soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 23 (2020) / Rubrik "Junge Wissenschaft" / Standort Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/663/1197.pdf


Johannes Gorbach:

Soziale Dimensionen der Wohnraumschaffung und Soziale Arbeit

Handlungsfeldanalyse professioneller Begleitung von Nachverdichtungs-prozessen in Wien


1. Einleitung

Unsere Städte verändern sich weltweit immer schneller und mit ihnen unser Zusammenleben darin. Die Transformation urbaner Räume kann in Wien an vielen Orten täglich miterlebt werden und prägt dabei, wie wir hier wohnen und zusammenleben. Die (Sozialraumorientierte) Soziale Arbeit studiert diese städtischen Lebensverhältnisse nicht nur analytisch, sondern arbeitet in vielen Handlungsfeldern an ihrer Veränderung und Verbesserung im Sinne der Menschen, die in Städten wohnen und leben.

Meine Masterarbeit, Soziale Dimensionen der Wohnraumschaffung: Handlungsfeldanalyse professioneller Begleitung von Nachverdichtungsprozessen in Wien aus Perspektive der Sozialraumorientierten Sozialen Arbeit (2019), nutzte ich dazu, ein neues Handlungsfeld dieser Profession in Wien zu analysieren, in dem die sozialen Dimensionen der Wohnraumschaffung bearbeitet werden. Nachfolgender Artikel präsentiert einige Ergebnisse dieser Forschungsarbeit zur Rolle der Sozialen Arbeit in diesem neuen Handlungsfeld.


2. Wien wächst! Wie wächst Wien?

Unter Schlagworten wie steigende Mieten, zunehmende Zwangsräumungen, Gentrifizierung, Privatisierung und sozialräumliche Segregation erscheinen die Themen Wohnen und Wohnpolitik derzeit (wieder) verstärkt in der Öffentlichkeit (vgl. Knabe 2019: 636). Fragen der Wohnraumversorgung, der Verteilung von Wohnraum und die Forderung „Recht auf Stadt“ werfen Fragen nach sozialer Gerechtigkeit auf (vgl. Knabe 2019: 637), die ein zentrales Thema der Sozialen Arbeit sind. Das macht auch eine Auseinandersetzung der (Sozialräumlichen) Sozialen Arbeit damit dringend erforderlich.

Für Akteur*innen in Politik und Verwaltung, die mit Aufgaben der Stadtentwicklung und Stadtplanung betraut sind, führen Transformationsprozesse urbaner Räume und des Wohnens zu neuen Herausforderungen (vgl. Schubert/Altrock 2004: 368–369). Diese gesellschaftlichen Steuerungsprozesse der Stadtentwicklung und Stadtplanung implizieren immer auch eine Gestaltung des sozialen Zusammenlebens (vgl. Schubert/Altrock 2004: 371). In Wien ist der soziale Wohnbau „bis in die Gegenwart […] ein bedeutsames Steuerungsinstrument im Bereich der Wohnungspolitik sowie der Stadtentwicklung“ (Reinprecht 2017: 213). Denn aufgrund der Dominanz des sozialen Wohnbaus gilt das Wohnungswesen in Wien, verglichen mit vielen anderen europäischen Städten, als weitgehend stabil (vgl. Kadi 2015: 248).

Besonders aus Sicht der Sozialraumorientierten Sozialen Arbeit ist Wohnraumschaffung immer auch als eine soziale Frage zu behandeln (vgl. Knabe 2019: 637). Für die Schaffung von Wohnraum in großen Städten wie Wien existieren dabei in den verschiedenen Bezirken unterschiedliche Ausgangssituationen und Wohnbaupotentiale (vgl. Andel/Krajasits/Wach 2016: 49). Vereinfacht gesprochen kann Wohnraumschaffung einerseits durch Erweiterung der Stadt an ihren „Außengrenzen“ bzw. urbanen Randbereichen geschehen (vgl. Reinprecht 2017: 224). Vor dem Hintergrund sinkender Verfügbarkeit großer Umwidmungsgebiete wird Wohnraumschaffung andererseits aber auch vermehrt durch die Weiterentwicklung der Bestandsstadt betrieben, was Nachverdichtung genannt wird (vgl. Gruber/Gutmann/Huber/Oberhuemer 2018: 1).

Bautechnisch ist die Abgrenzung zwischen beidem fließend, da unter den verschiedenen Formen der Nachverdichtung neben Maßnahmen der Erweiterung, Umnutzung, Neuverteilung oder Aufstockung auch Strategien des Ersatzes durch (partiellen) Abriss und Neubau existieren (vgl. Gruber et al. 2018: 30). Viel mehr als die Art der Maßnahmen (z.B. Aufstockung oder Neubau) oder der Maßstab (z.B. ein einzelnes Gebäude oder ein ganzes Stadtviertel) gibt der handlungsorientierte Begriff Nachverdichtung eine Richtung für Veränderung hin zu mehr Dichte in bestehenden urbanen Arealen vor (vgl. Gruber et al. 2018: 2). Dabei verspricht eine höhere urbane Dichte mehr potenziellen Wohnraum, weshalb in der Wiener Stadtentwicklung Nachverdichtung entscheidend zur Wohnraumschaffung beitragen soll. In einer diesbezüglichen Studie der Arbeiterkammer heißt es dazu: „Die Stadtentwicklung setzt auf dieser Grundlage für den Zeitraum von 2014 bis 2025 eine zusätzliche Schaffung von etwa 4.000 Wohnungen [an], die jährlich durch Maßnahmen der Nachverdichtung zu schaffen wären.“ (Gruber et al. 2018: 7)

