2012: 116). Wissen steht für ein fundiertes, theoretisches sowie geschichtliches Basiswissen, um „geschlechtsspezifische Strukturen in Institutionen und Alltagshandeln“ (Budde/Venth 2010: 23) aufzuzeigen (vgl. ebd.: 23–24). Unter Können werden Methoden und Strategien subsummiert, die ermöglichen Geschlechterhierarchien abzubauen (vgl. ebd.: 24).

Der zentrale Stellenwert von Reflexionsvermögen in Verknüpfung mit allen Kompetenzebenen könnte nicht nur für die unmittelbare sozialarbeiterische Praxis von großer Bedeutung sein, sondern auch für die Lehrtätigkeit an den (Fach-)Hochschulen für Soziale Arbeit.

Böllert und Karsunky (2008) machen darauf aufmerksam, dass in unterschiedlicher Literatur die drei Elemente Wollen, Wissen und Können in Bezug auf Gender-Kompetenz jeweils durch ein Viertes, das Dürfen, ergänzt werden:

„Denn inwiefern individuelle Kompetenz zielgerichtet zur Anwendung kommen kann, hängt letztlich von dem Zuspruch der Verantwortlichkeit sowie den zur Verfügung gestellten Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz (z.B. Bereitstellung von Ressourcen, Klärung von Zuständigkeiten, Angebote von Fortbildungs- und Beratungsmaßnahmen) ab.“ (Ebd.: 9)

An dieser Stelle steht Soziale Arbeit in all ihren Dimensionen vor einer weiteren Herausforderung, denn die Verantwortung einer geschlechtergerechten Sozialarbeitspraxis, Sozialarbeitswissenschaft und Bildungsarbeit an den Hochschulen muss zuerst angenommen werden, bevor die Weichen dafür gestellt werden können.


2.2 Gender-Kompetenz als Handlungskompetenz

Um sich einem tieferen Verständnis von Gender-Kompetenz anzunähern, soll in diesem Beitrag auf ein Modell zurückgegriffen werden, welches in leicht abgeänderter Form in unterschiedlichen Quellen wiederholt zur Anwendung kommt. Dabei wird Gender-Kompetenz als Handlungskompetenz oder Systematik beschrieben (vgl. Schnier 2012: 112; Böllert/Karsunky 2008: 8; Liebig et al. 2009: 43). In diesem Zusammenhang möchte ich mich überwiegend auf die Überlegungen von Victoria Schnier (2012) beziehen, die sich mit Gender-Kompetenz in der Erwachsenenbildung auseinandersetzt (vgl. dazu Schnier 2012: 115).

Abbildung 2
Abbildung 2: Das Modell „Gender-Kompetenz als Handlungskompetenz“ nach Schnier (2012: 117).


In vorliegender Grafik wird ersichtlich, dass sich „Gender-Kompetenz als Handlungskompetenz“ (Schnier 2012: 117) jeweils in vier Komponenten unterteilt: Personale Kompetenz, Sozialkompetenz, Methodenkompetenz und Fachkompetenz. Diese Elemente sind in der Abbildung in einem Rahmen von gemeinsamen Werten und Normen eingebettet, welche auf Geschlechtergerechtigkeit und Geschlechterdemokratie abzielen. Dieser Rahmen könnte beispielsweise durch die Prinzipien einer Hochschule gegeben sein, in dem Gender-Kompetenz vermittelt werden soll. Im Folgenden werden die einzelnen Elemente von Gender-Kompetenz in der Erwachsenenbildung nach Schnier näher beschrieben.

