soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 22 (2019) / Rubrik "Thema" / Standort Graz
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/637/1145.pdf
Harald Ploder:
1. Einleitung und Grundsätzliches
Soziale Arbeit mit suchtkranken Menschen unterliegt – wie alle Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit – einem stetigen Wandel. In den 1960er Jahren gab es in Mitteleuropa die erste nennenswerte Drogenwelle, die sich insbesondere dadurch auszeichnete, dass das Experimentieren mit und der Konsum von illegalisierten psychoaktiven Substanzen auch Einzug in die Welt von bürgerlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit hohem Bildungsniveau hielt. Suchtkranke Menschen – wenn auch damals noch anders bezeichnet – waren zwar aufgrund der Behandlungs- und Betreuungserfahrungen mit AlkoholikerInnen keine grundsätzlich unbekannte Zielgruppe der Sozialen Arbeit, dennoch gelang es zunächst nicht, die jugendlichen und adoleszenten DrogenkonsumentInnen mit den bestehenden Hilfsangeboten zu erreichen (vgl. Knoll 2010: 48f.).
Als erster Entwurf von spezialisierten Hilfsangeboten etablierte sich in den 1980er Jahren die abstinenzorientierte Therapie als alleinstehende Säule der Drogenhilfe. Während unter einer ausgesprochen regressiv-prohibitiven Drogenpolitik GebraucherInnen von psychoaktiven Substanzen strafrechtlich verfolgt und mitunter zu Haftstrafen verurteilt wurden, gab es seitens der Sozialen Arbeit und der Psychotherapie ausschließlich das Angebot von Begleitmaßnahmen für den Ausstieg aus dem Substanzkonsum. KonsumentInnen, die kein Interesse am Ausstieg hatten, oder aufgrund ihrer Abhängigkeit keine Möglichkeit dazu sahen, wurden vom damaligen Hilfssystem schlichtweg nicht erreicht (vgl. Schabdach 2009: 193).
Die zunehmende Ausbreitung von HIV und Aids (Hepatitis C war zu diesem Zeitpunkt noch nicht entdeckt) unter intravenös substanzgebrauchenden Menschen sowie die beobachtbare Verelendung der Drogenszenen im öffentlichen Raum machten sichtbar, dass durch das bestehende Hilfsangebot drogenassoziierte Probleme nicht ausreichend bearbeitet werden konnten. Im Laufe der 1980er Jahre entwickelte sich als Gegenbewegung zum abstinenzorientierten Behandlungsparadigma die akzeptanzorientierte Drogenhilfe (vgl. Unterkofler 2009: 11f.).
Die ursprünglich als gegensätzlich und teilweise konkurrierend verstandenen Paradigmen ergänzen sich heute gegenseitig und können die Bedürfnisse und Anliegen der NutzerInnen berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist eine einheitliche und trennscharfe Definition akzeptanzorientierter Suchthilfe in unterschiedlichen Regionen und Einrichtungen schwer zu entwerfen. Die im Folgenden nach Ursula Unterkofler (2009) zusammengefassten Basisannahmen können als Grundkonsens der Arbeitshaltung in der akzeptanzorientierten Drogenhilfe verstanden werden.
1.1 Grundkonsens der akzeptanzorientierten Suchthilfe
Unter dem Begriff der Akzeptant wird verstanden, dass DrogengebraucherInnen mit einer wertschätzenden und annehmenden Haltung begegnet wird. Dies bedeutet einerseits, unterschiedliche und von den eigenen Werthaltungen abweichende Lebensentwürfe anzuerkennen und zu respektieren. Andererseits geht damit ein Verstehen der Lebensrealitäten und Lebenswelten von substanzgebrauchenden Menschen einher (vgl. Unterkofler 2009: 75).
Eigenverantwortung ist eine weitere zentrale Handlungsleitlinie in der akzeptanzorientierten Suchthilfe. Damit ist die Anerkennung drogengebrauchender Menschen als mündige Gegenüber gemeint, die eigenverantwortliche Entscheidungen treffen können und nicht als Opfer ihrer Suchterkrankung verstanden werden. Die Verantwortung für das eigene Handeln und die eigenen Entscheidungen bleibt bei den Substanzgebrauchenden und wird nicht von den HelferInnen übernommen (vgl. Unterkofler 2009: 76).
Darüber hinaus können die Angebote der akzeptanzorientierten Suchthilfe von SubstanzgebraucherInnen freiwillig in Anspruch genommen werden. Dementsprechend müssen sich Angebote an den Bedürfnissen und den Lebensrealitäten der Zielgruppen orientieren (vgl. Unterkofler 2009: 76).
Zuletzt soll in der Suchthilfe bedingungslose Hilfe angeboten werden. Die Angebote der akzeptanzorientierten Suchthilfe sollen also möglichst unkompliziert und ohne die Erfüllung von Zugangsvorrausetzungen nutzbar sein Dementsprechend müssen beispielsweise unbürokratische Kontaktaufnahmen, nachgehende Angebote, nichtabstinenzorientierte Beratungsangebote und keine Bevormundung der SubstanzgebraucherInnen gewährleistet sein, so legt Wiggers nach Unterkofler dar (vgl. Wiggers 2015: 10ff.).