Nachverdichtung kann, abgeleitet vom Begriff Dichte, sowohl die Erhöhung der tatsächlichen Bebauungsdichte durch (Um-)Baumaßnahmen umfassen als auch eventuell dafür notwendige Erweiterungen der baurechtlichen Obergrenze für Dichte (vgl. Gruber et al. 2018: 3). Diese quantitative und gesetzlich orientierte Definition von Dichte blendet die qualitativen Kriterien weitgehend aus, nach denen Wohnraum auch bezüglich seiner Lebensqualität charakterisiert wird (vgl. Lemmerer 2016: 52). Sowohl in der Planung des öffentlichen Raums als auch im geförderten Wohnbau wurde in den vergangenen Jahren der Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit explizit in den Vordergrund gerückt (vgl. Kirsch-Soriano da Silva/Stoik 2016: 255). Die aktuellste Studie zum Thema Nachverdichtung in Wien konstatiert in diesem Sinne: „Eine ganz besondere Herausforderung ist die Versorgung der wachsenden Bevölkerung mit leistbarem, qualitätsvollem und sozial nachhaltigem Wohnraum. ‚Soziales Wohnen‘ ist wieder auf der politischen Agenda!“ (Gruber et al. 2018: 1)

Aus Erfahrungen größerer Stadtentwicklungs- und Wohnbauvorhaben ist bekannt, dass Veränderungen des sozialen Wohnumfelds große Herausforderungen in der Kommunikation mit der betroffenen Bevölkerung mit sich bringen (vgl. Andel et al. 2016: 126). Gerade in bestehenden urbanen Räumen stoßen erforderliche Maßnahmen der Stadtentwicklung zunehmend auf Ablehnung in Teilen der Bevölkerung (vgl. Andel et al. 2016: 130; Hohenstatt 2016: 203), weil z.B. Baumaßnahmen den Alltag beeinträchtigen und nachfolgend höhere Wohnkosten oder erhöhtes Verkehrsaufkommen befürchtet werden. Deshalb wird es vermehrt „Konzepte zur Sicherung von Akzeptanz der betroffenen Bevölkerung bzw. ihrer Beteiligung brauchen“ (Gruber et al. 2018: 1).

In den vom wohnfonds_wien durchgeführten Bauträgerwettbewerben des öffentlich geförderten Wohnbaus wurden eingereichte Projekte bis ins Jahr 2009 anhand der drei Säulen Ökonomie, Architektur und Ökologie geprüft (vgl. wohnfonds_wien 2019: 1). Durch die Etablierung einer vierten Säule für soziale Nachhaltigkeit entstand seit dem Jahr 2009 eine Nachfrage nach Wohnbaukonzepten, die bereits in der Planung und darauffolgend in der Umsetzung Partizipationsprozesse ermöglichen (vgl. Hanke/Huber 2016: 162). Im Rahmen der vom wohnfonds_wien definierten Kriterien Alltagstauglichkeit, Kostenreduktion, Wohnen in Gemeinschaft und Wohnen für wechselnde Bedürfnisse (vgl. wohnfonds_wien 2019: 5) ist auch das bestehende soziale Zusammenleben in der Planung von Wohnbauprojekten zu berücksichtigen (vgl. Kirsch-Soriano da Silva, Stoik 2016: 253). Diese Kriterien werden wie folgt beschrieben:

„Geförderter Wohnraum soll unterschiedlichen Nutzungen, Nutzer*innengruppen und Wohnformen durch vielfältig nutzbare Grundrisse, Erschließungs- und Gemeinschaftsflächen und Außenbereiche entsprechen. Auf Alltagstauglichkeit und Reduktion der Errichtungs- und Bewirtschaftungskosten durch geeignete Planung ist zu achten. Soziale Durchmischung, Mitbestimmungskonzepte, Hausorganisation, identitätsstiftende Maßnahmen und Vernetzung mit sozialer Infrastruktur sollen gestärkt werden“. (wohnfonds_wien 2019: 1)

Im Gegensatz zum privaten Wohnbausektor sind Bauträger1 im geförderten Wohnbau dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer Einreichung beim wohnfonds_wien ein Konzept für soziale Nachhaltigkeit vorzulegen, das diese Kriterien erfüllt. Gerade Nachverdichtungen sind aber im Vergleich zu reinen Neubauprojekten „sehr viel kleinteiliger, feinkörniger und komplizierter“ (Gruber et al. 2018: 1). Die diesbezügliche rechtliche Lage ist komplex: Dominierend ist in Österreich der sehr ausgeprägte Schutz des Eigentums, sodass Mieter*innen auf das Bauen selbst keine rechtlichen Einflussmöglichkeiten haben – das Mietrechtsgesetz begründet aber informellen Handlungsspielraum (vgl. Gruber et al. 2018: 75–76).

Da für Bauträger in informellen Aushandlungsprozessen immer stärker auch soziale Kompetenzen im Umgang mit Bestandsbewohner*innen und neu Zuziehenden relevant werden, greifen viele verstärkt auf externe Organisationen zur Prozessbegleitung zurück (vgl. Gruber et al. 2018: 114). Alleine in den Bauträgerwettbewerben des wohnfonds_wien waren zwischen 2009 und 2018 über 20 Trägerorganisationen für soziale Nachhaltigkeit beteiligt.2 Darunter auch etablierte Organisationen aus dem sozialen Sektor und NGOs.

