soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 24 (2020) / Rubrik „Sozialarbeitswissenschaft“ / Standort Graz
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/684/1254.pdf


Anna Riegler, Brigitte Kukovetz & Helga Moser:

Soziale Arbeit. Eine differenzsensible und herrschafts-kritische Profession?


Wird in der Praxis der Sozialen Arbeit differenzsensibel und herrschaftskritisch gearbeitet? Dieser Frage wird anhand von empirischen Ergebnissen des jüngst abgeschlossenen Forschungsprojektes „(De)konstruktion von Differenz & Soziale Arbeit“ (Riegler/Kukovetz/Moser/Mikula/Konrad/Köck 2020), gefördert vom Land Steiermark – Wissenschaft und Forschung, nachgegangen. Dabei werden gleichzeitig Ansprüche an Kompetenzen und Rahmenbedingungen für eine Professionalisierung diskutiert.


1. Differenz und Macht – Herausforderungen in der Sozialen Arbeit

Die Soziale Arbeit hat in Bezug auf einen kritischen Umgang mit Differenzsetzungen zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen. Allen voran geht es in der Sozialen Arbeit um die Schwierigkeit, zwischen den Erwartungen der Gesellschaft an die Klient*innen und umgekehrt den Ansprüchen der Klient*innen an die Gesellschaft zu vermitteln. Dabei müssen die ethischen Grundsätze der eigenen Profession, welche an Menschenrechten und Menschenwürde orientiert sind, im Auge behalten werden (vgl. OBDS o.J.). Denn wenn die Soziale Arbeit zur unkritischen Erfüllungsgehilfin für gesellschaftlich normierte Handlungsweisen wird, kann das diskriminierende Auswirkungen auf ihre Klient*innen haben. Dies war nicht nur im Extremfall des Nationalsozialismus der Fall (vgl. Füchslbauer 2017), sondern kann auch heute noch Konsequenzen haben, wie im Folgenden vor allem anhand der Differenzsetzung nach dem Kriterium der Migration gezeigt wird. Aber wie kann Soziale Arbeit diskriminierend sein, wenn sie den Menschen doch Hilfe anbietet?

In öffentlichen Diskursen werden Menschen, die einer bestimmten ‚Kultur‘ oder Religion, einer bestimmten Herkunft oder Hautfarbe oder einem bestimmten Geschlecht zugeordnet werden, oftmals scheinbar natürliche Eigenschaften zugeschrieben. Unter Diskurs versteht Marianne Krüger-Potratz (2005: 169) eine „institutionalisierte ‚Redeweise‘ […], in der soziale Wirklichkeit in je bestimmter Weise in Sprache und Bildern (re)konstruiert wird“ und die damit Macht ausübt. Die Diskurse lassen sich auf Ebene der Wissenschaft, der Politik, der Medien, im Alltag usw. beobachten. Wenn in der Sozialen Arbeit solche Ungleichheit produzierenden Diskurse unkritisch übernommen werden, so kann das zu Diskriminierungen führen. Ein Beispiel dafür wäre der öffentliche Diskurs über Eigenschaften, die Menschen aufgrund ihrer nationalen Herkunft oder ihrer Religionszugehörigkeit rassistisch zugeschrieben werden. Die damit verwobenen Ungleichheitsverhältnisse stellen keine vorübergehende Ausnahmeerscheinung dar, sondern sind eingebettet in historisch gewachsene, diskriminierende und herrschaftsbildende Praktiken (vgl. Kerner 2009: 10–11). Pauschalisierende Zuschreibungen dienen als Anknüpfungspunkte für institutionalisierte Diskriminierungen wie beispielsweise erschwerte Zugänge zu Bildung, Verdienst- oder Wohnmöglichkeiten. Herabsetzende Zuschreibungen finden zudem in Interaktionen statt. Sie wirken sich auf die Identitätsentwicklung von Menschen aus und entfalten u.a. auf diese Weise ihre benachteiligenden Folgen (vgl. ebd.). Umso wesentlicher erscheint es, ein Nachdenken über eine differenzsensible, macht- und herrschaftskritische Soziale Arbeit weiter voranzutreiben, welche diese diskriminierenden, diskursiv hergestellten Ordnungen kritisch in den Blick nimmt.

Im jüngst abgeschlossenen Forschungsprojekt „(De)konstruktion von Differenz & Soziale Arbeit“ (Riegler/Kukovetz/Moser/Mikula/Konrad/Köck 2020) wurden diese Thematiken bearbeitet. Anhand von Erhebungen in drei unterschiedlichen Organisationen wurde der Umgang mit Differenz und Diversität in der Sozialen Arbeit erhoben. Es wurden qualitative Interviews mit Sozialarbeiter*innen, Führungskräften, (Gesprächs-)Beobachtungen zwischen Sozialarbeiter*innen und Klient*innen, Dokumentenanalysen von Organisationsfoldern, Konzepten und Webauftritten durchgeführt. Weiters wurden Expert*innen aus den Bereichen Gleichstellung, Behinderung und Management befragt. Im Fokus stand hierbei, nach welchen Kategorien Führungskräfte bzw. Sozialarbeiter*innen differenzieren, welche Zuschreibungen damit einhergehen und welche organisationalen Rahmenbedingungen für einen differenzsensiblen Umgang mit Diversität vorhanden sind. Insbesondere wurde der Frage nachgegangen, ob Zuschreibungen, die potenziell diskriminieren, aufgelöst oder reproduziert werden. Hierfür wurden der Einfluss öffentlicher Diskurse, organisationaler Strukturen und (gesellschafts-)politischer Hintergründe ebenso wie interaktionale Dynamiken, biographische Bedingungen und individuelle Professionsverständnisse berücksichtigt. Methodologisch wurde mit der Grounded Theory (vgl. Strauss/Corbin 1996) gearbeitet.

