soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 25 (2021) / Rubrik „Sozialarbeitswissenschaft“ / Standort Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/716/1332.pdf
Johannes Vorlaufer:
1. Einleitung: Ganz-Ohr-Sein als temporale Erfahrung
Ein Gespräch kann sehr vielfältig motiviert sein und in unterschiedlicher Weise geführt werden. Manchmal gelingen Gespräche und lassen uns in eine Dimension menschlicher Existenz gelangen, wo mehr und anderes geschieht als ein Austausch von Informationen oder ein Zeit totschlagendes, zerredendes Gerede. Zwar können wir dann vielleicht der Meinung sein, dass wir ein solch gelingendes Gespräch ‚führen‘, weil wir funktionierende Techniken anwenden. Und in der Tat mag das Beherrschen von Gesprächsführungstechniken sehr hilfreich sein, um das Nicht-Gelingen von Gesprächen zu unterbinden. Dennoch aber machen wir die Erfahrung, dass das Gelingen selbst nicht hergestellt werden kann, wir können es weder beherrschen noch produzieren oder in einem Terminkalender einplanen. Sehr wohl aber können wir uns – gerade auch in professioneller Weise – auf Gespräche einlassen. In solch einem Gespräch mag es dann sein, dass wir dann ‚ganz Ohr‘ sind.
Wenn wir ganz Ohr sind, haben wir keine Ohren und keinen Leib, sondern hören leibhaftig. Wir hören dann nicht mit den Ohren, sondern durch sie: Denn wir selber hören und benutzen unsere Ohren nicht instrumental als Mittel. Erst wenn wir ‚vergessen‘, dass wir Ohren haben, können wir ganz Ohr sein. Dem entspricht auch eine eigentümliche Zeiterfahrung: Wir können nicht hörend beim Anderen sein und zugleich auf die Uhr sehen. Nur wenn wir die Zeit vergessen sind wir, ganz Ohr, beim Anderen. Denn das Auf-die-Uhr-Sehen vergegenständlicht unser Sein in der Welt und Mitsein mit Anderen und verändert unser Hören.
Sind wir ganz Ohr, so sind wir in einer gewissen Weise beim Anderen und seinem Gesagten und zugleich aber auch bei uns. Wir sind dann dem Gesagten näher als etwa dem Stuhl, auf dem wir sitzen. Ganz Ohr zu sein heißt dann: sich einer Nähe zu öffnen. In einer temporalen Auslegung können wir statt von Nähe auch von Gegenwart sprechen. Doch was heißt hier Gegenwart? Was zeigt sich uns in dieser Erfahrung und wie können wir dies verstehend auslegen? Reicht unser überkommenes Verständnis von Zeit, um Gegenwart zu begreifen? Ja, reicht unser Verstehen überhaupt, um Zeit zu verstehen? Welcher Verständnishorizont lässt uns die Zeit als Zeit erfahren und nicht bloß eine Vorstellung von ihr konstruieren? Und reicht unsere Sprache so tief, um Zeit zur Sprache zu bringen? Müssen wir, wenn wir die Zeit beim Wort nehmen, nicht substantivisch, sondern zeit-wörtlich von der Zeit sprechen?
Im Folgenden möchte ich nur Weniges und sehr Beschränktes versuchen, nämlich diese Erfahrung, ganz Ohr zu sein, in ihrer temporalen Dimension zu skizzieren und dem Eigentümlichen der Zeit in phänomenologischer Weise nachzugehen. In methodischer Hinsicht konstruiert das Denken der Phänomenologie keine Theorie, sondern versucht umgekehrt dekonstruierend das Erfahrene unserer Erfahrungen sich zeigen zu lassen, in diesem Sinne in den Ursprung unseres alltäglichen Erfahrens zu zeigen. Ursprung wird dabei nicht als Ur-Sache, sondern als das verstanden, was entspringen lässt. Deshalb wird das alltägliche ebenso wie das überlieferte Zeitverständnis befragt, inwiefern es zurückverwiesen ist in ein ursprünglicheres, das vorherrschende Verständnis konstituierende.
2. Zur lebensweltlich vorherrschenden Zeiterfahrung und ihrem normierenden Zeitbegriff
Zu unserer alltäglich und lebensweltlich uns in unserem Existieren tragenden Zeiterfahrung gehört, dass wir Zeit haben. Wir verhalten uns immer in irgendeiner Weise zu dieser Zeit, die wir ‚haben‘: gebrauchend-verbrauchend, sparend oder vergeudend nehmen wir uns Zeit für etwas, verfügen über sie, stehlen sie, richten uns nach ihr etc. Immer wenn wir auf die Uhr blicken, rechnen wir mit Zeit und auch mit den anderen Menschen, die mit uns in derselben Welt leben. In der Welt, in der wir leben, ist Zeit eine Ordnungs- und Maßform der Dauer, sie ist charakterisiert durch Bedeutsamkeit, Datierbarkeit oder Öffentlichkeit. Innerhalb dieser „Weltzeit“ (Heidegger 1977: 553), die wir haben, tun wir jetzt dies, dann jenes: Unser Leben verläuft gleichsam auf einer Zeitlinie, die aus unendlich vielen Jetzt-Punkten besteht. Zwischen dem Jetzt-nicht-mehr der Vergangenheit und dem Jetzt-noch-nicht der Zukunft findet sich ein sehr kurzes Jetzt: die Gegenwart. Eingespannt zwischen dem Nicht der Zukunft und dem Nicht der Vergangenheit ist sie selber eher ein Nichts als ein Etwas, dessen augenblicklicher Bestand stets von Vernichtung bedroht ist.