Für unterschiedlichste Arten von Begleitungstätigkeiten im Wohnbau stellt sich die Frage, welche Rolle Soziales und Sozialraum künftig in wachsenden Städten, die zur Wohnraumschaffung auf neue Strategien angewiesen sind, spielen können (vgl. Alisch 2004: 68). Sowohl Organisationen innerhalb als auch außerhalb der Sozialen Arbeit sind in diesem (neuen) Handlungsfeld bereits tätig bzw. reagieren auf die Nachfrage nach sozialer Begleitung von Nachverdichtungsprozessen (vgl. Oehler/Drilling 2016: 31). Die Rolle der Sozialen Arbeit ist dabei eng verknüpft mit der Debatte über die Mitwirkung im übergeordneten Handlungsfeld der Stadtplanung, Stadtentwicklung bzw. Stadterneuerung (vgl. Oehler/Drilling 2016: 13). Diskussions- und Forschungsbedarf besteht deshalb hinsichtlich folgender Frage: „Aus welchem Selbst- und Rollenverständnis Sozialer Arbeit kann und soll in diesem Handlungsfeld eigentlich professionell gearbeitet werden?“ (Oehler/Drilling 2016: 14). Dabei ist der entscheidende Unterschied zu anderen Professionen nicht zwangsläufig auf die angewandten Methoden zurückzuführen, sondern auf die dahinterliegenden Konzepte des eigenen Professionsverständnisses. Denn intermediäre Begleitorganisationen können sehr unterschiedlich agieren und verschiedene Kompetenzen im Handlungsfeld einbringen.


3. Forschungszugang und Methode

Eine Vielzahl von Akteur*innen aus unterschiedlichen Professionen ist im beschriebenen Handlungsfeld tätig, weshalb an dieser Stelle ein Überblick über die in Wien tätigen Organisationen der professionellen Begleitung von Nachverdichtungen sowie über ihre jeweiligen Arbeitsweisen gegeben werden soll. Die Darstellung beruht auf einer Handlungsfeldanalyse, der folgende Fragestellung zugrunde lag: „Welche Kompetenzen und Konzepte sind für Sozialraumorientierte Soziale Arbeit im Handlungsfeld Nachverdichtung aus Sicht der professionellen Begleitung relevant“ (Gorbach 2019: 16)?

Der Kompetenzbegriff umfasst sowohl Qualifikationen, also die funktionale Entsprechung zwischen Arbeitsplatzanforderungen und Ausbildungszielen, als auch subjektorientierte Fähigkeiten und Selbstorganisationsdispositionen, die auf angeeignetem Wissen aufbauen und dieses anwenden (vgl. Mayrhofer/Raab-Steiner 2007: 25–26). Unter dem Begriff Konzept versteht die Soziale Arbeit im Allgemeinen ein Handlungsmodell, in dem sowohl die Ziele und Inhalte als auch die anzuwendenden Methoden und Verfahren in einem sinnhaften Zusammenhang stehen (vgl. Galuske 2007: 26).

Um relevante Konzepte und Kompetenzen der Arbeitsweisen im Handlungsfeld möglichst explorativ zu erschließen, wurde ein qualitativ-interpretativer Forschungszugang gewählt und mehrere empirische Methoden in einem entworfenen sozialraumtheoretischen Analyseraster trianguliert (vgl. Gorbach 2019: 46). Methoden der Netzwerkanalyse nach Baur (2014: 944) und der Organisationsanalyse nach Meyermann, Gebel und Liebig (2014: 959–960) bilden das forschungsmethodische Grundgerüst.

Die Datenerhebung erfolgte in drei Schritten: Wegen des überschaubaren Forschungsstands zu diesem spezifischen Thema erfolgte sehr früh im Forschungsprozess der Feldeinstieg mittels drei leitfadengestützten Expert*inneninterviews. Diese Vorerhebung diente der Orientierung im Feld. Es wurden Interviews mit Mitarbeiter*innen von zwei Organisationen geführt, die bereits in mehreren Bauträgerwettbewerben professionelle Begleitung angeboten haben, sowie mit einer Person mit Expertise zu Baugewerbe, Mieter*innenvertretung, kommunalem Wohnbau und Bauausschüssen der Bezirkspolitik (vgl. Gorbach 2019: 51–52).

Der entstehende Überblick über das Handlungsfeld wurde durch strukturierte Dokumentenanalyse nach Salheiser (2014: 814–816) der Webseiten und dort verfügbaren Dokumente von 27 relevanten Organisationen erweitert. Die Identifikation und Auswahl der Organisationen erfolgte über die Berichte vergangener Bauträgerwettbewerbe sowie über Schneeballsampling, da viele der Organisationen auf Zusammenarbeit mit anderen Organisationen im Feld verweisen. Die Klassifikation der Organisationen nach ihren Professionen und Arbeitsweisen wurde für das theoretisch begründete Sampling von sechs weiteren Personen für vertiefende Expert*inneninterviews genutzt. Strukturelle Variation zielte darauf ab, die Vielfalt von Organisationen zu erfassen, die im Handlungsfeld (potenziell) sozialorganisatorische Prozessbegleitung von Nachverdichtung anbieten (könnten) (vgl. Gorbach 2019: 53).