Unter Personaler Kompetenz versteht Schnier die Motivation, „geschlechtergerechte[ ] Bildungsarbeit“ auf Basis von „geschlechterbezogene[r] Selbstreflexivität“ und „Ambiguitätstoleranz“3 umzusetzen (Schnier 2012: 117). Sozialkompetenz umfasst die Sensibilität für geschlechtergerechte Sprache sowie geschlechtergerechte Umgangsweisen. Darüber hinaus nennt Schnier an dieser Stelle das eigene Verantwortungsgefühl, sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter einzusetzen (vgl. Schnier 2012: 118). Methodenkompetenz beinhaltet die gendersensible Umsetzung von Methoden. Zudem muss Gendergerechtigkeit auch in der Didaktik und in Konzepten von Seminargestaltungen verankert sein. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, sind laut Schnier „Reflexionsvermögen und Ganzheitlichkeit im Bildungsprozess Voraussetzungen“ (vgl. ebd.). Unter Fachkompetenz versteht sie die stetige Aktualisierung entsprechend neuester Erkenntnisse der Genderforschung. Des Weiteren wird vorausgesetzt, diese verknüpfend mit dem jeweiligen Fachgebiet in Beziehung zu setzen und zur Sprache zu bringen (vgl. ebd.).

Anhand des dargestellten Modells lässt sich die Komplexität und Vielschichtigkeit der Vermittlung von Gender-Kompetenz veranschaulichen und die damit in Zusammenhang stehenden Herausforderungen für die Hochschulbildung. Um Studierenden der Sozialen Arbeit Gender-Kompetenz näherbringen zu können, wird die personale Kompetenz, die Sozialkompetenz, die methodische Kompetenz und die Fachkompetenz der Vortragenden vorausgesetzt und das unabhängig vom Gegenstand der Lehrveranstaltung.

Lernen erfolgt unter anderem bekanntlich am Modell. Zu berücksichtigen ist diesbezüglich die Vorbildwirkung der Vortragenden auf Studierende. Die Haltung der Lehrenden, welche sich durch geschlechtergerechte Sprache, Didaktik und Methodik ausdrückt, unterliegt selbst einem Lernprozess und erfordert eine große Bereitschaft zur Selbstreflexion. Gemeinsame Werte und Normen zu gendergerechter Bildungsarbeit an den Instituten für Soziale Arbeit unterstützen und stärken die Vortragenden in der Umsetzung ihres Auftrages an der Hochschule. Hinzu kommt noch eine weitere Herausforderung, wie Böllert und Karsunky veranschaulichen:

„Der Erwerb von Gender-Kompetenz [ist] ein sehr anforderungs- und anspruchsvolles Unterfangen, das sich weder innerhalb der Ausbildung durch den einmaligen Besuch einer Veranstaltung zur Gender-Thematik noch im Rahmen von Fort- und Weiterbildungsangeboten durch die Teilnahme an ein- bis dreitägigen Gender-Workshops oder Gender-Trainings verwirklichen lässt.“ (Böllert/Karsunky 2008: 9)

In logischer Konsequenz muss sich die Vermittlung von Gender-Kompetenz an den Hochschulen wie ein roter Faden konsequent durch die Ausbildung zur_m Sozialarbeiter_in ziehen. Es müssen neben dem Grundlagenerwerb auch Angebote an vertiefenden Lehrveranstaltungen zum Thema Gender geschaffen werden, um den Anforderungen des Kompetenzerwerbs gerecht werden zu können.


3. Gender-Kompetenz in der österreichischen Hochschulausbildung Soziale Arbeit

In welchem Ausmaß der Erwerb von Gender-Kompetenz für Studierende in Bachelorstudiengängen für Soziale Arbeit an (Fach-)Hochschulen in Österreich möglich ist, wurde mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse der angebotenen Lehrpläne (Curricula) und der Studieninhalte (Syllabi) erfasst (vgl. Mair 2018: 25–47).


