soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 24 (2020) / Rubrik „Junge Wissenschaft“ / Standort Innsbruck
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/677/1272.pdf


Jakob C. Walter:

Remittances als Tätigkeitsfeld der Internationalen Sozialen Arbeit


1. Einleitung

In diesem Beitrag werden finanzielle Rücküberweisungen von MigrantInnen (Remittances) vorgestellt. Remittances sind ein global signifikanter Finanzfluss, welcher die sozialen und ökonomischen Verhältnisse von Millionen von Haushalten prägt. Auf der einen Seite in sogenannten Zielländern, also jenen Ländern, in die Personen migrieren wollen und in denen sie Kapital erwirtschaften. Zum anderen in den Herkunftsländern, in denen einzelne Familienverbände von Rücküberweisungen profitieren, während sie gleichzeitig durch die Migration eines Mitgliedes einen Verlust erfahren.

Im ersten Teil des Beitrages werden Remittances als eine volkswirtschaftliche Größe eingeordnet, im zweiten Teil geht es um die Rolle von Rücküberweisungen bei der Armutsbekämpfung. Im dritten Teil des Artikels wird auf unterschiedliche Transaktionsmethoden eingegangen. Kapitel vier behandelt die psychosozialen Faktoren für die Personen, die Remittances überweisen. Im fünften Teil werden die gewonnenen Erkenntnisse auf die Soziale Arbeit übertragen und die Frage diskutiert, inwiefern die Thematik ein Tätigkeitsfeld für die Internationale Soziale Arbeit darstellt.


2. Remittances – Ein weltwirtschaftliches Schwergewicht

Im Jahr 2017 beliefen sich die globalen Einnahmen aus Remittances auf ca. 466 Milliarden US-Dollar (vgl. World Bank 2018: 3).1 Zum Vergleich: Das veranschlagte Budget im Haushaltsplan der Bundesrepublik Deutschland betrug für das Jahr 2018 umgerechnet 395,45 Milliarden US-Dollar (vgl. BMF 2018: 2). Diese Geldflüsse machen einen signifikanten Teil des Bruttoinlandsproduktes (BIP) vieler Staaten aus. Speziell in kleineren, wirtschaftlich schwächeren Volkswirtschaften gewährleisten Remittances einen großen wirtschaftlichen Aufschwung (vgl. World Bank 2016: 17). In absoluten Zahlen führten die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt, Indien (69 Mill. US-Dollar) und die Volksrepublik China (64 Mill. US-Dollar) die Liste der Empfängerländer an. Circa halb so viel erhielten BürgerInnen auf den Philippinen (33 Mill. US-Dollar) (vgl. World Bank 2018: 5). In Relation zum Bruttoinlandsprodukt profitierten die Kirgisische Republik (35%), der Inselstaat Tonga (33%) sowie das ebenfalls in Zentralasien gelegene Tadschikistan (31%) am meisten von Rücküberweisungen durch MigrantInnen. Die Empfängerländer, die in absoluten Zahlen am meisten von Remittances profitieren, sind vor allem große Schwellenländer, die Liste der Empfänger, welche in Relation zu ihrem BIP gebracht werden, wird von wirtschaftlich stark defizitären Ländern (LDCs) angeführt. Dies liegt daran, dass zwar große Summen von der Auslandsgemeinde in Schwellenländer geschickt werden, diese jedoch in Relation zu anderen Wirtschaftszweigen nicht so sehr ins Gewicht fallen, wie es bei kleineren (i.e. bevölkerungsärmeren) Ländern der Fall ist, deren sonstige Einkünfte im Allgemeinen sehr gering sind.

