soziales_kapital
Paul Sölder.
“
Psychosoziale Belastungen und belastende biograsche Vorerfahrungen von Studierenden der Sozialen
Arbeit: Umgang und Sichtweisen der Fachhochschulen.
” soziales_kapital, no. 26 (2022). Rubrik „Junge Wissenscha“.
Innsbruck. Printversion:
http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/754/1409.pdf
_
Soziale Innovation
26. Ausgabe Juni 2022
Zusammenfassung
Zunehmend mehr Forschung befasst sich mit psychischen Belastungen, Störungen und belastenden
biograschen Vorerfahrungen von Studierenden der Sozialen Arbeit. Da diese potenziell negative
Auswirkungen auf die spätere Praxiskompetenz und das Wohlbenden haben können, umfasst das
Thema auch Implikationen für die Ausbildung. Welche Rolle psychische Belastungen, Störungen und
belastende biograsche Vorerfahrungen bei Studierenden der Sozialen Arbeit in Österreich spielen, ist
bislang wenig bekannt. Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurden Umgang und Sichtweisen österreichischer
Fachhochschulen bezüglich psychischer Belastungen und Störungen von Studierenden der Sozialen Arbeit
exploriert, deren Ergebnisse folgend dargestellt werden. Für die Untersuchung wurden leitfadengestützte
ExpertInneninterviews mit drei Fachhochschul-DozentInnen eingesetzt. Die Untersuchung zeigt, dass
Belastungen von Stress durch den Arbeitsaufwand bis zu schwereren psychischen Störungen reichen,
wobei belastende biograsche Vorerfahrungen Vorteile, aber auch Schwierigkeiten für die professionelle
Praxis mit sich bringen können. Neben Selbstreexion, -fürsorge und psychologischer Beratung werden an
den Fachhochschulen auch Gatekeeping-Überlegungen angestellt. Implikationen und Hinweise für künftige
Forschung werden abschließend diskutiert.
Schlagworte:
psychosoziale Belastung, Stress, aversive Kindheitserfahrungen, biograsche Vorerfahrungen,
psychische Gesundheit, Studierende der Sozialen Arbeit, Ausbildungsforschung
Abstract
An increasing amount of literature investigates psychosocial stress, mental illness and adverse childhood
experiences among social work students. Since these can potentially have negative eects on professional
outcome and well-being, the topic holds implications for training programs. The role of psychological stress,
disorders and stressful biographical experiences among social work students in Austria is little known so
far. Therefore, as part of a bachelor thesis, an exploratory study was done to investigate how Austrian
universities of applied sciences deal with these issues. The following article presents the key results of the
research. For the study, three qualitative interviews with faculty members were conducted. Respondents
perceive stress among students ranging from workload stress to more severe mental disorders, whereby
adverse biographical experiences might bring both benets and disadvantages for professional practice.
Apart from self-reection, self-care and psychological counselling, also gatekeeping considerations play a
role. The paper concludes with a discussion of implications and directions for future research.
Keywords:
psychosocial stress, adverse childhood experiences, biographical experience, mental health,
social work students, training research
1
Einleitung
Der deutsche Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer spricht von „hilosen Helfern“ und hält fest, dass
„es um die seelische Gesundheit bei den Angehörigen der helfenden Berufe nicht sonderlich gut bestellt
ist“ (Schmidbauer 1992: 16). Er beruft sich dabei auf Studien unter ÄrztInnen. Auch in der Sozialen Arbeit
gibt es Befunde zu psychosozialen Belastungen, aber auch belastenden biograschen Vorerfahrungen
von Professionellen wie Studierenden. Aufgrund potenziell negativer Auswirkungen auf die spätere
Praxiskompetenz, psychische Gesundheit und das Wohlbenden werden auch Implikationen für die
Ausbildung diskutiert (z.B. Sellers/Hunter 2005: 879). Daher stellt sich die Frage, welche Rolle psychische
Belastungen, Störungen und belastende biograsche Vorerfahrungen bei Studierenden der Sozialen Arbeit
in Österreich spielen und welche Resonanz und Umgangsweisen es dazu auf Seiten der Fachhochschulen
gibt. Diesen Fragen wurde im Zuge der Bachelorarbeit Umgang Österreichischer Hochschulen der Sozialen
Arbeit mit psychisch kranken und belasteten Studierenden (2020) empirisch nachgegangen, deren Ergebnisse
hier präsentiert werden. Der Beitrag liefert einen Überblick über die Literatur, skizziert Forschungsdesign
und Ergebnisse der Untersuchung und diskutiert abschließend Implikationen für Ausbildung und Forschung.