Im vorliegenden Artikel steht die Frage im Zentrum, ob in der Praxis der Sozialen Arbeit differenzsensibel und herrschaftskritisch gearbeitet wird. Im Konkreten werden Professionskompetenzen für eine Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft begründet. Auf Basis der empirischen Erhebung wird beschrieben, inwiefern diese in der Praxis der Sozialen Arbeit eingesetzt werden. Da eine kompetenzorientierte Professionalisierung nur durch passende Rahmenbedingungen ermöglicht werden kann, schließen wir mit einer Diskussion potenzieller organisationaler, politischer und struktureller Veränderungen.


2. Soziale Arbeit auf dem Weg zu einer differenzsensiblen und herrschaftskritischen Profession

Wie in der Sozialen Arbeit Differenz dekonstruiert und somit eine herrschaftskritische Praxis eingeübt werden kann, ist in Hinblick auf die Wissens-, Haltungs-, Handlungs- und Reflexionskompetenzen (vgl. Dewe/Otto 2011) zu untersuchen. Diese Kompetenzkategorien sind miteinander verwoben, wie beispielsweise die Aussage einer Führungskraft eindrücklich zeigt: Sie meint, dass Wissen allein nicht ausreicht, sondern dass das Wissen mit sich selbst in Verbindung gebracht werden muss, eine persönliche Auseinandersetzung und Selbstreflexion notwendig ist (vgl. Riegler et al. 2020: 70).


2.1 Wissenskompetenz

Auf der Ebene des theoretischen Wissens sollen fünf Perspektiven hervorgehoben werden, die für die Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft relevant sind, weil sie Differenzzuschreibungen wie Migration, Herkunft oder Kultur in den Blick nehmen. Diese sind die postkoloniale, die postmigrantische, die rassismuskritische sowie die Kritische-Weißseins-Perspektive. Die fünfte Perspektive ist die intersektionale, um weitere Differenzsetzungen in ihrer Verwobenheit miteinander berücksichtigen zu können.1 Soziale Arbeit benötigt fundierte Kenntnisse in diesen Bereichen, die im Folgenden skizziert werden.

Postkoloniale Denker*innen kritisieren die gängige Praxis des sogenannten Otherings. Othering bezeichnet die Differenzierung zwischen einem Wir und den Anderen, so wie es Edward Said (2017) in Bezug auf den differenzsetzenden, eurozentristisch und herrschaftsbildend wirkenden Blick auf den Orient herausgearbeitet hat (vgl. Koch 2018: 193). Aus einer postkolonialen Perspektive sind Unterschiedlichkeit und hybride Übergänge als Normalität anerkannt. Hybridität wird dabei als „Konstitution von Subjektivität im Spannungsfeld von Macht und Autorität“ (Bhabha 2016: 62) verstanden. Dabei bildet sich ein sogenannter Dritter Raum heraus, als Ort der Kritik an und der Emanzipation aus hierarchisierenden Identitätskonstruktionen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen.

Die postmigrantische Perspektive fußt auf der Überlegung, dass Migration keine Abweichung oder Ausnahme ist, sondern die Normalität darstellt. Es wird gegen eine ‚Migrantisierung‘ und Marginalisierung von Menschen argumentiert, also gegen die Darstellung von Menschen als ‚Besondere‘ oder ‚Problembehaftete‘ im Unterschied zu sogenannten normalen ‚Einheimischen‘, ‚Sesshaften‘ oder ‚Autochthonen‘. Nach Naika Foroutan (2019) ist der Begriff postmigrantisch auf drei Ebenen verortet: erstens auf der empirischen Ebene, in Verbindung mit der Fragestellung, was sich nach der Migration verändert; zweitens als dialektische Kritik an Aushandlungsprozessen, die Migrant*innen und deren Nachkommen führen, um „ihr Recht auf Anerkennung als Gleiche unter Gleichen einzufordern“ (Foroutan 2019: 55) sowie drittens als normative Aufforderung, binäre Codes zu durchbrechen.

Rassismus kann „verstanden werden als historisch-koloniales und aktuelles Gesellschaftsverhältnis“ (Melter 2015: 4). Menschen werden dabei in Gruppen eingeteilt, denen naturalisierend und homogenisierend Eigenschaften zugeschrieben werden, aufgrund derer sie diskriminiert werden. Diskriminierungen finden auf unterschiedlichen Ebenen statt: Auf der Ebene von zwischenmenschlichen Interaktionen, beispielsweise bei der scheinbar harmlosen Frage nach der Herkunft aufgrund z.B. einer anderen Hautfarbe oder mit abwertenden Blicken und Äußerungen. Auf der Ebene von institutionellen Handlungspraxen, wenn z.B. Zugänge zu Bildung oder Behörden aufgrund bestimmter Merkmale erschwert sind oder diskriminierende Handlungen gesetzt werden, bis hin zu rassistisch motivierter Gewalt.2 Schließlich auf der Ebene von Gesellschaftsstrukturen, der medialen und politischen Diskurse, wenn es beispielsweise um die Frage geht, wie wer als national zugehörig und bevorrechtigt anerkannt wird (vgl. Melter 2015: 4–5).

Diskriminierungen aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht oder körperlichen Fähigkeiten sind nicht kompatibel mit einer menschenrechtsorientierten Profession. Dennoch passieren – beabsichtigt ebenso wie unbeabsichtigt – solche Diskriminierungen. Meist geht es dabei um scheinbar neutrale Kriterien, wie beispielsweise mangelnde Deutschkenntnisse, aufgrund derer ganze Gruppen von Leistungen der Sozialen Arbeit ausgeschlossen werden (vgl. Prasad 2018: 21). Um diese Diskriminierungen explizit in den Blick nehmen zu können, bedarf es einer dezidiert rassismuskritischen Perspektive auf Soziale Arbeit. Die kritische Weißseins-Forschung macht zudem darauf aufmerksam, dass ein weißer Mensch nichts tun müsse, um privilegiert zu sein bzw. um rassistisch zu handeln. Denn die unreflektierte dominante Position als weiße Person trägt zur unbewussten Reproduktion von Rassismus bei (vgl. Tißberger 2017: 23–26).