3.1 Vorgehensweise quantitative Inhaltsanalyse

Es wurden neun Bachelorstudiengänge für Soziale Arbeit an den folgenden (Fach-)Hochschulen in Österreich untersucht:

Die Studienform kann nach Vollzeitform und/oder berufsbegleitender Form unterschieden werden. Es wurden vorwiegend die Curricula und Syllabi des Vollzeitstudiums des jeweiligen Studiengangs zur Dokumentenanalyse herangezogen. Wird das Bachelorstudium ausschließlich berufsbegleitend angeboten, wurden der Syllabus und das Curriculum dieser Studienform verwendet. Darüber hinaus wurden jene Dokumente untersucht, welche mit Stand Juni 2018 im Zuge des Webauftritts der jeweiligen (Fach-)Hochschule der breiten Öffentlichkeit zugänglich waren. Allfällige zwischenzeitliche Veränderungen in den Curricula/Syllabi konnten nicht berücksichtigt werden.4

Das Datenmaterial basiert auf Eigenrecherche anhand von öffentlich zugänglichen Informationsbroschüren sowie Daten der jeweiligen Websites. Eine Ausnahme bildet das Management Center Innsbruck. Die Syllabi dieser Hochschule sind auf der Website nicht veröffentlicht, waren aber aufgrund der Immatrikulation der Verfasserin (Jahrgang 2015–2018) zugänglich.

Die Ergebnisse der Analyse wurden tabellarisch visualisiert und in einem Ranking der einzelnen Studiengänge für Soziale Arbeit zusammengefasst. Dabei wird zwischen einem Gender-Schwerpunkt im Curriculum, einem Gender-Schwerpunkt im Syllabus sowie Gender als Querschnittsthema im Syllabus differenziert. Bestimmende Kriterien für das Ranking sind die angebotenen ECTS-Credits, die Semesterwochenstunden, die Anzahl der angebotenen Lehrveranstaltungen, der Zeitpunkt im Studium, gemessen nach Semestern, sowie die Verpflichtung oder Freiwilligkeit der Belegung der jeweiligen Lehrveranstaltung. Die Werte in den nachfolgenden Tabellen sind auszugsweise der Bachelorarbeit entnommen, in deren Rahmen eine detailliertere Aufbereitung der Ergebnisse stattgefunden hat (vgl. Mair 2018: 28–32, 36–46).


3.2 Gender-Kompetenz auf Ebene der Curricula

Aus dem Curriculum des jeweiligen Studiengangs erschließt sich das Angebot einschlägiger Lehrveranstaltungen je Semester. Des Weiteren findet man Informationen über die SWS sowie ECTS-Credits, welche erworben werden müssen. Gemäß internationalen, standardisierten Vorgaben sind 30 ECTS-Punkte per Semester zu erreichen. Die Gesamtsumme aller ECTS-Credits (180) ist im Studium somit die Grundlage für den positiven Abschluss des Bachelor Studiums für Soziale Arbeit. Eine Lehrveranstaltungsbeschreibung wird in diesem Dokument nicht angegeben.


3.2.1 Kriterien der Dokumentenanalyse

In folgendem Abschnitt werden die Kriterien der Dokumentenanalyse der Curricula vorgestellt. Die angegebenen Titel der Lehrveranstaltungen (LV) im Curriculum wurden nach jenen Schlagwörtern durchsucht, die eine Vermittlung von Gender-Kompetenz nahelegen: Gender, Geschlecht, Gender-Kompetenz, Gender-Training, Diversity-Training, Diversity, Vielfalt, Gender-Theorien, Gender-Studies, Diversity-Studies, Frauenforschung, Frauenbewegung, Feminismus, feministische Theorien/Ansätze, Geschlecht, soziale Ungleichheit, Differenz, Machtstrukturen, gesellschaftliches Verhältnis, Gendergerechtigkeit, Gender-Mainstreaming, Gleichberechtigung, Gleichbehandlung, soziale Gerechtigkeit, Intersektionalität, Queer-Studies, Sexismus.

Es konnte dabei nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Lehrveranstaltungen, die im Titel keine Übereinstimmung mit den definierten Schlagwörtern aufweisen, die Vermittlung von Gender-Kompetenz beinhalten. Durch die Dokumentenanalyse der Curricula konnten lediglich jene Lehrveranstaltungen herausgefiltert werden, welche die Vermittlung von Gender-Kompetenz im Titel untermauern und zentral fokussieren.

Die Summen der Semester (S) geben Auskunft, in wie vielen Semestern Studierende die Möglichkeit haben, sich mit dem Thema Gender auseinanderzusetzen.