Prinzipiell bilden Remittances einen finanziellen Strom, der weitgehend linear und damit stabil ist (vgl. Kapur 2005: 338). Erschütterungen entstehen zwar, wie beispielsweise durch die Finanzkrise 2008/2009 oder die aktuelle Covid-19-Krise, doch erholt sich dies meist schnell wieder, wie es auch bei den angegebenen Beispielen der Fall war (vgl. World Bank 2017: V). Zusätzlich gibt es ein gewisses Maß an Reagibilität in Krisen (crisis-responsiveness) von Remittances, beispielsweise wird mehr Geld überwiesen als sonst, wenn sich Herkunftsländer von migrierten Personen in Krisen befinden. Dies zeigte eine Studie, welche in zentralasiatischen Staaten durchgeführt wurde (vgl. Glebocki Keefe 2014). Gründe dafür werden vor allem in empathischen, transnationalen Bindungen gesehen. Des Weiteren migrieren in einer Krise auf Grund der Versorgungsengpässe mehr Personen, was sich wiederum positiv auf die Menge an Rücküberweisungen auswirkt. Jedoch gibt es auch starke Einbrüche von Überweisungen auf Grund von wirtschaftlichen oder politischen Ereignissen in Zielländern, also jenen Ländern, in denen die migrierten Personen arbeiten. So kam es beispielsweise 2016 zu einer Reduktion der Überweisungen nach Süd- und Zentralasien auf Grund eines wirtschaftlich schwachen Jahres in den Zielländern des Golfkooperationsrates und der Russischen Föderation (vgl. World Bank 2017: 1). Insgesamt sind Remittances aber Geldströme mit einer Stabilität, welche andere Märkte extrem volatil erscheinen lässt (vgl. Ratha 2005: 28).

Da Remittances über Landesgrenzen hinweg versandt werden, ist das Thema der Transaktion und der damit verbundenen Kosten von zentraler Bedeutung. Abgesehen von Überweisungen innerhalb von Wirtschaftsverbünden (wie bspw. der Europäischen Union) ist das Überweisen von Geldern in andere Länder nach wie vor sehr kostspielig. Zusätzlich sind die Überweisungsgebühren zwischen jenen Ländern mit den niedrigsten Wirtschaftsleistungen (LDCs) am höchsten, so gilt beispielsweise Subsahara-Afrika als die teuerste Region für transnationale Überweisungen (vgl. Ratha/Shaw 2007: 13). Zudem haben viele Personen in Herkunftsländern (auf Grund mangelnder Infrastruktur) aber auch in Transit- und Zielländern (auf Grund mangelnder Identitätsdokumente) keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen (vgl. Alberola/Salvado 2006: 15). Informelle Kanäle (also beispielsweise das Beauftragen eines Kuriers) haben wiederum den Nachteil der intransparenten Kosten sowie einer relativen Unsicherheit was den Verbleib des Geldes betrifft.

Ein Trend dieses Jahrhunderts ist die Einführung von Mobile Money: Hier wird Gesprächsguthaben als fiktive Währung verwendet und kann niederschwellig und transparent für Ein- und Auszahlungen verwendet werden, ohne dass die Eröffnung eines Bankkontos notwendig ist. Diese Zahlungsmethode erfreut sich in Subsahara-Afrika hoher Beliebtheit (vgl. Shrier/Canale/Pentland 2016: 10).


3. Remittances in der Armutsbekämpfung

Es ist schwierig, die Effektivität von Remittances bei der Armutsbekämpfung in den Herkunftsländern zu beurteilen. Dies liegt unter anderem daran, dass Familien, welche Remittances empfangen und so ihr Haushaltseinkommen aufstocken, zuvor schon Geld bereitgestellt haben mussten, um einem/einer der ihren die Auswanderung zu ermöglichen. Es stellt sich die Frage, ob Remittances tatsächlich Armut bekämpfen oder ob nicht viel mehr ein Zusammenhang besteht zwischen weniger Armut und der Fähigkeit, ein Familienmitglied ins Ausland zu schicken. Dieser Aspekt muss in Betracht gezogen werden, wenn bei empirischen Erhebungen die sehr wohl existierenden signifikanten Einkommensunterschiede zwischen Remittance-empfangenden Familien und dem Rest festgestellt werden (vgl. Acosta/Calderón/Fajnzylber/López 2008: 100; Mohapatra/Ratha 2011).