In einer gemeinsamen Themenanalyse (vgl. Froschauer/Lueger 2003: 158) wurden die Daten der Dokumenten- und Interviewerhebungen verschränkt ausgewertet. Die Ergebnisse erlauben, das Handlungsfeld sowie darin tätige Organisationen und ihre unterschiedlichen Arbeitsweisen anhand der Kompetenzen und Konzepte, die bisher zur Anwendung kommen, zu skizzieren. Damit wird ein Beitrag in der Diskussion um die aktuelle und zukünftige Rolle der Sozialen Arbeit in diesem neuen Handlungsfeld geleistet.


4. Institutionelle Struktur des Handlungsfelds und darin tätige Organisationen

Die Begleitung von Nachverdichtungsprozessen stellt ein sehr spezialisiertes Handlungsfeld dar, in dem vielfältige Akteur*innen mitwirken, die teilweise auch in anderen Handlungsfeldern aktiv sind bzw. waren. Die Beschreibung des Handlungsfelds entspricht deshalb einer Momentaufnahme, die die Fluktuation und Mannigfaltigkeit des Feldes nicht vollständig erfassen kann. Im beschriebenen Sample sind 27 Organisationen enthalten, die im weitesten Sinne im analysierten Handlungsfeld der „sozial-organisatorischen Prozessbegleitung“ (vgl. Hanke/Huber 2016: 163) bereits in Nachverdichtungsprojekten in Wien tätig waren oder deren Tätigkeitsprofil dies derzeitig oder zukünftig ermöglichen würde. Die Clusterung erfolgt anhand der Bezüge zu anderen Akteur*innen im Handlungsfeld. Zentral waren dabei erstens jene Bezüge zu den von Nachverdichtung betroffenen Menschen als Zielgruppe der Begleitung sowie zweitens jene zu den Bauträgern, die Nachverdichtungsprozesse vorantreiben.

Erfahren Betroffene, dass in ihrem Wohn- oder Lebensumfeld nachverdichtet werden soll, äußern sie häufig Skepsis oder sogar Widerstand. Die Menschen sorgen sich darum, wieviel oder was für Bewohner*innen zuziehen werden und ob das betroffene Gebiet nicht schon zu dicht bebaut bzw. belebt ist. Grundsätzlich geht es deshalb um den Umgang mit den betroffenen Menschen, die sich die Veränderung ihrer Wohn-, Arbeits- oder Lebenssituation nicht freiwillig ausgesucht haben. Professionelle Begleitung ist auf diese generellen Stimmungslagen der Bevölkerung ausgerichtet. Dadurch ist die Arbeit mit den betroffenen Menschen nicht auf die Grenzen des Bauplatzes reduziert, da Anliegen, Bedenken, Akzeptanz und Protest im jeweiligen Nachverdichtungsprojekt und in seinem Umfeld zu berücksichtigen sind (vgl. Gorbach 2019: 58).

Bauträger, die externe sozial-organisatorische Prozessbegleitung entweder selbst beauftragen oder zumindest zentrale Ansprechpartner*innen für Begleitorganisationen sind, verstehen Nachverdichtung primär als Veränderungsprozesse an ihrem Bauplatz. Aus dieser Perspektive soll externe Begleitung zwischen Bauträger, Bestandsbewohner*innen und neu Zuziehenden vermitteln. Professionelle Begleitung soll dabei die Chancen erhöhen, dass Konflikte strukturiert bearbeitet und die Wohnzufriedenheit nachhaltig verbessert werden kann. In diesem Sinne liegt die soziale Nachhaltigkeit des eigenen Nachverdichtungsprojekts auch im Interesse des Bauträgers.

Um soziale Nachhaltigkeit zu gewährleisten, konzentrieren sich viele Organisationen (11 der 27) in Bauträgerwettbewerben des wohnfonds_wien auf Besiedelungsmanagement und/oder sozial-organisatorische Begleitung von Neubau- bzw. Nachverdichtungsprozessen. Einige Organisationen kooperieren darüber hinaus auch unabhängig von den Bauträgerwettbewerben mit Bauträgern, die Besiedelungs- bzw. sozial-organisatorische Begleitung für ihre Bauvorhaben extern beauftragen. Organisationen wie das Diakoniewerk oder die Volkshilfe Wien bieten im Zuge der Bauträgerwettbewerbe ihre sozialen Angebote für bestimmte Zielgruppen an: Beispielsweise werden Jugend-WGs oder Wohnformen für ältere Menschen in Nachverdichtungsprojekte integriert, um Kriterien im Sinne der Nachhaltigkeit im Bauträgerwettbewerb zu erfüllen. Weitere Angebote dieser Organisationen, wie z.B. die Begleitung der Bewohner*innen durch Wohnkoordination, umfassen auch gemeinwesenorientiertes, zielgruppenübergreifendes und intermediäres Handeln, das verstärkte Zusammenarbeit mit den Bauträgern erfordert (vgl. Gorbach 2019: 72).

Im kommunalen Gemeindebau von Wiener Wohnen übernimmt häufig wohnpartner die Begleitung bei Umbau- und Nachverdichtungsprozessen. Dies umfasst hier die Bewerbung und Durchführung von Informationsveranstaltungen. Darüber hinaus ist das Kundenmanagement von Wiener Wohnen für die Anliegen der Mieter*innen zuständig und ist mit Baustellenbüros des Baustellenmanagements vor Ort. Auf einzelne Nachverdichtungsprojekte im privaten Wohnbausektor wird häufig die Gebietsbetreuung Stadterneuerung der Stadt Wien aufmerksam und begleitet gegebenenfalls punktuell, da sich diese Organisation vor Ort mit urbanen Veränderungsprozessen beschäftigt. Ebenso begleitet die Gebietsbetreuung größere Wohnbauprojekte des geförderten Sektors in Abstimmung mit dem wohnfonds_wien (vgl. Gorbach 2019: 67–69).