Das Kriterium Zeitpunkt im Studium erfasst, wann im Studienverlauf erstmalig eine Lehrveranstaltung mit dem Ziel der Vermittlung von Gender-Kompetenz vorgesehen ist. Eine zeitlich frühe Auseinandersetzung zur Entwicklung von Gender-Kompetenz wurde dabei als positiv für das Ranking bewertet. Sie wird als Grundlage angesehen, auf die im Verlauf des Studiums aufgebaut werden kann. Inhaltliche Verknüpfungen können im geschützten Rahmen der Universität hergestellt und sprachliche Kompetenzen ausgebaut und verinnerlicht werden (z.B. geschlechtergerechte Sprache).

Das Kriterium Semesterwochenstunden (SWS) verdeutlicht, in welchem zeitlichen Ausmaß die jeweilige Lehrveranstaltung abgehalten wird. Die Möglichkeit, sich intensiver mit der Gender-Thematik auseinanderzusetzen, wird als positiv hinsichtlich der Reihung im Ranking bewertet.

Das Kriterium European Credit Transfer System (ECTS) gibt an, wie viele Credits für Lehrveranstaltungen erreicht werden. Die Höhe der ECTS-Credits geben Aufschluss über die Gewichtung der Lehrveranstaltung im Studium. Es wird im Rahmen dieser Untersuchung angenommen, dass die Höhe der ECTS-Credits mit dem Ausmaß an inhaltlicher Vermittlung von Gender-Kompetenz korreliert.


3.2.2 Tabellarische Visualisierung der Forschungsergebnisse

In diesem Abschnitt werden die anhand der Dokumentenanalyse ausgearbeiteten Werte der einzelnen (Fach-)Hochschulen mittels Rankings gegenübergestellt. Als Vergleichswerte werden die Anzahl der Lehrveranstaltungen, die Summe der Semester (S), der Zeitpunkt im Studium (Wann findet die erste Lehrveranstaltung zum Thema Gender statt?), die Summe der SWS und die Summe der ECTS-Credits herangezogen.

Das Studienangebot mit den am meisten übereinstimmenden Kriterien wird an erster Stelle platziert, wobei der Summe der erreichten ECTS-Credits die stärkste Gewichtung zukommt. Sollte die Anzahl der ECTS-Credits bei verschiedenen Hochschulen ident sein, werden die SWS als Entscheidungswert herangezogen bzw. die Anzahl der Lehrveranstaltungen gewertet. Sollten sich auch bei diesem Wert Übereinstimmung ergeben, wird in einem nächsten Schritt die Einführung der Gender-Thematik in Hinblick auf das Gesamtstudium bewertet: Eine zeitlich frühere Integration von gendertheoretischen Inhalten im Studium der Sozialen Arbeit wird dabei als positiv angesehen. Als letztes Kriterium wird die Konstanz der Vermittlung von genderbezogenen Inhalten in Hinblick auf das Gesamtstudium eruiert.

Tabelle 1
Tabelle 1: Gender-Schwerpunkt im Curriculum (vgl. Mair 2018: 32).


Die Analyse der Curricula zeigt, dass die FH Salzburg den umfangreichsten Anteil an genderspezifischen Lehrveranstaltungen in ihrem Curriculum integriert. Hier sind drei Lehrveranstaltungen mit einem ausgewiesenen Gender-Schwerpunkt vorgesehen. Mit der Verankerung der ersten einschlägigen Lehrveranstaltung bereits im ersten Semester des Studiums kann dies als vergleichsweise früh eingestuft werden. Es sind insgesamt 15 ECTS-Credits und zehn SWS angedacht. Der Erwerb von Gender-Kompetenz erfolgt in diesem berufsbegleitenden Studium gemäß Curriculum in insgesamt drei Semestern (vgl. FH Salzburg 2017: 4).