Die hier beschriebenen Grundannahmen finden in der Praxis der Sozialen Arbeit in unterschiedlichen Konzepten und Angebotsstrukturen Anwendung. Alleine im europäischen Raum werden unterschiedlichste akzeptanzorientierte und niederschwellige Einrichtungen wie Anlaufstellen, Beratungszentren, Drogenkonsumräume, Notschlafstellen, Notfalls- und Substitutionsambulanzen, Streetworkprojekte, Trinkerstuben, selbstverwaltete Peerprojekte oder Spritzentauschangebote betrieben und seitens der SubstanzgebraucherInnen genutzt. Insbesondere Unterschiede in der staatlichen oder regionalen Drogenpolitik sind als Hauptgrund für divergierende Einrichtungen mit unterschiedlichem Ausmaß an Angeboten zu verstehen (vgl. Abstein 2012: 9).
In Österreich finden sich neben den abstinenzorientierten Angeboten hauptsächlich niederschwellige Anlaufstellen und Streetworkprojekte. Die meisten und größten davon finden sich in der Bundeshauptstadt Wien, während in Graz durch Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich entsprechend dem Namen der Einrichtung eine Anlaufstelle für suchtkranke Menschen und aufsuchende Straßensozialarbeit angeboten wird.
2. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich – Eine Bestandsaufnahme
Im folgenden Kapitel wird die praktische Umsetzung der oben beschriebenen Grundannahmen am Beispiel der Grazer Suchthilfeeinrichtung Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich beschrieben.1 Die konzeptuelle Ausrichtung der Einrichtung basiert seit ihrer Gründung im Jahr 1999 auf den Grundsätzen der akzeptanzorientierten und niederschwelligen Suchthilfe.
2.1 Auftrag und Zielgruppe
Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich handelt im Auftrag des Gesundheitsamts der Stadt Graz und richtet seine Angebote an die Zielgruppe der opiatabhängigen, substituierten und polytoxikoman substanzabhängigen Personen. Menschen aus dieser Zielgruppe sind überdurchschnittlich oft mit Problemlagen wie Wohnungs- und Beschäftigungslosigkeit, Schulden, gesundheitlichen Problemen und Folgeproblemen der Illegalität des Drogenkonsums konfrontiert (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018a: 4).
2.2 Basisangebote
Im folgenden Abschnitt werden die drei Basisangebote Kontaktladencafé, Streetwork und Einzelfallhilfe dargestellt. Die Bezeichnung Basisangebote nimmt dabei Bezug auf die Tatsache, dass diese drei Arbeitsbereiche insgesamt als weitaus größter Teil der Angebotspalette angesehen werden und als die drei Hauptsäulen, auf denen das Angebot der Einrichtung steht, verstanden werden. Darüber hinaus wurden diese Basisangebote schon im ersten Auftrag seitens des Gesundheitsamts der Stadt Graz an die Caritas Steiermark im Jahr 1999 festgeschrieben und seither in allen neuen Verträgen verlängert.
2.2.1 Kontaktladencafé
Im Kontaktladencafé (kurz: Kontaktladen) stehen zwanglos verschiedene professionelle Hilfsangebote wie Kontakt, psychosoziale Betreuung und Beratung, medizinische Versorgung und Beratung, Gesundheitsförderung/Schadensminderung und lebenspraktische Hilfen zur Verfügung. Darüber hinaus funktioniert der Kontaktladen als Begegnungs- und Schutzraum für die BesucherInnen (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018a: 10).
Fragen und Anliegen der KlientInnen werden im Rahmen von Informations- und Beratungsgesprächen bearbeitet. Durch den unkomplizierten Zugang zu Beratung und Informationen soll die Schwellenangst der Zielgruppe verringert und gleichzeitig durch die Beschäftigung mit eigenen Problemen Lösungsstrategien entwickelt werden. Darüber hinaus sollen im Rahmen der Alltagshilfefunktion des Kontaktladens die basalen Grundbedürfnisse der Zielgruppe befriedigt werden. Darunter fallen in der Praxis das kostengünstige Angebot von Essen und Getränken, die Zurverfügungstellung von Dusch- und Waschmöglichkeiten und das Angebot der Nutzung von Telefon, Faxgerät und Internet (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018a: 11).
Als zentrales Angebot im Rahmen der Schadensminimierung bzw. der Harm Reduction gibt es für die BesucherInnen des Kontaktladens das Angebot des kostenlosen Spritzentauschs und -entsorgung. Durch den unkomplizierten Zugang zu sauberem und sterilem Spritzenmaterial und die fachgerechte kostenlose Entsorgung soll die Ausbreitung von Infektionskrankheiten innerhalb der drogenkonsumierenden Personen eingedämmt und bestenfalls verhindert werden. Gleichzeitig wird den NutzerInnen des Angebots ermöglicht, ihre kontaminierten Konsumutensilien sicher und ordnungsgemäß zu entsorgen (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018a: 41).