Zur Beteiligung an Maßnahmen der nachhaltigen Stadtentwicklung werden betroffene Bürger*innen mitunter im Auftrag der Stadt Wien von der Lokalen Agenda 21 Wien begleitet, die sozial-organisatorische Tätigkeit in urbanen Veränderungsprozessen anbietet bzw. diese wiederum extern beauftragt. Organisationen der Mieter*innenvertretung wie die Mietervereinigung begleiten im Interesse ihrer Mitglieder bei Angelegenheiten, die deren Wohnumfeld und dortige Veränderungen betreffen – wie das auch bei Nachverdichtung der Fall ist. Von Seiten der Stadtverwaltung und Stadtpolitik werden auch Organisationen mit begleitenden Forschungsprojekten, Planung, Gutachten oder Konzepterstellung im Handlungsfeld beauftragt. Für die Begleitung von Nachverdichtung ist vor allem Aktionsforschung ein Angebot, bei dem sich auch beauftragende Bauträger einen Vorteil versprechen, da nicht nur Forschung auf einer analytischen Ebene finanziert wird, sondern auch das Handeln auf intermediärer Ebene und vor allem auf lokaler Projektebene. An den Grenzen des Handlungsfelds arbeiten Organisationen, wie die Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen, die laut Tätigkeitsprofil thematisch eng mit dem Handlungsfeld verknüpft sind und für sozial-organisatorische Begleitung grundsätzlich in Frage kommen würden, diese aber bisher nicht in Nachverdichtungsprojekten angeboten haben (vgl. Gorbach 2019: 68–69, 72–73).


5. Professionen und Arbeitsweisen

Organisationen der Prozessbegleitung arbeiten oft mit Teams, die aus verschiedenen Fachbereichen zusammengesetzt sind. Analytische Perspektiven bringen meist Sozial-, oder Geisteswissenschaftler*innen ein, die sich mit Wohnen und Zusammenleben beschäftigen. Kompetenzen in der (Frei-/Raum- und Landschafts-)Planung sowie Architektur sind wichtig, um mit Bauträgern in Planungsfragen auf Augenhöhe kommunizieren zu können. Vertreter*innen der Sozialen Arbeit und der Gemeinwesenarbeit finden sich besonders in Teams der sozialen Träger. Insgesamt wurde in den Expert*inneninterviews die Relevanz von Generalist*innen betont, die über ein Grundverständnis für mehrere Fachbereiche verfügen und im Bedarfsfall (externe) Spezialist*innen hinzuziehen können, z.B. für gezielte sozialarbeiterische Einzelfallarbeit (vgl. Gorbach 2019: 75–76).

Die Arbeitsweise gliedert sich in den untersuchten Organisationen grob in prozessorientierte und zielgruppenorientierte Angebote und Methoden: Erstere richten sich auf die Planungs- und Bauprozesse und somit primär an die prozesstreibenden Bauträger. Zweitere fokussieren das Arbeiten mit den von Nachverdichtungsprozessen betroffenen Menschen als Zielgruppe der Transformationsmaßnahmen. Diese heterogene Gruppe der Betroffenen gliedert sich wiederum in mitunter sehr verschiedene Zielgruppen, die jedoch alle von Nachverdichtungsprozessen direkt selbst betroffen sind und nicht, wie die Akteur*innengruppe der Bauträger, diese Prozesse vorantreiben.

Begleitung dieser Prozesse umfasst häufig Konsulententätigkeit bei Architektur- und Bauträgerwettbewerben, Objektplanung und Liegenschaftsentwicklung. Auch wenn diese Angebote bereits im weitesten Sinne sozial-organisatorisch in die Planung und Programmierung der Nachverdichtung eingreifen, bieten einige Organisationen explizit auch Sozialplanung und Konzepte für soziale Nachhaltigkeit an. Dies kann auch umfassen, die zeitliche und organisatorische Planung der zielgruppenorientierten Angebote im Zuge der Bauplanung zu übernehmen. Informationen und Fristen der Bauplanung werden dazu mit der Kommunikations- und Gemeinwesenarbeit vor Ort akkordiert, um z.B. sinnvolle Fenster für die Partizipation der Betroffenen festzulegen, vorab Planungsinformationen an diese zu kommunizieren und deren Anliegen wiederum in die Bauplanung einzubringen (vgl. Gorbach 2019: 77–78).

Gemeinwesenarbeit für die unterschiedlichen Zielgruppen der Nachverdichtung umfasst mitunter Veranstaltungen und Freizeitbeschäftigungen, um gute Veränderungsstimmung und Kontaktmöglichkeiten unter den Betroffenen zu erzeugen; dieses zielgruppenübergreifende Arbeiten, so wurde in den Interviews angemerkt, ist jedoch für begleitende Organisationen mit hohem Zeitaufwand verbunden. Informationsarbeit erfolgt in Form von Baustellenkommunikation, Informations- und Ansprechstellen vor Ort, Anschreiben sowie dem Organisieren und Moderieren von Informationsveranstaltungen für Betroffene. Die Verflechtung von off- und online Methoden gewinnt dabei im Handlungsfeld an Relevanz (vgl. Gorbach 2019: 80).