2
Stand der Forschung
2.1
Stress, psychische Belastungen und Störungen bei Studierenden der Sozialen
Arbeit
Stress als „kurzfristiges Ungleichgewicht zwischen wahrgenommenen belastenden Anforderungen und
verfügbaren Regulationsressourcen“ (Heinrichs/Stächele/Domes 2015: 5) ist unter Studierenden weit
verbreitet. In einer Studie zur Gesundheit von Studierenden in Deutschland von 2017 etwa berichten 23,5%
der Studierenden im Sozialbereich von hohem Stresserleben (vgl. Grützmacher/Gusy/Lesener/Sudheimer/
Willige 2018: 51). Speziell zu Studierenden der Sozialen Arbeit gibt es im deutschsprachigen Raum bislang
nur wenige Befunde. Kriener, Schwertfeger, Deimel und Köhler (2018: 37–39) fanden in ihrer Studie zu
Sozialarbeitsstudierenden heraus, dass zwar der Großteil von wenig bis mäßigem Stresserleben berichtet, ein
Drittel jedoch von großem bis extrem großem Stresserleben. Hinsichtlich chronischem Stresserleben wiesen
ein Viertel der Studierenden überdurchschnittliche „Überforderung“ (häuge Fehler bei der Bewältigung von
Alltagsaufgaben sowie Nicht-Erzielen erwarteter Leistungen trotz intensiver Anstrengungen) und deutlich
erhöhte „soziale Überlastung“ (im Sinne zu großer Verantwortung und Fürsorge für andere) auf (vgl. Kriener
et al. 2018: 39). Auch Erschöpfung, ein Aspekt des Burnout, scheint häug unter Studierenden. Grützmacher
et al. (2018: 59) verstehen unter Burnout im Kontext des Studiums einen „Zustand der Erschöpfung in Folge
zu hoher Studienanforderungen […], der zur Ablehnung und Entfremdung einer Person von ihrem Studium
führt und mit einem Gefühl von Inkompetenz in Bezug auf das Studium verbunden wird“ (Grützmacher et
al. 2018: 59). Bei Grützmacher et al. (2018: 63) berichten rund ein Fünftel der Studierenden im Sozialbereich
von hoher Erschöpfung.
Psychosoziale Belastungen gelten als Risikofaktoren für viele psychische wie somatische
Erkrankungen (vgl. Heinrichs/Stächele/Domes 2015: 1). So sind auch psychische Störungen bei Studierenden
weit verbreitet. Grützmacher et al. (2018: 46) sehen etwa Prävalenzen von rund 18% für Symptome des
depressiven Syndroms und der generalisierten Angststörung bei Studierenden im Sozialbereich. Auch
Eissler, Sailer, Walter und Jerg-Bretzke (2020: 244–248) eruierten in einer großen Studie unter Studierenden
in Süddeutschland hohe Werte im Bereich Angst- und depressive Störungen und betrachten Studierende
als vulnerabel.
