soziales_kapital
Max Kölbl, Christiane Reischl, Marie-erese Sagl
. “
Soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen: Digitale und
soziale Kompetenzen im Umbruch.
” soziales_kapital, no. 26 (2022). Rubrik „Sozialarbeitswissenscha“. Graz.
Printversion:
https://soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/745/1383
_
Soziale Innovation
26. Ausgabe Juni 2022
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag fokussiert das Handlungsfeld der Kinder- und Jugendarbeit (KiJuA) und befasst
sich mit neuen Anforderungen, mit welchen Beschäftigte durch die voranschreitende Digitalisierung der
Gesellschaft und das verstärkte Nutzen digitaler Medien durch deren Dialoggruppe (Kinder und Jugendliche)
konfrontiert sind. Mittels Mixed-Methods-Ansatz wurde erforscht, welche Kompetenzen, welches Know-
how und welche Fähigkeiten die Beschäftigten der KiJuA brauchen, um diesen neuen Anforderungen
professionell zu begegnen. Die Untersuchung zeigt, dass persönliche Kompetenzen wie eine generelle
Oenheit gegenüber digitalen Themen sowie eine professionelle Haltung für die Beschäftigten der KiJuA
wichtiger sind als konkrete, auf einzelne Tools bezogene Skills. Jugendliche verbringen zwar viel Zeit
mit digitalen Devices, sind selbst aber oft eher digital naives und bringen wenig Hintergrundwissen zu
Funktionsweisen technischer Geräte oder Datenschutz mit. Inklusion und der Chancengleichheit dürfen
nicht aus den Augen gelassen werden.
Schlagworte:
Digitalisierung, digitale Jugendarbeit, Oene Jugendarbeit, Ko
mpetenzen
Abstract
This article discusses the advancing digitalization in children and youth work (KiJuA) as a result of digitalization
in modern societies and the increased use of digital media by children and young people, focusing on new
requirements that employees are confronted with in this process. Using a mixed-methods approach, the
study referred to in the article investigated which competencies, know-how, and skills employees of KiJuA
need to dispose in order to meet these new requirements in a professional manner. The study shows that
personal competencies such as a general openness to digital topics and a professional attitude are more
important for KiJuA employees than specic skills related to individual tools. Young people themselves are
often rather digital naïves than digital natives as they have little background knowledge about how technical
devices or data protection work, although they spend a lot of time dealing with digital devices. Inclusion and
equal opportunities must not be lost sight of.
Keywords:
Digitalization, digital youth work, competencies
1
Einleitung
Digitale Kinder- und Jugendarbeit (KiJuA) war im vergangenen Jahrzehnt immer wieder Thema in der
Fachdiskussion.
1
Im Zentrum wissenschaftlicher Auseinandersetzung standen dabei die Chancen,
Notwendigkeiten und Grenzen digitaler KiJuA (vgl. Alfert 2014; Bollig 2020; Hansen/Björktomta/Svalastog
2017; Stainer 2020), digitale Kompetenzen der Jugendlichen und die Auswirkungen digitaler Medien auf
junge Menschen (vgl. Kutscher/Otto 2014; Koh 2013; Anderson 2013) oder auch digitale Technologien als
Arbeitsinstrumente der KiJuA (vgl. Ley 2020; Mackrill/Ebsen 2018; Zhu/Andersen 2021). Im Jahr 2020 steigerten
die Entwicklungen im Zuge der Covid-19-Pandemie das Geschehen rund um digital vermittelte, aber auch
auf digitale Technologien zentrierte Arbeit mit jungen Menschen in der Praxis sowie in der Fachdiskussion
enorm. Zahlreiche Beiträge widmeten sich schon im ersten Pandemiejahr den veränderten Bedingungen
in der Arbeit (vgl. Burgstaller/Heil 2020; Zinkl-Camp 2020). Aus der Praxis wurden gleichzeitig vermehrt
Leitfäden und Konzepte zur digital-sozialen Arbeit mit jungen Menschen erstellt (vgl. Pöyskö/Pantucek-
Eisenbacher/Anderle 2020; Kompetenzstelle Digitale Gesellschaft der Steirischen Landesregierung/LOGO
jugendmanagement gmbh/Steirischer Dachverband der Oenen Jugendarbeit 2021).
Das Forschungsprojekt Soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen: Digitale und soziale
Kompetenzen im Umbruch (SUDOKU) wurde im Jahr 2019 als explorative, empirische Studie geplant,
welche Herausforderungen, die auf Fachkräfte aufgrund gesteigerter Nutzung digitaler Technologien durch
die Dialoggruppe zukommen, erheben sollte. Dabei sollten auch Kompetenzen, die für eine digitale KiJuA
aufseiten der Fachkräfte notwendig sind, um diesen Herausforderungen bestmöglich zu begegnen, in der
Steiermark erforscht werden. Schlussendlich untersuchte SUDOKU zwischen November 2020 und Februar
2022 – in der Zeit der Pandemie und der damit einhergehenden beschleunigten Dynamik digitaler Arbeit
– Herausforderungen des täglichen Arbeitsalltags in der digital-sozialen Arbeit mit jungen Menschen. Für
Fachkräfte der Oenen Jugendarbeit (OJA) wurde weiterführend ermittelt, welche Qualizierungsbedarfe
sich aufgrund der bestehenden Herausforderungen und notwendigen Kompetenzen ergeben. Die
Forschungsarbeit zeichnet sich auch durch einen Einbezug von Teilen der Kinder- und Jugendhilfe (KiJH),
namentlich der exiblen Hilfen unter freier Trägerschaft, aus.
Insgesamt wurde zum einen ein Abriss des Ist-Zustandes der KiJuA im Prozess der Digitalisierung
in Zeiten der Pandemie geliefert sowie zum anderen ein Beitrag zur Klärung notwendiger Maßnahmen in
Hinblick auf die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften geleistet. Das Forschungsprojekt schließt in der
inhaltlichen Ausrichtung an Studien aus dem Jahr 2016 und 2019 aus Österreich sowie aus dem internationalen
Kontext an, welche sich der Erforschung digitaler Jugendarbeit und der Perspektive der Fachkräfte auf
die Auswirkungen digitaler Transformationsprozesse und notwendiger Kompetenzen widmen. Die Arbeit
von Mayrhofer und Neuburg mit dem Ziel, „Jugendarbeit bzw. e-youth work systematisch zu erfassen und
zugänglich zu machen“ sowie „konkrete Entwicklungsfelder aufzuzeigen und Wissen für evidenzbasierte
Praxis bereitzustellen“ (Mayrhofer/Neuburg 2019: 7) lieferte dabei hilfreiche Begriichkeiten zur Denition
verschiedener Bereiche der digitalen Jugendarbeit aus der Praxis. Diese wurden in SUDOKU vertieft und
ergänzt sowie um eine Perspektive auf Teile der Kinder- und Jugendhilfe (KiJH) erweitert. Pawluczuk, Hall,
Webster & Smith (2019) liefern mit ihrer qualitativen Studie zu Youth-Work aus dem britischen Raum einige
Erkenntnisse zur Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten der Fachkräfte und der Herausforderungen digitaler
Jugendarbeit, die zum Teil in der steirischen KiJuA wiedergefunden, zum Teil kontrastiert wurden. Die
internationale Studie Screenagers International schlussendlich bietet Anknüpfungspunkte für die Ergebnisse
der vorliegenden Forschungsarbeit hinsichtlich der Einschätzungen digitaler Arbeit durch österreichische
Fachkräfte aus dem Jahr 2016 (vgl. Anderle/Pöyskö 2016). Durch die eingehende Einarbeitung der
Ergebnisse dieser Studien in zentrale Erkenntnisse von SUDOKU im Abschnitt 4 dieses Beitrags soll zur
fortlaufenden Klärung des Arbeitsfeldes digitaler Jugendarbeit beigetragen werden. Zuvor wird in Abschnitt
2 ein Überblick über das Studiendesign und die Methodik gegeben und in Abschnitt 3 werden Ergebnisse
vorgestellt. Abschnitt 5 schließt mit einem Fazit sowie den Limitationen der Forschungsarbeit und einem
Ausblick.
2
Methoden und Sampling
Um die betreenden Forschungsfragen zu beantworten, wurde ein Mixed-Methods-Ansatz verwendet.
Einem einleitenden Stakeholder-Workshop mit leitenden Fachkräften und Expert_innen der digitalen KiJuA
folgten qualitative Fokusgruppen mit Fachkräften der KiJuA. Anschließend wurde eine Online-Umfrage in
Einrichtungen der OJA durchgeführt. Am Ende wurde ein weiterer Stakeholder-Workshop abgehalten, in
dem die Ergebnisse leitenden Fachkräften und Expert_innen der KiJuA vorgestellt und gemeinsam diskutiert
wurden.
Die Fokusgruppeninterviews mit Beschäftigten der KiJuA wurden mithilfe von Leitfäden, die aus den
vorläugen Ergebnissen von Recherche und dem ersten Stakeholder-Workshop erstellt wurden, umgesetzt.
Zentrale Themenblöcke der Leitfäden waren: die Diskussion von Arbeitsbereichen der KiJuA die von
Digitalisierungsprozessen betroen sind, die Herausforderungen für Fachkräfte in diesen Bereichen, die
Einschätzung digitaler Kompetenzen in der KiJuA, Erfahrungen und Wünsche hinsichtlich Weiterbildungen
in digital-sozialen Themen, mögliche und notwendige Unterstützung digital-sozialer Arbeit durch
Auftraggebende und die persönliche Einstellung zu Digitalisierungsprozessen. Es fanden drei Fokusgruppen
mit insgesamt 16 Teilnehmer_innen statt, wobei davon zehn aus der OJA und sechs aus der KiJH kamen.
Ziel war es, mehr über die erlebte Praxis hinsichtlich digitaler Arbeitsbereiche und Herausforderungen in
Verbindung mit digital-sozialer Arbeit zu erfahren. Die Fokusgruppen wurden aufgezeichnet, transkribiert
und mit Hilfe von MaxQDA inhaltsanalytisch nach Kuckartz ausgewertet (vgl. Kuckartz 2018).
Darauf folgte eine quantitative Online-Umfrage mit Beschäftigten der steirischen OJA
als Zielgruppe, in welcher digitale Arbeitsbereiche, die Nutzung digitaler Kommunikationstools
mit unterschiedlichen Zielgruppen, digitale Kompetenzen und gewünschte Weiterbildungen zu
digitalen Themen erhoben wurden, um so Qualizierungsbedarfe der Beschäftigten zu ermitteln.
2
Bei der Erstellung des Fragebogens wurde auf Ergebnisse der vorangehenden Interviews sowie
den Workshop zurückgegrien. Er umfasste die wichtigsten Themenbereiche der vorläugen Ergebnisse.
In den meisten Teilen des Fragebogens dominierten Items mit Lickert-skalierten Antwortmöglichkeiten (4–5
Abstufungen) neben Mehrfachauswahlen und einigen wenigen oenen Fragen. Die Skalen wurden zum
Großteil selbst erarbeitet, da in diesem Themenbereich kaum Vorlagen bestehen. Der letzte Abschnitt widmete
sich der Selbsteinschätzung digitaler Skills nach dem DigComp Modell der Europäischen Kommission
(vgl. Carretero/Vuorikari/Punie 2017). Die Items wurden hier aus der ins Deutsche übersetzten Version des
Europasses entnommen (vgl. Europass 2015). Der in der Printversion 20 Seiten lange Online-Fragebogen
wurde an alle steirischen Einrichtungen der OJA versandt, mit der Bitte, diesen an die insgesamt 210
Fachkräfte weiterzuleiten. Alle Einrichtungen der OJA wurden zusätzlich telefonisch zur Mitwirkung animiert.
Insgesamt nahmen 92 Fachkräfte an der Umfrage teil, wobei 66 den Fragebogen vollständig ausfüllten. Die
Daten wurden mit SPSS uni- und bivariat ausgewertet. Die nachfolgende Ergebnisdarstellung bezieht sich
auf die beiden zentralen empirischen Schritte der Studie: Die Fokusgruppen sowie die Online-Umfrage.
3
Ergebnisse
3.1
Qualitative Ergebnisse der Fokusgruppen
Teil der Auswertung war es, die Bereiche, in denen die Beschäftigten tatsächlich digital arbeiten,
zu benennen. Zutage traten folgende Tätigkeiten: Information, Beziehungsarbeit, Online-Beratung,
medienzentrierte Arbeit, kreativ-transformative digitale Arbeit,
3
Gaming, Digital-Policy-Arbeit
4
und digital-
analoge Aktivitäten.
5
Ein weiteres Thema, das diskutiert wurde, waren Herausforderungen im Arbeitsalltag
durch Digitalisierungsprozesse. Als Herausforderungen benannt wurden die Aneignung von Wissen und
Kompetenzen im digitalen Bereich, die Aufrechterhaltung einer professionellen Haltung (z.B. hinsichtlich
Trennung von Beruf und Freizeit), strukturelle Erschwernisse wie die Datenschutz-Grundverordnung
(DSGVO) oder die Förderstruktur der KiJuA, die Umsetzung digital-sozialer Arbeit selbst, das Erreichen
der Zielgruppe über digitale Kanäle, gering ausgeprägte digitale Kompetenzen aufseiten der Jugendlichen,
geringe Ressourcen (Zeit und Ausstattung) sowie die Aufteilung der digitalen Kompetenzen und Aufgaben
im Team. Im Folgenden wird auf besonders herausfordernde Aspekte der digital-sozialen Arbeit während
der Beschränkung rund um Covid 19 eingegangen.
3.1.1 Einüsse
durch
die
Coronapandemie
Die generelle Herausforderung in Bezug auf die Beschränkungen war laut der Fokusgruppeninterviews die
Umstellung auf den Online-Betrieb. Neben Gesprächsformaten, die in Bereichen der KiJH unter diesen
Umständen neu entworfen wurden, bestand auch auf der Seite der OJA die Herausforderung, bekannte
Formate und Aktivitäten mit jungen Menschen in eine virtuell-vermittelte Form zu überführen oder diese
vorübergehend ersetzen zu müssen. Eine Fachkraft beschreibt dies so: „Teilweise in Telefonkonferenzen,
wenn es eine zu große Anzahl angenommen hat, da haben wir sozusagen, so wie eine Hybridveranstaltung
gemacht, zu dritt haben wir uns die auf Helferseite, Helferinnenseite per Video gesehen und der Vater war
telefonisch zugeschalten.“ (Mitarbeiter_in der KiJH)
Ein weiterer Eekt der Pandemie waren längere Betreuungszeiten der Online-Einrichtungsaccounts
sowie auch die erschwerte Erreichbarkeit der Jugendlichen durch die OJA während der Pandemie. Diese
waren, so Fachkräfte in den Interviews, oft auf digitalem Wege entweder nicht erreichbar oder aus einer
Überreizung an Bildschirmzeiten kaum mehr virtuell aktiv („digitale Müdigkeit“). Auch in verschiedenen
Projekten der KiJH war eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Gleichzeitig wurden während der
Pandemie auch neue Tools und Plattformen entdeckt, die zu neuen Routinen des gemeinsamen Treens
von Fachkräften und jungen Menschen geführt haben. Im Grazer Raum hat sich, nach langer Vorarbeit eines
Jugendzentrums, das aus der Gaming-Szene bekannte Tool Discord in der Kommunikation mit Jugendlichen
durchgesetzt und kann als Best-Practice-Beispiel genannt werden.
Die Ergebnisse der Fokusgruppen zeigen, dass Online-Beratung in der Covid-19-Pandemie auch
in der standortbezogenen OJA sowie in der KiJH relevant wurde. Viele Beratungsgespräche mussten in
der KiJH in den virtuellen Raum verlegt werden. Zusätzlich wurden in der KiJH auch viele Gruppentreen
von Kindern sowie auch Eltern virtuell durchgeführt. Digital-analoge Aktivitäten entstanden während
der Pandemie ausschließlich, um digitale Angebote wieder mit analogen Aspekten anzureichern. Einige
Fachkräfte berichteten in den Fokusgruppen von diesbezüglichen Anstrengungen ihres Teams, Aktivitäten
nicht nur als Videokonferenzen vor dem Schirm zu gestalten. Trotzdem konnten diese den fehlenden
physischen Kontakt zu den Peers sowie den Fachkräften nicht kompensieren, weshalb immer wieder betont
wurde, „dass der digitale Betrieb einen analogen auf keinen Fall ersetzen kann“ (Mitarbeiter_in der OJA).
Die Herausforderung, die Arbeitszeit von der Privatzeit zu trennen, wurde durch eine von den
Jugendlichen eingeforderte ständige Erreichbarkeit auf digitalen Kanälen und aufgrund der Vermischung
von Arbeits- und Privatzeit im Homeoce während der Pandemie noch größer. Die vermehrte Nutzung von
privaten Geräten führte, so die Wahrnehmung der Fachkräfte, zu einer Gratwanderung zwischen persönlichem
und professionellem Auftreten in der Sphäre der Arbeit. Auch das Thema Datenschutz ist, in Anbetracht
der Ergebnisse der Fokusgruppen, als schwierig einzuschätzen: Um mit jungen Menschen in Kontakt zu
bleiben, werden nun viele Medien genutzt, welche auch von jungen Menschen selbst verwendet werden,
wie etwa WhatsApp. Einige Fachkräfte äußerten hier Bedenken, da die Verwendung dieser Programme nun
unumgänglich, jedoch aus Sicht des Datenschutzes nicht legitim
ist.
Neben diesen negativen Einüssen wurden auch Pandemie-bedingte positive Veränderungen
diskutiert, wie etwa die technische Nachrüstung in einigen Einrichtungen, die erleichterte Terminvereinbarung
mit Klient_innen und bessere Termineinhaltung oder die Entstehung digitaler Zugangsmöglichkeiten zu
Jugendzentren, die von Jugendlichen überregional genutzt werden können, ohne durch Mobilitätsprobleme
eingeschränkt zu sein.
3.1.2 Kompetenzen
für
die
digital-soziale
Arbeit
Auf die Frage, welche Kompetenzen in der digitalen KiJuA notwendig sind, gaben die meisten Fachkräfte an,
dass vor allem persönliche Kompetenzen bzw. Dispositionen wichtig sind. Eine professionelle Oenheit und
Neugierde sei die wichtigste Eigenschaft. Da die Oenheit neuen Themen gegenüber sowie die Neugierde
darüber, was junge Menschen bewegt, als Charakteristika der gesamten KiJuA gesehen werden, sind diese
Grundeinstellungen für die Fachkräfte das entscheidende Merkmal, welches über Erfolg oder Misserfolg der
digitalen KiJuA entscheidet.
Bei der Diskussion notwendiger Kompetenzen im Rahmen der Erhebungen wurde zudem die
Fachkompetenz genannt, über Grundkenntnisse im Umgang mit digitalen Technologien wie etwa Smartphone
und PC/Internet zu verfügen. Grundlegende Fertigkeiten im Umgang mit dem PC bzw. den in der Einrichtung
genutzten Tools ermöglichen etwa die Urlaubsvertretung von Kolleg_innen: „[E]s muss prinzipiell in jeder
Einrichtung nicht jeder wirklich alles können, aber zumindest so, dass man Urlaubsvertretung oder sonst was
machen kann.“ (Mitarbeiter_in der OJA) Neben dieser grundlegenden Kompetenz im EDV-Umgang ist auch
ein Basiswissen über die aktuellen Apps, Social-Media-Plattformen und andere Formate, die von Kindern
und Jugendlichen genutzt werden, relevant. Dies dient nicht zuletzt dazu, schnell mit jungen Menschen auf
einer gemeinsamen Basis anknüpfen zu können. Die fachlich-methodische Kompetenz zur Selbsthilfe im
Umgang mit digitalen Tools wird ergänzt durch die Möglichkeit, Hilfe von Expert_innen von außerhalb holen
zu können, falls dies notwendig sei.
Das Alter einer Fachkraft wurde, trotz des vielzitierten Generationen-Gaps hinsichtlich digitaler Skills
und Fertigkeiten, grundsätzlich nicht als entscheidender Grund für das Gelingen digital-sozialer Arbeit
festgehalten.
3.2
Univariate Ergebnisse der quantitativen Umfrage
Univariate Ergebnisse geben einen Überblick über die Verankerung digitaler Tätigkeiten im Arbeitsalltag von
Fachkräften der OJA. Die drei Tätigkeitsbereiche Öentlichkeitsarbeit, Information und Beziehungsarbeit
wurden sehr oft ausgeführt (vgl. Abb. 1). Am seltensten arbeiten Fachkräfte im kreativ-transformativen
Bereich mit Jugendlichen,
6
noch seltener in der Digital-Policy-Arbeit. Während es überraschen mag, dass
wenig kreative Tätigkeiten die digitale Arbeit mit jungen Menschen prägen, so ist für die Digital-Policy-
Arbeit
7
der letzte Platz verständlich, da planerische Tätigkeiten auf Teamebene programmatischer Natur
sind und seltener ausgeführt werden müssen. Digital-analoge Aktivitäten, welche vor allem ab 2021 ein
Mittel zur Weiterführung von Aktivitäten trotz hoher Bildschirmmüdigkeit der Jugendlichen waren, rangieren
nur auf dem achten Platz, gleich nach medienpädagogischen Aktivitäten (Tool Fokus). Zu Abb. 1 ist
anzumerken, dass auch bei der Frage nach den wichtigsten Tätigkeiten im digital-sozialen Spektrum
8
sowie
der Frage danach, welche der angeführten Tätigkeiten nach den Beschränkungen aufgrund von Covid 19 im
Einrichtungsprogramm verbleiben sollten,
9
Information, Öentlichkeitsarbeit und Beziehungsarbeit immer
am häugsten gewählt wurden.
Abbildung 1: Auswertung der Antworten auf die Frage: „Wie häug sind Sie in den folgenden digitalen
Arbeitsbereichen tätig? Beziehen Sie sich bei der Beantwortung der folgenden Fragen bitte auf die
vergangenen 15 Monate, in denen die Einrichtungen der OJA für den Normalbetrieb geschlossen waren.“
Als die wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine gelingende digitale OJA wurden die Punkte zeitliche Ressourcen
für die Umsetzung digitaler Arbeit, Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien und persönliches
Interesse für digitale Technologien genannt, wie aus Abb. 2 hervorgeht. Schlusslicht bildet, mit weniger als
der Hälfte der Nennungen, die Antwortmöglichkeit, ein Konzept für digitale Jugendarbeit in der Einrichtung
zu haben. Qualitative Ergebnisse haben im Widerspruch dazu gezeigt, dass Routinen und Vorgaben im
Team hinsichtlich der Handhabe digitaler Arbeitsschritte, wie etwa der Einteilung von Betreuungszeiten
digitaler Kommunikationskanäle, sehr hilfreich sind (vgl. Transkript der Fokusgruppe 1).
Abbildung 2: Auswertung der Antworten auf die Frage:
„Welche Faktoren sind für das Funktionieren [digital-sozialer Arbeit] entscheidend?“
Hinsichtlich der digitalen Kommunikation mit Jugendlichen gaben die Fachkräfte an, am häugsten über
die Kanäle Discord und Instagram zu kommunizieren. Die drei meistgenannten Themen für gewünschte
Weiterbildungen waren: rechtlicher Rahmen, digitale Jugendarbeit und Datenschutz, (neue) Social-Media-
Plattformen und Online-Beratung. Von den Trägerorganisationen erwarten sich die befragten Fachkräfte am
ehesten Unterstützung in Form von mehr zeitlichen Ressourcen für digitale Arbeit sowie weitere Fortbildungen.
Als drittgenannte Unterstützung folgt der Bereich Software, gefolgt von Hardware und Lobbying für digitale
Jugendarbeit. Erst auf Platz sechs folgt „keine weitere Unterstützung notwendig“ gefolgt von „Sonstiges“.
3.3
Bivariate Ergebnisse der Umfrage
Die Daten der Online-Umfrage wurden insbesondere mit dem Fokus auf bivariate
Unterschiede
10
getestet. Im Folgenden werden die interessantesten signikanten Ergebnisse der bivariaten
Auswertung dargestellt.
11
Hinsichtlich digitaler Arbeitsbereiche ergab sich ein interessanter Unterschied in Bezug auf digitale
Öentlichkeitsarbeit sowie Partizipation/Aktivierung hinsichtlich des Geschlechts. So gaben Frauen viel öfter
an diese Tätigkeiten auszuführen als Männer (p <= 0,01 bzw. p <=0,05). Anknüpfend daran wurde festgestellt,
dass Frauen häuger angaben ein besseres Funktionieren der Öentlichkeitsarbeit wahrzunehmen als
Männer (p <= 0,05). Ein weiterer Unterschied ergab sich hinsichtlich des Alters für die Arbeitsbereiche Gaming
und Partizipation/Aktivierung. Jüngere Fachkräfte gaben viel häuger an in diesen Bereichen oft tätig zu
sein als ältere (jeweils p <= 0,05). Zusätzlich wurde festgestellt, dass jüngere Fachkräfte häuger angaben,
dass dieser Arbeitsbereich gut funktioniert als ältere (p <= 0.05). Schließlich ist noch nennenswert, dass
Fachkräfte mit höherem Bildungsabschluss angaben ein besseres Funktionieren der Öentlichkeitsarbeit
wahrzunehmen als jene mit niedrigerem Bildungsabschluss (p <= 0,05).
Unterschiedstests hinsichtlich der Erfolgsfaktoren für digital-soziale Arbeit brachten folgende
Ergebnisse zutage: Hinsichtlich des Erfolgsfaktors „Digitale Kompetenzen der Jugendlichen als Erfolgsfaktor
für gelingende digitale Jugendarbeit“ ergab sich ein Unterschied in Bezug auf den Bildungsabschluss. Je
höher dieser bei jemandem ist, desto eher wurde angegeben die digitalen Kompetenzen der Jugendlichen
als Erfolgsfaktor für die digitale Jugendarbeit wahrzunehmen (p <= 0,05). Ein weiterer Unterschied war, dass
Fachkräfte aus dem städtischen Bereich häuger angaben zeitliche Ressourcen zur Wissensaneignung als
Erfolgsfaktor für digitale Jugendarbeit zu sehen als Fachkräfte aus dem ländlichen Bereich (p <= 0,05).
Passend zu diesem Thema wurde ein Unterschied hinsichtlich der Unterstützungswünsche von Befragten
durch Trägerorganisationen identiziert. So gaben größere Einrichtungen mit vier oder mehr Angestellten
häuger an sich diesbezüglich mehr Unterstützung durch die Trägerorganisation zu wünschen als kleinere
(p <= 0,05). Auch in Bezug auf das Interesse an einer Weiterbildung in den Bereichen rechtlicher Rahmen
und Datenschutz unterscheiden sich die Einrichtungen. Am meisten Interesse zeigten kleine Einrichtungen
mit ein bis zwei Mitarbeiter_innen, gefolgt von großen Einrichtungen mit vier Mitarbeiter_innen und mehr. Am
wenigsten Interesse daran haben Einrichtungen mit drei Angestellten (p <= 0,05). Ein ähnlicher Unterschied
ergibt sich hinsichtlich des Interesses an zukünftigen Weiterbildungen in den Bereichen Öentlichkeitsarbeit
und Marketing digital. Am meisten Interesse daran haben wiederum kleine Einrichtungen mit ein bis zwei
Mitarbeiter_innen, gefolgt von großen Einrichtungen mit vier und mehr Angestellten. Am wenigsten Interesse
haben Einrichtungen mit drei Mitarbeiter_innen (p <= 0,05).
Da es sich bei all diesen Unterschieden um signikante Ergebnisse handelt, kann daraus geschlossen
werden, dass diese sich auf die Grundgesamtheit aller 210 steirischen OJA-Einrichtungen übertragen lassen.
4
Diskussion der zentralen Ergebnisse im Kontext aktueller Literatur
Die digital-soziale KiJuA besteht in Zeiten der Pandemie nicht ausschließlich in vermehrter Informations-
sowie Öentlichkeitsarbeit und Beziehungsarbeit. Während diese drei Bereiche auch während der
Beschränkungen rund um Covid-19 die größten digitalen Arbeitsbereiche darstellten, rücken je nach
Einrichtung auch weitere Bereiche digital-sozialer Arbeit mit jungen Menschen verstärkt ins Blickfeld, wie
etwa Gaming (standortbezogene OJA), Online-Beratung (mobile OJA) oder digital-analoge Aktivitäten (OJA
sowie KiJH). Nicht ohne Grund bleiben jedoch nach wie vor die Informations- und Öentlichkeitsarbeit sowie
Beziehungsarbeit die vorherrschenden digitalen Arbeitsbereiche. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit
aktuellen Erkenntnissen aus dem österreichischen Raum (vgl. Mayrhofer/Neuburg 2019: 48–51) sowie aus
der europäischen Studie Screenagers International, laut der 80% der Befragten Jugendarbeiter_innen Social
Media vor allem für die Kommunikation mit den Jugendlichen täglich bis wöchentlich nutzen (vgl. Anderle/
Pöyskö 2016: 3). Dass sich Jugendarbeit auf europäischer Ebene hier in den Grundzügen ähnelt, lässt auch
der Befund von Pawluczuk et al. (2019: 4) vermuten: „[T]he use of digital technologies in youth work has
become a norm in recent years.“
Im Vergleich zu aktuellen Beiträgen kann SUDOKU neue Erkenntnisse zur Diskussion der
Herausforderungen digitaler KiJuA beitragen. Zu den erschwerenden Faktoren der digitalen Arbeit gehören
zwar auch in der Steiermark fehlende technische Infrastruktur, fehlende Kompetenzen aufseiten der
Fachkräfte, fehlende Arbeitszeit zur Umsetzung digitaler KiJuA und fortwährende Datenschutzbedenken
oder auch der Druck, rund um die Uhr erreichbar zu sein, Jugendlichen genügend virtuellen Raum für sich
selbst lassen zu wollen, sie aber auch online erreichen zu müssen, und fehlende ozielle Konzepte und
Aufträge zu digitaler KiJuA (vgl. Anderle/Pöyskö 2016: 5; Bollig 2020: 474–475; Helbig 2017: 139; Witzel 2020:
502–503). Darüber hinaus können mit Blick auf die Ergebnisse von SUDOKU weitere Herausforderungen
identiziert werden. Eine davon ist die Eigenheit der Online-Kommunikation und Online-Moderation, die
einer speziellen Gesprächsdynamik folgt und sich nicht eins zu eins aus der analogen Gruppendiskussion
und Gruppenmoderation ableiten lässt. Ein weiterer interessanter Bereich ist die Umsetzung von Online-
Beratung und „on-live“ oder digital-analogen Aktivitäten und der professionelle Auftritt im virtuellen
Raum. Weiters können aus den vorliegenden Ergebnissen Einsichten in Herausforderungen gewonnen
werden, die durch die Beschränkungen der Pandemie gesteigert wurden. All diese Herausforderungen
resultieren keineswegs aus einem einfachen Mangel an technischen Kompetenzen, sondern betreen die
Umsetzung professioneller KiJuA in Verbindung mit technisch-sozialen Kompetenzen (und oftmals unter
datenschutzrechtlichen Aspekten). Es handelt sich also um spezisches Praxiswissen, welches so kaum mit
Fachkompetenzen anderer Berufssparten zu vergleichen ist.
Auch in den Kompetenzen, die aus Sicht der (leitenden) Fachkräfte wie auch der Expert_innen
wichtig für die Bewältigung der oben genannten Herausforderungen sind, gibt es Überschneidungen mit
den Ergebnissen anderer, auch internationaler Studien. Das zentrale Ergebnis aus SUDOKU, welches die
persönlich-professionelle Einstellung und Disposition zur digital-sozialen Arbeit als Basis für jeglichen
Prozess des Kompetenzerwerbs bzw. der Kompetenzerweiterung und -anpassung beschreibt, ndet sich
etwa in Studien aus dem britischen Raum wieder (vgl. Pawluczuk et al. 2019: 5–6; Cohlmeyer 2014). Auch
Anderle und Pöyskö (2016) führen eine ähnliche Argumentation an und sehen die persönliche Disposition
noch wichtiger für digital-soziale Arbeit als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Alterskohorte. Sie zitieren
eine Einrichtungsleiter_in:
„Es muss eine Bereitschaft da sein, sich mit Medien auseinanderzusetzen und eine
Oenheit, sich darauf einzulassen. Durch das eigene lebenslange Lernen überträgt
sich die Neugier auf die BesucherInnen.“ (Anderle/Pöyskö 2016: 8)
Neben dieser Grundvoraussetzung lassen sich weder in der aktuellen Literatur noch aus den Ergebnissen von
SUDOKU konkrete Kompetenzen identizieren, die für alle Fachkräfte gelten – abgesehen vom grundsätzlichen
Wissen über Funktionieren und Nutzung eines Computers bzw. von Smartphones. Speziellere Kompetenzen,
die in der KiJuA denitiv vertreten sein sollten, jedoch nicht für jede Fachkraft notwendig sind, sind nach den
Ergebnissen der vorliegenden Studie Kommunikations- und Moderationskompetenzen in Online-Settings
(oder für Online-Beratung), Know-how für kreative Nutzung digitaler Tools (ob für Videoschnitt, Bloggestaltung
oder mit einem 3D-Drucker etc.) und vertieftes, medienpädagogisches Wissen, um spielerische und
alltägliche Aktivitäten mit jungen Menschen, die digitale Medien einbeziehen, auch reektiv aufarbeiten zu
können. Besonders im letzten Punkt kann eine Anleihe aus der medienpädagogischen Literatur hinsichtlich
spezischem, medienpädagogischem Wissen, medienpädagogischem Können und medienbiograscher
Selbstreexion (vgl. Alfert 2014: 45) genommen werden (vgl. hierzu auch Helbig 2017: 144-146). Weiterhin
unklar bleibt, wie sich diese Aufteilung in der Teamstruktur der KiJH bzw. der OJA niederschlagen kann.
Als Unterstützung digital-sozialer Arbeit durch Auftraggebende wünschen sich Fachkräfte laut
der Studie Screenagers International vor allem mehr Arbeitszeit zum Ausprobieren digitaler Tools sowie
Fortbildungen (vgl. Anderle/Pöyskö 2016: 6). Auch in den vorliegenden Ergebnissen sind dies die zwei von
Fachkräften der OJA am häugsten gewünschten Unterstützungsformen, dicht gefolgt von der Unterstützung
durch Hardware und Software. Nur fünf Personen gaben an, keine Unterstützung zu benötigen.
Hinsichtlich der Dierenz zwischen KiJH und OJA in der digitalen Arbeit kann aus den Ergebnissen
vor allem auf einen deutlichen Vorsprung der standortbezogenen, wie mobilen OJA gegenüber der KiJH
festgehalten werden, wenn es um den Umgang mit digitalen Bedürfnissen der Dialoggruppe geht. Helbig
(2017: 138) bringt das aus Sicht der Medienbildung auf den Punkt: „Wird ein Blick in die Aufgabenfelder
der Kinder- und Jugendhilfe geworfen, zeigt sich, dass sich medienpädagogische Inhalte aktuell nur
in wenigen Angeboten und Leistungen wiedernden.“ Dies spiegelt sich auch in der aktuellen Literatur
zu Digitalisierungsprozessen in der KiJH wider, wo in vielen Fällen erst für eine Aufnahme der digitalen
Perspektive in die Arbeit mit jungen Menschen votiert oder über Case-Work-Tools geschrieben wird und
damit ein nur eingeschränkter Begri der digital-sozialen Arbeit behandelt wird (vgl. Hansen/Björktomta/
Svalastog 2017; Zhu/Andersen 2021; Mackrill/Ebsen 2018). Gleichzeitig ist Digitalisierung Sozialer Arbeit
im Sinne von Case-Work-Software in der KiJuA aufgrund der Ausrichtung der KiJH einzigartig und darf in
der Diskussion um Digitalisierung in der KiJuA nicht fehlen, auch wenn entsprechend der diesbezüglichen
Forschung noch kaum ein ausgereiftes Case-Work-Tool zur digitalen Arbeit in der KiJH vollständig zu
überzeugen scheint.
Einer der kontroversiell diskutierten Aspekte digitaler KiJuA ist jener des Skill-Gaps zwischen
Fachkräften und jungen Menschen. In einigen Beiträgen wird dieser Gap als Ursache des Aufholbedarfs
von Fachkräften in digitalem Know-how und als Grund für die Zurückhaltung vieler Profesionist_innen in
digitaler KiJuA gesehen (vgl. Pawluczuk et al. 2019: 5–6). Dagegen weisen die Ergebnisse von SUDOKU
in eine konträre Richtung. In vielen Fällen sind junge Menschen digital unbedarfter als Fachkräfte und
somit eher als digital naives einzustufen. Auch haben viele Jugendliche zu Hause kein schnelles Internet
bzw. ausreichend Datenvolumen oder müssen sich ein Endgerät (PC oder Laptop) mit der ganzen Familie
teilen. Die Ergebnisse nden sich bei Anderle und Pöyskö bestätigt, die dem Bild der Fachkräfte als digital
immigrants ebenso widersprechen (vgl. Anderle/Pöyskö 2016: 3). Dennoch könnten Vorannahmen der
jungen Generation gegenüber, doch Digital Natives und digital immigrants zu sein, bei Fachkräften dazu
beitragen, dass diese kaum digital-sozial arbeiten. Im schlimmsten Fall könnte bei Fachkräften das Gefühl
entstehen, junge Menschen in ihrer On-oine-Welt nicht mehr gut verstehen zu können. Auf diese Weise
wird die Perspektive zweier Jugendarbeiter_innen einer qualitativen Studie beschrieben:
„When reecting on his experience of implementing digital technologies into youth
practice, Carl used the metaphor of ‘separate worlds’, where young people cultivate
their own digital culture away from the adults. Kyle argued that the inability to
understand and lter through the digital youth habits, turned formerly inaccessible
youth culture into even more ‘mystied‘.” (Pawluczuk et al. 2019: 6)
5
Limitationen und Fazit
Die Ergebnisse von SUDOKU liefern ein Bild der steirischen KiJuA in Zeiten der Pandemie, deren
Anforderungen und Bedürfnisse hinsichtlich digital-sozialer Arbeit grundsätzlich jener der österreichischen
und europäischen KiJuA entsprechen. SUDOKU trägt in einigen Teilbereichen zur Bereicherung aktueller
Erkenntnisse bei und erweitert die Perspektive auf relevante Faktoren in der (großteils) Bottom-up-
Digitalisierung einer Berufssparte, die zum Teil auch auf den Spezika der steirischen KiJuA und deren
Einrichtungen beruht.
Gleichzeitig unterliegen die Ergebnisse des vorliegenden Projekts Limitationen und lassen weitere
Fragen oen, die im Rahmen der Studie nicht völlig geklärt werden konnten. Als erstes ist hier auf den
explorativen Charakter der Studie zu verweisen. Die bisher einzigartige Untersuchung in der Steiermark
gründete auf Annahmen und vorläugen Hypothesen aus den z.T. im letzten Abschnitt genannten Beiträgen
sowie aus Einschätzungen von leitenden Fachkräften und Expert_innen in KiJuA und Digitalisierung. Sie
war programmatisch darauf ausgelegt, weitere Hinweise und Belege für oder gegen diese Annahmen
zu sammeln und die Möglichkeiten und Bedarfe an weiterer Qualizierung von Fachkräften der KiJuA in
digitalen Belangen abzustecken. Dies ist SUDOKU gelungen. Gleichzeitig sind die Ergebnisse nicht auf den
internationalen Kontext erweiterbar bzw. gelten auch in der Steiermark nur mit gewissen Einschränkungen.
Damit muss zweitens auf die Adressierung der Studie an spezielle Bereiche der KiJuA verwiesen
werden. In der Untersuchung waren vor allem die OJA sowie Teile der KiJH (jene der freien Trägerschaft)
einbezogen. Die Ergebnisse von SUDOKU müssen aus Perspektive der schulischen KiJuA und der
Familien-, Kinder- und Jugendämter mit hoher Vorsicht gelesen werden und sind grundsätzlich nicht auf
diese übertragbar.
Drittens muss in der Bedarfserhebung im Rahmen der OJA der Steiermark auf teilweise geringe
Fallzahlen verwiesen werden, wodurch weniger inferenzstatistische Berechnungen möglich waren. Darüber
hinaus ist in der Bedarfserhebung nicht auszuschließen, dass aufgrund fehlender Incentives zur Teilnahme eine
gewisse Selbstrekrutierung der Teilnehmenden stattgefunden hat. Dies könnte für eine Überrepräsentation
der Gruppe von Fachkräften sprechen, die sich grundsätzlich für digitale KiJuA interessieren und diese nicht
ablehnen. In den qualitativen Fokusgruppen gelang es, dieser Verzerrung entgegenzuwirken.
Weitere Forschungen und Projekte zur Digitalisierung können auf diesen Ergebnissen aufbauen und
möglichst passgenaue Fortbildungen entwickeln. Wichtig ist hier eben nicht, breit in einzelnen modernen
Tools zu schulen, sondern Grundkompetenzen, wie Medienpädagogik, ein allgemeines Verständnis und
Grundwissen zu digitalen Funktionsweisen, und langfristig nutzbares digitales Know-how zu vermitteln.
Verweise
1
Die Oene Jugendarbeit (OJA) und die Kinder- und Jugendhilfe (KiJH) beruhen in der Steiermark auf unterschiedlichen Gesetzen und sind auch
administrativ verschiedenen Abteilungen der Landesverwaltung zugeordnet, weshalb beide Begrie unterschiedliche Bereiche der KiJuA umfassen.
Im vorliegenden Beitrag wird für beide Bereiche der Begri KiJuA genutzt. Beziehen sich Aussagen nur auf einen der beiden Teilbereiche, wird dies
dementsprechend angemerkt.
2
Die Umfrage erfolgte über die Plattform LimeSurvey.
3
Die Bezeichnung ist eine Begrisentlehnung von Mayrhofer und Neuburg (2019: 47) und bezieht sich auf gestalterische Aktivitäten mit digitalen
Mitteln oder im virtuellen Raum, z.B. Entwerfen und Drucken von Flyern oder Stickern, Unterstützung der Jugendlichen in der Gestaltung von Blogs,
Vlogs, Websites, Filmclips etc.
4
Prozesse, die auf Ziele, Strategien, Entwicklung oder Umsetzung digitaler Jugendarbeit in der Einrichtung explizit Bezug nehmen und diese
begleiten. Zum Beispiel die Festlegung der Ziele digitaler Jugendarbeit in der Einrichtung, Erstellung eines Plans zur Umsetzung, Aufgaben und
Kompetenzaufteilung der digitalen Arbeit (z.B. Betreuung von Social Media) im Team etc.
5
Gemeinsame Aktivitäten, die analoges Tun und virtuelle Übermittlung verbinden. Zum Beispiel gemeinsames Basteln per Videokonferenz, Fitness-
Challenge mit Übungen für Zuhause online vermittelt etc.
6
Frage: „Wie häug sind Sie in den folgenden digitalen Arbeitsbereichen tätig?“ Antwort: „Kreativ-Transformative Arbeit“. Hier geht es um die
Vermittlung von Kompetenzen zur kreativ-transformativen Gestaltung des digitalen Raumes wie beispielsweise Videoschnitttechnik, um selbst
erstellte Filme ins Netz stellen zu können oder das Gestalten von Websites, Blogs, Vlogs, Podcasts etc.
7
Frage: „Wie häug sind Sie in den folgenden digitalen Arbeitsbereichen tätig?“ Antwort: „Digital-Policy-Arbeit“. Damit ist teaminterne Arbeit
gemeint, die sich darauf bezieht, den Umgang mit sowie die Auslegung von digitaler KiJuA in der jeweiligen Einrichtung zu reektieren, denieren
oder generell weiterzuentwickeln sowie den eigenen Auftritt nach außen diesbezüglich zu gestalten.
8
Frage: „Für wie wichtig empnden Sie die Arbeit mit digitalen Technologien in den von Ihnen genannten Arbeitsbereichen der Jugendarbeit?“
9
Frage: „Welche dieser von Ihnen ausgeführten Tätigkeiten sollten Ihrer Meinung nach im Regelbetrieb nach Corona weitergeführt werden?“
10
Es wurden bivariate Kreuztabellenanalysen mit Chi2-Tests sowie Korrelationen berechnet.
11
Diese werden immer mit dem jeweiligen p-Wert genannt.
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Über die Autor_Innen
Max Kölbl, BA MA
max.koelbl@fh-joanneum.at
Max Kölbl studierte Soziologie an der Karl-Franzens-Universität in Graz und unterstützt das Institut für Soziale
Arbeit der FH JOANNEUM seit Juni 2019. Erfahrung sammelte er in Arbeits- und Migrationssoziologie sowie
in der Forschung im Jugend- und Menschenrechtsbereich sowie in sozialwissenschaftlicher Evaluation.
Neben methodischen Kenntnissen hinsichtlich quantitativer Verfahren bringt er Erfahrung aus der Praxis
qualitativer Sozialforschung mit, besonders aus der Interviewforschung sowie verschiedensten Ansätzen
der qualitativen Datenanalyse.
Christiane Reischl, MA MSc
christiane.reischl@fh-joanneum.at
Christiane Reischl studierte Soziologie und Umweltsystemwissenschaften an der Karl-Franzens-Universität
Graz. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Arbeits-, Organisations- und Techniksoziologie.
Derzeit Doktoratsstudium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität
Graz. Seit 2018 Mitarbeiterin am Institut für Soziale Arbeit an der FH JOANNEUM. Wissenschaftliche
Schwerpunkte: Digitalisierung der Arbeit, Inklusion am Arbeitsm
arkt.
Mag.(FH) Dr. Marie-Therese Sagl
marie-therese.sagl@fh-joanneum.at
Marie-Therese Sagl ist Sozialarbeiterin, promovierte Soziologin sowie selbstständige Supervisorin, Coach
und Organisationsberaterin. Nach beruichen Stationen in der Arbeitsintegration von Jugendlichen,
der Regionalentwicklung zum Thema Jugend, der Standort- und Projektleitung von Jugendzentren und
Gemeinwesenprojekten in Graz und der Oststeiermark sowie der Studiengangsleitung für Soziale Arbeit an der
HS Fresenius in München ist sie seit 2019 am Institut für Soziale Arbeit an der FH JOANNEUM als Dozentin tätig.
Schwerpunkte in Lehre und Forschung: soziale Nachhaltigkeit, (digitale) Jugendarbeit, Gemeinwesenarbeit,
Projektmanagement, empirische Sozial(arbeits)forschung, Stadt- und Regionalentwicklung, Supervision
und Reexion.
Soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen:
Digitale und soziale Kompetenzen im Umbruch
Max Kölbl, Christiane Reischl, Marie-Therese Sagl