Der Intersektionalitäts-Ansatz ermöglicht es schließlich, die Verwobenheit von Diskriminierungen – aufgrund von Hautfarbe, mangelnden Sprachkenntnissen, Geschlecht, Behinderung, sexueller Orientierung etc. – als ganz eigene Erscheinungsform wahrzunehmen (vgl. Winker/Degele 2009), auf die in Gesetzen noch nicht entsprechend reagiert wurde. Denn verwoben wirkende Diskriminierungsformen können nicht eingeklagt werden und sind in der Praxis bei Beschwerden über Diskriminierung entsprechend schwer zu handhaben (vgl. Antidiskriminierungsstelle Steiermark 2017: 32). So stehen Diskriminierungen aufgrund des Tragens eines Kopftuches für muslimisch gläubige Frauen auf der Tagesordnung, während muslimisch gläubige Männer nicht in dieser Weise davon betroffen sind.

Im oben genannten Forschungsprojekt „(De)konstruktion von Differenz & Soziale Arbeit“ wird nur ein geringes differenzsensibles Wissen bei den Sozialarbeiter*innen sichtbar. Im Gegenteil: Die meisten Befragten zeigen einen eher unsicheren Umgang mit den Themen Diversität und Differenz (vgl. Riegler et al. 2020: 65–67). Auch in den untersuchten Dokumenten werden kaum bis gar keine theoretischen Bezüge hergestellt. Bedingungen, Strukturen und Handlungen werden zwar von Einzelnen kritisch bzw. selbstkritisch unter die Lupe genommen. Theoretische Begründungen für bestimmte Aussagen sind aber dem empirischen Material kaum bis gar nicht zu entnehmen (vgl. ebd.).


2.2 Haltungskompetenz

Soziale Arbeit stellt bestehende Diskurse und daraus entstehende soziale Ordnungen in Frage und tritt gegen Diskriminierungen auf, damit es Menschen besser möglich wird, Problemstellungen zu bewältigen. Fabian Lamp (2007) spricht diesbezüglich von einer Flexibilisierung des Normativen. Damit ist gemeint, dass sich Soziale Arbeit reflexiv und kritisch auf der Ebene des Selbst, der Organisation, des sozialen Feldes, der Gesellschaft und auf der Ebene der pädagogischen Beziehung dem sogenannten Normalen annähert, um Teilhabechancen und die Zugangsgerechtigkeit für die Betroffenen zu steigern (vgl. ebd.: 204–226).

Die im Forschungsprojekt befragten Sozialarbeiter*innen sehen die Kritik am Normalen dementsprechend auch als etwas, was der Sozialen Arbeit eingeschrieben sei. Sie konstatieren, dass mit dem Anspruch der Sozialen Arbeit, eine Menschenrechtsprofession zu sein, per se eine Diversitätskompetenz einhergehe. Das heißt, es wird in der Praxis vorausgesetzt, dass man als Sozialarbeiter*in den Umgang mit Diversität beherrscht. Darüber hinaus sind die meisten Sozialarbeiter*innen ihrem Selbstbild entsprechend weder rassistisch noch sexistisch. Gleichzeitig, so die Befragten weiter, findet aber keine aktive Auseinandersetzung mit diesen Themen statt. Der Umgang mit Diversität wird eher mit biografischen Erfahrungen begründet und wird weniger auf professionell angeeignete Haltungskompetenzen zurückgeführt (vgl. Riegler et al. 2020: 81–83).

In den Interviews wurde sichtbar, dass mit viel Unsicherheit über das Thema Diversität gesprochen wird bzw. die Handlungen und Aussagen ambivalente Zugangsweisen und Einstellungen aufzeigen (vgl. ebd.: 65–66). Ein Beispiel für diese Ambivalenz wird etwa im Umgang mit Mädchen, die ein Kopftuch tragen, deutlich. Hier werden mediale Diskurse zu Religion und Integrationsanforderungen reproduziert. Ein Kopftuch zu tragen wird problematisiert und nicht als Normalität anerkannt. Stattdessen wird eine Anpassung an entsprechende Normen im Schulalltag, z.B. im Schwimmunterricht, gefordert (vgl. ebd.: 78–79). Von Sozialarbeiter*innen wird häufig kritisiert, dass es wenige Settings und Ressourcen gibt, um Unsicherheiten reflektieren zu können. Aus Sicht der Befragten bräuchte es allerdings genau dies, damit der Blickwinkel erweitert und der Kontakt zu den Klient*innen verbessert werden kann. Die Entwicklung einer Fehlerkultur wird dabei als ein wichtiger Aspekt herausgestrichen (vgl. ebd.: 78). Räume, in denen Haltungen entwickelt und Reflexionen stattfinden können, stellen Aus-, Fort- und Weiterbildungen dar. Allerdings können Schulungen eine gewisse Persistenz von Einstellungen nur schwer aufbrechen. Ein*e Sozialarbeiter*in erzählt beispielsweise über ihre Erfahrungen im arbeitsmarktpolitischen Umfeld, in welchem in regelmäßigen Abständen ein Zertifikat für Gender Diversity nachgewiesen werden muss. Im beruflichen Alltag würde aber Gelerntes schnell wieder vergessen werden, es wird „auch ein Stück weit fast belächelt“ (vgl. ebd.: 81).