Den geringsten Anteil an genderspezifischen Lehrveranstaltungen weisen die Curricula der FH Campus Wien und der FH Burgenland auf. In diesen beiden Studiengängen sind jeweils eine Lehrveranstaltung mit einem ECTS-Credit vorgesehen. Die Einführung von genderspezifischen Lehrveranstaltungen beginnt an der FH Campus Wien im ersten Semester mit einer SWS, an der FH Burgenland im vierten Semester (vgl. FH Campus Wien 2017: 5; FH Burgenland: o.J.).

Der Umfang an Lehrveranstaltungen zum Erwerb von Gender-Kompetenz in den Curricula der Bachelorstudiengänge für Soziale Arbeit variiert somit zwischen einem und 15 ECTS-Credits – in Relation zum Gesamtstudium von 180 ECTS-Credits. Laut Lehrveranstaltungstiteln der Curricula sind für die Vermittlung von Gender-Kompetenz durchschnittlich 6,1 ECTS-Credits angesetzt.5


3.3 Gender-Kompetenz auf Ebene der Syllabi

Im Syllabus eines Studienganges lässt sich eine detaillierte Lehrveranstaltungsbeschreibung des im Curriculum angegebenen Studienverlaufs finden. Zudem können Informationen in Bezug auf ECTS-Credits, SWS und Prüfungsmodalitäten angegeben und die Vortragenden der jeweiligen Lehreinheit namentlich erwähnt sein. Weitere Informationen können überdies Lernergebnisse der Lehrveranstaltung/des Moduls, Art der Veranstaltung (Präsenzveranstaltungen, Fernstudium), empfohlene Fachliteratur, Lehr- und Lernmethoden sein.

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Dokumentenanalyse vorgestellt, welche die Studieninhalte und die Lernziele in Bezug auf die Vermittlung von Gender-Kompetenz bzw. das Einfließen von genderspezifischen Thematiken hin überprüft. Für die Dokumentenanalyse wurden die aktuellsten Daten der Syllabi mit Stand Juni 2018 herangezogen, welche im Internet zugänglich waren. Dabei wurden vorzugsweise die Syllabi der Vollzeitstudien verwendet. Sollte das jeweilige Studium ausschließlich berufsbegleitend angeboten werden, wurde jener Syllabus verwendet.


3.3.1 Kriterien der Dokumentenanalyse

In diesem Abschnitt werden die Kriterien, nach denen die Dokumentanalyse der Syllabi erfolgte, vorgestellt. Der Inhalt der Lehrveranstaltung und die Lernziele wurden nach vordefinierten Schlagwörtern durchsucht, welche auf die Vermittlung von Gender-Kompetenz schließen lassen. Sie stellen eine Erweiterung der in Kapitel 3.2.1 genannten Schlagwörter dar. Die Schlagwörter lauten wie folgt: Gender, Geschlecht, Geschlechterforschung, Gender-Kompetenz, Gender-Training, Gender-Theorien, Gender-Studies, Gender-Mainstreaming, Gendergerechtigkeit, Geschlechterkonstruktion, Geschlechterrollen, Geschlechterverhältnisse, Transgender, Diversity, Vielfalt, Diversity-Training, Diversity-Studies, Diversity Management, Frau, Frauenforschung, Frauenbewegung, Gewalt an Frauen, Frauenhandel, Frauenrechte, Queer, Queer-Theorie, Queer-Studies, Feminismus, feministische Theorien/Ansätze, Emanzipation, soziale Ungleichheit, Machtstrukturen, gesellschaftliches Verhältnis, Patriachat, Paternalismus, Benachteiligung, Ungleichbehandlung, soziale Gerechtigkeit, Gleichbehandlung, Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Gleichstellung, Gleichheitsrecht, Intersektionalität, Sexualität, Sexismus, sexueller Missbrauch, Sexarbeit, bisexuell, transsexuell, Schwangerschaft, Vergewaltigung, Männlichkeitsforschung, hegemoniale Männlichkeit, Gay/Lesbian Studies, Heteronormativität, Differenz, Differenzkategorien, Normativität, Partizipation, Konstruktion, Dekonstruktion, doing gender.

