soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 25 (2021) / Rubrik „Junge Wissenschaft“ / Standort Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/717/1336.pdf


Natalie Eller:

“If You’re Not Uncomfortable, You’re Not Listening”

White Saviorism in der Sozialen Arbeit


1. Einleitung

“We never said 'No White People' – We just know you shouldn’t be the hero of the story.” (NWS 2020)

In diesem Zitat verweist die Organisation No White Saviors auf eine Auswirkung von Kolonialismus sowie eine Form von Rassismus: White Saviorism. Der vorliegende Artikel soll eine allgemeine Einführung in diese Thematik bieten und mögliche Handlungsalternativen aufzeigen.

Es besteht ein persönliches Interesse an der Thematik, da ich selbst mein Berufspraktikum, im Zuge meines Bachelorstudiums der Sozialen Arbeit in Wien, in Uganda absolvierte und dort erstmals bewusst mit White Saviorism in Kontakt kam. Dabei beschäftigte es mich sehr, wie es als Weiße Person möglich ist, einen richtigen Umgang in einer Organisation von People of Color1 einzunehmen. Da ich in der Organisation schnell in Funktionen hineingeriet, die hohe Verantwortung erforderten und eigentlich nicht meiner Position entsprachen, wurde mir die Gefahr bewusst, als Weiße Person eine Rolle einzunehmen, die mich gegenüber meinen Schwarzen Kolleg*innen hierarchisch höherstellt und mir die Funktion einer „Weißen Retterin“ zuweist.

Dieser Artikel hat zum Ziel, die Aktualität von White Saviorism allgemein sowie explizit in der Soziale Arbeit aufzuzeigen. Um diesem Ziel gerecht zu werden, wird White Saviorism im ersten Teil definiert und daran anschließend im zweiten Teil innerhalb der Sozialen Arbeit erörtert. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklungszusammenarbeit. Im dritten Teil soll es schließlich um Möglichkeiten der Sozialen Arbeit gehen, Savior-Rollen abzugeben und antirassistisch und antidiskriminierend zu arbeiten.

Die Begriffe „Weiß“ und „Schwarz“ werden im Folgenden großgeschrieben, um auf deren soziale Konstruktion hinzuweisen. Dies soll darauf aufmerksam machen, dass es sich um keinerlei biologische Merkmale handelt.2


2. Was ist White Saviorism?

2012 wurde erstmals der Begriff White Savior Industrial Complex (WSIC) von dem nigerianisch-amerikanischen Autor Teju Cole als Reaktion auf das Youtube-Video Kony 20123 eingeführt (vgl. Aronson 2017: 36). Der Begriff sollte dazu dienen, Machtverhältnisse aufzudecken sowie darzustellen, wie privilegierte Menschen des Globalen Nordens Ländern des Globalen Südens ihre Vorstellungen aufzwingen wollen (vgl. Schneider 2015: 9). In dem Video (Russell 2012), das unter der Regie von Jason Russell, einem Weißen US-Amerikaner, mit Unterstützung der NGO Invisible Children erstellt wurde, steht der Kriegsherr Joseph Kony im Fokus. Offizielles Ziel des Films war es, Aufmerksamkeit für Joseph Kony, der die Rebellengruppe LRA (Lord's Resistance Army) führte, zu erregen, diesen einzusperren sowie das Leiden der Opfer zu reduzieren. Kony wird als das wahre Böse identifiziert, das beseitigt werden muss (vgl. Aronson 2017: 36, Bex et al. 2016: 32–34). Darauf reagierte Teju Cole mit sieben Statements via Twitter. Er weist darauf hin, dass Kony 2012 die historischen Komplexitäten nicht beachtet und es sich vielmehr um eine Weiße Rettungsaktion handelt. Diese dient primär den vermeintlichen Helfern*innen und weniger den anderen Beteiligten (vgl. Cole 2012). „The white savior industrial complex is not about justice. It is about having a big emotional experience that validates privilege.” (Cole 2012) Bei genauerer Analyse des Videos durch Bex und Craps stellt sich heraus, dass durch die spezifische Darstellung und den Fokus auf Jason Russell der*die Betrachter*in dazu verleitet wird, mehr Empathie für diesen anstatt für die Opfer der LRA zu empfinden, da hauptsächlich über dessen Leben berichtet wird. Zusätzlich steht Russell mit seinen Emotionen im Vordergrund und er erzählt die Geschichte eines im Film vorkommenden Hauptopfers aus seiner Perspektive, was Coles These bestätigt (vgl. Bex et al. 2016: 33–37). Weitere Analysen, Aspekte und Folgen des Videos können beispielsweise der Dokumentation Operation Kony – US-Beutezug in Afrika4 entnommen werden, die höchste Aktualität aufweist (vgl. Renaud 2019).