2.3 Handlungskompetenzen

Soziale Arbeit orientiert sich ihren Ansprüchen gemäß an fachlichen Konzepten, wie beispielsweise dem Konzept der Lebensweltorientierung (vgl. Thiersch 1995), der Lebensbewältigung (vgl. Böhnisch 2012) oder der Sozialraumorientierung (vgl. Kessl/Reutlinger 2009). Diese Konzepte gehen davon aus, dass Bedingungen hinterfragt und kritisiert werden müssen, die es Menschen verunmöglichen, Anschluss an eine Gemeinschaft oder Gesellschaft zu finden. Sie sind ebenso ausgerichtet an der Einzigartigkeit jeder Lebensgeschichte (vgl. Schäfter 2010: 90). Professionelles Handeln orientiert sich daher weniger an pauschalierten Lösungsansätzen, sondern geht von einer jeweils einzigartigen Fallkonstellation aus. Stereotype und kategorisierende Zuschreibungen, die machtvolle Ordnungssysteme zwischen der ‚überlegenen Normalität‘ und der ‚unterlegenen Abweichung‘ stigmatisierend verfestigen und die dem Anspruch der Anpassung an das sogenannte Normale folgen, sollen diesen Konzepten entsprechend kritisch reflektiert werden. Die sozialarbeiterische Beziehung soll in einem dialogischen Aushandlungsverhältnis und unter der Voraussetzung gegenseitiger Anerkennung gestaltet sein, trotz des Doppelmandates der Hilfe und Kontrolle (vgl. Riegler 2016: 139–160).

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass der Anspruch kritischer Reflexion auf der einen Seite und die geringe Auseinandersetzung mit diskriminierend wirkenden Differenzsetzungen in der Praxis auf der anderen Seite, zu Unsicherheit und Ambivalenz führen und auf die Suche nach der politisch korrekten Wortwahl verkürzt werden. In der Praxis wird zwar auf Einzelne flexibel eingegangen (vgl. ebd.: 77–78), was dekonstruierend wirken kann. Gleichzeitig birgt die vollkommene Individualisierung aber auch die Gefahr, strukturelle Bedingungen von Ungleichheit, der bestimmte Personengruppen ausgesetzt sind, in der Analyse und Problembearbeitung zu vernachlässigen. Eine recht dominante Strategie, mit Differenzen umzugehen, ist das Bemühen, die Unterschiede zu verstehen, und dieses Verständnis den Klient*innen gegenüber auch zu zeigen (vgl. ebd.: 78). Obwohl der Versuch gemacht wird dekonstruierend zu handeln, wird trotzdem dichotomisierend von sogenannten kulturellen Unterschieden ausgegangen und damit eine essentialistische Sichtweise reproduziert. Ein*e Sozialarbeiter*in3 reproduziert beispielsweise die vermeintliche natürliche Andersheit eines aus dem Irak migrierten Elternteils, indem sie*er dessen Lebenswelt als „natürlich völlig anders“ bezeichnet. Zeitgleich versucht diese*r Sozialarbeiter*in jedoch durch „neugieriges Nachfragen“ bewusst gegen eine von ihm*ihr so benannte „Schubladisierung“ zu arbeiten (vgl. ebd.: 76). Nichtsdestotrotz wird in diesem Beispiel die Differenz zwischen der Lebenswelt von Sozialarbeitenden und Klient*innen als etwas selbstverständlich Bestehendes besprochen.


2.4 Reflexionskompetenz

Wie Annita Kalpaka und Paul Mecheril (2010) ausführen, ist für ein professionelles Handeln ein grundlegend reflexives Verhältnis zum eigenen Handeln, zu seinen Bedingungen und Konsequenzen, notwendig. Dies darf nicht als Aufgabe von Einzelnen angesehen werden, sondern es bedarf der

„Schaffung von Strukturen professionellen Handelns, in denen Reflexion nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll sowie attraktiv ist und systematisch unterstützt wird. Dabei bezieht sich die Reflexion in einer besonderen Weise auf die Grenzen professionellen Handelns, seine Einflusslosigkeit und seine paradoxen und problematischen Neben- und Hauptfolgen.“ (ebd.: 94)

Eine herrschaftskritische, differenzsensible Reflexionskompetenz sollte vor allem in der alltäglichen Praxis von Inter- und Supervision aktiv umgesetzt werden und an den eigenen rassistischen, sexistischen oder ableistischen4 Handlungsweisen gearbeitet werden. Insbesondere jedoch ist in der Ausbildung zur Sozialarbeiter*in auf eine entsprechende differenzsensible und herrschaftskritische Perspektive mit entsprechend gestalteten Curricula und Lehr- und Lernsettings hinzuarbeiten.

Bei der Reflexion kann unterschieden werden zwischen kritischer Reflexivität und Selbstreflexion. Kritische Reflexivität bezieht sich auf theoretische und gesellschaftspolitische Aspekte und hinterfragt die gesellschaftlichen Zusammenhänge, Machtverhältnisse und sozialen Ungerechtigkeiten in Bezug auf individuelle Problemlagen der Klient*innen. Selbstreflexion bezieht sich auf Erfahrungen, Einstellungen, Werte und Handlungsweisen in der Tätigkeit als Sozialarbeiter*in (vgl. Albrecht 2017: 54–55). Sie wird in der Sozialen Arbeit als Grundcharakteristikum professioneller Handlungskompetenz verstanden (vgl. Dewe/Otto 2011: 1150). Der Anspruch an Selbstreflexion wird in einem Interview so formuliert:

„[D]as wichtigste Werkzeug was wir haben, ist unsere Reflexion und unsere Arbeit an uns selbst, unser Können (lachen). Unser eigenes Sich-Kennen. Und zwar in diesen Fragen. Ja. Und die Offenheit die kommt mit dieser Auseinandersetzung.“ (Riegler et al. 2020: 80)

Die Befragten betonen in diesem Zusammenhang auch, dass es als Fachkraft notwendig sei, sich seiner eigenen Vorurteile bewusst zu sein und diese zu reflektieren, um gut mit den Klient*innen arbeiten zu können (vgl. ebd.: 80). Während einerseits aktiv Vorurteile reflektiert werden, werden andererseits auch mediale Diskurse über bestimmte Gruppen aufgegriffen. Ein Nachdenken über die Konstruktion der Zuschreibungen auf der Grundlage nationaler Kategorisierungen bleibt aus. So geht ein*e Sozialarbeiter*in im Interview davon aus, dass aufgrund einer angenommenen homogenen Kultur der Klient*innen, diese nur männliche Sozialarbeiter akzeptieren würden. Er*sie begründet dies folgendermaßen: „Es hat oft etwas mit dem kulturellen Hintergrund zu tun, gerade wenn es muslimische Familien sind, was weiß ich, auch bei tschetschenischen Familien oder türkischen Familien.“ (Riegler et al. 2020: 46) Oder es wird Gewalt in der Familie nicht vorrangig nach fachlichen Kriterien diagnostiziert, sondern es stehen Zuordnungen nach nationaler Herkunft an oberster Stelle (vgl. ebd.: 47).