Darüber hinaus wurden jene Wörter erfasst, die die vorgegebenen Silben enthalten. Schlagwörter, die nicht im Zusammenhang mit der Thematik stehen wie z.B. „Diversity of Methods“ (FH Burgenland o.J.: 38) oder „diversionelle[ ] Maßnahmen“ (ebd.) werden in die Dokumentanalyse nicht integriert. Es wurde darauf geachtet, nur Schlagwörter zu berücksichtigen, die tatsächlich mit dem Untersuchungsgegenstand in Zusammenhang stehen.

Die Kategorie Art der Lehrveranstaltung erfasst, ob es sich bei der angebotenen Lehrveranstaltung um eine Pflichtveranstaltung handelt, die von Studierenden belegt werden muss. Wahlpflichtfächer können von den Studierenden optional im Studium besucht werden. Handelt es sich um eine Pflichtveranstaltung, wird davon ausgegangen, dass der Kompetenzerwerb für angehende Sozialarbeiter_innen an den Hochschulen als essentiell eingestuft wird.

Das Kriterium Schwerpunkt prüft, ob aufgrund des Titels der Lehrveranstaltung, des Inhalts sowie der Lernziele auf die Vermittlung von Gender-Kompetenz fokussiert wird, oder ob es sich um einen nachgereihten Fokus handelt (=Querschnittsthematik). Diese Kategorie kann nur subjektiv bewertet werden und wird anhand der Anzahl der übereinstimmenden Schlagworte im Syllabus gemessen.


3.3.2 Tabellarische Visualisierung der Forschungsergebnisse

Auf Basis der vorhergehend genannten Kategorien wurden die Ergebnisse in zwei Tabellen unterteilt. Die erste Tabelle zeigt die Summe aller angebotenen Lehrveranstaltungen eines Studienganges für Soziale Arbeit, welche auf einen Gender-Schwerpunkt schließen lassen. Die zweite Tabelle bildet lediglich jene Lehrveranstaltungen ab, welche auf Gender als eine Querschnittsthematik schließen lassen (vgl. Mair 2018: 44–46). Gleichzeitig wurde ein Ranking der einzelnen Standorte erstellt. Die (Fach-)Hochschule mit den meisten Übereinstimmungen der vordefinierten Kriterien wird an erster Stelle gereiht. Wie bereits im Kapitel 3.2 beschrieben, sind die ECTS-Credits das entscheidende Kriterium für die Reihung in der jeweiligen Tabelle.

Nachfolgend wird der Gender-Schwerpunkt im Syllabus der einzelnen Hochschulen tabellarisch dargestellt:

Tabelle 2
Tabelle 2: Gender-Schwerpunkt im Syllabus (vgl. Mair 2018: 44).


Durch die Dokumentenanalyse des Syllabus stellte sich heraus, dass an der FH Salzburg insgesamt fünf Lehrveranstaltungen mit explizitem Gender-Bezug im Syllabus angedacht sind. Die angehenden Sozialarbeiter_innen haben die Möglichkeit, 15 ECTS-Credits und 10 SWS zu belegen. Drei der angebotenen Lehrveranstaltungen sind verpflichtend (vgl. FH Salzburg o.J.).

Mit nur einem ECTS-Credit Unterschied weist die FH Kärnten einen ähnlichen Genderschwerpunkt im Syllabus auf. Die insgesamt fünf Lehrveranstaltungen werden im fünften Semester eingeführt und stehen den Studierenden optional zur Verfügung. Angehende Sozialarbeiter_innen können, aber müssen sich nicht mit dem Themenschwerpunkt Gender auseinandersetzen (vgl. FH Kärnten o.J.). Die geringste Anzahl an Lehrveranstaltungen mit einem Gender-Schwerpunkt weisen die FH Campus Wien und die FH Burgenland auf. Jeweils ein ECTS-Credit und eine Semesterwochenstunde sind in Hinblick auf die Entwicklung von Gender-Kompetenz im Gesamtstudium für angehende Sozialarbeiter_innen obligatorisch zu belegen (vgl. FH Campus Wien o.J.; FH Burgenland o.J.).