Zudem gibt es eine Rechtsberatung und medizinische Beratung. Mit der Rechtsberatung, die ausschließlich von JuristInnen angeboten und durchgeführt wird, wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich für GebraucherInnen psychoaktiver Substanzen verstärkter juristischer Beratungsbedarf durch den Besitz, den Erwerb, die Weitergabe und die Erzeugung illegalisierter Substanzen ergibt. Diese stehen unter Strafe und Fragen hinsichtlich potentieller Beschaffungskriminalität und zivilrechtliche Fragen beispielsweise aufgrund von Zahlungsrückständen und Schulden stehen im Mittelpunkt der Beratung (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018a: 17).
Im Rahmen der medizinischen Beratung bietet die Einrichtung „allgemeinmedizinische Versorgung und Beratung unter der Berücksichtigung der speziellen Thematiken der Gesundheitsförderung, Schadensminderung und suchtspezifischen Komorbiditäten“ (Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018a: 13). Die konkrete Angebotspalette umfasst kostenlose Testungen mittels Blutbefunden auf Hepatitis und HIV, kostenlose Impfungen gegen Hepatitis A und B, allgemeine Wundversorgungen, spezialisierte Hepatitis-C-Beratungen, Weitervermittlung zu FachärztInnen und die allgemeinmedizinische Beratung bei gesundheitlichen Fragenstellungen im Zusammenhang mit Suchterkrankungen und/oder prekären Lebensumständen (vgl. Fuchs 2009: 267f.).
Für den Bedarf und die Nutzung der Angebote sprechen die Zahlen für das Jahr 2018. Hier dokumentierte und zählte der Kontaktladen 3.239 Gespräche mit 9.566 BesucherInnen, 127 Rechtsberatungen und 78 Blutabnahmen (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2019: 5f.). Im Rahmen des Spritzentauschs wurden im gleichen Zeitraum 676.318 gebrauchte Spritzensets (Spritze und Kanüle) gegen saubere und sterile Utensilien getauscht (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2019: 18).
2.2.2 Streetwork
Das Streetworkangebot richtet sich an die Menschen, die weder das Kontaktladencafé noch andere Suchthilfeangebote in Anspruch nehmen.
„Streetwork im Drogenbereich ist lebensweltnahe, aufsuchende und akzeptierende Soziale Arbeit im niederschwelligen Bereich ohne Kontrollfunktion […]. Das bedeutet, dass das Angebot an keine Vorleistungen der KlientInnen gebunden ist. […] Streetwork bewegt sich im öffentlichen Raum und lebt von Langfristigkeit, Kontinuität und Beziehung.“ (Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018a: 6)
Speziell der nachgehende Ansatz soll es den SubstanzgebraucherInnen ermöglichen, Beratungsangebote möglichst unkompliziert in Anspruch zu nehmen. Der konzeptuelle Hinweis auf das Nichtvorhandensein einer Kontrollfunktion von Streetwork im Drogenbereich steht unter anderem damit in Zusammenhang, dass Streetwork keine ordnungspolitische Verantwortung übernehmen kann, zumal diese im Widerspruch zum notwendigen Aufbau von vertrauensvollen Betreuungsbeziehen steht.
Die StreetworkerInnen sind entsprechend den Mindeststandards immer zu zweit im Einsatz und mit roten Rucksäcken ausgestattet, die zum einen als Erkennungsmerkmal für die Zielgruppe dienen sollen. Zum anderen wird mit diesen Rucksäcken notwendiges Material zur Soforthilfe wie saubere und sterile Spritzensets im Sinne der Schadensminimierung, Erste-Hilfe-Material, Safer-Sex-Artikel, Informationsbroschüren und Visitenkarten transportiert (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018a: 6). Während der Streetworkeinsätze können Menschen, die nicht unmittelbar Zielgruppe der Einrichtung sind, an andere Beratungseinrichtungen weitervermittelt werden.
Streetwork zielt auf den persönlichen Kontakt zu den KlientInnen. Dieser wurde im Jahr 2018 11.673 Mal hergestellt. Unter persönlichem Kontakt versteht die Einrichtung dabei das bewusste gegenseitige Wahrnehmen mit der Möglichkeit der Angebotsinanspruchnahme. Im Rahmen der Streetworkeinsätze wurden im gleichen Zeitraum 2.322 Beziehungs-, Beratungs-, Informations-, Erst- und Kriseninterventionsgespräche geführt (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2019: 12).
2.2.3 Einzelfallhilfe
Der Einzelfallhilfe geht ein bekundeter, substantieller Veränderungs- und Stabilisierungswunsch der KlientInnen voraus. Die MitarbeiterInnen der Einrichtung bieten in einem Eins-zu-eins-Betreuungssetting bei psychischen, materiellen, gesundheitlichen und/oder sozialen Problemen Information, Beratung, Begleitung, Vermittlung und Koordination von Hilfen zur Deckung von Bedürfnissen an. Die Einzelfallhilfe versteht sich als von beiden Seiten initiierter und betriebener Prozess, die einem konkreten Ziel folgt und die KlientInnen bei der Erarbeitung, Erreichung und Reflexion dieses Ziels begleitet (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018a: 27).