Ein organisationaler Rahmen für Selbstreflexion wird in der Praxis in Intervisionen und Supervisionen (vgl. ebd. 66, 80, 81) in unterschiedlichem Ausmaß zur Verfügung gestellt. Die empirischen Daten der Studie geben aber keinen Aufschluss darüber, ob diese Settings auch genutzt werden, um den Umgang mit Differenz kritisch in Bezug auf Rassismen, Sexismen, Ableismen etc. zu reflektieren. Wenig förderlich erscheint dabei die Ansicht von Führungskräften, dass die Auseinandersetzung mit Vorurteilen in der persönlichen Verantwortung der Mitarbeiter*innen liegt (vgl. ebd.: 81).


3. Rahmenbedingungen für eine differenzsensible, macht- und herrschaftskritische Soziale Arbeit

Im Zuge der Auseinandersetzung mit den vier Kompetenzebenen wurden bereits einige organisatorisch notwendige Rahmenbedingungen sichtbar. Hierzu sind in der Sozialen Arbeit bereits potenziell hilfreiche Konzepte vorhanden. Seit Mitte der 1990er Jahre sind die Konzepte der interkulturellen Öffnung von Institutionen als eine mögliche Antwort auf Fragen der Diversität und Inklusion im Sozialwesen und der Verwaltung bekannt (vgl. z.B. Schröer 2018). An diesen wurde kritisiert, dass ein Fokus auf angenommene kulturelle Unterschiede gelegt wird (vgl. Kukovetz/Sadjed/Sprung 2014). Weil Kultur als eine mehr oder minder stabile Kategorie angesehen und ihr mehr Einfluss zugeschrieben wird als tatsächlich nachweisbar ist, werden andere Diversitätskategorien vernachlässigt. Andere Formen der Diskriminierung geraten durch Semantiken der Öffnung und durch die Beschränkung auf Fragen der Inklusion aus dem Blickfeld. Der Ansatz des Diversitätsmanagements berücksichtigt hingegen unterschiedliche Differenzkategorien, aber auch dieses Konzept läuft in der Praxis Gefahr, Machtungleichheiten auszublenden und überdies zu ökonomisch zu argumentieren (vgl. ebd.).

Auf Basis der Ergebnisse der Studie plädieren wir für eine diversitätsorientierte Öffnung der Sozialen Arbeit mit einer differenzsensiblen und herrschaftskritischen Herangehensweise, welche für Chancengleichheit und einen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen Sozialer Arbeit eintritt. Welche Rahmenbedingungen braucht es also auf organisationaler, struktureller und politischer Ebene, damit Fachkräfte der Sozialen Arbeit differenzsensibel handeln können?


3.1 Empfehlungen für Maßnahmen in Organisationen

Leitbilder haben die Funktion, den Zusammenhalt nach innen zu fördern, das Selbstverständnis der Organisation nach außen zu kommunizieren und Mitarbeiter*innen und Klient*innen über Ziele, Vorgehensweisen und Grundsätze Orientierung zu geben (vgl. Hagemann/Vaudt 2012: 71). Ein Leitbild mit diversitätsorientierten Prinzipien ist keine Garantie für eine Umsetzung dieser Grundsätze in der Praxis. Die Erhebung zeigt jedoch, dass, wenn sich ein solches Leitbild in der Haltung der Führungskräfte spiegelt, dies zu einer Förderung von Offenheit gegenüber „Vielheit“ (Terkessidis 2017: 24) bei den Mitarbeiter*innen beitragen kann (vgl. Riegler et al. 2020: 86–88).

Für zielgerichtete Maßnahmenplanungen kann es sinnvoll sein, Diversitätskategorien in Bedarfserhebungen bzw. Statistiken zu berücksichtigen, um Diskriminierungen vorzubeugen. Dabei ist jedoch immer zu reflektieren, inwiefern diese Diversitätskategorien (etwa Sprachkenntnisse, Migrationserfahrung, sozialer Hintergrund, Geschlecht, Behinderung, Alter) auch wirklich notwendig sind. Die Daten sollten nicht zur Verfestigung von bestehenden Stereotypen beitragen. In den befragten Einrichtungen erfolgt die Dokumentation von Diversitätskategorien sehr unterschiedlich und fließt dementsprechend uneinheitlich in die Planung ein, z.B. für das Eruieren von Dolmetsch-Bedarf (vgl. ebd.: 96–97).

Öffnungsprozesse zielen darauf ab, Zugangsbarrieren zu Einrichtungen und deren Angeboten zu reduzieren und Dienstleistungen den verschiedensten Zielgruppen entsprechend zu gestalten. Die empirischen Ergebnisse zeigen vor allem Hindernisse im Zugang zu den Angeboten auf. Die Interviewpartner*innen formulieren hier meistens sprachliche Barrieren: Klient*innen, die nicht oder schlecht Deutsch sprechen, können gewisse Angebote in manchen Einrichtungen nicht in Anspruch nehmen. Andere Leistungen sind an die Bedingung geknüpft, dass genügend Ressourcen für qualifizierte Dolmetscher*innen zur Verfügung stehen. Nicht jede der untersuchten Einrichtungen kann ausreichend auf Dolmetscher*innen zurückgreifen. Können Dolmetscher*innen hinzugezogen werden, so ist es notwendig, dass die Sozialarbeiter*innen im Umgang mit ihnen geschult sind (vgl. ebd.: 90). Um einen leichteren Zugang zu den Angeboten Sozialer Arbeit für Klient*innen mit wenig Beratungserfahrung zu ermöglichen, sind zudem längere Erstgespräche notwendig, damit den Betroffenen der Nutzen von Sozialberatungen oder therapeutischen Gesprächen nähergebracht werden kann, so der Vorschlag einer*s Sozialarbeiter*in (vgl. ebd.: 91).