Daraus lässt sich schließen, dass der Gender-Schwerpunkt an Österreichs Studiengängen für Soziale Arbeit in den Syllabi zwischen einem und 15 ECTS-Credits variiert. Laut Syllabi wird die Vermittlung von Gender-Kompetenz an Österreichs Studiengängen für Soziale Arbeit im Ausmaß von durchschnittlichen 6,7 ECTS-Credits angeboten.

Nachfolgend wird Gender als Querschnittsthema im Syllabus der einzelnen Hochschulen tabellarisch dargestellt:

Tabelle 3
Tabelle 3: Gender als Querschnittsthema im Syllabus (vgl. Mair 2018: 46).


In diesem Ranking weisen die FH Salzburg sowie die FH Kärnten, gefolgt von der FH St. Pölten am meisten Lehrveranstaltungen mit Querverbindungen zu Genderthematiken auf. An der FH Salzburg werden insgesamt neun Lehrveranstaltungen angeboten, welche Gender als Querschnittsthema im Syllabus integrieren, davon sind sieben verpflichtend. Insgesamt können 18 SWS mit 27 ECTS-Credits belegt werden (vgl. FH Salzburg o.J.). Die FH Vorarlberg bietet mit zwei Pflichtlehrveranstaltungen, zwei ECTS-Credits und vier SWS den geringsten Anteil an (vgl. FH Vorarlberg 2017).

An Österreichs (Fach-)Hochschulen weichen Lehrveranstaltungen in der Vermittlung von Gender als Querschnittsthema gemäß Syllabi zwischen vier und 27 ECTS-Credits voneinander ab. Die Inklusion von Gender-Kompetenz als Querschnittsthema erfolgt innerhalb der Studiengänge für Soziale Arbeit durchschnittlich im Ausmaß von 14,8 ECTS-Credits.


4. Fazit und Ausblick

Die Ergebnisse der Dokumentenanalyse veranschaulichen, dass die Vermittlung von Gender-Kompetenz in den verschiedenen Bachelorstudiengängen für Soziale Arbeit laut Curricula und Syllabi in ihrem Umfang stark voneinander abweichen. Darüber hinaus sind die Lehrveranstaltungen nur bedingt verpflichtend zu belegen, sodass im Einzelfall ein sozialarbeiterisches Studium auch ohne den Besuch einer genderspezifischen Lehrveranstaltung abgeschlossen werden kann. Zu beleuchten wären in diesem Zusammenhang noch die Ursachen dieser ungleichen Verteilung und der teils geringen Implementierung in den Studiengängen.

Gender darf nicht als eine abgekoppelte Kategorie verstanden, sondern muss in Verbindung mit anderen Ungleichheitsdimensionen gebracht werden. Die Betrachtung von den Dynamiken und Zusammenhängen, also wie sich Machtverhältnisse entlang von unterschiedlichen Kategorien in unserer Gesellschaft reproduzieren und ausdrücken, ist für die Soziale Arbeit essenziell. Eine solche Berücksichtigung steht in engem Zusammenhang mit dem dritten Mandat, wie es Staub-Bernasconi definiert hat (vgl. Staub-Bernasconi 2007). Die Etablierung von Gender-Theorien in der Sozialen Arbeit stellt zudem eine große Bereicherung auf ihrem Weg zur Professionalisierung dar. Die Ausbildungsstätten für angehende Sozialarbeiter_innen können dabei einen erheblichen Teil beitragen.