Im Jahr 2018 wurden 224 KlientInnen im Rahmen der Einzelfallhilfe betreut. Die dabei geführten 856 Beratungsgespräche umfassten die Inhalte Wohnen, Arbeit, Drogen, Sucht, Beziehung, Gesundheit, Familie und/oder Grundsicherung. Neben der Beratung wurden 61 Begleitungen (beispielsweise zu Gericht oder zur Polizei) und 84 Haft- oder Hausbesuche durchgeführt (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2019: 9).
Diese Basisangebote decken seit 20 Jahren den Bedarf der Zielgruppe ab. Sie werden in einem hohen Ausmaß angenommen und sind zu einem großen Teil in den Lebensrealitäten der KlientInnen als zentraler Bestandteil etabliert. So gibt es beispielsweise SubstanzgebraucherInnen, welche die Angebote des Kontaktladencafés ungeachtet etwaiger Beratungsanliegen täglich nutzen und den Weg in den Kontaktladen als wiederkehrendes Ritual im Alltag verankert haben. Deutlich spürbar ist auch die hohe Akzeptanz gegenüber den StreetworkerInnen im Rahmen der aufsuchenden Straßensozialarbeit. Streetwork taucht aufgrund des nachgehenden Ansatzes tief in die Lebenswelten der KlientInnen ein, was ein hohes Ausmaß an Verständnis und Respekt gegenüber szenekulturellen Strukturen und Eigenheiten erfordert. Die StreetworkerInnen sind im Rahmen der Straßensozialarbeit demnach immer zu Gast im öffentlichen Raum, der seitens der Klientel für sich beansprucht wird, und müssen sich auch dementsprechend verhalten. Insbesondere die Kontinuität der Angebotslegung, der konsequente Vertrauensaufbau und die bewusste Aufrechterhaltung von Betreuungsbeziehungen sind als Voraussetzung dafür zu sehen, dass die StreetworkerInnen auch gern gesehene Gäste in den Lebenswelten der KlientInnen sind.
Die tägliche Berufspraxis zeigt, dass sich aus Sicht der Zielgruppe die Lebensrealitäten durch die Angebote von Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich dahingehend verändert haben, als dass es zumindest für Krisensituationen und plötzliche Veränderungen der Lebensumstände ein Auffangnetz gibt, das seitens der Einrichtung aufgespannt wird. Während DrogengebraucherInnen Krisen früher alleine und eigenständig bewältigen mussten, zeigt die aktuelle Praxis, dass suchtkranke Menschen in Graz die StreetworkerInnen mitunter als sprichwörtlichen letzten Rettungsanker nutzen, selbst wenn sie die Beratungsangebote ansonsten nur selten oder gar nicht in Anspruch nehmen. Darüber hinaus gibt es das Angebot der professionellen und konsequenten Begleitung bei Veränderungen der eigenen Lebensrealitäten, die früher alleine und unbegleitet umgesetzt werden mussten. Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle auch die Möglichkeit des einfachen persönlichen Kontakts zu Menschen, die nicht Teil der Drogenszene sind. Was aufs erste trivial klingen mag, wird von vielen KlientInnen als wichtiger Grund beschrieben, um die Angebote von Kontaktaden und Streetwork im Drogenbereich zu nutzen. Viele SubstanzgebraucherInnen leiden unter der subjektiv erlebten Eintönigkeit der Drogenszene, in der es oft als sehr schwierig erlebt wird, Gespräche zu führen, die sich nicht um Substanzen oder Substanzbeschaffung drehen.
Kritisch kann an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Kapazitäten der Einrichtung zwar grundsätzlich ausreichend sind, um zielgruppengerechte Angebote zu gestalten, es allerdings noch ungedeckten Bedarf gibt. So kann das Kontaktladencafé seit seiner Eröffnung vor 20 Jahren nicht an Wochenenden oder Feiertagen geöffnet werden, was im internationalen Vergleich unüblich ist. Auch in Wien ist die vergleichbare niederschwellige Beratungseinrichtung Jedmayer durch das parallele Betreiben einer Notschlafstelle für Suchtkranke 24 Stunden täglich geöffnet. Ähnlich verhält es sich mit dem Streetworkangebot. Die Drogenszene ist am Wochenende und an Feiertagen im öffentlichen Raum mindestens gleich präsent wie an Werktagen und wäre dementsprechend zumindest im gleichen Umfang zu erreichen, was mit den aktuellen Kapazitäten der Einrichtung allerdings nicht umsetzbar ist.