Die Balance zwischen Planung und Partizipation – vor allem zeitlich – zu organisieren, ist eine zentrale prozessorientierte Leistung der Begleitorganisationen. Durch die Erhebung von Bedarfslagen der Betroffenen in Interessens- und Sozialraumanalysen sollen soziale Dimensionen im Planungsprozess Berücksichtigung finden. Über Befragungen oder in Form von moderierten Interessensgruppen wird versucht herauszufinden, welche Zielgruppen an welchen Angeboten überhaupt Interesse zeigen könnten. Dies, so wurde von den Expert*innen bemerkt, kann allerdings eine Herausforderung darstellen, wenn sich die Interessen und Bedürfnisse der bestehenden und der neu zuziehenden Bewohner*innen stark unterscheiden (vgl. Gorbach 2019: 80–81).

Ein zentrales Ziel der Begleitungsarbeit für die bestehen Organisationen ist es, das Zusammenwachsen von Bestand und Neu-, Zu- bzw. Umbau zu unterstützen, dabei gegenseitige Vorurteile, Bedenken und Ängste abzubauen und mögliche positive Auswirkungen für das veränderte soziale Zusammenleben darzustellen. Zielgruppenorientierte Angebote umfassen deshalb unter anderem die Bevorzugung von Bestandsbewohner*innen bei der Vergabe der neuen Wohneinheiten, Umzugsmanagement vom Bestand in den Neubau, Anregungen für Nutzungsmöglichkeiten (neu) geschaffener Räume oder Wohn- und Mietrechtsberatung. Welche dieser Angebote in der jeweiligen Arbeitsweise der verschiedenen Organisationen zur Anwendung kommen, ist stark von den dort vorhandenen Kompetenzen und den zugrundeliegenden Konzepten abhängig (vgl. Gorbach 2019: 80, 82–83).


6. Relevante Kompetenzen und Konzepte

Planungskompetenzen sind im Handlungsfeld zentral, einerseits in der Zusammenarbeit mit Bauträgern, Architekt*innen und Planer*innen, andererseits bezüglich den Partizipationsprozessen, wenn mit Betroffenen über die Planung und Nutzung von Räumen gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist ebenso grundlegendes technisches Verständnis gefragt, um Fachwissen für Laien übersetzen zu können. Diese Vermittlung zwischen dem Bauträger, den betroffenen Menschen und eventuell externen Akteur*innen erfordert analytisches Sozialraumverständnis, um das bestehende soziale Zusammenleben vor Ort und die vorhandenen Bedürfnisse einschätzen und in die Planung von (neuen) Räumen und ihrer Nutzung integrieren zu können. Konzeptionell ist manchen intermediären Organisationen diesbezüglich wichtiger, verschiedene Interessen bauplatz- bzw. projektintern zu organisieren. Andere Begleitungskonzepte legen darüber hinaus den Fokus auf die Verschränkung der Bau- bzw. Nachverdichtungsmaßnahmen mit dem urbanen Umfeld.

Flexibilität ist jedenfalls eine Schlüsselkompetenz, denn im Zusammenspiel zwischen Planungs- und Umsetzungsprozess gilt es, mit unvorhergesehenen Entwicklungen konstruktiv umgehen zu können. Im direkten Umgang mit Betroffenen ist dabei Bedürfnis- und Ressourcenorientierung gefragt, um ein Verständnis für die Anliegen vor Ort zu entwickeln. Beratende Organisationen nutzen dieses Verständnis für Bedürfnisse im Feld wiederum im Planungsprozess dafür, um in der Zusammenarbeit mit dem Bauträger auch in die Programmierung und Gestaltung des sozialen Zusammenlebens einzugreifen. Die zugrundeliegenden Konzepte weisen vielfältige Bezüge zu Organisationsentwicklung und Organisationspsychologie, qualitativer Sozialforschung und Umweltpsychologie auf. Organisatorische Kompetenz und Projektmanagement sind konzeptunabhängig notwendig, um Makro- und Mikroebene gemeinsam zu denken und sowohl geplante als auch gelebte Veränderung zu begleiten (vgl. Gorbach 2019: 86, 89).

Aufgrund der intermediären Funktion ist Erfahrung mit dem Wohnbausektor bzw. mit Hausverwaltungen, so die Darstellung der Expert*innen, für den Vertrauensaufbau und das Herstellen gegenseitiger Loyalität von Vorteil. Die Arbeit mit Betroffenen erfordert darüber hinaus Kompetenzen im zwischenmenschlichen Umgang, Offenheit und eine gewisse Belastbarkeit für den Vertrauensaufbau und die Auseinandersetzung mit deren Bedenken, Ängsten und Protesten. Für das Informieren vor Ort, um einen Zugang zu den Menschen herstellen und auf Fragen sowie Anliegen eingehen zu können, sind didaktische Kompetenzen hilfreich. In Konzepten der Gemeinwesenarbeit spielen neben Ansätzen der Sozialen Arbeit, Kommunikation und Moderation auch Elemente der Erwachsenenbildung eine Rolle, die das Arbeiten mit unterschiedlichen Zielgruppen als demokratischen (Lern-)Prozess der aktiven Beteiligung und Emanzipation verstehen.