Das Zitat von Gudrun Ehlert (2012) soll den vorliegenden Beitrag abschließen und nachdrücklich die Wichtigkeit der Vermittlung von Gender-Kompetenz im Studium der Sozialen Arbeit unterstreichen:

„Zur Qualifizierung von Bachelor- und Masterabsolventinnen und -absolventen der Sozialen Arbeit sind geschlechterreflexive Ansätze und entsprechende Module in den Studiengängen unabdingbar. Die Verankerung von Geschlechterperspektiven in den Curricula Sozialer Arbeit als einer Grundlage professioneller und fachpolitischer Diskurse sollte dementsprechend an allen Hochschulen und Universitäten selbstverständlich sein.“ (Ehlert 2012: 129)

Zudem darf in der Sozialen Arbeit nicht verabsäumt werden an den „Poststrukturalistischem Diskurs“ (Abdul-Hussain 2012: 125), die Queerstudies sowie an die neuesten Entwicklungen in der Geschlechterforschung in Anlehnung an Judith Butler anzuknüpfen. Somit müsste die Perspektive des Gender-Kompetenz-Erwerbs durch „Queerversity“6 (GenderKompetenzZentrum 2012) erweitert werden.


Verweise
1 „Gender Mainstreaming ist ein Prüfverfahren, um Angebote, Institutionen und Maßnahmen auf ihre Gleichstellungsdimensionen hin zu befragen. Gleichzeitig ist Gendermainstreaming ein vielschichtiges Instrument mit multiplen Anwendungsfeldern und -methoden, um Geschlechtergerechtigkeit als Querschnitt-Thema in Bildungsinstitutionen zu verankern.“ (Budde/ Venth 2010: 21)
2 Durch die Verwendung von Mann und Frau wird ein binäres Geschlechterbild in der Sprache reproduziert und stabilisiert. Deshalb wird im Text dezidiert auf diese Nomina verzichtet. Wenn diese in Zitaten vorkommen, werden sie kursiv gesetzt, um eine kritische Distanz zu markieren.
3 Ambiguitätstoleranz meint das „Ertragenkönnen von Mehrdeutigkeiten, Widersprüchlichkeiten, ungewissen und unstrukturierten Situationen oder unterschiedlichen Erwartungen und Rollen, die an die eigene Person gerichtet sind.“ (Spektrum.de o.J.)
4 In jenen Fällen, in denen die Curriculums-Übersicht ausschließlich auf Modulen basiert, wurden zur Ergänzung Daten der jeweiligen Homepages der Hochschulen herangezogen, anhand derer die einzelnen Lehrveranstaltungstitel entnommen werden konnten. Bei näherem Interesse können per Emailanfrage an die Autorin gerne weitere Informationen zu Quelldaten & Berechnungen übermittelt werden.
5 Die ECTS-Credits der FH Oberösterreich wurden mit dem Wert 0 berechnet, da diese im Curriculum nicht angegeben sind.
6 Queerversity ist eine Strategie, die auf die kritische Umarbeitung gängiger Diversitätspolitiken (diversity politics) abzielt. Anliegen ist es, eine verstärkte Aufmerksamkeit für die im Bereich sozialer Differenzkonstruktionen wirksamen Machtprozesse zu entwickeln. Hierbei gilt es insbesondere der Kritik an den Positionen Raum zu verschaffen, die den Umgang mit Differenz an Nutzbarkeitskriterien koppeln (vgl. GenderKompetenzZentrum 2012).


Literatur

Abdul-Hussain, Surur (2012): Genderkompetenz in Supervision und Coaching. Wiesbaden: VS Verlag.

BMASGK – Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (2018): Allgemeines zur Gleichbehandlung. Version 1/2018. https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/186/Seite.1860100.html#Diskriminierung (30.01.2019).

BMVRDJ – Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (2009): Internationale Menschenrechtsübereinkommen. https://www.justiz.gv.at/web2013/home/verfassungsdienst/grund--und-menschenrechte/un-menschenrechtsschutz/internationale-menschenrechtsuebereinkommen-~2c94848b60c168850160dfbeaf2f573b.de.html (30.01.2019).

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Über die Autorin

Jennifer Mair, BA
ja.mair@mci4me.at

Sozialpädagogik Stams, Diplom Sozial- und Erlebnispädagogik, MCI Management Center Innsbruck – BA Soziale Arbeit, beruflich in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Beeinträchtigung tätig, inskribiert im Masterstudiengang Soziale Arbeit, Sozialpolitik & Management am MCI Management Center Innsbruck.