Im öffentlichen Auftritt (Webseite, Folder) stellen Formate wie Leichter Lesen, Mehrsprachigkeit und eine geschlechterinklusive Sprache weitere wichtige Schritte zu einer differenzsensiblen Öffnung von Institutionen dar. Eine geschlechterinklusive Sprache ist in den beforschten Einrichtungen nicht üblich, es wird vorwiegend die binäre, also die männliche und weibliche Form verwendet, obwohl vereinzelt auch auf die Zielgruppe Transgenderpersonen hingewiesen wird (vgl. ebd.: 42–43). Das Gesamterscheinungsbild der beforschten Einrichtungen ist vorrangig einsprachig Deutsch. Von Seiten einzelner Organisationen gibt es Bemühungen, dies zu ändern, z.B. durch mehrsprachige Informationsblätter (vgl. ebd.: 91–92). In der Ausgestaltung der Räumlichkeiten müsste noch stärker auf eine adäquate Beschilderung und die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen über das gesetzliche Mindestmaß hinaus geachtet werden (vgl. ebd.: 89).

Werden bei der Personalentwicklung Diversitätsdimensionen (etwa Migration) beachtet, kann die Zugangsschwelle auch für Klient*innen gesenkt werden. Ein heterogenes Team stellt zudem eine bessere Repräsentanz von „Vielheit“ her (vgl. Konrad/Köck 2020). Die Förderung bestimmter Personengruppen muss aber immer auf deren potenziell stereotypisierende und auch benachteiligende Wirkungen hin reflektiert werden, z.B. wenn es um die Bekanntgabe von Diversitätsdimensionen im Bewerbungsverfahren geht. Dennoch sind Maßnahmen im Sinne einer affirmative action zielführend. Dies bedürfte entsprechender Vorgaben und Rahmenbedingungen durch Gesetze und Fördergeber*innen. Schließlich ist die professionelle Personalentwicklung im Sinne von Differenzsensibilität zu fördern. In den befragten Einrichtungen lässt sich allerdings keine diversitätsorientierte, differenzsensible Einstellungspolitik feststellen (vgl. ebd.: 94).


3.2 Empfehlungen für strukturelle Veränderungen in Aus- und Weiterbildung

Alle Fachkräfte in der Sozialen Arbeit benötigen die entsprechenden Ressourcen für die Inanspruchnahme von Super- und Intervisionen sowie Weiterbildungen. Dabei sollte besonderes Augenmerk auf einen proaktiven Umgang mit Rassismus, Sexismus, Ableismus etc. gelegt werden, damit diese Themen nicht als sogenannte Querschnittsbereiche vergessen werden. Um die Professionalisierung in Hinblick auf eine differenzsensible und herrschaftskritische Orientierung vorantreiben zu können, ist nicht nur in die Weiterbildung von Sozialarbeiter*innen, sondern auch in die Aus- und Fortbildung von Sachbearbeiter*innen innerhalb der behördlichen Sozialhilfe zu investieren. Die Erhebung zeigt allerdings, dass die Akzeptanz solcher Unterstützungsleistungen nicht nur ein Thema finanzieller und zeitlicher Ressourcen ist, sondern Mitarbeiter*innen auch die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen nicht immer erkennen (vgl. Riegler et al. 2020: 55, 117). Hier wird deutlich, dass einige strukturelle Probleme allein durch eine auf Klient*innen zentrierte Arbeit nicht gelöst werden können.

Differenzsensible Soziale Arbeit braucht den Spielraum, Bedarfe der Klient*innen und hinderliche Strukturen auch an politische Entscheidungsträger*innen weitergeben zu können. Dies entspricht auch dem dritten Mandat Sozialer Arbeit, welches Sozialarbeiter*innen entsprechend deren Ethikkodex beauftragt, für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit einzutreten (vgl. Staub-Bernasconi 2018: 113). In der Studie wird deutlich, dass Sozialarbeiter*innen eine bessere und strukturierte Vernetzung mit politischen Entscheidungsträger*innen vermissen (vgl. Riegler et al. 2020: 114–115). Eine solche könnte u.a. zur Weitergabe von neuen veränderten Bedarfen an die Politik sowie zur kritischen Diskussion über Diversität, Differenzkritik und Diskriminierungen beitragen. Die Studie zeigt jedoch, dass entsprechende Ressourcen für politische und öffentliche Bewusstseinsbildung eher fehlen. Dennoch werden diese in der Praxis als bedeutend angesehen (vgl. ebd.: 113f.)

Neben der Stärkung der organisationsinternen, differenzsensiblen und diversitätsorientierten Weiterbildung besteht auch in der Ausbildung von Fachkräften der Sozialen Arbeit weiterer Handlungsbedarf. Die formalen Hürden zur Ausbildung in einer Fachhochschule sollten insbesondere für Menschen erleichtert werden, deren Erstsprache nicht Deutsch ist. In der Ausbildung selbst sollten Differenzsensibilität, Diversitätsorientierung und Macht- und Herrschaftskritik dezidiert unterrichtet werden. Dies sollte aber kein Sonderthema bleiben, sondern in allen Fächern Beachtung finden. Diesbezügliche Aus- und Weiterbildungen sind jedoch nicht nur für Sozialarbeiter*innen wichtig, sondern auch in der Verwaltung und bei politischen Entscheidungsträger*innen. Von den Befragten wurde die Notwendigkeit festgestellt, dass eine Professionalisierung in Hinblick auf Rassismuskritik, Antidiskriminierung und Reflexion von Differenzsetzungen vorangetrieben werden sollte (vgl. ebd.: 115).