Mit Blick auf die Einzelfallhilfe scheint der Bedarf mitunter durch das große Engagement des Teams der Einrichtung vorerst gedeckt, wobei nicht auszuschließen ist, dass eine Erweiterung der Kontaktladen- und Streetworkzeiten diesen Bedarf – beispielsweise durch das Erreichen neuer und/oder anderer KlientInnen – erhöhen könnte. Speziell das Erreichen neuer Zielgruppen wie beispielsweise Menschen, die psychoaktive Substanzen (noch) nicht im Ausmaß einer Abhängigkeitserkrankung konsumieren, könnte einerseits auf einer individuellen Betreuungsebene, andererseits auch auf einer gesellschaftlichen Ebene relevante Wirkung mit sich bringen: Während ein frühzeitig angebotener präventiver Beratungsansatz die Ausbreitung von Infektionskrankheiten und die Entstehung von Abhängigkeiten eindämmen könnte, könnten dadurch mittel- und langfristig hohe Kosten für Behandlung und Betreuung eingespart werden.
2.3 Angebotserweiterungen und -entwicklungen
Die Basisangebote werden kontinuierlich weiterentwickelt und an die sich verändernden Bedürfnisse der Zielgruppe der Einrichtung angepasst, um diesen einen noch leichteren Zugang zu ermöglichen und deren Bedarfe abzudecken.
2.3.1 Erweiterung und Weiterentwicklung der Basisangebote
Das Kontaktladencafé wurde 2014 um einen zusätzlichen Journaldienst mit Spritzentauschangebot und Beratungsmöglichkeit erweitert, die Öffnungszeiten der Einrichtung insgesamt wurden ausgeweitet, um den KlientInnen die Angebotsnutzung auch vier Mal wöchentlich vormittags und einmal wöchentlich abends zu ermöglichen (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018a: 21).
2.3.2 Abend- und Nachtstreetwork
Ähnlich wie die Öffnungszeiten des Kontaktladens wurden die Streetworkzeiten über die Jahre ausgeweitet. Sichtbar wird diese Erweiterung an der deutlichen Zunahme der Kontakte im Rahmen der Streetworkdienste. Im Jahr 2009 wurden 4.928 KlientInnen angetroffen, während 2018 mit 11.678 mehr als doppelte so viele Kontakte hergestellt wurden (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2019: 13). Das Pilotprojekt Abend- und Nachtstreetwork wurde im Mai 2018 begonnen und im November 2018 in den Regelbetrieb übernommen. Die Präsenz im öffentlichen Raum zu neuen und erweiterten Zeiten führte auch zu einem verbesserten Überblick über die Drogenszene bzw. über die relevanten Schauplätze (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2019: 12).
2.3.3 Kontaktladenzeitung Harlekin
Seit 2008 wird die Kontaktladenzeitung Harlekin hauptsächlich von und für KlientInnen gestaltet. Grundidee des Harlekins war, den DrogengebraucherInnen eine Plattform zur Veröffentlichung von eigenen Texten, Bildern, Gedichten etc. anzubieten und gleichzeitig relevante Informationen seitens der Einrichtung für die BesucherInnen zur Verfügung zu stellen. Diese relevanten Informationen werden vom Kontaktladenteam und von FachexpertInnen wie JuristInnen, MedizinerInnen etc. aufbereitet und verschriftlicht (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2012: 1ff.).
Über 39 Ausgaben (Stand: Juli 2019) entwickelte sich der Harlekin mit Blick auf das Design von einer in Textverarbeitungssoftware erstellten und selbst gedruckten Schwarz-Weiß-Zeitung hin zu einem unter Verwendung von Layout- und Grafiksoftware erstellten und professionell gedruckten Farb-Magazin. Über die Zeit sank allerdings die Motivation seitens der KlientInnen, selbst Beiträge zu gestalten. Dabei ließ sich beobachten, dass zwar viele KlientInnen immer wieder in Gesprächen unterschiedliche Beiträge in Aussicht stellten, schlussendlich laut eigenen Angaben aber oft an der konkreten Umsetzung scheiterten. Angebote seitens der Einrichtung, Beiträge gemeinsam zu gestalten oder Erzählungen beispielsweise in Interviewform zu verschriftlichen, wurden seitens der KlientInnen zwar teilweise angenommen, allerdings wollten viele der interessierten BesucherInnen die Gestaltung gerne eigenständig weiterversuchen. Schlussendlich mussten die MitarbeiterInnen immer mehr Verantwortung für die veröffentlichten Texte übernehmen.
Über die Zeit änderte sich auch die Zielgruppe der Kontaktladenzeitung: Während der Harlekin ursprünglich speziell für die KlientInnen der Einrichtung zur Verfügung gestellt wurde, wuchs über die Zeit das Interesse seitens anderer im Sozialbereich tätiger Organisationen und Personen, PolitikerInnen und Privatpersonen außerhalb der Drogenszene. Eine kleine Gruppe externer ExpertInnen, darunter beispielsweise der deutsche Journalist und Autor Jörg Böckem, wurden gewonnen, um regelmäßig in wiederkehrenden Kolumnen Beiträge zu verfassen.