Die alltäglich relevante Zeitdimension der quantitativen oder qualitativen Berechnung der Dauer, die im Nacheinander abläuft, hat Aristoteles in eine Definition gefasst. Er schreibt in seiner Physica über den Chronos, also die Zeit: „τοῦτογάρἐστινὁχρόνος, ἀριθμὸςκινήσεωσκατὰτὸπρὸτερονκαιὔστερον“ (Aristoteles 1973: A 11, 219b 1 sq.). „Das nämlich ist die Zeit, das Gezählte an der im Horizont des Früher und Später begegnenden Bewegung“ (Übersetzung Heidegger 1977: 556). Dieser Satz ist einer der Grund-Sätze (zumindest) der europäischen Geschichte, der unser Tun und Denken trägt, ist also weit mehr als eine akademische Definition: Er ist ein Satz im Sinne eines Sprunges, der hinübersetzt in den Grund dieser Geschichte, denn in dieser (Zugangs-)Definition zum Begriff der Zeit wird nicht nur etwas über die Zeit gesagt, sondern zugleich auch über uns selbst und unser Verständnis unseres Existierens in der Welt. Genauer: Es wird nicht nur etwas über uns selbst gesagt, sondern von uns selbst etwas über uns selbst zur Sprache gebracht. Gerade indem wir definierend mögliche Zeiterfahrungen ausgrenzen, bekunden wir in dieser Zeitdefinition mehr als bloß eine temporale Vorstellung, sondern auch eine Weise, wie wir uns innerzeitig in der Welt seiend auf unser Dasein in der Welt verstehen.
Angesichts der Notwendigkeit der Gestaltung unseres Alltags haben die linear vorgestellte und als Aufeinanderfolge von Jetztpunkten ausgelegte Zeit und der rechnende Umgang mit ihr ihre Berechtigung. Doch was ist, wenn diese Zeitauslegung zur maßgebenden wird? Wenn sie als vorherrschende unsere Zeitspielräume und die Spannweite unseres Daseins beherrscht und uns in unserer zeitlichen und geschichtlichen Weise, unser Dasein zu vollziehen, bestimmt? Dann könnte es sein, dass unsere temporale Selbstbestimmung zu einer Fremdbestimmung wird.
So könnte schon ein historischer Blick die Frage aufwerfen, ob der Versuch einer Emanzipation von zeitdefinierenden Autoritäten durch Übertragung der Uhrwerke von den Kirchen- und Rathaustürmen auf die Handgelenke gegenwärtig von Freiheit in Unfreiheit umschlägt oder ob und inwiefern die geschichtlich sich radikalisierende Geldstruktur die Erfahrung unseres zeitlichen Existierens wesentlich mitbestimmt (Vgl. Vorlaufer 2011). Marianne Gronemeyer hat in ihrem Buch Das Leben als letzte Gelegenheit (Gronemeyer 1993) gezeigt, wie unser Verstehen und Umgang mit Zeit nicht etwas uns Äußerliches ist, sondern uns in unserem lebensweltlichen und sozialen Anwesen wesentlich bestimmt und stimmt, etwa hinsichtlich der Frage, ob unsere Lebenszeit zu kurz ist, um unser Leben zu leben. Wenn Hans Blumenberg in seinem Buch Lebenszeit und Weltzeit die These aufstellt: „Die Enge der Zeit ist die Wurzel des Bösen“ (Blumenberg 1986: 71), dann kann dies in gewisser Weise als Fortsetzung einer Analyse verstanden werden, wie sie Adorno unternommen hat. Denn Adorno hat in seinem umfangreichen Werk vielfach gesehen, dass und wie der dialektische Rückschlag von Naturbeherrschung mit ihrer instrumentellen Vernunft uns selbst zu Beherrschten macht. So heißt es in der Minima Moralia etwa in Bezug auf die Zeiterfahrung:
„Die Technisierung macht einstweilen die Gesten präzis und roh und damit die Menschen. Sie treibt aus den Gebärden alles Zögern aus, allen Bedacht, alle Gesittung. […] In den Bewegungen, welche die Maschinen von den sie Bedienenden verlangen, liegt schon das Gewaltsame, Zuschlagende, stoßweis Unaufhörliche der faschistischen Misshandlungen.“ (Adorno 1980: 43f.)
Ein halbes Jahrhundert nach Adorno analysiert etwa Hartmut Rosa in seinem 2013 in erster Auflage erschienenen Buch Beschleunigung und Entfremdung (Rosa 2016) die vielschichtige Dimension einer durch Technik und Ökonomie verengten Zeiterfahrung und weist damit darauf hin, dass unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen eine Analyse der Zeiterfahrung eine vergleichbare Dimension und Notwendigkeit hat wie die ökonomiekritischen Analysen, die Karl Marx im 19. Jahrhundert unternommen hat.
Was in unserer geschichtlich überkommenen Zeitauslegung zugleich Bedingung und Ausgegrenztes ist, wird zweieinhalb Jahrtausende nach Aristoteles in Friedrich Nietzsches Zarathustra zur Sprache gebracht: „Diess, ja diess allein ist Rache selber: des Willens Widerwille gegen die Zeit und ihr ‚Es war’.“ (Nietzsche 1980: 180) Rache aber lastet auf uns, sie belastet. Im alltäglichen ressentimenterfüllten Kampf gegen das Vergehen der Zeit sind wir unfrei. Dieser Kampf mag ein unscheinbarer und nicht als Kampf wahrgenommener sein, wenn wir etwa als Touristen vor lauter Fotografieren vergessen, selber zu sehen und stattdessen das Objektiv sehen lassen und das Erblickte nicht in der Erinnerung bewahren, sondern auf der Speicherkarte festhalten. Der Kampf mag ein freundlicher sein, wenn wir schöne Augenblicke festzuhalten suchen und so dem Vergessen zu entreißen trachten. Er mag ein strukturierter sein, wenn wir im Arbeitsprozess alles Tun dokumentieren. Denn überall lauert offenbar ein Nicht, das all unser Tun und Sein nichtig werden, in ein nihilistisches Nichts versinken lässt.