Zusätzlich charakterisiert Cole WSIC dadurch, dass sich White Saviors Bestätigung von außen erhoffen sowie den Drang haben, einen Unterschied im Leben von ärmeren und „bedauernswerten“ Individuen erzielt zu haben (vgl. Aronson 2017: 37). „A nobody from America or Europe can go to Africa and become a godlike savior or, at the very least, have his or her emotional needs satisfied.” (Cole 2012) Wenn vom WSIC gesprochen wird, geschieht dies oft im Zusammenhang mit afrikanischen Ländern (vgl. Aronson 2017: 36–38, Cole 2012, Manji 2015: 15), jedoch ist der WSIC auch auf weitere Länder des Globalen Südens übertragbar.

Coles Begriff von WSIC verweist auf den Begriff „Military Industrial Complex“, der auf die anhaltende Erhöhung von Verteidigungsausgaben hinweist, was durch Lobbyarbeit von Rüstungsunternehmen, Militär sowie weiteren politischen Akteuren*innen möglich gemacht wird. Im Zusammenhang mit WSIC will Cole darauf hindeuten, dass sich karitative Organisationen wie Kony 2012 durch vergleichbare Strategien selbst erhalten (vgl. Bex et al. 2016: 45). Dies beschreibt er durch seine Aussage, dass WSIC „the fastest growth industry in the world“ (Cole 2012) ist.

In anderen Artikeln wird von White Savior Complex (WSC) oder White Saviorism (WS) gesprochen – Begriffe, die sich inhaltlich mit dem WSIC überschneiden. Beispielsweise definiert Straubhaar den White Savior Complex als Komplex von Weißen Personen, den „armen unterdrückten Personen“ im Globalen Süden aufzuhelfen (vgl. Straubhaar 2015: 384). In einem Artikel von Sondel, Kretchmar und Dunn wird WS als Form von White Supremacy5 definiert (vgl. Sondel et al. 2019: 7). Laut den Autorinnen handelt es sich bei WS um eine Ideologie, die in verschiedenen Bereichen wie Medien, Bildung, politischen und sozialen Diskursen sichtbar wird (vgl. Sondel et al. 2019: 7). Die meisten Autoren*innen nehmen jedoch Bezug auf Teju Cole, der den Diskurs rund um White Saviorism 2012 geprägt hat (vgl. Schneider 2015: 9, Sondel et al. 2019: 7, Straubhaar 2015: 384).

Zudem wird der Begriff White Savior häufig in der Filmindustrie verwendet. Filme werden dieser Kategorie dann zugeordnet, wenn sich die Handlung am WSIC orientiert. Der Fokus liegt auf dem Bemühen eines White Saviors, die nicht Weißen Charaktere zu retten (vgl. Hughey 2012: 752). Typischerweise wird dabei von einer Schwarzen Person ausgegangen (vgl. Murphy et al. 2018: 50), jedoch kann es sich auch um „non-White characters of other racial groups“ (Murphy et al. 2018: 50) handeln. Dabei werden Rollen reproduziert:

“The white savior syndrome has the tendency to render people of color incapable of helping themselves – infantile or hapless/helpless victims who survive by instinct. […] Any progress or success tends to result from the succor of the white individual, which suggests that escaping poverty or ignorance happens only through the savior’s intelligence.” (Cammarota 2011: 244)

Somit wird vermittelt, dass People of Color nicht in der Lage sind, selbstständig Erfolge zu erzielen, was folglich zu einer Unterschätzung des Potenzials von People of Color führt (vgl. Cammarota 2011: 245). Oft wird dieser Prozess durch die Filmhandlung und das Entstehen von interrassischen Freundschaften verschleiert und somit von Betrachtenden als positiv und anti-rassistisch wahrgenommen (vgl. Hughey 2012: 751). Durch diese vermeintlich positive Geschichte, in der People of Color sozial aufsteigen, werden strukturelle Gewalt sowie rassistische Darstellungen zugelassen (vgl. Hughey 2010: 479). Dadurch wird eine post-racial6 Gesellschaft angepriesen und Rassismus romantisiert (vgl. Hughey 2010: 475, Murphy et al. 2018: 49).

Ash charakterisiert das WS-Format als Träger von systemischer Ungleichheit, das von colorblindness7 geprägt ist. Unter colorblindness versteht der Autor eine Ideologie, die von der Gleichheit aller Menschen unabhängig ihrer Hautfarbe ausgeht (vgl. Ash 2015: 88f.). In den Filmen wird somit der Eindruck vermittelt, dass alle Personen unabhängig von ihrer Race8 und anderen Klassifizierungen in einer von sozialen Ungleichheiten geprägten Welt gleich bewertet werden, was jedoch bei genauerer Betrachtung nicht zutrifft (vgl. Sayed 2019: 248). Die Unsichtbarkeit von Race und folglich auch Rassismus wurde seit längerer Zeit von Kulturkritiker*innen als Abwehrmechanismus bzw. innerer Widerstand erkannt (vgl. Sayed 2019: 90). Die Ursache von Ungleichheit wird in den persönlichen Fehlern von Einzelpersonen gesucht und das Thema Race verschwindet von der Bildfläche (vgl. Ash 2015: 88, Hughey 2010: 475–477). “Success among whites in comparison to minority groups is a result of individual determination, a strong work ethic, high moral values, and educational investment, rather than a systematic privilege enjoyed by Whites.” (Ash 2015: 88) Dabei werden soziale und ökonomische Faktoren wie Herkunft, Bildung, Arbeitsmöglichkeiten, Lohn und Diskriminierung außer Acht gelassen (vgl. Cammarota 2011: 247f.). Beispielsweise werden in White Savior-Filmen die Probleme von People of Color auf ihr eigenes Fehlverhalten oder ihre schlechten Entscheidungen zurückgeführt (vgl. Sayed 2019: 260). In weiterer Folge ermöglicht dies die Erhaltung rassistischer Praktiken sowie White Supremacy (vgl. Sayed 2019: 91–94).


3. White Saviorism in der Sozialen Arbeit am Beispiel von Entwicklungszusammenarbeit

Inwieweit ist nun die Soziale Arbeit von WS betroffen bzw. was bedeutet dies für sie?

Ausgehend von der ursprünglichen Definition von WS ist vor allem der internationale Bereich der Sozialen Arbeit sowie die Entwicklungszusammenarbeit betroffen, auf die nun als Erste eingegangen werden soll. Bei Ausweitung der Definition ist jedoch klar, dass die Problematik alle Handlungsfelder und Sozialarbeiter*innen umfasst, was im zweiten Teil diskutiert werden soll.

In der Entwicklungspolitik sind teilweise fragliche Motive zu erkennen, die definitiv einige Merkmale von WS beinhalten. In dem hierfür relevanten Buch von Easterly The White Man’s Burden: Why the west efforts to aid the rest have done so much ill and so little good) wird auf Rudyard Kipling verwiesen, der mit seinem Gedicht „The White Man’s Burden“ Ende des 19. Jahrhunderts für Aufruhr sorgte (vgl. Schlup et al. 2006: 347). Dessen Hauptgedanke lässt sich wie folgt erläutern: „Die Bürde des weißen Mannes ist die Folge des selbstgefälligen Wunschdenkens des Westens, dass ‚wir‘ die Auserwählten seien, die den Rest der Welt retten müssen.“ (Easterly 2006: 32) Moore schreibt im Jahre 1968, dass Kipling mit dem Begriff „Weißer Mann“ „a man of right feeling and civilized moral standards, whatever his colour“ (Moore 1968: 51) verstanden hat. Fakt ist, dass viele Passagen des Gedichts, beispielsweise „half devil and half child“ (vgl. Schlup et al. 2006: 348), problematisch sind und als rassistisch interpretiert werden können. Das Gedicht blieb vor allem bis zum Ende des Ersten Weltkrieges aktuell (vgl. Moore 1968: 13), jedoch lassen sich teilweise bis heute noch Ähnlichkeiten in der Entwicklungszusammenarbeit erkennen. Beispielsweise blieb die dualistische Struktur des Kolonialismus bis heute erhalten, es wurden lediglich Begriffe ausgetauscht: zivilisiert/unzivilisiert wurde von entwickelt/unentwickelt abgelöst, wobei heute von Globalem Norden und Süden gesprochen wird (vgl. Ziai 2013: 17). „Bestehen bleibt demnach die Vorstellung, dass Gesellschaften in überlegene und unterlegene eingeteilt werden können, und wie im kolonialen Diskurs dient das Eigene als ideale Norm.“ (Ziai 2013: 17) Dabei wird unterschlagen, dass Probleme des Globalen Südens „durchaus mit der Außenwirtschaftspolitik des Nordens, mit dessen Unterstützung diktatorischer oder korrupter Regime und mit der Eingliederung in eine ungleiche internationale Arbeitsteilung zusammenhängen“ (Ziai 2013: 17). Des Weiteren werden gesellschaftliche Probleme wie Rassismus, sexuelle Gewalt, Umweltzerstörung sowie hohe Suizidraten, die im Globalen Norden vorherrschen und die dessen Überlegenheit in Frage stellen, verschwiegen (vgl. Ziai 2013: 17).

An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass in dem vorliegenden Artikel die entwicklungstheoretische Perspektive des Post-Development Ansatz eingenommen wird. Dieser ist interessiert an Alternativen zu dem Konzept 'Entwicklung', da dieses aufgrund von „eurozentrischen, entpolitisierenden und autoritären Implikationen“ (Ziai 2014: 115) entschieden abgelehnt wird. Vertreter*innen des Ansatzes fordern die Abschaffung des Begriffs, da dieser weder in der Entwicklungstheorie noch in der Entwicklungspolitik notwendig und präzisere, weniger fragwürdige Alternativen vorhanden seien (vgl. Ziai 2014: 112–115).

Das Prinzip der Entwicklungshilfe basiert auf einer Unterstützung des Globalen Nordens zu Gunsten der Entwicklung des Globalen Südens. Die postkoloniale Kritik geht davon aus, dass Defizite des Globalen Südens heute durch „Entwicklung“ anstatt wie früher durch „Zivilisation“ kompensiert werden sollen (vgl. Ziai 2013: 17). „Auf der Seite der Geberländer werden von außen eingebrachte Zielvorstellungen und die Pflege internationaler Abhängigkeiten sowie Ungleichheiten artikuliert.“ (Gad 2014: 80) Dabei wird ein Komplex erschaffen, bei dem die Bevölkerung von Ländern des Globalen Nordens das Gefühl hat, benachteiligte Länder „retten“ zu müssen, da diese ohne deren Unterstützung und Expertenwissen nicht aufsteigen könnten. Laut Easterly zeigen mehrere Beispiele, diese These auflösend, dass Länder des Globalen Südens ohne Hilfe von außen erhebliche Fortschritte machen (vgl. Easterly 2006: 36f.): „Viele der jüngsten Erfolgsstorys spielen sich in Ländern ab, die nur wenig Entwicklungshilfe bekamen und auch nicht sehr lange an IWF-Programmen teilnahmen.“ (Easterly 2006: 320) Der Begründer des auch in der Sozialen Arbeit als vielversprechenden Ansatz diskutierten Capability Approaches, Amartya Sen, kritisiert die nur begrenzte Kausalität bzw. Korrelation von den zwei Faktoren Entwicklungshilfe und wirtschaftlicher Performance in Easterlys Argumentation (vgl. Sen 2006: 174).

Wie auch bei WS untergräbt Entwicklungszusammenarbeit oft die Eigeninitiative, Eigenverantwortung und Partizipation der lokalen Bevölkerung, die folglich in einer abwartenden Position verbleibt (vgl. Gad 2014: 81). Denn „auch erfolgreiche Entwicklungsprojekte vermitteln den Betroffenen […], Teil einer rückständigen Kultur zu sein.“ (Ziai 2013: 18) Auch die Soziale Arbeit in Ländern des Globalen Südens ist häufig an Konzepte des Globalen Nordens gebunden, was vor allem die lokale Bevölkerung und deren Problematiken unzureichend adressiert: „These imported models neither provide sufficient responses to contemporary challenges in society nor do they effectively meet the sociocultural realities in these contexts.“ (Spitzer 2019: 571) Generell kann gesagt werden, dass der Wissensaustausch in der Entwicklungszusammenarbeit von Norden nach Süden und mehrheitlich von Weißen zu Nicht-Weißen Personen verläuft (vgl. Ziai 2013: 18).

Eine weitere Parallele zu WS stellt die Motivation von Geberländern dar. Der kenianische Wirtschaftswissenschaftler James Shikwati, den auch Gads erwähnt, sieht Eigeninteresse als Hauptmotiv. Die sozial motivierten Gründe seien für viele dabei zweitrangig (vgl. Gad 2014: 81). „Zugleich unterstellt er den westlichen Entwicklungsorganisationen […] das Bild des hilfsbedürftigen und leidenden Afrikas zu pflegen, um den Bestand der eigenen Aktivitäten zu sichern.“ (Gad 2014: 82) In Bezug darauf meint Manji: „For saviours to exist, there must be those in need of saving – saviours require victims – and turning other humans into victims is therefore a fundamental requirement of a saviour complex.” (Manji 2015: 15) Es werden folglich Bilder von Ländern kreiert, die gerettet werden müssen, da sie selbst anscheinend nicht in der Lage dazu sind (vgl. Aronson 2017: 36). Dies beinhaltet oft beleidigende Abbilder der Länder des Globalen Südens (vgl. Schneider 2015: 9), die durch negative Zuschreibungen und verbreitete Bilder von Armut entstehen (vgl. Manji 2015: 14f.). „This mindset perpetuates the need for external forces to come in and save the day, but what gets left out of this conversation are the roles settler colonialism and white supremacy have had in creating these conditions in the first place.” (Aronson 2017: 36f.)

Damit sich der White Savior Complex auch in der Entwicklungszusammenarbeit allmählich löst, schlagt Manji Folgendes vor:

“Saviours cannot thrive where a people retake control of their destinies, assert their dignity and humanity, create the structures for self-determination, organize to make collective decisions, take pride in their own cultures, and seek neither aid nor charity.” (Manji 2015: 15)

Es ist unklar, ob die Länder des Globalen Südens ohne jegliche Unterstützung soziale Problematiken beseitigen können. Meiner Ansicht nach sollte der Globale Norden, der die aktuelle Lage des Globalen Südens durch den Kolonialismus erschaffen hat, zur Verantwortung gezogen werden und Entschädigungszahlungen leisten. Ansonsten bedarf es fairer Handelsverträge und des Endes der Ausbeutung des Globalen Südens in Bezug auf dessen Rohstoffe. Jedoch benötigt der Globale Süden keine paternalistische Entwicklungshilfe oder WSIC.

Bei weiterer Betrachtung ist die Thematik jedoch auch für Weiße Sozialarbeiter*innen in der Arbeit mit People of Color im Globalen Norden elementar. Sie betrifft somit jegliche Bereiche der Sozialen Arbeit, in denen mit Klienten*innen of Color gearbeitet wird. Primär ist dabei das Arbeitsfeld Migration zu nennen, sekundär fließt es allerdings in sämtliche Handlungsfelder ein. Nochmals eine Ebene weitergedacht, kann der WSIC auf ganze soziale Schichten sowie alle marginalisierten Personen übertragen werden. Dabei geht es um die Gemeinsamkeit einer Überlegenheit des*der Sozialarbeiters*in, die genutzt wird, um in erster Linie dessen*deren emotionaler Befriedigung zu dienen, und nur sekundär den Klienten*innen weiter hilft. Deshalb sollte reflektiert werden, was die Motivation von Sozialarbeiter*innen ist, diesen Beruf auszuüben. Wenn die Aufwertung des eigenen Selbstbildes sowie die Selbstdarstellung im Vordergrund stehen, sind Savior-Positionen vorhersehbar, da nicht der*die Klient*in mit seinen*ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt steht, sondern der*die Sozialarbeiter*in selbst. Ein anderes vorstellbares Motiv innerhalb der Sozialen Arbeit, White Saviorism zu betreiben, ist die Kompensation von Schuld aufgrund eigener Privilegien sowie der Wunsch nach Beseitigung von Ungerechtigkeiten. Auch diese Muster sollten hinterfragt und aufgedeckt werden.

Doch auch abgesehen vom persönlichen Zugang ist eine Profession, die sich als Menschenrechtsprofession (vgl. Staub-Bernasconi 2007: 20–31) versteht, der Gefahr ausgesetzt, unter dem Vorwand des „Helfens“ gegebene Machtverhältnisse ohne kritische Überprüfung zu reproduzieren. Eventuell ist Soziale Arbeit gerade deshalb, weil „Helfen“ bzw. „Unterstützen“ eine zentrale Aufgabe darstellt, mehr wie andere Professionen gefährdet, unkritisch tätig zu werden. Es bedarf folglich einer konstanten Hinterfragung, ob Klienten*innen eine „spezielle“ Behandlung erfahren und in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden, da der*die Weiße Sozialarbeiter*in sie „retten“ will.


4. Umgangsweisen mit White Saviorism

Es stellt sich nun im Folgenden die Frage, wie adäquat mit White Saviorism vor allem in der Sozialen Arbeit, jedoch auch das einzelne Individuum betreffend, umzugehen ist. Die dargestellten Handlungsstrategien werden ausgehend von den Critical Whiteness Studies9 (CWS) formuliert.


4.1 Whiteness hinterfragen

Um Rassismus sowie White Saviorism verringern zu können, wird eine aktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Weißsein benötigt. “Without centralizing an analysis of our own Whiteness, we risk falling back on the endemic narratives of anti-Black racism, White saviorism, and colorblind racism.” (Sondel et al. 2019: 24)

Unter Weißsein wird heute ein gesellschaftliches Konstrukt verstanden, das eng mit Privilegien, Macht, Dominanzpositionen sowie Normen zusammenhängt. Als Zuschreibung, im Gegensatz zu tatsächlichen Eigenschaften, gilt, dass lediglich People of Color einer Race zugeordnet werden, Weißsein hingegen als mächtige Norm angesehen wird und eine unsichtbare Kategorie darstellt (vgl. Sayed 2019: 67–77). „Die Normsetzung zeigt sich nicht nur in der Unmarkiertheit der Kategorie Weißsein, sondern auch in ihrer bewussten Überhöhung bei gleichzeitiger Herabsetzung der Kategorie Schwarzsein.“ (Röggla 2012: 60) Weißsein ermöglicht darüber hinaus, andere Kategorien zu bilden, um Menschen einzuordnen, ohne selbst einer zuzugehören (vgl. Röggla 2012: 65). Um diese vermeintliche Neutralität aufzulösen, ist es ein Anliegen der CWS, Weißsein zu markieren (vgl. Röggla 2012: 30). Laut Tißberger kann erst durch die Wahrnehmung von Weißsein als eigene Markierung „ein Bewusstsein dafür und damit die Voraussetzung für Handlungsfähigkeit“ (Tißberger 2017: 92) entstehen.

Es besteht jedoch die Gefahr, dass wiederholt Weiße Perspektiven als Hauptbezugspunkt betrachtet werden und Machtverhältnisse „basierend auf der Zuschreibung von Hautfarbe“ (Röggla 2012: 33) reproduziert werden. Wenn jedoch nicht über eigene Vorteile und Machtpositionen reflektiert wird, begünstigt dies rassistische Konstrukte und Ungleichheiten (vgl. Sayed 2019: 79-81). Folglich muss vorsichtig damit umgegangen werden und „statt der Selbstermächtigung durch einen aufwertenden Gebrauch muss die Zielsetzung der Verwendung des Begriffs Weißsein darin liegen, diese Position zu unterminimieren, Macht gegen sie zu wenden und sie dadurch zu schwächen.“ (Röggla 2012: 34) McIntosh, eine Weiße Feministin, die Teil der Frauenbewegung war (vgl. Amesberger et al. 2008: 74), äußert sich dazu folgendermaßen: „As a white person, I realized I had been taught about racism as something which puts others on disadvantage, but had been taught not to see one of its corollary aspects, white privilege, which puts me at an advantage.“ (McIntosh 1989: 358) Nun stellt sich die Frage, welche Privilegien Weiße Personen gegenüber People of Color haben. Laut der Autorin haben Weiße Personen erlernt, ihre Privilegien zu übersehen. Deshalb erstellte sie mehrere Listen mit Privilegien, die sie im Alltag durch ihr Weißsein besitzt, die People of Color oft nicht genießen (vgl. McIntosh 1989: 358–359, McIntosh 1988: 76–78). 
Darunter auch folgende:

“I can do well in a challenging situation without being called a credit to my race.
I am never asked to speak for all the people of my racial group.” (McIntosh 1989: 359)
“I can be late to a meeting without having the lateness reflect on my race.
I can worry about racism without being seen as self-interested or self-seeking.” (McIntosh 1988: 77)

Das letzte Beispiel verdeutlicht, dass People of Color von Rassismus betroffen sind und keine Wahl haben zu entscheiden, ob sie sich damit auseinandersetzen wollen. Weiße Personen hingegen können Rassismus wahrnehmen, aber sich auch stillschweigend von ihm bereichern lassen und der Auseinandersetzung entgehen (vgl. Tißberger 2017: 102). „Erst im Vergleich, also in der Erkenntnis, dass diese Erfahrungen für Nicht-Weiße keineswegs selbstverständlich sind, wird offensichtlich, dass es sich dabei um Privilegien handelt.“ (Röggla 2012: 64) Nach McIntosh kann erst das Anerkennen und Realisieren der weitläufigen Dimensionen von White Privilege zu einer Verhaltens- bzw. Systemänderung führen (vgl. McIntosh 1989: 359–361). In Bezug auf WS bedeutet dies, dass Weiße Sozialarbeiter*innen sich mit ihrem Weißsein und damit verbunden Machtposition auseinandersetzen müssen, um anschließend Savior-Positionen verlassen zu können.


4.2 Unlearning White Privilege

White Privilege weist mehrere Ebenen auf, die unterschieden werden müssen: „Ausgehend von internalisierten Selbstwertgefühlen wirkt sich White Privilege auf interpersonaler Ebene aus und macht sich sowohl auf struktureller und institutioneller Ebene von Machtstrukturen bemerkbar.“ (Sayed 2019: 75) Nora Sternfeld beschreibt in ihrem Artikel “Der langsame und zähe Prozess des Verlernens immer schon gewusster Machtverhältnisse”, dass Menschen in einer hegemonialen Gesellschaft Machtverhältnisse sowie Klassenunterschiede, beispielsweise Race, erlernen. Sie argumentiert, dass Machtverhältnisse konstruiert sind und somit auch verändert werden können. Damit dies gelingt, muss Erlerntes verlernt werden – ein Prozess, den sie mit Gayatri Spivaks Begriff des Unlearning adressiert. Im Gegensatz zur Reflexion reicht es bei Unlearning nicht aus, bloß Logiken zu erkennen. Vielmehr soll ein Kampf gegen epistemische gesellschaftliche Denkweisen sowie deren Verschiebung erzielt werden (vgl. Sternfeld 2017).

„Es handelt sich eben nicht nur um Ideologiekritik, vielmehr geht es um eine Auseinandersetzung mit dem langsamen – manchmal mühsamen und schmerzhaften, manchmal aufregend-lustvollen – Prozess der Überschreitung und des Abarbeitens der antrainierten Sicherheiten, die die Machtverhältnisse tradieren.“ (Sternfeld 2017)

Dies deckt sich auch mit Ansätzen der Critical Whiteness Studies, die vorschlagen, Weißsein zu verlernen, abzulegen und aufzulösen (vgl. Amesberger et al. 2008: 116). „Ausstieg aus Whiteness, kann nur durch wiederholte Akte des Verrats erreicht werden, indem man Institutionen und Autoritäten der Macht herausfordert oder sich mit denjenigen, die nicht rassistisch privilegiert sind, identifiziert.“ (Röggla 2012: 119) Oft werden hier jedoch strukturelle Dimensionen außer Acht gelassen (vgl. Amesberger et al. 2008: 117) und konkrete Handlungsanweisungen fehlen (vgl. Röggla 2012: 117–119). Für die Soziale Arbeit bedeutet dies folglich, dass in sozialen Organisationen Themen wie White Saviorism und White Privilege mehr Beachtung finden müssen. Dies könnte beispielsweise durch Schulungen und Workshops passieren. Es bedarf der Sensibilisierung von Weißen Sozialarbeiter*innen für diese Thematiken, um folglich überhaupt ein Unlearning von White Privilege zu erzielen.


4.3 Mehr Intoleranz im Alltag

Die Autorin Noah Sow macht darauf aufmerksam, dass Rassismus nicht toleriert oder geduldet werden darf. Es soll vielmehr Intoleranz gegenüber rassistischen Handlungen herrschen (vgl. Sow 2009: 271). Dies lässt sich meiner Meinung nach auch auf White Saviorism ausbreiten: Wenn ein solches Handlungsmuster beobachtet wird, soll es benannt werden und aktiv dagegen vorgegangen werden. Dies betrifft auch scheinbare Kleinigkeiten, gut gemeinte Aktionen oder Zugänge von Menschen, die sich unbewusst in Helferpositionen versetzen. Des Weiteren sollte Kritik von People of Color an Weißen Handlungen uneingeschränkt ernst genommen werden. Um dies innerhalb der Sozialen Arbeit zu ermöglich, müssen Räume geschaffen werden, in denen eine offene Kommunikation und Kritik möglich sind. Gerade in der Sozialen Arbeit gibt es Tendenzen, Rassismus in Organisationen zu tabuisieren: ‚Soziale Arbeit ist doch schließlich nicht rassistisch!‘. Im Alltag sind jedoch immer wieder Rassismus und Savior-Positionen von Weißen Sozialarbeiter*innen ersichtlich, die nur mit einer offenen und kritikfähigen Haltung der einzelnen Personen beseitigt werden können. Ist dies nicht der Fall, führt die Konfrontation meistens zu Gegenangriffen oder Verleugnung.

Ein weiterer wichtiger Faktor, der Veränderungen herbeiführen kann, ist eine anti-diskriminierende Sprache. Sie impliziert einen sorgsamen Gebrauch, damit der Begriff Schwarz in keinem diskriminierenden Kontext verwendet wird und somit People of Color abwertet (‚schwarzes Schaf‘, ‚Schwarzfahren‘) (vgl. Sow 2009: 271–273). In Bezug auf den WSIC ist es bedeutsam, dass People of Color Gehör geschenkt wird. Dabei wäre es zielführend, People of Color selbst für sich sprechen zu lassen (vgl. NWS 2020), sodass die Bedeutung von Weißen Perspektiven, gerade in Bezug auf Communities of People of Color, abnimmt.

Katharina Röggla sowie Amesberger und Halbmayr verweisen darauf, dass Theorien alleine nicht ausreichen und es einen „politischen Widerstand gegen rassistische Herrschaftssysteme“ (Röggla 2012: 8) braucht, um Veränderungen zu erzielen (vgl. Amesberger et al. 2008: 118). Dazu äußert sich Carr folgendermaßen: „Political and educational decision-makers and leaders need to take indigenous decolonialization seriously […] to expose the structural ways in which White supremacy and privilege continue to exist.” (Carr 2017: 886) Wollen sich Sozialarbeiter*innen gegen bestehende Machtverhältnisse, Unterdrückungssysteme und Institutionen, welche White Privilege erhalten, wehren, so sind sie gefragt, eigene Privilegien und Ressourcen zu nutzen, um Klienten*innen zu ermächtigen und sie sprechen zu lassen.


5. Resümee

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei White Saviorism um ein Phänomen handelt, bei dem eine Weiße Person sich als helfende Instanz versteht und eine Person of Color ‚rettet‘. Oft wird es im Kontext mit einer Weißen Person des Globalen Nordens und einer Person of Color des Globalen Südens porträtiert. Meiner Meinung nach kann White Saviorism jedoch breiter gesehen werden und somit auch innerhalb des Globalen Nordens beobachtet werden. Somit betrifft es folglich die Soziale Arbeit in allen Bereichen wie Handlungsfeldern, und nicht nur im internationalen Diskurs. Hier ist vor allem darauf zu verweisen, dass in der Sozialen Arbeit immer eine Hierarchie besteht, da Sozialarbeiter*innen Privilegien zukommen, über die Klienten*innen nicht verfügen. Durch diese Grundbedingung der Sozialen Arbeit kann es unter anderem zu unreflektierten Hilfeprozessen kommen, bei denen die Bestätigung der*des Sozialarbeiter*in im Vordergrund und der Wille und die eigentlichen Bedürfnisse der Klienten*innen im Hintergrund stehen.

Hinzu kommt, dass die Soziale Arbeit aufgrund ihrer Beschaffenheit als Menschenrechtsprofession (vgl. Staub-Bernasconi 2007: 20–31) Gefahr läuft, leicht in White Savior-Prozesse einzusteigen. Dahinter stehen vermutlich oft gute Intentionen oder interne Coping-Strategien, um die eigene Privilegiertheit zu rechtfertigen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass rassistische und diskriminierende Handlungen ausgeführt und kolonialistische Muster reproduziert werden. In der machtasymmetrischen personalen Beziehung zwischen Sozialarbeiter*in und Klient*in bedarf es Reflexionsprozesse, um sich von White Saviorism zu lösen. Dafür bieten die Critical Whiteness Studies einen guten Ansatzpunkt, da Whiteness hinterfragt werden soll sowie folglich eigne Privilegien verlernt werden sollen. Dabei geht es um die Bewusstwerdung des eigenen, verinnerlichten, rassistischen Wissensarchivs und dessen Auswirkungen auf das eigene Denken, Handeln und Fühlen. Schließlich ermöglicht dies eine tatsächliche Begegnung auf Augenhöhe und eine Fokusverschiebung weg von den Kompetenzen und Stärken der des*der Sozialarbeiters*in hin zu jenen der Klienten*innen.

Dies ist jedoch kein einfacher Prozess. Vermutlich handelt es sich um einen notwendigen, lebenslangen Begleitprozess. Es ist an der Zeit, dass die Soziale Arbeit, die mehrheitlich aus Weißen Sozialarbeiter*innen besteht, sich mit White Saviorism befasst, eigene Privilegien aufdeckt und kritisch mit dem Privileg der eigenen Machtpositionen umgeht. Denn Weißsein impliziert, dass wir uns nicht mit rassistischer Diskriminierung auseinandersetzen müssen, wir sollten es aber, denn, um mit dem für diesen Artikel titelgebenden Zitat der Organisation No White Saviors zum Abschluss zu kommen: “If You’re Not Uncomfortable, You’re Not Listening.” (NWS 2020)


Verweise
1 People of Color ist ein Begriff, um Personen zu bezeichnen, die nicht der Weißen Mehrheitsbevölkerung angehören und demnach von Rassismus betroffen sind.
2 Oft wird Schwarz groß und Weiß klein bzw. kursiv geschrieben, da es sich lediglich bei Schwarz um eine politische Kategorie handelt. „Die Großschreibung von Schwarz sei Ausdruck bzw. Anerkennung des politischen Kampfes um Gleichberechtigung sowie von Widerständigkeit.“ (Amesberger et al. 2008: 11) Da Schwarz und Weiß jedoch nicht unabhängig voneinander bestehen und sich ihre Bedeutungsinhalte aufeinander beziehen, werden hier beide als politische Kategorien gesehen und folglich großgeschrieben.
3 http://www.youtube.com/watch?v=Y4MnpzG5Sqc
4 https://www.youtube.com/watch?v=wQUR_-TWvHU
5 „Unter diesem Begriff werden eine Reihe gesellschaftspolitischer Einstellungen, Systeme und Bewegungen subsumiert, die die Vorstellung vereint, dass Weißsein allen anderen Formen rassischer Kategorien überlegen sei.“ (Sayed 2019: 82)
6 Der Begriff Post-racial beschreibt eine Gesellschaft, in der Diskriminierung und Rassismus nicht mehr vorhanden sind (vgl. Sayed 2019: 7).
7 Trotz der fraglichen Verknüpfung mit Ableism soll der Begriff Colorblindness in der folgenden Arbeit bewusst verwendet werden, da er in zahlreichen Literaturquellen genannt wird und in diesem Diskurs eine wichtige Rolle einnimmt.
8 Aufgrund der negativen Behaftung des Ausdrucks ‚Rasse‘ habe ich mich dazu entschieden, den englischen Begriff Race zu verwenden. Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass es sich bei Race um ein soziales Konstrukt handelt und kein biologisches Merkmal (vgl. Dietze 2009: 224).
9 Die Critical Whiteness Studies entstanden durch Auseinandersetzung mit Rassismus und Feminismus in den USA (vgl. Tißberger 201: 85). Erste Ansätze waren bereits in der Zeit der Sklaverei erkennbar, in der Schwarze Personen mündlich Wissen über Weißsein austauschten. Spuren dieses angeeigneten Wissens wurden in Slave Narratives und ab dem 20. Jahrhundert in Form von Romanen und Theaterstücken sichtbar (vgl. Röggla 2012: 25–27). Ein weiterer wichtiger Schritt für die CWS wurde 1980 durch die Frauenbewegung erzielt, da Feministinnen of Color in politischen Auseinandersetzungen Weiße Feministinnen dazu aufforderten, die Kategorie Frau, die ausschließlich Weiß gedacht wurde, sowie ihr Weißsein zu hinterfragen (vgl. Dietze 2009: 222, Tißberger 2017: 87).


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Über die Autorin


Natalie Eller, BA
natalie.eller10@gmail.com

Kindergarten- Hort- Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin. Derzeit Absolvierung des Masterstudiengangs „Klinisch-therapeutische Soziale Arbeit“ in Aachen.
Arbeitsschwerpunkte befinden sich vor allem im klinischen und internationalen Bereich.