2.3.4 Naloxon-Take-Home-Programm
Drogennotfälle stellen ein ernstzunehmendes Problem für suchtkranke Menschen und Drogenszenen dar. Im Jahr 2016 verstarben in Österreich 165 Personen an Suchtmittelüberdosierungen (vgl. Gesundheit Österreich 2017: 179). Im September und Oktober 2015 führten die MitarbeiterInnen von Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich eine Fragebogenerhebung mit den KlientInnen der Einrichtung und im Referat für Sozialmedizin der Stadt Graz, wo SubstitutionspatientInnen monatlich ihre Dauerrezepte genehmigen lassen müssen, durch. Die Ergebnisse dieser Erhebung zeigten, dass über 60% der Befragten zumindest ein Mal bei einer Überdosierung anderer Personen (Bewusstlosigkeit oder Atemlähmung infolge einer Opiatüberdosis) anwesend waren. Im Durchschnitt waren die Befragten bei mehr als vier Drogennotfällen anwesend, die sich größtenteils in Privatwohnungen ereigneten (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich: 2018b: 4ff.).
Opioid-Überdosierungen stellen neben der individuellen Betrachtung auch ein wachsendes öffentliches Gesundheitsproblem dar, das durch den Einsatz von Naloxon, einem sicheren und nicht missbräuchlich verwendbaren Medikament, abgewendet werden kann. Tödliche Überdosierungen zu verhindern, rettet Leben und ermöglicht DrogengebraucherInnen dadurch das Aufrechterhalten von Gesundungs- und Genesungsprozessen hinsichtlich ihrer Suchterkrankung (vgl. UNODC/WHO 2013: 7).
„Der Opiatantagonist ‚Naloxon‘ ist ein derzeit verschreibungs- und apothekenpflichtiges Medikament. Es wirkt nach Verabreichung direkt an den Opiatrezeptoren, befreit diese und hebt somit die Wirkung der Opioide im Gehirn auf, wodurch eine lebensbedrohliche Atemdepression unterbrochen wird.“ (Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018b: 10)
Dementsprechend hat Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich im Jahr 2018 als erste Suchthilfeeinrichtung Österreichs ein Naloxon-Take-Home-Pilotprojekt für zunächst zwei Jahre implementiert. Wie auch in anderen EU-Staaten werden die DrogengebraucherInnen im Rahmen dieses Naloxon-Take-Home-Projektes in Erster Hilfe bei Drogennotfällen und im Umgang mit Naloxon, das den TeilnehmerInnen gleichzeitig zur Verfügung gestellt wird, geschult. Dadurch wird DrogengebraucherInnen selbst ermöglicht, als ErsthelferInnen kompetent und letztendlich potentiell lebensrettend zu agieren (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2018b: 12).
Im November und Dezember 2018 wurden bei fünf Schulungsterminen 22 KlientInnen (Stand Juli 2019: 38 KlientInnen) der Einrichtung durch ein multiprofessionelles Team (SozialarbeiterInnen und ÄrztInnen) von Kontaktladen und Streetwork mit Know-how zur Ersten Hilfe in Drogennotfällen und Naloxon-Kits ausgestattet. Die nasale Verabreichung von Naloxon, das binnen weniger Sekunden die Opiate von den Rezeptoren im Gehirn verdrängt, verschafft im Drogennotfall lebensrettende Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskräfte (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2019: 20f.).
2.3.5 Hepatitis-Kampagne, Hepatitis-Sprechstunde und Hepatitis-Shuttle
Das ÄrztInnenteam von Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich bietet seit 2003 die kostenlose Möglichkeit der Hepatitis- und HIV-Testung für die KlientInnen der Einrichtung an. Im Jahr 2009 zeigte sich ein signifikanter Anstieg der Hepatitis-C-Testungen, die einen positiven Virusnachweis erbrachten. Nachdem in diesem Zeitraum über 50% der Testungen eine Hepatitis-Infektion nachwiesen und Hepatitis gleichzeitig die zweithäufigste Todesursache unter DrogengebraucherInnen ist, schien dringender Handlungsbedarf in Richtung Prävention gegeben. Dementsprechend wurde im Jahr 2010 die Hepatitis-Kampagne „Gib den Löffel (nicht) ab!“ ins Leben gerufen und für ein Jahr durchgeführt. Im Rahmen dieser Kampagne wurden einerseits MitarbeiterInnen anderer steirischer Suchthilfeeinrichtungen in speziellen Schulungen hinsichtlich der Übertragung, dem Krankheitsverlauf, der Behandlung, der Nebenwirkungen und der Erfolgschancen informiert. Anderseits gab es natürlich auch spezielle Beratungs- und Informationskampagnen und Schulungen von MultiplikatorInnen für die KlientInnen der Einrichtung. Darüber hinaus wurde das Spritzentauschangebot um die Möglichkeit des kostenlosen Löffeltauschs – Hepatitis C kann auch durch die gemeinsame Verwendung von Löffeln zum Aufkochen von Substanzen übertragen werden – erweitert (vgl. Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich 2011: 15).