Manche Organisationen stützen sich auf das Konzept der Lebensweltorientierung als Grundlage einer respektvollen professionellen Haltung. So werden alle Betroffenen als Expert*innen für ihre Lebenswelt und ihr Wohnumfeld wahrgenommen, wodurch die Mitarbeiter*innen in der Begleitung von Raumnutzungs- und Aneignungsprozessen offen für berechtigte Ansprüche auf Mitgestaltung bleiben. Sozialraumanalytische Kompetenzen können dazu eingesetzt werden, Potenziale und Risiken der Raumgestaltung und -nutzung zu erfassen. Um diese auch an Bauträger und Betroffene zu kommunizieren, sind Kompetenzen zur Darstellung und Präsentation sowie zur digitalen Kommunikation zukünftig noch zu stärken. Denn sozialarbeiterische Kompetenz in Form von professionellem, sozial-kommunikativem Handeln sowie Vernetzungs-, Aktivierungs- und Motivationskompetenzen werden zukünftig intensiver auf digitale Räume bezogen sein müssen. Die verstärkte Verbindung von persönlicher und digitaler Begleitungstätigkeit kann außerdem die Chancen verbessern, den Bedarf bestimmter Zielgruppen für weitere sozialarbeiterische Unterstützung im Zuge von Nachverdichtungsprozessen zu erheben.

Die Konzepte mancher Organisation versuchen urbane Veränderung insofern zu bearbeiten, als dass betroffene Menschen dazu ermächtigt werden sollen, an der Veränderung ihres Wohn- und Lebensumfelds aktiv teilzunehmen. Die Anwendung von Netzwerk- und Vernetzungskompetenzen kann z.B. für diese Ermächtigung von Betroffenen entscheidend sein und wird mit Konzepten der Neutralität, Allparteilichkeit, Diversität oder Inklusion begründet. Gerade für Organisationen aus dem sozialen Sektor stellt sich dabei die Frage der Beteiligung von benachteiligten Gruppen. Durch die Affirmation von Ideen wie „Recht auf Stadt“ sowie „soziales oder leistbares Wohnen“ in Begleitkonzepten wird versucht, Verständnis der Bestandsbewohner*innen und neu Zuziehenden für die jeweiligen Bedürfnisse der anderen zu wecken (vgl. Gorbach 2019: 87–89). Diese Konzepte sowie weitere Aspekte der unterschiedlichen Arbeitsweisen im Handlungsfeld sind bereits Teil der Fachdiskussion in der Sozialen Arbeit (vgl. Hohenstatt 2016). Diskussionen um professionsspezifische Beiträge in der Begleitung von Nachverdichtung in Wien stehen hingegen erst am Anfang.


7. Aktuelle und zukünftige Beiträge Sozialraumorientierter Sozialer Arbeit

Kompetenzen und Konzepte, die die (Sozialraumorientierte) Soziale Arbeit schwerpunktmäßig im analysierten Handlungsfeld einbringt, beziehen sich häufig auf sozial-kommunikative Tätigkeit sowie Vernetzungstätigkeit, um die Themen der Betroffenen bestmöglich erfassen und bearbeiten zu können. Außerdem sind Konzepte sowie Kompetenzen zur Aktivierung und Motivation besonders relevant, um Betroffene selbst durch Partizipation und Eigenorganisation in die Bearbeitung urbaner Transformationen durch Nachverdichtung zu involvieren. Einerseits werden diese Kompetenzen und Konzepte als dringend nötig im Handlungsfeld erachtet. Andererseits wird sozial-organisatorische Prozessbegleitung weder innerhalb der Sozialen Arbeit noch unter anderen Akteur*innen vorrangig als ein Handlungsfeld der Sozialen Arbeit wahrgenommen. Gegenwärtig und zukünftig sind deshalb verschiedene Spannungsfelder in diesem Bereich zu berücksichtigen, von denen, mit Rekurs auf aktuelle Forschungen, drei hervorzuheben sind: (1) Professionelle Positionierung bzw. Abgrenzung gegenüber anderen Organisationen, (2) top-down Aktivierung vs. bottom-up Partizipation und (3) interdisziplinäre Zusammenarbeit als Qualitätsfaktor und Herausforderung.

Im analysierten Feld mit seinen vielfältigen Organisationen der professionellen Begleitung sind sowohl Konkurrenz- als auch Kooperationssituationen vorhanden, in denen die Organisationen ihre Konzepte und Kompetenzbereiche einbringen, weiter ausbauen und sich dadurch positionieren. Professionelle Positionierung, Kooperation bzw. Abgrenzung gegenüber anderen Organisationen der sozial-organisatorischen Prozessbegleitung von Nachverdichtungen stellt dabei auch in Zukunft ein Spannungsfeld für Sozialraumorientierte Soziale Arbeit dar.

Das Konzept der Gemeinwesenarbeit wird beispielsweise von mehreren Organisationen im Handlungsfeld als relevant für intermediäre Begleitungstätigkeit erachtet und doch durch die eigene Positionierung unterschiedlich verstanden. Wird intermediäre Tätigkeit vom Bauträger beauftragt und finanziert, wird das Handeln im Gemeinwesen z.B. als transparente Interessensvermittlung verstanden. Dabei wird nicht einseitig für die von Nachverdichtung betroffenen Menschen Partei ergriffen, um die neutrale Rolle und das Vertrauen der Auftraggeber*innen nicht zu gefährden. Gleichzeitig wird in diesem Konzept Ehrlichkeit und Transparenz als Legitimation betont, weil die intermediäre Positionierung dafür steht, dass alle Interessen – von Bauträger und Betroffenen gleichermaßen – auf den Tisch kommen und diskutiert werden. Auf diese Weise geschieht eine Abgrenzung gegenüber Konzepten der Prozessbegleitung, bei denen lediglich externe Moderationskompetenzen eingebracht werden und Ziel sowie Anwendung klar durch die Auftraggeber*innen vorgegeben sind. Für Begleitorganisationen kann es deshalb zu Spannungen zwischen der Begleitung der Planungs- und Bauprozesse einerseits und der Begleitung der betroffenen Menschen als Zielgruppe der Nachverdichtung andererseits kommen. Intendierte top-down Aktivierung der Bewohner*innen im Sinne der prozesstreibenden Bauträger kann dabei beispielsweise einer eigentlich gewünschten bottom-up Partizipation der betroffenen Bewohner*innen zuwiderlaufen.

Aus Sicht anderer Begleitorganisationen, die nicht der Sozialen Arbeit zugeordnet werden können, sollten Professionist*innen der Sozialen Arbeit deshalb verstärkt in den Teams im Handlungsfeld eingesetzt werden, um die Visionen und Konzepte für soziales Zusammenleben vom theoretischen Plan auf den Boden der sozialen Wirklichkeit zu bringen bzw., umgekehrt, alltagspraxisorientierte Inputs in Planungsprozessen einbringen zu können. Professionist*innen der Sozialen Arbeit werden hauptsächlich als Expert*innen für soziales Zusammenleben und damit verbundene Problemlagen sowie Herausforderungen gesehen. Sie sollen in der Begleitung von Nachverdichtungsprozessen zu den Menschen vor Ort Zugang finden und eine Verbindung zur Planung ermöglichen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Handlungsfeld kann in diesem Sinne sowohl als zukünftig zu stärkender Qualitätsfaktor als auch als eine zu bearbeitende Herausforderung betrachtet werden.

Für Organisationen, die selbst auf sozialarbeiterische Angebote der Gemeinwesen- oder Einzelfallarbeit zurückgreifen können, stellt die Soziale Arbeit deshalb nicht nur hinsichtlich der zugrundeliegenden Konzepte eine entscheidende Einflussgröße dar, sondern gerade auch bezüglich der professionellen Haltung. Organisationen, die nach Konzepten der Sozialen Arbeit arbeiten, verstehen es mitunter als Teil der Begleitungsaufgabe, die betroffenen Menschen im Bestand dahingehend zu ermächtigen, dass sie sich und ihre Interessen in der Raumnutzung nach den abgeschlossenen Baumaßnahmen einbringen können und nicht ausschließlich unter dem Umbau leiden. Im Zuge dieser Auseinandersetzung mit der Situation der Menschen vor Ort bietet die Begleitung von Nachverdichtungen für Akteur*innen der Sozialen Arbeit Möglichkeiten, den Bedarf bestimmter Zielgruppen zu erheben und ihnen weitere (sozialarbeiterische) Unterstützung zukommen zu lassen.


8. Fazit

Für (Sozialraumorientierte) Soziale Arbeit kann die (verstärkte) Tätigkeit bei der Begleitung von Nachverdichtungen dazu beitragen, Empowerment der betroffenen Menschen zu ermöglichen und im urbanen sozialen Zusammenleben positive Veränderungen für (benachteiligte) soziale Gruppen zu eröffnen. Für die dargestellten Konzepte und Kompetenzen wären dazu weitere anschlussfähige Erkenntnisse der Sozialen Arbeit aus anderen Handlungsfeldern aufzuarbeiten, um die Einschätzung der Chancen für Beiträge dieser Profession in der Begleitung von Nachverdichtung zu erweitern. Besonders für die beschriebenen Spannungsfelder, (1) professionelle Positionierung bzw. Abgrenzung gegenüber anderen Organisationen, (2) top-down Aktivierung vs. bottom-up Partizipation und (3) interdisziplinäre Zusammenarbeit als Qualitätsfaktor und Herausforderung, sind weitere empirische Untersuchungen und fachspezifische Diskussion notwendig.


Verweise
1 Auf eine geschlechtsneutrale Schreibweise wird beim Begriff Bauträger verzichtet, da damit ausschließlich Unternehmen bezeichnet werden und keine Personen (vgl. Bibliographisches Institut 2019).
2 Zusammengefasst aus den Dokumentationen der Bauträgerwettbewerbe des wohnfonds_wien 2009 bis 2018.


Literatur

Alisch, Monika (2004): Wachsende Stadt und soziale Stadt. In: Altrock, Uwe/Schubert, Dirk (Hg.): Wachsende Stadt. Leitbild - Utopie - Vision? Wiesbaden: Springer VS, S. 67–76.

Andel, Adolf/Krajasits, Cornelia/Wach, Iris (2016): Wien Neu: Passende Strukturen für die wachsende Stadt. Studie der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, Stadtpunkte Nr. 18. https://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/Stadtpunkte18.pdf (25.10.2018).

Baur, Nina (2014): Netzwerkdaten. In: Baur, Nina/Blasius, Jörg (Hg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer VS, S. 941–958.

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Über den Autor

Johannes Gorbach, MA
johannes.gorbach@hotmail.com

2014–2018 Bachelorstudien Kultur- und Sozialanthropologie und Politikwissenschaft an der Universität Wien. 2017–2019 Masterstudium Sozialraumorientierte Soziale Arbeit an der FH Campus Wien. Seit 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Social City Wien; Schnittstelle sozialwissenschaftliche Forschung und Projektentwicklung im Bereich soziale Innovation.