3.3 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Die wichtigste Rahmenbedingung für die Gestaltung offener, diversitätsbewusster und differenzsensibler Organisationen Sozialer Arbeit stellen die geltenden Gesetze dar. Hervorgehoben sei an dieser Stelle nur ein Beispiel: Einschränkungen in der Anspruchsberechtigung der Sozialhilfe, wie es durch das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz seit 01.06.2019 der Fall war, wirken kontraproduktiv hinsichtlich des gleichberechtigten Zugangs zu sozialen Diensten für Migrant*innen. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof in einer Erkenntnis vom 12.12.2019 Teile des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes als verfassungswidrig aufgehoben, nämlich die Höchstsätze für Kinder und die Verknüpfung der Sozialhilfe mit Sprachkenntnissen (vgl. Österreichs digitales Amt 2020). Eine differenzsensible und gerechtigkeitsorientierte Soziale Arbeit würde erleichtert bzw. zum Teil überhaupt erst ermöglicht werden, wenn – wie in diesem Beispiel angeführt – bei der Vergabe von Leistungen aus der Sozialhilfe nicht nach bestimmten Merkmalen unterschieden werden würde (vgl. Riegler et al. 2020: 113).


4. Resümee

Eine Professionalisierung in Richtung differenzsensibler und herrschaftskritischer Praxis bedarf einer entsprechenden Ausrichtung von Aus- und Weiterbildungen. Von Relevanz ist eine Beschäftigung mit den diskursiv hergestellten sozialen Ordnungen, die Diskriminierung bewirken, auch in Inter- und Supervisionen. Außerdem ist eine Ausstattung von Organisationen mit entsprechenden Ressourcen notwendig, um Zugänge für benachteiligte Menschen gerechter gestalten zu können. Darüber hinaus ist eine Beschäftigung von Organisationen mit Leitbildern und Organisationskulturen, die an einer Dekonstruktion von Differenz arbeiten, erforderlich. Vor allem aber ist eine politische Landschaft notwendig, die weniger polarisiert und spaltet, sondern vielmehr differenzsensibel aktiv und an gleichwertigen Teilhabechancen interessiert ist und auch öffentliche Diskurse entsprechend beeinflusst. Soziale Arbeit kann hier ihren Beitrag mit bewusstseinsbildender Öffentlichkeitsarbeit leisten.


Verweise
1 Im Forschungsprojekt wurde auch auf spezifischere Zugänge, wie etwa eine geschlechterinklusive oder feministische Perspektive oder die Auseinandersetzung mit Ableismus, der Ablehnung und Diskriminierung auf Grund von Behinderungen, näher eingegangen (vgl. Riegler et al. 2020).
2 Die Protestbewegung Black Lives Matter zeigt diese Dynamiken aus bedauernswerten aktuellen Anlässen auf (vgl. Pucher/Scherndl 2020: o.S.).
3 Einzelne Sozialarbeiter*innen bzw. Klient*innen wurden in diesem Projekt aus Gründen der Anonymisierung geschlechtsneutral dargestellt.
4 Ableismus bedeutet die Ablehnung und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Behinderung.


Literatur

Albrecht, Ralf (2017): Beratungskompetenz in der Sozialen Arbeit. Auf die Haltung kommt es an! KONTEXT 48, 1, S. 45–64.

Antidiskriminierungsstelle Steiermark (2017): Antidiskriminierungsbericht Steiermark 2016. http://www.antidiskriminierungsstelle.steiermark.at/cms/dokumente/12613012_140344090/5647e81f/jb2016.pdf (03.12.2019).

Bhabha, Homi K. (2016): Über kulturelle Hybridität. Tradition und Übersetzung. Herausgegeben und eingeleitet von Babka, Anna/Posselt, Gerald. Wien/Berlin: Turia + Kant.

Böhnisch, Lothar (2012): Lebensbewältigung. Ein sozialpolitisch inspiriertes Paradigma für die Soziale Arbeit. In: Thole, Werner (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit: Ein einführendes Handbuch. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 219–233.

Dewe, Bernd/Otto, Hans-Uwe (2011): Professionalität. In: Otto, Hans-Uwe/Thiersch, Hans (Hg.): Handbuch Soziale Arbeit. München/Basel: Ernst Reinhardt, S. 1143–1153.

Foroutan, Naika (2019): Die postmigrantische Gesellschaft. Ein Versprechen der pluralen Demokratie. Bielefeld: Transcript.

Füchslbauer, Tina (2017): „Über die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein.“ Zur Intersektion von Rassismen und Sexismen in der Migrant*innenberatung. In: soziales_kapital. wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit, 18, S. 144–158. https://soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/544/988 (07.07.2020).

Hagemann, Tina/Vaudt, Susanne (2012): Strategien und Instrumente der Organisationsentwicklung zur Interkulturellen Öffnung. In: Griese/Marburger, Helga (Hg.): Interkulturelle Öffnung. Ein Lehrbuch. München: Oldenburg, S. 62–76.

Kalpaka, Annita/Mecheril, Paul (2010): „Interkulturell“. Von spezifisch kulturalistischen Ansätzen zu allgemein reflexiven Perspektiven. In: Mecheril, Paul/Kalpaka, Annita/Castro Varela, Maria do Mar/Dirim, İnci/Melter, Claus (Hg.): Migrationspädagogik. Weinheim: Beltz, S. 77–98.

Kerner, Ina (2009): Alles intersektional? Zum Verhältnis von Rassismus und Sexismus. In: Feministische Studien-Zeitschrift für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung, 27/1, S. 36–50.

Kessl, Fabian/Reutlinger, Christian (2009): Sozialraumarbeit statt Sozialraumorientierung. In: sozialraum.de (1), 2. Ausgabe. https://www.sozialraum.de/sozialraumarbeit-statt-sozialraumorientierung.php (07.11.2019).

Koch, Ute (2018): Vielfalt, Differenz und interkulturelle Kompetenz im Diskurs. In: Blank, Beate/Gögercin, Süleyman/ Sauer, Karin E./Schramkowski, Barbara. (Hg.): Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft. Wiesbaden: Springer VS, S. 187–193.