2.2 Belastende
biograsche
Vorerfahrungen
und
dysfunktionale
Familienstrukturen
bei Studierenden der Sozialen Arbeit
Hinsichtlich psychosozialer Belastungen können neben aktuellen Belastungen auch (frühe) belastende
biograsche Vorerfahrungen und dysfunktionale Familienstrukturen relevant sein. Uneinheitliche
Begrisbestimmungen und Erhebungsmethoden erschweren die Einordnung der Befunde: Zwar
untersuchen die meisten ForscherInnen ähnliche Konstrukte, doch folgen einige Studien klar denierten
Kriterien der „aversiven Kindheitserfahrungen“ (z.B. Thomas/Beecher 2018), andere AutorInnen sprechen
allgemeiner von family problems (vgl. Sellers/Hunter 2005), early-life adversity (vgl. Olson/Royse 2006) oder
biograschen Belastungen (vgl. Kriener et al. 2018). Diese Erfahrungen werden daher im Folgenden allgemein
als belastende biograsche Vorerfahrungen zusammengefasst. Zudem sollten belastende Vorerfahrungen
als Kontinuum betrachtet werden (z.B. im Sinne von Häugkeit und Schweregrad von Misshandlung), wie
etwa Olson und Royse (2006: 34) andeuten.
Ein Großteil der Studien hierzu kommt aus den USA (vgl. Sellers/Hunter 2005; Thomas/Beecher
2018). Da es sich meist um kleine Gelegenheitsstichproben handelt, sind die Prävalenzzahlen nicht
generalisierbar und können somit auch nicht auf Österreich umgelegt werden. Sie liefern aber Hinweise auf
relevante belastende biograsche Vorerfahrungen. Genannt werden unter anderem Alkoholabhängigkeit in
den Herkunftsfamilien (vgl. Sellers/Hunter 2005: 874), Missbrauchserfahrungen (vgl. Thomas/Beecher 2018:
1122) oder psychische Krankheiten naher Angehöriger (vgl. Sellers/Hunter 2005: 875; Thomas/Beecher
2018: 1122). Bedeutsam scheint, dass Studien mit Kontrollgruppen außerhalb der „HelferInnenberufe“
(z.B. Studierende wirtschaftswissenschaftlicher Disziplinen) häug signikant höhere Prävalenz bei
Sozialarbeitsstudierenden feststellten (vgl. z.B. Black/Jereys/Hartley 1993: 176; Russel/Gill/Coyne/Woody
1993: 126; Marsh 1988: 94). Olson und Royse (2006: 34) wiesen in diesem Zusammenhang auf methodische
Einschränkungen der frühen Studien hin. Sie fanden bei langjährigen SozialarbeiterInnen keine signikanten
Unterschiede zur Kontrollgruppe, was möglicherweise auf höhere Dropout-Raten bei Vorbelastung oder aber
auf Kohorteneekte hindeuten könnte (vgl. Olson/Royse 2006: 43). Die Frage nach einer möglicherweise
stärkeren Vorbelastung unter Studierenden der Sozialen Arbeit ist also nicht abschließend geklärt. In der
Studie von Kriener et al. (2018: 40) unter deutschen Sozialarbeitsstudierenden berichten rund zwei Drittel
von belastenden Ereignissen in der Biograe. Rund ein Fünftel gibt an, von den Ereignissen aktuell noch
sehr belastet zu sein.
2.3 Auswirkungen
auf
die
professionelle
Praxis
und
Gesundheit
Speziell in der Sozialen Arbeit gelten Tätigkeit und Rahmenbedingungen als fordernd bzw. belastend (vgl.
Schwanzer/Ullrich/Lambert/Moore/Krüger 2021: 6). Psychische Beeinträchtigungen zählen im Sozialbereich
mit 12% zu den Hauptgründen für Arbeitsunfähigkeitstage in Deutschland (vgl. Meyer/Wiegand/Schenkel
2020: 411).
Die Zusammenhänge zwischen belastenden biograschen Vorerfahrungen, psychischer Gesundheit
und nicht zuletzt professioneller Wirksamkeit sind komplex. Allgemein wird betont, dass belastende
biograsche Vorerfahrungen wie Kindheitstraumata oder dysfunktionale Herkunftsfamilienstrukturen per se
keine Rückschlüsse auf beruiche Kompetenz oder Beeinträchtigung erlauben (vgl. Rompf/Royse 1994:
169; Marsh 1988: 98; Sellers/Hunter 2005: 878; Thomas 2016: 248–249). Empirisch sind die Auswirkungen
belastender biograscher Vorerfahrungen noch unzureichend untersucht. Diskutiert wird zudem, ob diese
Erfahrungen die Entwicklung praxisrelevanter intrapersonaler Ressourcen nicht auch fördern könnten,
darunter:
•
gesteigerte Empathie (vgl. Black et al. 1993: 178; Rompf/Royse 1994: 169;
Marsh 1988: 98; Sellers/Hunter 2005: 878; Wilson/McCrystal 2007: 43; Lafrance/
Gray 2004: 333)
•
gesteigerte Sensitivität (vgl. Black et al. 1993: 178; Rompf/Royse 1994: 169; Lafrance
Gray 2004: 333)
•
Wissen und Erfahrung aus erster Hand (vgl. Black et al. 1993: 178; Rompf/Royse
1994: 169; Sellers/Hunter 2005: 878)
•
erhöhte Resilienz (vgl. Thomas/Beecher 2018: 1125)
Es könnten sich aber auch Schwierigkeiten für die Praxis ergeben. Diskutiert werden etwa:
•
Gegenübertragung (vgl. Black et al. 1993: 178–179; Vincent 1996: 68; Sellers/Hunter
2005: 878; Coombes/Anderson 2000: 295; Dykes 2011: 529)
•
Co-Abhängigkeit (vgl. Sellers/Hunter 2005: 878; Rompf/Royse 1994: 169; Coombes
Anderson 2000: 294; Festinger/Baker 2010: 521; Marsh 1988: 88–89; Gore/Black
2009: 456)
•
erhöhte Vulnerabilität und Gefahr der Retraumatisierung (vgl. Marsh 1988: 98–99;
Thomas 2016: 247; Gore/Black 2009: 456; Russel et al. 1993: 128)
•
Schwierigkeiten mit dem Nähe-Distanz-Verhältnis und mit der Einhaltung
professioneller Grenzen (vgl. Gore/Black 2009: 456)
•
Bias in der Einschätzung von Missbrauchsvorwürfen (vgl. Gore/Black 2009: 456–
457; Jackson/Nuttall 1993: 139)
Während mögliche Auswirkungen meist nur theoretisch diskutiert werden, gibt es auch erste empirische
Befunde. So fanden Thomas und Beecher (2018: 1125) in ihrem Regressionsmodell heraus, dass
das Vorkommen aversiver Kindheitserfahrungen entgegen ihren Erwartungen mit höherer Resilienz in
Zusammenhang stand. Bei Kriener et al. (2018: 42) hingegen korrelierte das Vorkommen belastender
Vorerfahrungen mit dem aktuellen subjektiven Stressempnden. Unter welchen Umständen belastende
biograsche Vorerfahrungen eher Resilienz fördern oder aktuelle Belastungen darstellen, ist noch unklar. Erste
empirische Hinweise gibt es auch zu Auswirkungen von eigenen Missbrauchserfahrungen auf die Beurteilung
von Fallvignetten. Jackson/Nuttall (1993: 139) untersuchten etwa Einussfaktoren von Falleinschätzungen
sexuellen Missbrauchs anhand von Vignetten. Klinisches Personal mit eigenen Missbrauchserfahrungen
(darunter auch SozialarbeiterInnen) schätzten Behauptungen sexuellen Missbrauchs signikant als
glaubwürdiger ein als Personal ohne Missbrauchserfahrungen (vgl. Jackson/Nuttall 1993: 135). Da die
Einschätzung nur anhand von Vignetten erfolgte und das Design den AutorInnen zufolge keine Rückschlüsse
auf die Richtigkeit der Einschätzungen erlaubte (vgl. Jackson/Nuttall 1993: 139), ist eine weiterführende
Interpretation schwierig.
2.4 Implikationen
für
die
Ausbildung
Einige der AutorInnen sind sich einig, dass die Thematik psychischer Belastungen und Störungen bereits
beim Aufnahmeprozess oder früh im Studium beachtet werden sollte. So wird diesbezüglich etwa auf
verantwortungsvolles Gatekeeping hingewiesen (vgl. Gore/Black 2009: 457; Sellers/Hunter 2005: 879–880)
oder zumindest die Frage aufgeworfen (vgl. Russel et al. 1993: 128; Dykes 2011: 529). Unter Gatekeeping
versteht man allgemein, dass Universitäten im Aufnahmeverfahren oder später darüber entscheiden können,
wer für die Profession zugelassen wird. Dabei sollen unqualizierte Studierende früh erkannt werden, um
Nachteile für künftige KlientInnen zu vermeiden (vgl. Sowbel
2012: 27).
Schwanzer et al. (2021: 6) zufolge gibt es starke Evidenz dafür, dass Fertigkeiten und Gewohnheiten
zur Stressprävention das Risiko von arbeitsbezogenem Stress, Burnout sowie frühzeitigem Ausscheiden
aus der Profession verringern können. Einige AutorInnen empfehlen Angebote zu Stressprävention und
-bewältigung im Rahmen des Studiums (vgl. Kriener et al. 2018: 42; Thomas 2016: 457). Gore und Black
(2009: 458) zufolge sollte dem Bedürfnis nach Selbstfürsorge nachgekommen werden. Zur Wirksamkeit von
Selbstfürsorge-Interventionen in der Ausbildung gibt es bereits empirische Evidenz. Einen Überblick ndet
man etwa bei Griths, Royse, Murphy und Starks (2019). Weiters wird die Wichtigkeit von Beratungs- und
Therapieangeboten betont (vgl. Black et al. 1993: 179; Kriener et al. 2018: 42; Thomas 2016: 250; Coombes/
Anderson 2000: 298). Gore und Black (2009: 457) weisen dabei auf mögliche Rollenkonikte für DozentInnen
im Studienkontext hin, weshalb die Studierenden eher weitervermittelt werden sollten.
Auch mögliche Auswirkungen von belastenden biograschen Vorerfahrungen haben Implikationen
für die Ausbildungspraxis. Einige AutorInnen betonen etwa die Wichtigkeit von Selbstreexion der eigenen
Biograe (vgl. Black et al. 1993: 179; Rompf/Royse 1994: 169; Sellers/Hunter 2005: 879; Wilson/McCrystal
2007: 48; Thomas 2016: 251). Coombes und Anderson (2000) zufolge ist es etwa wichtig, den Studierenden
mögliche Beeinussungen aufgrund der eigenen Biograe auf die professionelle Praxis und damit letzten
Endes auf die KlientInnen bewusst zu machen (vgl. Coombes/Anderson 2000: 298).
3 Methodik
Für die Beantwortung der Forschungsfrage wurden leitfadengestützte ExpertInneninterviews mit drei
Fachhochschul-DozentInnen durchgeführt. Aus Ressourcengründen war eine Befragung Studierender nicht
möglich. Ziel der ExpertInneninterviews war es, den Umgang mit der Thematik an den Fachhochschulen zu
ergründen. Der Leitfaden wurde im Zuge der Interviews mehrfach revidiert. Beim Sampling wurde nach Merkens
(2009: 291) größtmögliche Variation angestrebt. So wurden zuerst Departments mit den meisten Bachelor-
Studienplätzen angeschrieben, die zudem sowohl berufsbegleitende und Vollzeit-Bachelorstudiengänge als
auch Masterstudiengänge anbieten. Weiters bezogen sich die Anfragen auf DozentInnen unterschiedlicher
Lehrveranstaltungen (z.B. Praxisbegleitung, Persönlichkeitsbildung etc.). Insgesamt wurden Personen aus
sieben Studiengängen kontaktiert, drei endgültige Rückmeldungen sind eingegangen und sodann wurden
drei Interviews mit FH-DozentInnen geführt. Die Transkripte wurden mit qualitativer Inhaltsanalyse nach
Mayring (2015) ausgewertet (inhaltliche Strukturierung). Die Kategorien wurden weitgehend deduktiv aus
Fragestellung, Leitfaden und Forschungsstand erstellt. Codes wurden sowohl deduktiv als auch induktiv
erstellt.
4
Ergebnisse
Nachfolgend werden die Ergebnisse der drei ExpertInneninterviews zusammenfassend wiedergegeben.
Auf die Zuordnung einzelner Aussagen zu den jeweiligen Interviewten und Transkriptstellen wird bewusst
verzichtet, um die Anonymität der drei Befragten zu gewährleisten.
4.1 Vorkommen
unterschiedlicher
Belastungen
und
psychischer
Erkrankungen
Die Befragten sind sich einig, dass psychische Belastungen in unterschiedlichem Ausmaß eine Rolle spielen.
So ergab etwa eine interne Befragung einer Fachhochschule, dass viele Studierende von Schlafstörungen,
Erschöpfungszuständen oder Kopfschmerzen berichten. Ein großer Bereich betrit Belastungen im Studium.
So können etwa alltägliche Anforderungen wie Prüfungssituationen zu Belastungen führen, was mitunter
Schlafstörungen, vermehrtes Suchtverhalten (z.B. Essen, Rauchen, Spielsucht) oder gesteigerte Handy- und
Computernutzung bedingt. Auch im außer-universitären Bereich werden Belastungen wahrgenommen. So
kann Berufstätigkeit neben dem Studium Ursache von Stress sein. Dabei nennt ein/e DozentIn nanziellen
Druck, aber auch psychische und psychosomatische Belastungen durch die Anforderungen. Eine andere
Ursache von Belastungen sind Schicksalsschläge wie Trennungen, Krankheit oder Tod von Angehörigen
oder Arbeitslosigkeit. Durch die aktuelle Covid-19-Pandemie haben sich Belastungen verschärft, und zwar
insbesondere in den Bereichen Arbeit, Familie, Wohnsituation oder Einsamkeit.
Auch psychische Störungen werden wahrgenommen, etwa Suchterkrankungen oder Essstörungen.
Eine FH konnte in einer internen Befragung herausnden, dass einige Studierende mit Suizidgedanken,
Panikattacken, Angst vor den Anforderungen der FH, Essstörungen, Depressionen oder auch bipolaren
Störungen konfrontiert sind. Ob Studierende der Sozialen Arbeit stärker (vor)belastet sind als andere, wird
unterschiedlich wahrgenommen. Laut den Interviewten könnten sie jedoch wegen geringerem Stigma oener
und häuger darüber berichten als andere. Zur Häugkeit von nachteiligen biograschen Vorerfahrungen ist
wenig bekannt. Bekannt werden Vorerfahrungen vor allem im Einzelfall. Benannt wurden etwa psychische
Erkrankungen, Migrationshintergrund, Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen in den Herkunftsfamilien.
Auch Suchterfahrungen im privaten Umfeld werden genannt, was in Österreich jedoch häug sei. Generell
beträfen belastende biograsche Ereignisse einen Großteil der Bevölkerung.
4.2 Auswirkungen
Es wird betont, dass belastende biograsche Vorerfahrungen nicht per se problematisch sein müssen.
Sie können auch Vorteile mit sich bringen und eine wertvolle Ressource darstellen. Genannt werden etwa
gesteigerte Empathie, Einfühlungsvermögen und Wissen aus eigener Erfahrung. Allerdings könnten sich
auch Nachteile und Schwierigkeiten ergeben. Genannt werden Abgrenzungsprobleme und Belastungen in
ähnlichen Situationen. Weiters könnten eigene Erfahrungen unreektiert auf KlientInnen projiziert werden.