In Hinblick auf die leitende aristotelische Zeitdefinition könnte man also sagen: Die alle Wissenschaft konstituierenden Definitionen grenzen nicht nur ein, sondern grenzen auch ab und aus und geben uns dadurch die Sicherheit, über Phänomene sprechen zu können. Doch zuweilen meldet sich das von den Definitionen Ausgegrenzte. Ereignet sich dies, dann kann uns Zeit unheimlich werden und uns aus dem Gewohnten herausfallen lassen. Doch nicht nur im Kontext ihrer Totalisierung, wo wir der Zeit offensichtlich ausgeliefert sind, auch in den kurzen Augenblicken des Alltags, sei es im Staunen oder im Erschrecken, in den Extremen von Stress und Langeweile (vgl. Heidegger 1983: 117–249; Vorlaufer 2008), an den Grenzen des Lebens, wo wir entdecken, dass die Lebenszeit zu kurz ist oder dass Unwiederbringliches geschehen ist, auch, ja gerade in der Normalität des Alltags selbst, dann, wenn wir geordnet und strukturiert den Tag so wie alle Tage verbringen und vermeinen, mit der Zeit rechnend die Zeit im Griff zu haben und das Zeitmanagement zu beherrschen, auch dann vermag uns Zeit zu belasten, zur Last werden. Denn Zeit vergeht – gemäß unserer Auslegung von Zeit.
Im Kontext der vorherrschenden Zeitdefinition kann aber die nihilistische Erfahrung von Zeit auch darin gründen, dass die Zeit gerade nicht vergeht. Günther Anders etwa hat in seinem Aufsatz zur Anthropologie der Arbeitslosen vermerkt, dass die leere Zeit der Arbeitslosen nicht nur keine freie Zeit, sondern dass sie leer ist im Sinne eines nihilistisch-pejorativen „Nichts“ – d.h. sie ist ein Nichts, dem es privativ an etwas mangelt.
„Die leere Zeit, ehemals bekannt nur als philosophische Abstraktion der immer schon erfüllten, wird hier in der Existenz des chomeur Wirklichkeit. Denn während sonst das Leben voll und ganz damit beschäftigt ist, sich mit etwas zu beschäftigen, und die Zeit nur die Ordnungsform seiner Beschäftigungen darstellt, ist Leben nun plötzlich sich selbst ausgeliefert und der Leere seiner – nicht vorwärtsgehenden, sondern stehenden Zeit. Denn je unbeschäftigter das Leben, desto langsamer seine Zeit. Aber sich mit sich selbst zu beschäftigen, die Reflexion im breitesten Sinne, ist diesem Leben eigentums- und beschäftigungslos nicht gegeben, denn Reflexion hat stets andere Motive […]. Hier aber ist das Leben lediglich durch etwas anderes ‚Äußeres’ auf sich zurückgeworfen und ohne daß es sich selbst dazu entschlossen hatte.“ (Anders 1994: 2)
3. Das Sein-Lassen der Zeit als ausgezeichnete temporale Erfahrung: zur Frage nach der ursprünglichen Zeit
3.1 Zeit: das Frühere des Gezählten
Somit müssen wir unsere chronologische Zeitauslegung selbst auf ihre Ursprünglichkeit hin bzw. auf ihre Abhängigkeit von einer ursprünglicheren Zeitauslegung hin befragen, denn wir haben die Zeit offenbar nicht so, wie wir Dinge haben, sondern wir haben Zeit, aber zugleich hat die Zeit uns und bestimmt uns in dem, was unsere Existenz ausmacht: Wir selbst sind die, die wir sind, als von Zeit bestimmte, unsere Existenz selbst ist eine zeitliche, sie gründet im eigentümlich grundlosen Grund der Zeit. Zeit ist somit weder eine Eigenschaft der Uhr noch eine Eigenschaft, die zu unserer Existenz hinzuaddiert werden könnte, sie ist kein bloßer Appendix unseres Lebens, sondern das Bestimmtsein durch die Zeit stimmt uns und trägt in vielfacher Weise, vergleichbar einer Melodie, unser Gestimmtsein, d.h. die Weise, wie wir unser Dasein in der Welt und mit Anderen austragen. So wie Stimmungen uns für die Welt und die Anderen öffnen oder verschließen, so öffnet oder verschließt uns auch unsere Bestimmtheit durch Zeit und trägt unser Leben.
Weil uns Zeit abgründig bestimmt, können wir uns auch nur in der Zeit, uns selbst zeitigend, zur Zeit verhalten, z.B. Zeit messen. Die gemessene Zeit, das Gezählte der Bewegung, ist nicht die Zeit selbst, sondern das Gezählte misst ein Dauern, also etwas Zeitbestimmtes, d.h. Zeitliches. Zeit selber ist hingegen nichts Zeitliches, in einer gewissen Weise ist sie nichts und darin vergleichbar dem Raum, der ja auch nichts Räumliches ist. Und weil die Zeit eher ein Nichts als ein Etwas ist, können wir sie streng genommen auch nicht messen. Denn Messen heißt immer: an etwas ein Maß anlegen und Maßeinheiten zählen. Doch auch dann, wenn die Uhr still steht, vergeht die Zeit. Genau genommen können wir nicht einmal sagen, dass sie vergeht, denn gerade indem die Zeit vergeht, bleibt sie. Ihr Vergehen ist in gewisser Weise die Bedingung ihres Bleibens, d.h. ihres Seins. Deshalb schreibt Heidegger in Zeit und Sein: „die Zeit selber vergeht. Aber indem die Zeit ständig vergeht, bleibt sie als die Zeit. Bleiben heißt: nicht-schwinden, also anwesen.“ (Heidegger 1976: 3) Indem also die Zeit sich ständig vernichtet, aus dem Noch-nicht in ein Nicht-mehr übergeht, „ist“ sie und lässt gründend anwesen. Vergehend ist sie unser Ermöglichungsgrund. Überspitzt könnte man, gleichsam zeit-wörtlich von der Zeit sagen: Sie ist, indem sie stets nichts wird. Daher muss entgegen der aristotelischen Tradition sogar gesagt werden: „Die Zeit selbst im Ganzen ihres Wesens bewegt sich nicht, ruht still.“ (Heidegger 1979: 213)
Zeit, so könnten wir aufgrund der bisherigen Überlegungen nun sagen, ist früher als alles Rechnen mit der Zeit, denn nur, „weil die Zeit eigens zum Sein des Menschen sich verhält“ (Heidegger 1991: 49), können wir uns der Zeit gegenüber verhalten, d.h. uns in ein Gegen-Über zu ihr bringen, z.B. mit ihr rechnen. Zeit kann also nicht zureichend als Kategorie, eine kategorial bestimmbare Eigenschaft, also ein Etwas an einem Etwas, bestimmt werden. Wir können sie etwa als Form der Anschauung nur mitbringen, weil sie uns immer schon, d.h. früher als uns Gegebene gegeben ist.
3.2 Zeit: die Versammlung in eine Gegenwart
Im ersten Gedankenschritt sind wir davon ausgegangen, dass wir Zeit haben und deshalb uns zu ihr verhalten können. Ich möchte diesem Haben selbst nun genauer nachgehen, d.h. der Weise, wie Zeit uns gegeben ist, wie sie sich uns gibt.
Wie die Zeit als Zeit sich uns gibt bestimmt die Weise, wie unser Menschsein vor-sich-geht:
Es geht vor-sich, indem es in seinen Möglichkeiten sich vorweg geht und in diesen Möglichkeiten auf sich zu-kommt. So ist das Mensch-sein in sich zu-künftig und kommt dabei auf sein Gewesenes zurück und nimmt es in die Zu-kunft hinein und versammelt in all dem stets Zukunft und Gewesenheit in eine Gegenwart. (Heidegger 1991: 50)
Die Zeit ist deshalb nicht nur ein neutraler Rahmen, der um das Menschsein herumliegt, sondern der Mensch ist in das Kommende, in das Gewesene und in das Anwesende ent-rückt: Er existiert nicht nur, sondern er ek-sistiert, wie es in der Terminologie der Phänomenologie heißt. Diese Versammlung in eine Gegenwart könnte man als das Sein-Lassen der Zeit bezeichnen, indem Zeit selbst uns selbst in unser Anwesen frei-gibt. In diesem gebenden Lassen als einem Entspringen-lassen beruht nun das, was ursprüngliche Zeiterfahrung genannt werden könnte.1
Wir berühren hier jene Dimension eines gelungenen Gesprächs, wo wir sagen: Es hat uns gut getan, weil etwa ein geglücktes Wort die Vergangenheit verwandelnd eine neue Zukunft eröffnet. Ermöglicht wird dies dadurch, dass die drei Dimensionen der Zeit, wie es in den Zollikoner Seminaren heißt, uns gleichursprünglich sind,
„denn es gibt keine ohne die andere, alle drei sind für uns gleichursprünglich offen, aber sie sind nicht gleichmäßig offen. Bald ist die eine, bald die andere Dimension maßgebend, auf die wir uns einlassen, in der wir vielleicht sogar gefangen sind. Dadurch sind die andern beiden Dimensionen jeweilen aber nicht verschwunden, sondern nur modifiziert.“ (Heidegger 2006: 61)
Gemeint ist hier nicht bloß, dass wir uns Vergangenheit oder Zukunft vorstellen bzw. phantasieren können, sondern wesentlich radikaler: sie können verwandelt werden. Nicht nur die Gegenwart ist uns gegenwärtig, sondern auch die Gegenwart der Vergangenheit oder die Gegenwart der Zukunft. Diese ursprüngliche Zeit ist im Gegensatz zur chronologischen nicht vergänglich. Denken wir etwa an unsere Geburt. Zwar ist sie historisch gesehen etwas Vergangenes, dennoch feiert jeder von uns jedes Jahr seinen Geburtstag. Warum? Vielleicht, weil wir insgeheim wissen, dass wir ein Leben lang gebürtig, d.h. Töchter und Söhne unserer Mütter und Väter sind. Diese beharren zumeist ja auch darauf, dass wir auch dann noch ihre Kinder sind, wenn wir längst erwachsen sind. Auch etwa unsere Volksschulzeit, wo wir Lesen und Schreiben gelernt haben, ist nicht einfach vergangen, sondern diese Zeit ist höchst lebendig, wenn wir uns etwa während eines Vortrags Notizen machen.
3.3 Von der Gegenwart des Gegenwärtigen im Gespräch
Dies meint in Bezug auf die Frage der Gegenwart: Nicht nur ist uns im Licht der Gegenwart Gegenwärtiges präsent, sondern auch die Gegenwart des Gegenwärtigen selbst ist uns – unthematisch – mit-gegenwärtig. Wir erfahren somit die Dinge nicht nur gelichtet im Licht, sondern das Licht selbst ist uns immer mit-gegenwärtig. In seinem Buch In der Gegenwart leben verdeutlicht Gerd Häffner unsere Fragestellung mit der Metapher des Lichts: Wir kennen die Erfahrung, einem so starken Licht ausgesetzt zu sein, dass wir, weil zu viel Licht ist, nichts sehen. Die Gegenwart als jenes, was alles Gegenwärtige gegenwärtig sein lässt, ist zwar immer mit-gegenwärtig, doch die Gegenwart der Gegenwart selbst zu vernehmen ist vergleichbar einem starken Licht. Häffner kann daher schreiben: „Gegenwart kann so unerträglich sein, daß wir uns dadurch vor einer Verletzung schützen, daß wir ihr zu starkes Licht zu brechen versuchen, z.B. durch eine Vermittlung durch die beiden anderen Zeitmodi.“ (Haeffner 1996: 147) Gegenwart ist gewissermaßen zu viel für uns, so dass wir gleichsam wegsehen müssen. Das Beispiel fotografierender Touristen scheint mir hier sehr zugänglich zu sein, insofern sie einerseits die Erfahrung des Schönen festhalten wollen, anderseits sich nicht direkt mit ihr auseinandersetzen können, sondern technisch vermittelt besitzen und in kleinen Dosen konsumieren wollen. Das Foto schützt gewissermaßen vor der Unmittelbarkeit des Schönen und dem Überwältigenden des Augenblicks. Und diese Erfahrung von Gegenwart mag erst recht auch in einem Gespräch sich ereignen, bei dem wir ganz Ohr sind. Dann hören wir nicht nur Informationen oder Aussagesätze, sondern auch das Ungesagte als das, was das Gespräch trägt. Denn dort, wo sich die Worte in ein Ungesagtes und Unsagbares entziehen, in diesem Entzug, ereignet sich Präsenz und mit ihr Nähe. Wo wir Unsagbares sagen, d.h. in unserem Sagen in ein Nicht zeigen, dort ereignet sich Gegenwart. Deshalb wohl sind wir nur für Augenblicke ganz Ohr, doch diese Augenblicke sind entscheidend, denn in ihnen blitzt etwas auf.
In den Beiträgen spricht Heidegger deshalb davon, dass Gegenwart „aufblitzt“ (Heidegger 1989: 257): Im Aufblitzen von Gegenwart wird etwas offenbar in dem, was und dass es ist. Dieses Aufblitzen könnte als der Ursprung menschlicher Erfahrung überhaupt verstanden werden, in der sich etwas lichtet und darin uns berührt, betrifft. Nicht das Allgemeine in seiner Allgemeinheit – in diesem Sinne der tradierte Seinsbegriff – wird in der Gegenwart des Gegenwärtigen vorgestellt bzw. begriffen, sondern das Anwesende in seiner Einzigkeit erfahren. Jenseits des Rechnens heißt dies in Hinblick auf die Anwesenheit eines anderen Menschen: Der Andere als er selbst blitzt augenblicklich in seiner Personalität auf und nicht nur als ein Einzelfall, als Vertreter des Lebewesens Mensch.
Wir können also die Gegenwart nicht direkt wie einen Gegenstand erforschen und aus ihr ein Forschungsobjekt machen, ohne sie zu zerstören. Sehr wohl aber können wir verdeckende Vorstellungen ihrer Erfahrung dekonstruieren. Umgekehrt können wir nun sagen, dass die Darstellung der Gegenwart als Jetzt-Punkt als Abwehr dieses Übermaßes zwar dem Phänomen nicht gerecht, aber als Schutzversuch verstehbar ist: So rücken wir die Gegenwart und ihre Nähe gewissermaßen in eine Ferne, damit sie uns nicht zu nahe ist. Deutlich wird so aber auch, dass die Auslegung von Gegenwart als Nichts eines Jetztpunktes ihr selbst unangemessen ist, denn sie ist eher als Fülle denn als Nichts zu bezeichnen – zumindest nicht als ein pejoratives Nichts, also als Mangel, sondern eher, wie es manchem asiatischen Denken entsprechen würde, als Nichts der Fülle (Vgl. z.B. Gunaratana 1996).
4. Abschließende Überlegungen zur emanzipatorischen Dimension personaler Zeiterfahrung
Soziale Arbeit ist eingespannt in ein Vorverständnis von Zeit, das in seinem rechnend-berechnenden Charakter Ausdruck und Erscheinungsform eines umsichtigen In-der-Welt-Seins und besorgenden Handelns ist. Doch in diesem Eingespanntsein der Sozialen Arbeit in eine lebensweltliche Praxis zeigt sich Zeit „von Zeit zu Zeit“ auch als mehr und als ein Anderes als dieses Vorverständnis verstehend einholen kann – so etwa in der Erfahrung von Gegenwart in einem gelingenden Gespräch: Darin wandelt sich die Temporalität der Gegenwart aus der Vorstellung eines chronologischen Jetzt-Punktes „maß“-gebend in die Spannweite unseres Daseins so, dass Gewesenes und Zukünftiges sich in eine Präsenz des Ganzen unseres Daseins versammeln kann. Jedes Beratungsgespräch und jede Mediation sind nur aus diesem temporalen Wandel in ihrem Sinn verstehbar. Diesem sich zeigenden Mehr wollten die vorangegangenen Überlegungen unter dem Terminus der ursprünglichen Zeiterfahrung nachdenken. Abschließend sei versucht, den Bezug der Sozialen Arbeit zu dieser ausgezeichneten Erfahrung skizzenhaft zu reflektieren.