Seit 2003 findet außerdem im Kontaktladen monatlich eine spezialisierte medizinische Hepatitis-Sprechstunde statt. Dieses Angebot wurde ehrenamtlich vom mittlerweile pensionierten ärztlichen Leiter des LKH Graz II Standort Hörgas (damals: LKH Hörgas-Enzenbach) ins Leben gerufen und umgesetzt. Während in den ersten Jahren die Sprechstunde ausschließlich vom ärztlichen Leiter persönlich angeboten wurde, ist es mittlerweile ein Team an ÄrztInnen aus dem LKH Graz II Standort Hörgas, das ehrenamtlich für Beratungen zum Thema Hepatitis zur Verfügung steht. Dadurch gelang und gelingt es insbesondere, Hepatitis-C-positive KlientInnen möglichst unkompliziert und niederschwellig in Behandlungen, die ambulant im LKH Graz II Standort Hörgas durchgeführt wurden und nach wie vor werden, zu vermitteln und zu begleiten.
Im Sinne einer weiteren Vereinfachung der Inanspruchnahme der Therapieangebote bei Hepatitis-Infektion wurde im Jahr 2013 das Hepatitis-Shuttle eingerichtet, das in Sammelfahrten jede Woche die mittels Hepatitis-Therapie behandelten KlientInnen direkt vom Kontaktladen zum LKH Graz II Standort Hörgas und wieder retour bringt. Dadurch soll noch zusätzlich zur niederschwelligen Vermittlung in die Behandlungen die Wegstrecke nach Hörgas für die KlientInnen der Einrichtung einfacher überwindbar werden.
3. Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die stete Weiterentwicklung und Verbesserung von Angeboten der Suchthilfe als Voraussetzung für erfolgreiches Weiterbestehen verstanden werden können. Während die Drogenhilfe in den 1960er Jahren verstärkt damit beschäftigt war, sich von altbewährten sozialarbeiterischen und therapeutischen Angeboten für alkoholabhängige Menschen abzugrenzen und diese entsprechend den Bedürfnissen der eigenen Zielgruppen zu entwickeln, gibt es mittlerweile die anerkannten Konzepte der Abstinenz- und Akzeptanzorientierung. Auch wenn diese beiden inhaltlich doch unterschiedlichen Ansätze anfangs als gegensätzlich und auch konkurrierend verstanden wurden, hat sich die Suchthilfe dahingehend entwickelt, dass die beiden Paradigmen kooperativ existieren und sich gegenseitig ergänzen.
Am Beispiel von Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich wird sichtbar, dass neben einer soliden Basis an Kernangeboten die Interessen und Bedürfnisse von KlientInnen für die Weiterentwicklung und Neuimplementierung wichtig sind. Während die Einrichtung im Jahr 2001 mit dem Kontaktladencafé, der Streetwork und der Einzelfallhilfe den Betrieb aufnahm, wurde seither eine Reihe an zusätzlichen Angeboten ins Leben gerufen. Die inhaltliche Ausrichtung orientierte sich dabei an den KlientInnen der Einrichtung, was sich letztendlich auch in der umfassenden Angebotsnutzung widerspiegelt.
Laut Ansicht des Verfassers des vorliegenden Textes wird dieses Verständnis von Angebotsgestaltung zukünftig essentiell sein und möglicherweise noch wichtiger werden. Für den Beitrag gilt, dass er zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung aufgrund der weitergehenden Entwicklung nur mehr bedingt aktuell sein wird. Veränderungen in den Drogenszenen an sich, in der Substanzerzeugung und Substanzbeschaffung, in sozialpolitischen Strukturen, medizinischen und therapeutischen Angeboten und der grundsätzliche eigene Anspruch, Angebote für die Zielgruppe verbessern zu wollen, werden auch zukünftig dafür sorgen, dass ergebnisorientierte Suchthilfe einem ständigen Wandel unterliegen wird (müssen). In Zusammenhang mit Ergebnisorientierung muss festgehalten werden, dass sich unterschiedliche Suchthilfeeinrichtungen je nach Auftrag und Ausrichtung natürlich an unterschiedlichen Ergebnissen orientieren werden müssen. Für Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich werden auch zukünftig Ergebnisse mit Hilfe von statistischen Angebotsnutzungsauswertungen, Betreuungs- und Verlaufsdokumentationen und entlang aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zu evaluieren sein.
Mit Blick auf die Zukunft muss an dieser Stelle die Relevanz von drogenpolitischen Entscheidungen für potentielle Entwicklungen erwähnt werden. Trotz umfassender Bemühungen gelang es Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich bisher nicht, das Angebot um einen Drogenkonsumraum zu erweitern. Drogenkonsumräume sind beispielsweise in Deutschland seit über 20 Jahren als Bestandteil der Suchthilfe etabliert, durch den wichtige Betreuungs- und Präventionsarbeit für suchtkranke Menschen geleistet werden (vgl. Deutsche AIDS-Hilfe e.V. und akzept e.V. 2011: 13f.). Ein Großteil der politischen EntscheidungsträgerInnen in Graz, wie auch in allen anderen österreichischen Städten mit entsprechendem Bedarf an Drogenkonsumräumen, ist allerdings gegen ein vergleichbares Angebot. Damit ist es aus Sicht des Verfassers auch Teil der Verantwortung von Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich, im Sinne einer Sprachrohrfunktion die Bedürfnisse der Zielgruppe an den richtigen Stellen zu kommunizieren und weiterhin für einen Konsumraum in Graz einzustehen.
Natürlich müssen auch weiterhin die Zielgruppe und ihr Substanzkonsum im Blick behalten werden. Speziell neue, meist synthetische Substanzen erfordern viel Aufmerksamkeit im Beratungskontext, weshalb es unabdingbar ist, dass die StreetworkerInnen relevante Entwicklungen wahrnehmen und sich entsprechend auf dem Laufenden halten. Gleichzeitig ist beobachtbar, dass gerade die oben erwähnten neuen und synthetischen Substanzen eine relevante Rolle in den sogenannten Partyszenen spielen, die sich nur bedingt mit der Zielgruppe von Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich überschneiden. Dementsprechend wird sich die Einrichtung zukünftig mit der Frage beschäftigen müssen, wie auch diese Gruppe von SubstanzgebraucherInnen erreicht werden kann und ob eine Erweiterung der Zielgruppe der Einrichtung sinnvoll sein könnte. Natürlich müssten vor dem Hintergrund derartiger Überlegungen auch die Angebotsstrukturen erweitert werden, zumal die Partyszene vordergründig an Wochenenden und in den Abend- und Nachtstunden erreichbar ist. Wie oben erwähnt stellen sich solche Fragen allerdings immer im Zusammenhang mit den Ressourcen und Kapazitäten der Einrichtung, was in weiterer Folge den Kreis hin zur Drogenpolitik schließt. Insgesamt wird also auch zukünftig professionelle und zielgruppengerechte Lobbyarbeit mitunter im politischen Kontext notwendig sein, um Entwicklungen und Erweiterungen der Angebote von Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich ermöglichen zu können. Abschließend soll vor diesem Hintergrund festgehalten werden, dass die Investition öffentlicher Subventionen in Präventions- und Harm-Reduction-Arbeit mittel- und langfristig in der Regel zu volkswirtschaftlichen Einsparungen führt, zumal durch sie hohe öffentliche Kosten für medizinische und/oder psychiatrische Behandlungen, Gefängnisaufenthalte und Arbeitsunfähigkeiten verringert werden.
Verweis
1 Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich ist Teil der Grazer Suchthilfe und bildet gemeinsam mit der Drogenberatung des Landes Steiermark, dem b.a.s., der Substitutionsambulanz I.K.A., dem Zentrum für Suchtmedizin der psychiatrischen Klinik LKH Graz II, der Walkabout Ambulanz, dem Aloisianum, der Vorbetreuung vom Grünen Kreis, dem SMZ Liebenau, verschiedenen Beschäftigungsprojekten, der Fachstelle für Suchtprävention VIVID und anderen Einrichtungen ein Netzwerk für die Beratung, Behandlung und Begleitung suchtkranker Menschen.
Literatur
Abstein, Hans Joachm (2012): Suchthilfe – ein klassisches Handlungsfeld der Sozialarbeit. In: Gastiger, Sigmund/Abstein, Hans Joachin (Hg.): Methoden der Sozialarbeit in unterschiedlichen Arbeitsfeldern der Suchthilfe. Freiburg im Breisgau: Lambertus, S. 7–19.
Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich (2019): Jahresbereicht 2018. Graz.
Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich (2018a): Konzept der Einrichtung. Akt. Version. Graz.
Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich (2018b): Naloxon-Take-Home Programm in der Steiermark. Umsetzungskonzept für ein zweijähriges Pilotprojekt. Graz.
Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich (2012): HARLEKIN Konzept. Aktualisierte Version. Graz.
Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich (2011): Jahresbericht 2010. Graz.
Deutsche AIDS-Hilfe e.V. und akzept e.V. (2011): Drogenkonsumräume. Standorte und Informationen zu Konsumräumen in Deutschland . https://www.aidshilfe.de/sites/default/files/documents/DAH_akzept_DCR%20in%20Germany_2011.pdf (09.09.2019).
Fuchs, Karin (2009): Streetwork im Drogenbereich & Kontaktladen. Die medizinische Beratung. In: Rásky, Éva. (Hg.): Gesundheit hat Bleiberecht. Wien: Facultas, S. 267–270.
Gesundheit Österreich (2017): Bericht zur Drogensituation 2017. https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/0/0/3/CH4005/CMS1545140953803/bericht_zur_drogensituation_2017.pdf (22.05.2019).
Knoll, Andreas (2010): Professionelle Soziale Arbeit. 3. Aufl. Freiburg im Breisgau: Lambertus.
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Über den Autor
Mag. (FH) Harald Ploder, MSc
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