Konrad, Robert/Köck, Alexandra (2020): Weiterbildungskonzept und Qualitätsentwicklung für eine differenzsensible Soziale Arbeit. In: Riegler, Anna/Kukovetz, Brigitte/Moser, Helga/Mikula, Regina/Konrad, Robert/Köck, Alexandra (2020): Forschungsbericht. De-Konstruktion von Differenz in der sozialen Arbeit. Graz, S. 102–111.

Krüger-Potratz, Marianne (2005): Interkulturelle Bildung: eine Einführung. Münster: Waxmann.

Kukovetz, Brigitte/Sadjed, Ariane/Sprung, Annette (2014): (K)ein Hindernis? Fachkräfte mit Migrationsgeschichte in der Erwachsenenbildung. Wien: Löcker. vLamp, Fabian (2007): Soziale Arbeit zwischen Umverteilung und Anerkennung. Der Umgang mit Differenz in der sozialpädagogischen Theorie und Praxis. Bielefeld: Transcript.

Melter, Claus (2015): Diskriminierungs- und rassismuskritische Soziale Arbeit und Bildung. Praktische Herausforderungen, Rahmungen und Reflexionen. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.

OBDS – Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit (o.J.): Internationale Definition der Sozialen Arbeit. https://www.obds.at/wp/wp-content/uploads/2018/04/definition_soziale_arbeit_-_obds_final.pdf (14.07.2020).

Österreichs digitales Amt (2020): Sozialhilfe/Mindestsicherung. https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/armut/3/2.html (31.05.2020).

Prasad, Nivedita (2018): Soziale Arbeit mit Geflüchteten. Rassismuskritisch, professionell, menschenrechtsorientiert. Opladen/Toronto: Barbara Budrich.

Pucher, Johannes/Scherndl, Gabriele (2020): George Floyd. 50.000 Demonstranten bei Black-Lives-Matter-Protest in Wien. https://www.derstandard.at/story/2000117877949/black-lives-matter-proteste-erreichen-wien (16.06.2020).

Riegler, Anna (2016): Anerkennende Beziehung in der Sozialen Arbeit. Ein Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Wiesbaden: Springer VS.

Riegler, Anna/Kukovetz, Brigitte/Moser, Helga/Mikula, Regina/Konrad, Robert/Köck, Alexandra (2020): De-Konstruktion von Differenz in der Sozialen Arbeit. Forschungsbericht. Graz. https://cdn.fh-joanneum.at/media/2020/05/Forschungsbericht_De-Konstruktion_von-Differenz_Soziale_Arbeit_2020_Riegler-et-al.pdf (16.06.2020).

Said, Edward W. (2017): Orientalismus [1978]. Übers. von Hans Günter Holl. Frankfurt/Main: Fischer.

Schäfter, Cornelia (2010): Die Beratungsbeziehung in der Sozialen Arbeit. Eine theoretische und empirische Annäherung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Schröer, Hubertus (2018): Interkulturelle Öffnung und Diversity Management. Konturen einer neuen Diversitätspolitik in der Sozialen Arbeit. In: Blank, Beate/Gögercin, Süleyman/Sauer, Karin E./Schramkowski, Barbara (Hg.): Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft. Grundlagen – Konzepte – Handlungsfelder. Wiesbaden: Springer VS, S. 773–785.

Staub-Bernasconi, Silvia (2018): Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft. Auf dem Weg zu kritischer Professionalität. Opladen/Toronto: Barbara Budrich.

Strauss, Anselm L./Corbin, Juliet M. (1996): Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.

Terkessidis, Mark (2017): Nach der Flucht. Neue Ideen für die Einwanderungsgesellschaft. Ditzingen: Reclam.

Thiersch, Hans (1995): Lebenswelt und Moral. Beiträge zur moralischen Orientierung Sozialer Arbeit. Weinheim/München: Juventa.

Tißberger, Martina (2017): Critical Whiteness. Zur Psychologie hegemonialer Selbstreflexion an der Intersektion von Rassismus und Gender. Wiesbaden: Springer VS.

Winker, Gabriele/Degele, Nina (2009): Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten. Bielefeld: Transkript.


Über die Autorinnen

Mag.a Dr.in Anna Riegler
anna.riegler@fh-joanneum.at

Assoziierte Professorin (FH) am Studiengang Soziale Arbeit (Bachelor und Master), FH JOANNEUM Graz;
Forschung und Lehre zu Anerkennung, Biografie, Lebenswelt, Differenz und Macht in der Sozialen Arbeit sowie Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft;
stellvertretende Leiterin des Kollegiums der FH JOANNEUM
Erziehungs- und Bildungswissenschafterin – Sozialpädagogik, lebensbegleitende Bildung;
Organisationsentwicklerin & Supervisorin, im ÖAGG zertifiziert; ordentliches Mitglied im ÖVS; Mitglied in der OGSA: AG Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft.




Mag.a Dr.in Brigitte Kukovetz
brigitte.kukovetz@gmail.com

Erziehungs- und Bildungswissenschafterin, Soziologin;
Forschung und Lehre an der Karl-Franzens-Universität Graz zu: Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft, Diversität, Intersektionalität, (institutionelle) Diskriminierungen und Rassismen. Ein weiterer Schwerpunkt in Forschung und Lehre liegt in den Feldern Active Citizenship und politische Bildung;
Sektionsrat der Sektion Migrations- und Rassismusforschung der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie (ÖGS).




Mag.a Helga Moser
helga.moser@fh-joanneum.at

Erziehungs- und Bildungswissenschafterin;
Forschung und Lehre an der FH JOANNEUM am Institut für Soziale Arbeit (Bachelor- und Masterstudiengänge) in den Bereichen: Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft, Diversität, Differenz, Intersektionalität, (institutionelle) Diskriminierungen und Rassismen, Internationale Soziale Arbeit;
Mitglied in der OGSA: AG Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft.