soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 25 (2021) / Rubrik „Sozialarbeitswissenschaft“ / Standort Wien
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/740/1366.pdf


Malgorzata D. Michling:

Anregung zur Qualifikationsentwicklung im Feld der australischen Wohnungslosenhilfe

Einblicke in den aktuellen Fachdiskurs und in eine Ersterhebung zu Qualifikationsbedarfen von Mitarbeiter*innen der Wohnungslosenhilfe in Townsville


1. Einleitung

Wohnungslosigkeit ist ein verbreitetes Phänomen in westlichen Industrienationen, aber der Kontext, in dem sie entsteht, lässt sie von Land zu Land in unterschiedlichen Variationen erscheinen. In Australien übernehmen die einzelnen Staaten die Verantwortung für die Versorgung der wohnungslosen Menschen. Obwohl das 1987 als gesetzliche Behörde des Commonwealth gegründete AIHW (Australian Institute of Health and Welfare) unter anderem über Obdachlosen- sowie Wohnungsbaudienste informiert, werden die Qualifikationsanforderungen der Mitarbeiter*innen in Unterkünften für Wohnungslose kaum erwähnt (AIHW 2020b: o.S.). Das Gleiche gilt für das australische Forschungsinstitut für Wohnungswesen und Stadtentwicklung AHURI (The Australian Housing and Urban Research Institute), das über 20 Jahre lang eine umfangreiche und informative Evidenzbasis sowie fortgeschrittene Wissensbestände über Wohnen, Wohnungslosigkeit und städtische Probleme aufgebaut hat, zu diesem Thema aber keine Hinweise liefert (AHURI, 2020: o.S.).

Es gibt eine breite internationale Literaturbasis zu Politik- und Dienstleistungsintegration der Obdachlosen, zur Vielfalt der Integrationsziele von Obdachlosen, den Wegen, auf denen diese Ziele verfolgt werden können, Umsetzungsproblemen und der Bewertung der Ergebnisse (vgl. Agranoff 1991: 533–42; Fine/Wood/MacKenzie/Spinney/Zaretzky/Valentine/Habibis 2005: 1–44; Jones/Philips/Milligan 2007: 1–58; Keast/Mandell/Brown 2007: 9–33; Konrad 1996:5–19). In Australien ist das Integrationsproblem geprägt vom Föderalismus und dem Drei-Ebenen-Regierungssystem (federal government, state governments, local governments) sowie der gewichtigen Rolle des kommunalen und privaten Sektors bei der Erbringung von Dienstleistungen (vgl. Jones/Philips/Milligan 2007, 8–9; Phillips 2010: 31–32).

Im Kontext der australischen Stadt Townsville gehören zu den Organisationen, die an der Politik und Versorgung von Wohnungslosen beteiligt sind, beispielsweise die australische Regierung, die Regierung von Queensland, das Townsville City Council, mehrere Behörden innerhalb der Landesregierung (Department of Communities, Queensland Health, Queensland, Polizeidienst usw.) und zahlreiche Gemeinschaftsorganisationen (z.B. Rotes Kreuz, Yumba-Meta Housing Association usw.) (vgl. Jones/Davis/James 2012: 19). Jedoch werden für die Erfüllung dieser Aufgaben gut qualifizierte Mitarbeiter*innen benötigt. Der Qualifizierungsbedarf für Mitarbeiter*innen in Notunterkünften ist dabei ersichtlich, aber noch nicht ausreichend erforscht. Die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse beziehen sich eher auf die Versorgung und Unterbringung der Wohnungslosen und weniger auf die Qualifizierung der Fachkräfte in Notunterkünften. Die australischen Forscher Spinney (2013), Mullen und Leginski (2010), Cripss (2013), Martin et al. (2012) und Perusco (2009) beziehen ihre Forschungsarbeit lediglich auf die Qualifizierung der Fachkräfte im Wohnungslosenhilfesystem allgemein und nehmen dabei keine weitere Differenzierung vor.

Vor diesem Hintergrund geht der vorliegende Beitrag der Frage nach: Welche Qualifikation wird vorausgesetzt, um als Sozialarbeiter*in mit Wohnungslosen in Notunterkünften in Townsville, Queensland/Australien, arbeiten zu können. Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden im Rahmen eines Feldforschungsprojekts an der James Cook University Townsville im Zeitraum vom 14.10.2019 bis zum 15.03.2020 insgesamt 19 leitfadengestützte Experteninterviews mit Mitarbeiter*innen in Notunterkünften (n = 13) und der Wohnungslosenhilfe (n = 6) durchgeführt. Auf Basis einer umfangreichen Literaturrecherche werden nachfolgend zunächst allgemeine Befunde zu Wohnungslosigkeit und den Unterstützungsstrukturen der Wohnungslosenhilfe in Townsville dargestellt, bevor spezifische Qualifikationsbedarfe aus den Experteninterviews mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse abgeleitet werden. Dabei handelt sich um eine explorative Ersterhebung, die in diesem Artikel behandelt wird. Zu Beginn werden drei Konzepte der Obdachlosigkeit bzw. Wohnungslosigkeit vorgestellt sowie die Wahl Townsville als Forschungsort begründet. Anschließend werden die Ersterhebungen in Townsville theoretisch und praktisch diskutiert. Die Übertragbarkeit der Forschung auf die österreichische Wohnungslosenhilfe wird zum Schluss reflektiert.


2. Verständnis der Obdachlosigkeit/Wohnungslosigkeit in Australien und in Townsville

In Australien werden drei verschiedene Konzepte von Wohnungslosigkeit1 differenziert. 1) Die primäre Obdachlosigkeit: Dazu gehören Personen ohne konventionelle Unterkunft. Dies betrifft Menschen, die auf der Straße leben, in Parks schlafen oder verlassene Gebäude, Autos und Eisenbahnwaggons als Notunterkünfte benutzen. 2) Die sekundäre Wohnungslosigkeit: Hierzu zählen Personen, die häufig zwischen verschiedenen Arten von Notunterkünften wechseln. Sie kommen z. B. bei Freunden, in Notunterkünften, in Hostels und in Pensionen unter. 3) Die tertiäre Wohnungslosigkeit: Diese betrifft Personen, die in Einzelzimmern in Privathäusern leben, ohne Amtsgewähr und/oder eigenes Bad und/oder eigene Küche (vgl. Chamberlain/MacKenzie 2008: 14–16).

Im Rahmen einer Volkszählung in Australien im Jahr 2016 wurden von insgesamt 25,8 Millionen Einwohner (vgl. Statista o. J.: o. S.) 116.427 Personen als obdachlos (primäre Obdachlosigkeit, sekundäre und tertiäre Wohnungslosigkeit) eingestuft. 2011 waren es noch 102.439 Personen (vgl. ABS 2018: o. S.; AIHW 2019: o. S.).

In der Praxis richteten sich die politischen Maßnahmen nach 2000 in Australien hauptsächlich gegen die primäre und in geringerem Maße gegen die sekundäre Wohnungslosigkeit. Jeder Staat des Landes trägt seine eigene Verantwortung für die Wohnungslosigkeit und bringt eigene Mittel für Unterkünfte, die Dienstleistung etc. auf (vgl. Carson/Kerr 2017: 250–251).

Townsville ist die größte regionale Stadt in Queensland mit einer geschätzten Bevölkerung von 185.768 Personen (Volkszählung vom 30. Juni 2010), was 4,1 % der Bevölkerung des Bundesstaates entspricht (vgl. Queensland Treasury 2012: o.S.). Die Bevölkerung der Stadt und der umliegenden Region wächst jährlich um 2,2 % und ist damit eine der am schnellsten wachsenden Gebietskörperschaften in Australien (vgl. Townsville City Council 2011a: 6). Dieses rapide Entwicklung ist zum Teil auf die Anwesenheit der australischen Streitkräfte zurückzuführen. Die Vergrößerung der Bergbauindustrie und die zunehmende Zahl von Studierenden an der James Cook University haben den Wohnungsmarkt vermehrt unter Druck gesetzt und die Verfügbarkeit von erschwinglichem Wohnraum wurde als kritisches Problem für die lokale Gemeinschaft identifiziert. Das Bevölkerungswachstum erfordert auch die verstärkte Bereitstellung von Dienstleistungen im Bereich der Gesundheit, Bildung, Familienunterstützung, kulturelle Freizeit- und öffentliche Sicherheitsdienste (vgl. Townsville City Council 2011a: 6). Der Anteil von Aborigines und Torres Strait Islanders beträgt im Gebiet der Stadtverwaltung Townsville 5,5 %, was im Vergleich mit 3,3 % im gesamten Queensland viel ist. 8.529 Personen in Townsville gaben 2006 an, Aborigines und/oder Torres Strait Islander zu sein. Die Zahl der in Townsville lebenden Aborigines und Inselbewohner wird durch die Nähe von Palm Island beeinflusst, das sich 65 Kilometer nordwestlich von Townsville befindet. Palm Island hat ungefähr 2.000 Einwohner, die überwiegend Aborigines und Inselbewohner sind (vgl. Townsville City Council 2011b: 5). Die Frage, wie das Problem der Obdachlosigkeit unter den Aborigines und Inselbewohnern angegangen werden kann, hat in Townsville eine lange Geschichte, die offenbar viele Aspekte der breiteren australischen politischen Debatte widerspiegelt (vgl. Memmott/Long/Chambers 2003). Dieses Problem besteht auf kommunaler Ebene in Townsville seit langem und seit 2002 wurde es auch als ein Problem der Regierung von Queensland in Zusammenarbeit mit lokalen Regierungsbehörden in Townsville aufgenommen. Im Januar 2003 führte das Queensland Department of Aboriginal und die Torres Strait Islander Policy eine umfassende Studie in Townsville durch. Es wurden zahlreiche Ursachen für Wohnungslosigkeit in Townsville ermittelt, darunter Alkohol- und Drogenmissbrauch, überfüllte Häuser, Zusammenbruch des Familienlebens und der Werte, mangelnde elterliche und individuelle Verantwortung, unfähige Großfamilien, Erosion der indigenen Kultur, mangelndes Bewusstsein für bezahlbare Unterkünfte und Unterkünfte im Inland, Gewalt, Arbeitslosigkeit, Gesundheitsprobleme wie psychische Erkrankungen, Räumung, körperliche oder Entwicklungsstörungen und Verlust sozialer Unterstützungsnetzwerke. Es wurden auch zwölf verschiedene Campingplätze in der Gegend von Townsville einbezogen (vgl. Memmott/Long/Chambers 2003: 5).


3. Arbeitsbedingungen und Qualifikationsdarstellung der Mitarbeiter*innen in Notunterkünften: Ist-Zustand

Dieser Forschungsbedarf ist auch von anderen Forscher*innen nicht unbemerkt geblieben. So forderten Mullen und Leginski (vgl. 2010: 101–110), die Aufmerksamkeit auf die Zusammensetzung der Arbeitskräfte im Bereich der Wohnungslosenhilfe zu richten und die Qualifikationsbedarfe gezielt zu ermitteln, um die Sozialarbeiter*innen zu unterstützen.

In jüngerer Zeit sind zwei detaillierte australische Untersuchungen zu Arbeitnehmer*innen im Wohnungslosensektor erschienen, die für die kontrastierende Einordnung der eigenen Untersuchungsergebnisse wichtig sind: einerseits Spinneys (2013) Workforce Training for the Homelessness Sector, das sich mit dem Wandel der Organisations- und Programmreformen für Wohnungslose befasst. Die Autorin untersucht in diesem Bericht die bestehenden Schulungs- und Ausbildungsmöglichkeiten in Victoria, New South Wales sowie Queensland und ermittelt die Anforderungen an den Sektor der Wohnungslosenhilfe. Spinneys (2013) Arbeit ist andererseits stark von einer Studie, die Martin et al. (2012) vorlegten, beeinflusst. In dieser wird das erste detaillierte Qualifikations- und Kompetenzprofil der australischen Mitarbeiter*innen im Wohnungslosensektor dokumentiert.

Dennoch ist zu konstatieren, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Qualifikation von Arbeitskräften im Bereich der Wohnungslosigkeit in Australien bislang unzureichend erfolgt. Eine Ursache hierfür wird darin gesehen, dass sich ein großer Teil der bestehenden australischen Wohnungslosenforschung auf die Entwicklung von Strategien zur Minimierung von Wohnungslosigkeit, die Messung von Zielen und Ergebnissen sowie das Verständnis der Ursachen von Wohnungslosigkeit konzentriert (vgl. Spinney 2013: 35).

Ziel dieser Studie in Townsville war es, die Ansichten und Erfahrungen der Teilnehmer*innen in Bezug auf ihre Qualifikationen zu untersuchen, die für eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Betreuung von Klient*innen in Wohnungslosenunterkünften erforderlich sind. Es ging dabei in erster Linie um eine initiale und explorative Erhebung zu diesem Thema. Mithilfe der Schneeballtechnik wurden die in der Wohnungslosenhilfe beschäftigten Interviewpartner*innen zunächst von der James Cook University Townsville vermittelt. Die Teilnahme am Interview war freiwillig. Die Interviews fanden in den diversen Einrichtungen, aber auch in einem Büro an der James Cook University statt, je nachdem, welchen Standort die Teilnehmer*innen bevorzugten. In der Feldforschungspraxis standen konkret die folgenden Fragen im Mittelpunkt der leitfadenstützten Interviews mit den 19 Expert*innen: Wie sind die gewünschten Qualifikationen zu erreichen und welche Maßnahmen müssen Mitarbeiter*innen, Notunterkünfte und Politik hierfür ergreifen? Wie verhalten sich die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen in Notunterkünften gegenüber dem vor Ort real Umsetzbaren? Welche Strategie ist in ihren eigenen Augen wirksam und angemessen? Wie kann mit neuen Herausforderungen wie z.B. der Selbstpflege und Work-Life-Balance umgegangen werden? Reicht der Schulungsbedarf aus, um (gesundheitliche und wirtschaftliche) Schäden zu verhindern, die durch die mangelnde Qualifikation der Mitarbeiter*innen in Notunterkünften entstehen könnten?

Die Mehrheit der interviewten Mitarbeiter*innen hat ein Bachelor Degree (B.A.). 89,5 % von ihnen haben einen universitären Abschluss (insgesamt Frauen und Männer). Dabei handelt es sich um Bachelor- und Master-Abschlüsse. Manche Mitarbeiter*innen haben mehrere Abschlüsse, ein Bachelor und Master Degree, ein Bachelor Degree und ein Diplom oder sogar alle drei. Nur eine weibliche Person hat keinen universitären Abschluss. Sieben weibliche Befragte haben ein Diplom. Weiterhin wurde festgestellt, dass sich die interviewten Expert*innen überwiegend im mittleren Alter befinden. Beim Personal überwiegt der Frauenanteil (insgesamt 78,9 %) Dennoch befinden sich laut eigenen Angaben 26,3 % der Befragten unabhängig vom Geschlecht in Managementfunktionen.


3.1 Bisherige professionelle Standards

Die initiale Erhebung des halbstrukturierten Leitfadeninterviews über professionelle Standards, Fähigkeiten, Kompetenzen und Herausforderungen heben die Unterscheidung zwischen funktionalen und extrafunktionalen Qualifikationsanforderungen hervor. Unter funktionalen Qualifikationsanforderungen werden arbeitsbezogene Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verstanden, die erforderlich sind, um spezifische Arbeitsaufgaben zu erfüllen. Extrafunktionale Qualifikationsanforderungen werden dagegen als (arbeitsplatz-)übergreifende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten definiert (vgl. Hammer/Sesink 2000: 125–129; Bohlinger 2008: 63f.).

Mit Blick auf die genannten funktionalen Qualifikationsanforderungen in den Interviews zeigt sich eine große Spannbreite an Wünschen in Bezug auf den Erwerb von Kenntnissen, auch jene über die üblichen Abläufe im Arbeitsprozess.

Ein großer Anteil an Mitarbeiter*innen mit einer akademischen Ausbildung verweist darauf, dass man in der Regel ein Universitätsstudium absolviert, bevor die Tätigkeitsaufnahme in den Notunterkünften aufgenommen wird. Allerdings ist dies in der Praxis nicht immer ein Studium der Sozialen Arbeit oder eines verwandten Feldes. Die befragten Experten*innen heben daher in den Interviews hervor, dass sie sich einen spezifischen Studiengang an den Universitäten wünschen, der beispielsweise unter der Bezeichnung Wohnungslosen-Management gezieltes Methodenwissen für die spätere Arbeit vermittelt. Ein solches Wissen ist aktuell eine organisatorische Voraussetzung, um einen solchen Expertenberuf ausüben zu können.

Trotz der akademischen Ausbildung vieler Mitarbeiter*innen werden die in Notunterkünften in Townsville Beschäftigten als Support Workers, Community Welfare Workers, Weekend/Relief Workers, Community Refuge Workers, Outreach Workers, Children Refuge Workers, Case Managers etc. bezeichnet. Die (pejorative) Bezeichnung als worker lässt viele kritisch anmerken, dass hierdurch die wissenschaftliche Fundierung des Berufs bewusst untergraben wird. Dementsprechend wünschen sich die Befragten ähnlich wie in der Kinder-, Jugend- und Familienintervention eine Anerkennung in Form eines Zertifikates, das ihre Qualifikationen auszeichnet. Dieses Zertifikat sollte dabei sowohl als Anerkennung der Leistung fungieren als auch Nachweis für mögliche Arbeitgeber über die bisherige Profilbildung dienen.


3.2 Berufliches Selbstverständnis: Qualifikationsbedarfe, Arbeitsbedingungen, Schlüsselkompetenzen, reflexive Professionalität/Weiterbildungswünsche

Werden die Mitarbeiter*innen der Wohnungslosenunterkünfte in Townsville gefragt, welche Qualifikationsbedarfe sie sehen, fallen die Antworten vielfältig aus: Generell ist feststellbar, dass Wünsche nach genereller Qualifizierung mit verschiedenen Schwerpunkten geäußert werden. Zu diesen gehören beispielsweise die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder die Kenntnisvermittlung mit Blick auf die Gewaltprävention. Des Weiteren wird der Wunsch nach einer externen Supervision geäußert und es wird die Wichtigkeit hervorgehoben, in einem multiprofessionellen Team zusammenarbeiten zu können.

Aus diesen breit diversifizierten Äußerungen konnten letztendlich drei Themenblöcke im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse extrahiert werden:

Arbeitsbedingungen: Viele Mitarbeiter*innen in Townsville formulierten den Wunsch nach mehr Wohlfühlaktivitäten in ihrem Arbeitsalltag, wozu beispielsweise Fitnessmöglichkeiten zählen. In diesem Zusammenhang soll auch ein verkürzter Arbeitstag für eine bessere Work-Life-Balance sorgen, wobei auch Vergleiche zu anderen Ländern gezogen wurden: „Probably […] part of a work life balance that is like some of those progressive countries like Denmark or Norway, for example where they have shorter working weeks, more holidays, but everybody there, you know, there’s still some of the most advanced, uhh, countries, you know.“ (eigene Erhebung)

Im Zusammenhang mit einem verkürzten Arbeitstag und einer besseren Work-Life-Balance wird auch der Wunsch geäußert, mehr Freiheit zugestanden zu bekommen, um auf diesem Weg mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit im Sinne einer Selbstfürsorge übernehmen zu können. Damit steht auch in Verbindung, dass sich die befragten Expert*innen mehr Angebot zur Burn-out-Prophylaxe wünsche beziehungsweise Weiterbildungsangebote, in denen Selbstmanagementkompetenzen vermittelt werden.


Schlüsselkompetenzen (Sozialkompetenz, Persönlichkeitskompetenz, Fachkompetenz, Methodenkompetenz): Weiters besteht ein Wunsch nach mehr Fairness, Kooperationsbereitschaft und Einfühlungsvermögen sowie mehr Toleranz unter den Kolleg*innen, was als eine gezielte Stärkung der Sozialkompetenzen unter den Mitarbeiter*innen in Townsville interpretiert werden kann. Der Bedarf nach solchen Kompetenzen wird vonseiten der Befragten gerade im Bereich der interorganisationalen Zusammenarbeit ausgemacht, wie der nachfolgende Interviewausschnitt verdeutlicht: „I need more tolerance when it comes to working with colleagues […] Yeah, tolerance. When it comes to working with other organizations. My own organizations and other organizations“. (eigene Erhebung) Eine solide Qualifizierung auf dieser sozial-interaktiven Basis kann sowohl zu einer besseren Betreuung der komplexen Klientel als auch zu einer Lobbybildung unter den Professionellen untereinander beitragen. Unter der inhaltlichen Kategorie wurden Organisationsfähigkeit, Abstraktes und vernetztes strategisches Denken sowie Innovation in Form von Methodenkompetenz festgehalten. Wie bereits anhand der interorganisationalen Zusammenarbeit deutlich wurde, schließt dies explizit Austauschmöglichkeiten mit anderen sozialen Einrichtungen ein, wobei auch der Wunsch nach mehr Arbeit in multi- und interdisziplinären Teams sowie bessere Arbeitsstrukturen artikuliert werden: „So I would like to see more intersectionality, more multidisciplinary we call it here.“ (eigene Erhebung).

Reflexive Professionalität/Weiterbildungswünsche: Bei der Interpretation der einzelnen dargestellten Kategorien sollte berücksichtigt werden, dass diese nicht immer ganz trennscharf sind, was unter anderem der Tatsache geschuldet ist, dass bei den diversen Interviewpartner*innen unterschiedlichste Unternehmenskulturen (Qualifikationsanforderungen, Fortbildungsmöglichkeiten, Hierarchiearten) vorherrschen. Zudem wurde keiner der Befragten zuvor je mit Fragen nach ihren Qualifikationen/Weiterbildungen/Fachwissen in Notunterkünften konfrontiert. Die hier präsentierte Forschung war eine völlig neue Erfahrung für die Befragten: Einerseits äußerte sich dies darin, dass die Befragten angaben, nie zuvor gezielt über Qualifikations- und Kompetenzprofile reflektiert zu haben – „I never think about my skills/competencies. I do my work automatically without thinking about my professional skills.“ (eigene Erhebung) – oder sie auch direkt äußerten, dass ihnen die Beantwortung der entsprechenden Fragen schwer fällt:„The specific questions about skills/qualifications/professionalization vs. deprofessionalization were very difficult for me.“ (eigene Erhebung)

Während der Artikulation von Weiterbildungswünschen wurde auch ein Studiengang angedacht, der direkt mit der Wohnungslosenversorgung verbunden wäre: „Yeah, of this job in shelters. When somebody created a university extra study for homeless people.“ (eigene Erhebung). Es wurden auch die minimalen Qualifikationsanforderungen für die Tätigkeit in Notunterkünften angesprochen: „The government has already announced the minimum qualification. I agree with them […]. The certificate four in child, youth and family intervention.“ (eigene Erhebung). Auch der Wunsch nach Ausbau der Case-Management-Tools wurde geäußert und zugleich die schlechte Bezahlung kritisiert, die eine Weiterqualifizierung an Universitäten unmöglich macht.


4. Einordnung der Ergebnisse der ersten explorativen Erhebung

Auch wenn es sich bei den inhaltlichen Befunden aus den Expert*inneninterviews um ein stark diversifiziertes Material handelt, soll nachfolgend versucht werden, dieses in die aktuelle Literatur zum Thema einzubetten. Dabei sind, wie bereits erwähnt wurde, insbesondere die Arbeiten von Martin et al. (2012) und Spinney (2013) für die Frage der (Weiter-)Qualifikation von Mitarbeiter*innen in Wohnungslosen-Notunterkünften maßgeblich. Bei der Feldforschung in Townsville handelt sich ausschließlich um eine deskriptive Ersterhebung, deren Ergebnis hier dargelegt wurde. Aufgrund dieses explorativen Charakters kann eine weitere Systematisierung oder die Darstellung von weiterführenden Schlussfolgerungen aktuell noch nicht stattfinden.

Die Befragten waren weiblich (78,9%) und hiervon hatten 78,9 % einen Universitätsabschluss, was sich mit den demografischen Befunden anderer Erhebungen deckt, denen zufolge im australischen Wohnungslosensektor mehr als drei Viertel (77 %) der Arbeitnehmer*innen und Manager*innen weiblich sind und etwa die Hälfte der Fälle einen akademischen Abschluss im Bereich der Sozialen Arbeit besitzt (vgl. Martin/Phillips/Xiang 2011: 49; Martin/Phillips/Xiang 2012). Der aktuelle Status quo der Ausbildungs- und Kompetenzsituation wird allgemein als schwierig bewertet. Mag die Arbeit in solchen Notunterkünften zwar spezifische Kompetenzen und Qualifikationen erfordern, verfügen die Mitarbeiter*innen im Wohnungslosensektor derzeit nicht unbedingt über diese, wodurch es des Öfteren zu einem Kompetenzkonflikt komme (vgl. Martin/ Phillips/Xiang 2012: 35). Martin leitet hieraus die Notwendigkeit einer Fokusverschiebung ab, die sich von ‘higher skills’ auf ‘new skills’ richten und auf die jeweilige Arbeitssituation in den Notunterkünften zugeschnitten sein müsste (vgl. Martin/ Phillips/Xiang. 2012, 37 und 42). Spinney (vgl. 2013: 26 und 31) stimmt dem zu und argumentiert, dass die entsprechenden Seminare zu selten Informationen über Obdachlosigkeit enthielten und dass das derzeitige Bildungs- und Ausbildungsangebot in New South Wales, Victoria und Queensland gravierende Mängel aufweise (vgl. Spinney 2013: 26 und 31).

Spinney benennt außerdem besondere Ausbildungslücken. Diese betreffen das Fallmanagement, die organisationsübergreifende Zusammenarbeit sowie „trauma, private rental brokerage, children’s homelessness issues, data collection, cultural competency, client with complex needs, transgender issues“ (Spinney 2013: 33 und 36). Diese Weiterbildungswünsche wurden teilweise auch in den Townsville-Interviews geäußert: Dort wird der Wunsch nach einem verständlicheren Training gegen häusliche Gewalt (Prävention gegen stellvertretende Traumatisierung in der Arbeit mit Klient*innen) sowie nach einer Aufwertung der interkulturellen Kompetenzen artikuliert. Gleichzeitig spiegelt die Vielzahl der von Spinney (vgl. 2013: 33 und 36) aufgeführten Kompetenzen auch die Vielfalt der Bedarfe aus den durchgeführten Experteninterviews wider.

Die australische Fachliteratur argumentiert ferner, dass Schulungen nicht nur allein auf den Wohnungslosensektor, sondern auch auf den Umgang mit einer sehr komplexen Klientel in einem dynamischen Umfeld ausgerichtet sein müssen (vgl. Martin/Phillips/Xiang 2012: 7; Spinney 2013: 16; Mullen/Leginski 2013: 101; Crips/Sue 2013: 40). Das heißt, dass Wohnungslosigkeit strukturell (Wohnungsversorgungsprobleme, Mietmarktbarrieren, Bevölkerungsveränderungen, Beschäftigungsniveau) bedingt und ihre Ursache zugleich verhaltensbezogen, gesundheitsbezogen und sozial verstanden werden muss. Wohnungslosendienste bieten eine breite Palette von Diensten an, um diese Vielfalt zu bewältigen: Öffentlichkeitsarbeit, Bildung, Beratung und finanzielle Unterstützung sowie mittelfristige und langfristige Unterbringung sind lediglich einige der Angebote im Rahmen der sozialen Hilfsstrukturen. Somit macht Spinney (vgl. 2013: 17) deutlich, dass effiziente Qualifizierung der Arbeitskräfte darauf abzielen müsse, den Obdachlosen auch Kenntnisse über das australische Wohlfahrtssystem und den Wohnungsmarkt (politische Aspekte) zu vermitteln. Auch das spiegelte sich in den geführten Interviews im Wunsch wider, die Mitarbeiter*innen besser hinsichtlich multi- und interdisziplinärer Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Entscheidungsträgern aus- und weiterzubilden.

Somit erschließt sich sowohl auf Basis der Interviews als auch angesichts der themenrelevanten Fachliteratur, dass ausgeprägte und vielfältige Weiterbildungsbedarfe bestehen. Jedoch stellt sich die Frage, wie dies praktisch umgesetzt werden kann. In diesem Zusammenhang kann – auch über Australien hinaus – festgestellt werden, dass sich der Beruf der Sozialen Arbeit etabliert hat, aber die Frage nach der Professionalität weiterhin im Raum steht (vgl. Müller 2002: 725). Das universitäre Hochschulstudium bildet Fachkräfte in diesem Berufsfeld aus und die Hochschulen konzentrieren sich dabei stark auf die berufliche Praxis. Zwar wird damit eine Grundlage für die Ausübung dieser Profession gelegt (vgl. Schumacher 2013: 26), aber es ist in Bezug auf die Wohnungslosenhilfe und die entsprechende Qualifizierung der Mitarbeiter*innen direkt in Notunterkünften bislang keine Schwerpunktsetzung möglich. Auch dies deckt sich mit den Befunden aus den Interviews, in denen ein Studiengang Wohnungslosen-Management gefordert wird.

Probleme ergeben sich aber nicht nur in der akademischen Ausbildung, sondern auch bei der Weiterqualifikation der Beschäftigten, wenn diese erst einmal in Notunterkünften arbeiten: So wird deutlich gemacht, dass die Qualifizierung der Mitarbeiter*innen im Bereich der Obdachlosenhilfe sowohl die Art der dienstleistenden Organisationen als auch das Profil des Personals berücksichtigen muss (vgl. Mullen/Leginski 2010: 101; Vindis 2009: 25). Zum Beispiel zeigen Martin et al. (vgl. 2012, 29) auf, dass die Mehrheit der Obdachlosenorganisationen, welche diese vielfältigen Dienstleistungen anbieten, kleine, gemeinnützige Organisationen sind und daher nur über begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen verfügen, um Mitarbeiter*innen an Schulungen teilnehmen zu lassen. Spinney (vgl. 2013: 32) fügt hinzu, dass ein erheblicher Teil der Dienstleistungen in regionalen Gebieten erbracht wird, was die berufliche Entwicklung zusätzlich vor Herausforderungen stellt. Gemeint ist damit insbesondere die schiere Größe des australischen Kontinents, der die Teilnahme an Veranstaltungen, die in einem anderen Staat oder Territorium stattfinden, oft verunmöglicht. Angesichts der geringen Größe der Organisationen und der geografischen Verteilung empfiehlt Spinney, dass die Weiterbildungskurse unterschiedliche Niveaus aufweisen sollten, z. B. durch eine Kombination aus TAFE und Universität, und diese sowohl als Fernunterricht als auch als Ausbildung am Arbeitsplatz und über flexible Formate angeboten werden müssten (vgl. Spinney 2013: 38). Auch die Mitarbeier*innen in Townsville bemängelten immer wieder, dass sie für die Teilnahme an passgenauen Qualifizierungskursen in eine andere Stadt hätten fliegen müssen und dafür aber leider keine finanziellen Mittel zur Verfügung stünden.

Anhand der Interviews kam noch ein weiteres Thema zu Sprache, das auf einen Zusammenhang über die reine (Weiter-)Qualifikation hinaus verweist: Vielfach wurden Wünsche nach ausgleichenden Sport- und Freizeitaktivitäten, einer besseren Work-Life-Balance sowie einem eigenverantwortlichen Gesundheitsmanagement genannt, die als Nachhaltigkeitsfaktoren einer langfristig qualitativen Arbeitsausübung identifiziert wurden.

Dass eine effektive Strategie zur Personalentwicklung weit mehr als eine Schulungsstrategie umfasst und als Prävention angesehen werden muss, ist ein wiederkehrendes Thema. Je besser eine Fachkraft ausgebildet ist, desto weniger Probleme gibt es bei der Basis-/Klient*innenarbeit beziehungsweise im gesamten Unternehmen. Professionalität erhöht die Selbstwirksamkeit der Arbeitnehmer*innen, wodurch sie zufriedener sind und sich die Effizienz einer Organisation steigert. Einer hohen Fluktuation der Mitarbeiter*innen in Notunterkünften und damit verbundenen Personalkosten wird auf diese Weise vorgebeugt. Das Image des Berufsbildes wird gefestigt. Dies wurde mittlerweile erkannt und Westbrook (vgl. 2009: 14–15) fordert eine ausgewogene Strategie in der Personalentwicklung, die nicht nur die Förderung individueller Fähigkeiten, sondern auch die Bedürfnisse von Organisationen berücksichtigt, hochwertige Arbeitskräfte zu entwickeln, anzuziehen und zu halten. Um einen robusteren Sektor zu entwickeln, schlägt die australische und internationale Literatur vor, die Löhne branchenweit zu erhöhen, um die Fähigkeiten und die an die Belegschaft gestellten Anforderungen auch im Gehalt widerzuspiegeln. Außerdem sollten Sicherheitsmaßnahmen für die Arbeitnehmer*innen berücksichtigt und Karrierewege festgelegt werden (vgl. Mullen/Leginski 2010; Martin/Phillips/Xiang 2011; Spinney 2013; Jukes 2008, 17; Vindis 2009: 16). Erwähnenswert ist hierbei, dass der Stellenwert dieser Jobprofile gering ist, obwohl 73,7 % der gesamten Mitarbeiter*innen in den Notunterkünften einen universitären Abschluss haben und nach der Stellenbezeichnung entlohnt werden (vgl. Glassdoor 2020: o. S.). Der artikulierte Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance führt offenbar trotz der relativ niedrigen Entlohnung dazu, dass viele Sozialarbeiter*innen sogenannte salary sacrifice arrangements eingehen. Damit sind Vereinbarungen mit den Arbeitgeber*innen gemeint, die bei Abtretung eines Anteils ihres Lohns den Arbeitnehmer*innen gewisse andere Freiheiten zusichern (Kinderbetreuung, Freizeitausgleich u. Ä.). Cortis und Blaxland bemerken dazu:

“Specialist Homelessness Services: SHS organizations reported that 66,3% of staff, on average, used salary sacrificing arrangements. This was much higher than across all community service organizations (53,6%). There was lower utilisation of salary sacrificing among SHS organizations operating in non-metropolitan areas (61,2%) compared with those operating in metropolitan areas (71,2%). The proportion of staff using salary sacrificing was also lower in smaller organizations.” (2017: 32)

In Tasmanien z.B. haben in den letzten drei bis vier Jahren eine Reihe von Spitzenunternehmen der Industrie eine Personalentwicklungsplanung implementiert. Diese bestehenden Pläne veranschaulichen eine Reihe möglicher Modelle zur Personalentwicklung, auf die der Obdachlosensektor zurückgreifen kann. Diese Pläne umfassen Themen wie Karrierewege und Führung, Einstellung und Bindung sowie Lohnbedingungen (vgl. Shelter Tasmanien 2015: o. S.).


5. Fazit für die Praxis Sozialer Arbeit

Es scheint unstrittig zu sein, dass die Arbeit in Wohnungslosennotunterkünften den dort beschäftigten Mitarbeiter*innen besondere Kompetenzen und Fähigkeiten abverlangt. Um welche es sich dabei im Einzelnen handelt, wurde mit der vorliegenden Studie auf Basis von 19 leitfadengestützten Experteninterviews herausgearbeitet. Sowohl die Befragten als auch die Wissenschaft sind sich einig, dass bedeutende Weiterbildungsbedarfe für die Beschäftigten existieren, auch wenn diese stark diversifiziert sind. Schwieriger gestaltet sich dagegen die Beantwortung der Frage, wie diese Qualifikationen in der Praxis zu erwerben sind. Die Ideen reichen von einer grundlegenden Ausbildungsreform (z.B. die Gründung eines eigenen Studiengangs Wohnungslosen-Management) über eine Flexibilisierung bestehender Fortbildungsmöglichkeiten. Auch wenn mit der vorliegenden Arbeit kein Beitrag zur praktischen Bewältigung dieser Probleme geleistet wurde, hilft er doch zu klären, welche Bedarfe die Mitarbeiter*innen von Notunterkünften bei sich sehen und vielleicht leistet er so auch einen Reflexionsanschub für die Befragten und kann somit als Wegbereiter für künftige quantitative Untersuchungen dienen.

Schlussendlich ergibt sich daraus für die Forschung Folgendes: Auch wenn die hier dargestellte qualitative Erhebung in Australien durchgeführt wurde, so handelt es sich bei Obdach- und Wohnungslosigkeit um weltweite Phänomene, denen – auch bei kulturell unterschiedlichem Entstehungshintergrund – gemeinsame Mechanismen wie Kriminalitätserfahrung oder Drogenmissbrauch zugrunde liegen. Ebenfalls gibt es sowohl in Australien wie auch in Österreich Einrichtungen und Dienstleistungen der Fürsorge und Sozialen Arbeit für Wohnungslose, die helfen sollen, diese Klientel gesellschaftlich zu reintegrieren und ihre Aussichten zu verbessern. Die Annahme ist daher plausibel, dass sowohl die Mitarbeiter*innen in Notunterkünften in Australien als auch in Österreich gerade mit Blick auf die Wohnungslosenbetreuer*innen und ihre Qualifikationssituation ähnliche Sorgen und Bedarfe umtreiben. Eine Übertragbarkeit der Relevanz der hier vorgelegten Forschung auf Österreich scheint daher nahezuliegen (vgl. Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen 2015: 17–46; Neunerhaus Peer Campus 2020: o.S.; Diebäcker/Wild 2020: 1–19).


Verweis
1 Hier ist zu beachten, dass im deutschsprachigen Fachdiskurs meist auf den Terminus ‚Wohnungslosigkeit‘ abgestellt wird, der auf Menschen angewendet wird, die ihre Wohnung verloren haben und die z. B. stationär untergebracht sowie sozialpädagogisch unterstützt sind. Sie besitzen aber keinen Mietvertrag. Im deutschsprachigen Raum verwendet man den Begriff ‘Obdachlosigkeit‘ ganz allgemein für Menschen, die ihre Wohnung aus div. Gründen verloren haben (vgl. Lutz/Simon 2012: 92–93). Im englischsprachigen Diskurs wird dagegen der Begriff ‚homelessness‘ verwendet, der neben dem Fehlen einer Wohnung als Bleibe auch die Abwesenheit eines Ortes beschreibt (speziell in Australien: Aborigines), der mit ‚Zuhause‘ verbunden wird. Der englische Begriff darf daher als umfassender gelten. Diese Ersterhebung der Feldforschung in Townsville bezieht sich auf die Wohnungslosenversorgung.


Literatur

ABS (Australian Bureau of Statistic) (2018): Census of Population and Housing: estimating homelessness, 2016. ABS cat. no. 2049.0. Canberra: ABS.

Agranoff, Robert (1991): Human services integration. Past and present challenges in public administration. In: Public Administration Review, 51. Jahrgang, Nr. 6, S. 533–542.

AHURI (Australian Housing and Urban Research Institute) (2020): Who we are. https://www.ahuri.edu.au/about-us/who-we-are-and-what-we-do (06.05.2020).

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Über die Autorin


Malgorzata D. Michling, M.A.
malgorzata.michling@th-rosenheim.de

Dissertationsstudium der Sozialpädagogik an der Kath. Universität Eichstätt; Studium der Betriebspädagogik, Soziologie und Psychologie an der RWTH Aachen (M.A.).
Seit vielen Jahren in der Wohnungslosenhilfe beim KMFV München in Notunterkünften tätig. 10/2019-03/2020: Feldforschung/Qualitative Professionsforschung im Wohnungslosensektor an der JCU Townsville (Australien). Diverse Lehraufträge, u.a. an der FH Mühldorf am Inn.