Diese Frage konnte bereits für eine Weltregion beantwortet werden. In manchen Ländern Lateinamerikas gehören wirtschaftlich benachteiligte Haushalte zu den größten Empfängern von Remittances. Dies ist beispielsweise in Mexiko und Paraguay der Fall, wo extreme Armut de facto durch Remittances vermindert wird (vgl. Fajnzylber/López 2008: 5). Die Auswanderung/Arbeitswanderung in diesen Ländern ist auf Grund der geografischen Nähe zu wirtschaftlichen Großmächten und deren expandierenden Arbeitsmärkten (im Falle Mexikos die USA, im Falle Paraguays Brasilien) mit weniger Aufwand und Kosten verbunden als in Ländern, in deren Nachbarschaft sich keine derart wachsenden Volkswirtschaften befinden. Speziell in den Ländern, in denen vor allem schlechter verdienende Gruppen emigrieren und nicht die ohnehin schon Privilegierten, ist eine deutliche Verminderung moderater und extremer Armut prävalent, wie eine weitere Studie über die Volkswirtschaften Lateinamerikas zeigt (vgl. Acosta et al. 2008: 90). Die positiven Auswirkungen von Remittances in Mexiko, in diesem Fall speziell in ländlichen Regionen, wurden auch schon früher untersucht und für signifikant befunden (vgl. Stark 1991: 140).

Doch wie effizient sind Remittances weltweit und nicht nur in der Nähe wirtschaftlich erfolgreicher Länder? Die Ergebnisse einer groß angelegten Studie, welche eine globale Perspektive auf die Thematik gibt, sind relativ ernüchternd: Verzeichnet ein Land mit unterdurchschnittlichem Pro-Kopf-Einkommen eine Erhöhung der internationalen Remittances um 10 Prozent, geht die extreme Armut um durchschnittlich 1,6 Prozent zurück (vgl. Adams/Page 2005: 286). Dieser geringe Prozentsatz liegt zum einen an der Statistik selbst, wie die Autoren erklären. So konnten in Ermangelung repräsentativer Daten lediglich 48 Prozent der Länder mit unterem und mittlerem Einkommen berücksichtigt werden (vgl. ebd.: 280). Auch werden die Transferleistungen über informelle Kanäle nicht berücksichtigt. Die Größe dieser Variablen könnte nach Adams und Page signifikant sein, denn gerade MigrantInnen der ärmeren und ärmsten Schichten wandern oftmals illegal aus und können dementsprechend nur auf informelle Transaktionskanäle zugreifen (vgl. ebd.: 287).

Insgesamt stellt die Studie einen Zusammenhang zwischen Armutsbekämpfung und Remittances fest, die hier als mit anderen nationalen Einkommensquellen vergleichbar betrachtet werden (vgl. ebd.). Eine kleinere Studie, bei der Daten aus 39 (anderen) Ländern untersucht wurden, bestätigt den Zusammenhang zwischen Armutsbekämpfung und Remittances (vgl. Azam/Haseeb/Samsudin 2016: 277). Acosta et al. geben in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass Remittances zunächst lediglich Ersatzleistungen für das Fehlen der migrierten Person für das betreffende Haushaltseinkommen bedeuten (vgl. Acosta et al. 2008: 90). Diese fehlenden Erträge werden bei Kalkulationen nicht miteinberechnet, könnten aber dafür gesorgt haben, dass der Haushalt Schulden bei Banken, dem sozialen Netzwerk oder auf dem Schwarzmarkt machen musste – welche zunächst von den Geldern, die aus dem Ausland überwiesen werden, beglichen werden müssen. Auf Grund solcher Überlegungen gibt es Stimmen, die Remittances für nicht förderungswürdig halten. Auf diese Kritik kann jedoch mit der evidenten Tatsache geantwortet werden, dass das Modell, auf eine Arbeitskraft im Haushalt zu verzichten und diese ins Ausland zu schicken, sehr dominant ist und immer wieder aufs Neue praktiziert wird. Wäre dieses finanziell und logistisch so aufwendige Unterfangen nicht profitabel, würde es nicht so viele Nachahmungen geben. Gleichwohl muss der Aufwand der Migration miteinkalkuliert werden, wenn es um die Analyse der Profitabilität von Remittances für einzelne Haushalte geht.


4. Psychosoziale Faktoren und Sendemotivation

Bezüglich der Motivation zum Senden von Remittances haben die Ökonomen Lucas und Stark (1985) drei Hypothesen aufgestellt und parallel dazu Daten in Botswana erhoben. Das britisch-polnische Duo untersuchte die Sendedynamik von BinnenmigrantInnen des südafrikanischen Landes. Da diese Auflistung vielfach zitiert wird und damit von zentraler Bedeutung für die Thematik ist, seien die drei Hypothesen hier einzeln aufgeführt (vgl. ebd.: 903f.):

Bezüglich der Sendemotivation von KlientInnen stehen ProfessionistInnen der Sozialen Arbeit in Beratungskontexten in Zielländern vor dem Dilemma, dass MigrantInnen teilweise einem hohen Druck ausgesetzt sind, Gelder zu überweisen – während vermieden werden soll, dass sich MigrantInnen durch Remittances unnötig verschulden. Wichtig zu wissen für den/die Professionelle/n ist dabei, welcher Wunsch hinter dem Versenden der Gelder liegt. Sind Personen im Herkunftsland von den Geldern abhängig oder geht es lediglich um Einkommensdiversifizierung? Hat die Person ein überproportionales Fürsorgegefühl entwickelt, dem es allenfalls zu begegnen gilt (Altruismus)? Können Investitionen im Eigeninteresse der Person aufgeschoben werden? Je nach Kontext kann dann, beispielsweise im Falle einer Verschuldung, die migrierte Person zielführend beraten werden (vgl. Eberl 2009: 75).


5. Tätigkeitsfelder für die Soziale Arbeit

Für die Beantwortung der Frage, wie ProfessionistInnen der Sozialen Arbeit im Bereich Remittances auf normativer, strategischer und operativer Ebene aktiv werden können, ist eine Unterteilung sozialarbeiterischer Tätigkeitsfelder in Anlehnung an Healys Definition Internationaler Sozialer Arbeit hilfreich:

„[I]nternational social work is defined as international professional action by the social work profession and its members. International action has four dimensions: internationally related domestic practice and advocacy, professional exchange, international practice, and international policy development and advocacy“ (Healy 2008: 10).

Diese Definition wurde im Rahmen der Masterarbeit in vier Kategorien geordnet, die jeweils entweder normativer, strategischer und/oder operativer Art sind:

Diese grundlegende Unterteilung wird nachfolgend angewandt und jede Kategorie näher beleuchtet.


5.1 Practice – Mögliche Angebote im Rahmen Sozialer Arbeit

In Herkunftsländern ist bereits vor der Migration eine beraterische Sozialarbeit von großer Bedeutung, da sie Personen über die Risiken informieren kann, welche mit der Migration selbst und der Sendung von Remittances einhergehen. Im Idealfall wird diese Beratung von lokalen SozialarbeiterInnen angeboten. Sofern sie aber von nicht einheimischen Fachkräften durchgeführt wird, sollte interkulturelles Training als notwendige Qualifikation vorausgesetzt werden.

Bei bereits vorhandenem Einkommen über Remittances wäre eine Beratung in Richtung nachhaltiger Investitionen sinnvoll. Dazu gehören die Schul- und Ausbildung der Kinder, gesundheitliche Fürsorge sowie Investitionen in private Projekte (z.B. zur autarken Stromerzeugung) oder lokale Unternehmen (z.B. in Form von Mikrokrediten). Trotzdem muss jede Entscheidung über den Zweck der Gelder als selbstständige Entscheidung respektiert werden, da es sich hier um einen beraterischen und keinen kontrollierenden Kontext handelt. Speziell in Ländern mit einer hohen Abwanderungsrate gilt es, Bildung als nachhaltige Investition zu bewerben, um Armutsmigration zu vermeiden. Bezüglich der Transferkanäle geht es um finanzielle Inklusion und die Möglichkeit, auch Personen, die keinen Zugang zu informellen Transaktionsnetzwerken haben, finanziell und logistisch niederschwellige Möglichkeiten des Empfangs von internationalen Geldern aufzuzeigen. Noch mehr als im Herkunftsland wäre eine Beratung zur Nutzung von Transaktionskanälen im Zielland sinnvoll, da die MigrantInnen ihr Überweisungssystem im Zielland auswählen. Abgesehen von technischen Informationen, sollte, unabhängig vom Kontext, auch das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen sendenden und empfangenden Personen in der Beratung Platz finden.

Für die dem Artikel zugrundeliegende Masterarbeit wurde eine Befragung von Integrationsberatungsstellen in Westösterreich durchgeführt, um Informationen über die beraterische Sozialarbeit im Zielland zu Remittances zu gewinnen. Hierbei traten eklatante Unterschiede zwischen dem Status quo und den möglichen Tätigkeitsfeldern zu Tage (vgl. Walter 2019: 93f.). Obwohl die Thematik eine Reihe an Tätigkeitsfeldern beinhalten würde (z.B. durch die Komplexität des transnationalen Beziehungs- und Familienlebens und die Sendemotivation aus Pflichtgefühl, Altruismus und Eigeninteresse), sind diese in der Integrationsberatung kaum relevant. Da Integrationsberatung lediglich einen Auftrag bezüglich der Ausstattungsprobleme im Zielland hat, werden Bezüge zum Herkunftsland nicht angesprochen. Während also praktische Tätigkeitsfelder in Ländern wie Österreich durch die Thematik gegeben wären, fehlt das Interesse der Institutionen, Personen in diesem Bereich zu unterstützen und Beratungsangebote zu finanzieren. Dieses mangelnde Interesse führt zur Notwendigkeit von Advocacy-Arbeit.


5.2 Advocacy – Legitimation von Angeboten vor Dritten

Advocacy meint, dass Professionelle für die Rechte ihrer Klientel einstehen. Gleichzeitig werden über Advocacy auch sozialarbeiterische Angebote legitimiert und finanziert. Global betrachtet sind Remittance-spezifische Angebote für MigrantInnen durch den Aspekt der Armutsbekämpfung legitimiert. Speziell die Untersuchungen über die Wirkung von Remittances in Herkunftsländern haben gezeigt, dass diese Gelder eine effiziente Bekämpfung extremer Armut darstellen können, sofern Informationen und Infrastruktur für VerbraucherInnen bereitstehen.

In Zielländern ist es wichtig, Falschinformationen zu analysieren und aufzulösen, die sich um die Thematik ranken (vgl. Healy 2017: 248). So zum Beispiel das Gerücht, dass sich MigrantInnen, welche Gelder in ihr Herkunftsland schicken, in ihrem Zielland nicht integrieren würden. Speziell in Zielländern mit einem ausgeprägten Wohlfahrtssystem und einem sozialen Sicherheitsnetz gilt es deutlich zu machen, dass Remittances sogar integrationsfördernde Maßnahmen sein können (vgl. Falco/Göbel 2015). So ist es für Professionelle während der Anamnese von Bedeutung, das transnationale Netzwerk der KlientInnen zu verstehen, um berufliche und soziale Integrationsmaßnahmen adäquat designen zu können.


5.3 Professional Exchange and International Practice – Wichtige Stakeholder der Sozialen Arbeit

Bei der Dimension des professionellen Austauschs und der internationalen Praxis geht es um mögliche PartnerInnen, die es zu gewinnen gilt, um sozialarbeiterische Angebote zu entwickeln und durchzuführen. In Zielländern sind staatliche Einrichtungen zentrale Anlaufstellen, insofern sie die primären geldgebenden Institutionen für sozialarbeiterische Angebote sind. Diese gilt es zu überzeugen, dass sich Investitionen in den vereinfachten Zugang zu Finanzdienstleistungen für MigrantInnen lohnen, da so die Unkosten der Überweisungen verringert werden können. In Zielländern sind staatliche Institutionen für die Erstellung von Integrationskonzepten auf öffentlicher Ebene zuständig und entscheiden, ob professionelle Beratungen hinsichtlich der Thematik angeboten werden.

Die Regierungen in Herkunftsländern zählen zu den größten Profiteurinnen von Remittances. Entweder können sie die Gelder direkt verwenden (z.B. in sogenannten Diaspora Bonds2) oder aber sie profitieren indirekt durch das zusätzliche Kapital im Land, für welches sie nicht investieren müssen. In Zusammenarbeit mit diesen Regierungen müssen Projekte entstehen, die speziell für periphere Regionen niederschwellige Zugänge zu Finanzdienstleistungen installieren. Des Weiteren ist einmal mehr zu betonen, dass Menschen nicht gezwungen sein sollten zu emigrieren, um ein Auskommen zu finden. Unabhängig von der Remittances-Thematik ist der Migrationszwang ein nicht hinnehmbarer Zustand, welcher nichtsdestotrotz in LDCs vorherrscht.

Profitorientierte Organisationen sind im Bereich der Remittances oftmals wichtig, um neue Angebote zu kreieren. Speziell bei Transaktionsangeboten ist Wettbewerb zu begrüßen, da er dauerhaft die Fixkosten für KlientInnen senkt. Eine spezielle Form der Zusammenarbeit wird bei Massenmedien benötigt. Diese können in Herkunftsländern Einfluss auf Migrationsentscheidungen haben und in Zielländern die Assoziationen der Bevölkerung bezüglich MigrantInnen und Remittances prägen. Auch können lokale Unternehmen und Banken involviert werden, wenn es um die Investition im Bereich Remittances geht. Wichtig bei der Zusammenarbeit mit profitorientierten Organisationen ist es, das Wohl der Klientel im Blick zu behalten und jegliche Kollaboration genau zu prüfen, um potenzielle Interessenskonflikte zu vermeiden.


5.4 Policy Development – Entwicklung eines rechtlichen Rahmens

Die (Internationale) Soziale Arbeit ist nach einer weithin anerkannten Definition eine Menschenrechtsprofession (vgl. Staub-Bernasconi 1995: 67f.). Für ein spezifisches Thema wie Remittances braucht es jedoch spezifische Instrumente, um zum Zweck von mehr Teilhabe Angebote differenziert begründen zu können. Die Sustainable Development Goals (SDG) sind bei dieser Thematik von zentraler Bedeutung, da sie Remittances explizit als partizipatorische Form der Armutsbekämpfung wahrnehmen. Für Professionelle ist es wichtig, diese Normen zu kennen und Angebote in Anbindung an selbige zu legitimieren. Auch ist es zentral, sich für weitere Übereinkommen wie den Global Compact for Migration einzusetzen, um auf ratifizierte Agenden verweisen und so Rechte für MigrantInnen sicherstellen zu können. Nur wenn MigrantInnen auch unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus im Zielland Beratung zur Thematik in Anspruch nehmen dürfen, können ihre Angehörigen in den Herkunftsländern maximal von Remittances profitieren. Für die Festlegung von diesbezüglichen Regelungen müssen sich zunächst anerkannte Gremien finden, welche nationale beziehungsweise regionale Zusammenschlüsse von Professionellen global bündeln. Diese wären beispielsweise in Form der International Federation of Social Workers (IFSW), mit ihrer demokratisch-partizipativen Grundstruktur, bereits vorhanden (vgl. IFSW 2016).


6. Fazit und Ausblick

Die Remittance-Thematik gibt der sozialarbeitswissenschaftlichen Diskussion eine neue Perspektive. Die Gelder, welche von MigrantInnen zurück in ihre Herkunftsländer überwiesen werden, sind nicht nur Geschenke, sondern ein wesentlicher Teil des wirtschaftlichen Ein- und Auskommens vieler Millionen Haushalte. Ein Grundverständnis für die Thematik ist daher essenziell für alle Stellen, die sich mit betroffenen KlientInnen beschäftigen. Sowohl in Herkunfts- als auch in Zielländern wäre eine intensivere akademische Auseinandersetzung wünschenswert, die für das Verstehen transnationaler Lebenswelten notwendig ist. Tätigkeitsfelder bietet die Thematik auf praktischer, strategischer und normativer Ebene und erweiterte Kenntnisse von SozialarbeiterInnen könnten das Beratungsniveau im Bereich Migration und Integration zu Gunsten unserer Klientel signifikant heben.


Verweise
1 Die Angabe beruht auf Zählungen offizieller Kanäle. Der tatsächliche Wert wird um einiges höher vermutet, kann jedoch nur grob geschätzt werden, weshalb in dieser wissenschaftlichen Arbeit auf die Nennung einer Zahl verzichtet wird.
2 Diaspora Bonds sind staatliche Initiativen von Herkunftsländern, die Geld von EmigrantInnen leihen und in infrastrukturelle Projekte vor Ort investieren.


Literatur

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Über den Autor


Jakob C. Walter, Jg. 1993
jakob.walter@hotmail.com

hat im Sommer 2019 das Masterstudium „Sozialpolitik, Sozialmanagement und Soziale Arbeit“ abgeschlossen. Seine Studien verfolgte er am Campus Unisinos (RS/Brasilien), der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg, der Makerere University (Uganda) und dem Management Center Innsbruck. Er ist derzeit als Integrationsmanager für den Landkreis Tübingen tätig.