Wenn ursprüngliche Erfahrung von Zeit aus ihrem frei-gebenden Lassen eine ausgezeichnete genannt wurde, so meint diese Auszeichnung, dass sie uns Menschen zwar in der Weise des „immer schon“, d.h. als Apriori bestimmt und trägt, nicht aber, dass sie als solche in unserer Alltäglichkeit auch in einer (reflexiv sich vorstellenden) Bewusstheit als Vorgestelltes gegeben ist und in dieser Weise gegenständlich gewusst werden könnte. Das frei-gebende Lassen von Zeit ist uns vielmehr nur „augenblicklich“ zu erfahrenmöglich, es wird in der Erfahrung von Zeit ungegenständlich „mit“-erfahren.2 Die angedeutete Augenblicklichkeit von Ursprünglichkeit weist darauf hin, dass diese nicht festgehalten werden kann, sondern uns nur im Entzug gegeben ist. Doch dieser Entzug ist nicht nichts, sondern die Weise eines Bezugs, in dem wir stehen. Deutlicher formuliert: In die ursprüngliche Erfahrungsdimension von Zeit können wir uns zwar zurückrufen lassen, doch aus dieser Ursprünglichkeit sind wir auch rückverwiesen in eine Alltäglichkeit mit ihren Nöten und Notwendigkeiten. Im theoretisch-freilegenden Rückgang aus dem alltäglichen Verstehen in seine fundierende Dimension und dem wiederholenden Rückgang in den besorgend-verstehenden und in diesem Sinne praxisorientierten Alltag ereignet sich daher eine Wieder-Holung des Alltags oder: ein Rückgang eines Rückgangs. Die das Verstehen suchende Fragebewegung erweist sich dann nicht als eine abstrahierende (vgl. ab-strahere, d.h. weg-ziehen), aus der Alltäglichkeit wegziehende, sondern als ein Grundvollzug unseres Existierens selbst, der uns zu der Alltäglichkeit hinzieht: Ursprüngliche Erfahrung entlässt in eine Alltäglichkeit und lässt in diesem Rückweg Alltäglichkeit neu verstehen. Eine sozialarbeiterische Theorie-Praxis-Reflexion wäre als Theorie deshalb verwiesen in die Dimension einer Hermeneutik der Alltäglichkeit und deshalb könnten hier Fragen der Lebensbewältigung bzw. Theorien der Lebensweltorientierung anknüpfen. Das hermeneutisch bestimmte Verhältnis von Ursprünglichkeit und Alltäglichkeit würde sich dann z.B. in der Frage nach dem Verhältnis im Sinne des inneren Bezugs von Feiertag und Alltag wieder finden.3
Der Bezug der Sozialen Arbeit zu dieser Erfahrung von Zeit, der sich zumal als Entzug entbirgt, kann auch an der anderen Hinsicht, die unsere Reflexion leitet, noch einmal verdeutlicht werden, an Sprache und Hören: Wenngleich dies, ganz Ohr zu sein, ein gelingendes Gespräch tragen mag, so leben wir doch in einer all-täglichen – somit also in einer temporal vermittelten – Sprachwelt, in der Sprache vorrangig instrumentell benützt und innerhalb der Informationsflut zumeist nur verkürzt erfahren und verstanden wird. Alltäglich mag Sprache also unter dem Anspruch stehen, Nützliches zu verlautbaren und mag sich in diesem Anspruch auch erschöpfen. Das Vorherrschen einer Interpretation von Sprache als Verlautbarung etwa lässt uns dann unser Schweigen nicht als ein das Gespräch konstituierendes Vernehmen und Hören, sondern nur noch verkürzt als Verstummen oder Nicht-Reden begreifen. Entsprechend vermag auch die vorherrschende Auslegung von Sprache als Information ein Zerbrechen des Wortes, wie es etwa in der Lyrik Stefan Georges4 bedacht wird, nur als Informationsdefizit erscheinen zu lassen. Damit ist nun gesagt: Aufgrund unserer lebensweltlichen anthropologischen Konstitution können wir ebenso wenig in der ursprünglichen Erfahrung von Sprache verweilen wie im „Augenblick“ der Zeit. Aber auch im Entzug ursprünglicher Spracherfahrung zeigt sich, dass er eine Weise eines Bezugs ist. Entzug aber ist in seiner Bezüglichkeit als und aus Partizipation begreifbar.
In diesem partizipativen Bezug vollzieht sich Soziale Arbeit auch dann, wenn sie dies nicht explizit thematisiert.5 Ein professionelles Gespräch etwa empfängt seinen Sinn aus diesem Bezug auch dann noch, wenn es sich selbst als Technik (miss)versteht. In ihm ist die für die Soziale Arbeit relevante emanzipatorische Dimension von Sprache und Zeit fundiert: In dem Maße, wie nicht der Blick auf die Uhr als Grundvollzug Sozialer Arbeit verstanden wird, sondern die Übung der Sammlung (vgl. Vorlaufer 2012) i. S. einer Übung des Sichöffnens für die Gegenwart des Anderen, somit eine Übung des Hörens (Vgl. Vorlaufer 2020), in dem Maße ist eine Soziale Arbeit mehr und anderes als eine Zurichtung von KlientInnen in eine vorgegebene Normalität. Indem sie Menschen aus Verengungen befreit, die es verunmöglichen, die Weite und Tiefe ihres Existierens zu erfahren und den Bezug, in dem sie existieren, zu durchleben, ist Soziale Arbeit dann ein Handeln im eigentlichen Sinn dieses Wortes (vgl. Heidegger 1976a und Vorlaufer 2020a).
Personale Zeiterfahrung im Gespräch hieße dann eine solche, in der nicht nur etwas, sondern jemand gehört wird, und in dieser Offenheit der/dem Anderen ein Zeit-Spiel-Raum seines/ihres Existierens eingeräumt wird. Angesichts globaler Totalisierungsprozesse der modernen Gesellschaft durch instrumentelle Zeitrationalität wäre eine solche Soziale Arbeit implizit von einer therapeutischen Dimension: Denn in der Gegenwart eines Menschen leuchtet Abgründiges auf und keine Uhr könnte messen, was in einem erfüllten Augenblick im Wort des Anderen währt und gewährt wird: die Präsenz einer verborgenen Würde.
Ob uns angesichts des Erfolges eines globalen rechnenden Umgangs mit der Zeit das Fragwürdige der ursprünglichen Zeit jemals bedrängen wird, vermag niemand zu sagen. Zwar schreibt Norbert Elias, dass „der blinde Prozeß in dieser Richtung […] weiter[geht]“ (Elias 1992: XIII), allerdings könnte es sein, dass vielleicht gerade jene Menschen, die etwa Michel Foucault als die Anormalen (Foucault: 2007) bezeichnet, so sehr außerhalb des gesellschaftlich vermittelten Ordnungs- und Normierungssystems von Sprache und Zeit leben, dass sie ver-rückt werden, d.h. aus den totalitären Funktionsverkettungen des Betriebs fallen und aus dieser unfreien Freiheit Zeit neu zu vernehmen imstande sind. Denn sie haben Zeit anders. Vielleicht erfüllt sich dann einst, was Herbert Marcuse am Schluss seines Buches Der eindimensionale Mensch schreibt: „[E]s besteht die Chance, daß die geschichtlichen Extreme in dieser Periode wieder zusammentreffen: das fortgeschrittenste Bewußtsein der Menschheit und ihre ausgebeutetste Kraft.“ (Marcuse 1982: 268)
In diesem Sinne ist der Sozialarbeit zu wünschen, sie möge nicht allzu zeitgemäß sein, um in ihrer von Affirmationen und Affirmationszwängen geprägten Praxis und Theorie die Utopie eines ganz Anderen durchscheinen zu lassen.
Verweise
1 In seinen Vortrag Zeit und Sein versucht Heidegger dieses Lassen mit größter Vorsicht als ein Reichen von Gegenwart zu benennen: „Ankommen, als noch nicht Gegenwart, reicht und erbringt zugleich nicht mehr Gegenwart, das Gewesen, und umgekehrt reicht dieses, das Gewesen, sich Zukunft zu. Der Wechselbezug beider reicht und erbringt zugleich Gegenwart.“ (Heidegger 1976: 14)
2 Genauer formuliert: Wir erfahren die Zeit als uns gegeben und implizit erfahren wir auch ein „Mit“, dies, dass die uns gegebene Zeit selbst gegeben und nicht nicht gegeben ist, d.h. also: In der Negation der Negation gibt sich uns ein Geben eines Gebens zu erfahren und zu bedenken – in der überlieferten europäisch-metaphysischen Terminologie würde dies mit „Dassheit“ im Unterschied zur begrifflich bestimmbaren „Washeit“ der Zeit bezeichnet. Hier wäre ein möglicher Ort, der Frage nachzugehen, ob und wie ursprünglich Erfahrenes überhaupt zur Sprache gebracht und gedacht werden kann. Dazu ein kleiner Hinweis: Das als ursprünglich Benannte ist einem konstruierenden Denken nicht mehr „vorstellbar“, sehr wohl aber einem negativen Denken ein zu Denkendes, das sich nicht vom Wissen, sondern in der Tradition einer docta ignorantia als einem nichtwissenden Wissen versteht. In den unterschiedlichen Wegen dieser Denkweges bis hin zu einer negativen Dialektik ist dies dann kein begreifendes, sondern eher ein berührendes (i.S. eines mente attingere) und etwa i.S. Adornos ein „zartes“ oder im Kontext Heideggers ein „schonendes“ Denken.
3 Was etwa von Hölderlin in manchen seiner Gesänge dichterisch angesprochen wird könnte dann unerwartet für ein Selbstverständnis einer Sozialen Arbeit nicht irrelevant sein (vgl. Vorlaufer 2017).
4 So z.B. sein Gedicht Das Wort (George 1968: 466–467).
5 Zum empirischen Beleg einer emanzipatorischen Dimension ursprünglicher Sprach- und Zeiterfahrung aus Sicht der Klinischen bzw. der Sozialraumorientierten Sozialen Arbeit vgl. die ausgezeichneten Masterarbeiten von Berger (2017) und Pirker (2019).
Literatur
Anders, Günther (1994): Anthropologie der Arbeitslosen, in: Forum. Internationale Zeitschrift für kulturelle Freiheit, politische Gleichheit und solidarische Arbeit, 41. Jahrgang, Nr. 485/486, S. 1f.
Adorno, Theodor W. (1980): Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt: Suhrkamp.
Aristoteles (1973): Physica. Recogniovit brevique ad notatione critica instruxit. Oxford: Oxford University Press.
Berger, Thomas (2017): Vielfalt von Zeiterfahrung & die Notwendigkeit einer kritischen Reflexion durch die Klinische Soziale Arbeit. Fachhochschule Campus Wien: Masterarbeit.
Blumenberg, Hans (1986): Lebenszeit und Weltzeit. Frankfurt: Suhrkamp.
Elias, Norbert (1992): Über die Zeit. Frankfurt: Suhrkamp.
Foucault, Michel (2007): Die Anormalen. Vorlesungen am Collège de France (1974–1975). Frankfurt: Suhrkamp.
George, Stefan (1968): Werke. Ausgabe in zwei Bänden. Bd. 1. Düsseldorf und München: Verlag Helmut Küpper.
Gronemeyer, Marianne (1993): Das Leben als letzte Gelegenheit. Sicherheitsbedürfnisse und Zeitknappheit. Darmstadt: Primus.
Gunaratana, Henepola (1996): Die Praxis der Achtsamkeit. Einführung in die Vipasssana-Meditation. Heidelberg: Verlag Werner Kristkeitz.
Haeffner, Gerd (1996): In der Gegenwart leben. Auf der Spur eines Urphänomens. Stuttgart: Kohlhammer.
Heidegger, Martin (1976): Zeit und Sein. In: Heidegger, Martin: Zur Sache des Denkens. Tübingen: Niemeyer, S. 1–25.
Heidegger, Martin (1976a): Brief über den Humanismus. In: Heidegger, Martin: Wegmarken. Frankfurt: Klostermann, S. 313–364.
Heidegger, Martin (1977): Sein und Zeit. Frankfurt: Klostermann.
Heidegger, Martin (1979): Unterwegs zur Sprache. Pfullingen: Neske.
Heidegger, Martin (1983): Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt – Endlichkeit – Einsamkeit. Frankfurt: Klostermann.
Heidegger, Martin (1989): Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis). Frankfurt: Klostermann.
Heidegger, Martin (1991): Die Metaphysik des deutschen Idealismus (Schelling). Frankfurt: Klostermann.
Heidegger, Martin (2006): Zollikoner Seminare. Protokolle – Zwiegespräche – Briefe. Frankfurt: Klostermann.
Marcuse, Herbert (1982): Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. Neuwied: Luchterhand.
Nietzsche, Friedrich (1980): Also sprach Zarathustra. München: dtv.
Pirker, Viktoria Elisabeth (2019): Lebensgeschichten als Einrichtungssache. Eine sozialräumliche Analyse von Lebensgeschichten in einem Dauerwohnheim der Wiener Wohnungslosenhilfe. Fachhochschule Campus Wien: Masterarbeit.
Rosa, Hartmut (2016): Beschleunigung und Entfremdung. Entwurf einer Kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit. Frankfurt: Suhrkamp.
Vorlaufer, Johannes (2008): Zeitvertreib und Langeweile oder Über die Last der „langen Weile“ und die Sehnsucht nach Muße. In: Soziale Arbeit, Jahrgang 8, S. 292–298.
Vorlaufer, Johannes (2011): Mensch ohne Zeit. Phänomenologische Aspekte einer Dialektik von Geldstruktur und Zeiterfahrung. In: Vorlaufer, Johannes: Im Anspruch des Anderen. Beiträge zur sozialphilosophischen und ethischen Dimension der Sozialen Arbeit. Aachen: Shaker, S. 103–129.
Vorlaufer, Johannes (2012): Gegenwärtig sein. Die Übung der Sammlung als ein Fundament helfender Berufe. In: Soziale Arbeit, 12. Jahrgang, S. 446–453.
Vorlaufer, Johannes (2017): „Doch gut ist ein Gespräch.“ Zur Erfahrung von Sprache und Mit-Sein im Denken Martin Heideggers. In: Daseinsanalyse, 33. Jahrgang, S. 41–56.
Vorlaufer, Johannes (2020): Vom Hören des Anderen. Fragmente einer Phänomenologie des Hörens als Versuch eines Beitrags zur Grundlegung einer Sozialtherapie. In: soziales_kapital. wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit, Nr. 23. http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/661/1193.pdf (10.03.2021)
Vorlaufer, Johannes (2020a): „Mit der Hand hat es eine eigene Bewandtnis.“ Phänomenologische Zugänge zur Sprache der Hand. In: Daseinsanalyse. Jahrbuch für Psychotherapie, Psychosomatik und Grundlagenforschung, Nr. 36, S. 21–37.
Über den Autor
Prof. (FH) Mag. Dr. Johannes Vorlaufer, Jg. 1959
johannes.vorlaufer@fh-campuswien.ac.at
Studium der Philosophie, Psychologie, Politikwissenschaft und Theologie in Wien und München, Promotion 1986. Derzeit Lehrender an der FH Campus Wien im Bachelorstudiengang Sozialarbeit und im Masterstudiengang Sozialraumorientierte und klinische Soziale Arbeit, zuvor Unterrichtstätigkeit am Institut für Philosophie der Universität Wien, in Einrichtungen der Erwachsenenbildung und an AHS. Publikationen u.a.: Das Sein-lassen als Grundvollzug des Daseins. Eine Annäherung an Heideggers Begriff der Gelassenheit, Passagen, Wien 1994; Personales Selbstsein. Phänomenologische Versuche zum Wesen menschlichen Daseins, tredition, Hamburg 2010; Im Anspruch des Anderen. Beiträge zur sozialphilosophischen und ethischen Dimension der Sozialen Arbeit, Shaker, Aachen 2011.