Die Biograe wird auch mit der Motivation der Berufswahl in Zusammenhang gebracht. Ein/e
DozentIn nimmt wahr, dass Soziale Arbeit Menschen mit eigenen schwierigen Lebenserfahrungen anziehe,
weil sie dadurch sensibilisiert für strukturelle Probleme seien. Ein/e andere/r DozentIn bringt die Motivation
in Zusammenhang mit einer „neurotischen Persönlichkeitsdimension“: Viele würden „nähren, um genährt
zu werden“, Lehrende miteingeschlossen. Liege die Motivation primär darin, Wertschätzung zu erhalten,
könnte das zu höherem Burnout-Risiko führen.
4.3 Implikationen
und
Umgang
Alle Befragten geben an, dass nachteilige biograsche Vorerfahrungen und -belastungen reektiert werden
sollten und dadurch auch zum Vorteil werden können. Auch sei es für Studierende und Lehrende wichtig,
Dynamiken in Bezug auf die Motivation der Berufswahl zu reektieren, um gesund bleiben zu können.
Allgemein sollten in der Sozialen Arbeit die eigenen Grenzen, Limitationen, Unzulänglichkeiten, Belastungen
aber auch Bewältigungen reektiert werden.
In Lehrveranstaltungen ndet Selbstreexion einerseits in spezischen Seminaren statt,
andererseits haben auch praxisbegleitende Seminare Selbstreexionscharakter bzw. einen Fokus auf
Persönlichkeitsbildung. Auch in anderen Lehrveranstaltungen kann Selbstreexion stattnden und
angeregt werden, z.B. in handlungsfeldbezogenen Lehrveranstaltungen oder Ethik. Zur Reexion werden
unterschiedliche Methoden eingesetzt. Eine DozentIn berichtet von einer Lehrveranstaltung, in der auch Stress,
Burnout und Bewältigungsmethoden bearbeitet werden. Dort werden Methoden wie Genogrammerstellung
oder Intervision eingesetzt. Auch in Praktikumsberichten wird emotionale Wahrnehmung reektiert. Eine
andere Methode sind Persönlichkeits- bzw. Bindungs-Kurztests, die dann gemeinsam reektiert werden.
Im Gruppensetting werden belastende persönliche Themen nicht immer angesprochen, was seitens
der Lehrenden auch auf Verständnis stößt. So berichtet etwa eine DozentIn, dass Studierende anfangs oft
Hemmungen hätten, über die eigene Familie zu sprechen. Deshalb wurde eine spezische Lehrveranstaltung
für die Reexion des Bedeutungszusammenhangs von Familie und Sozialer Arbeit eingeführt, in deren Kontext
Studierende mitunter auch belastende Vorerfahrungen ansprechen. Allgemein werden kleinere Gruppen
als förderlich angesehen. An einer FH gibt es auch regelmäßige Einzelgespräche in der Praxisbegleitung.
Bedingt durch die Covid-Krise wurden an einer FH schriftliche Reexionen u.a. zu Themen wie Stress oder
Burnout durchgeführt. Dadurch wurde viel angesprochen und für die Lehrenden sichtbar, auch weil die
Aufgaben im Gegensatz zu freiwilligen Wortmeldungen in der Präsenzgruppe verpichtend waren. Hilfreich
seien eine oene Haltung der DozentInnen und das aktive Bemühen, der Thematik Raum zu geben. So
berichtet z.B. eine DozentIn, dass die Oenheit zunimmt, über Therapie und eigene Diagnosen zu sprechen,
sobald die Themen von der DozentIn aktiv angesprochen werden.
Auf Studiengangsebene beschränkt sich der Umgang mit psychischen Belastungen auf das
Gatekeeping, wobei sich hier unterschiedliche Zugänge ausmachen lassen. An einer Hochschule wird
versucht, BewerberInnen mit psychischen Störungen (etwa im Bereich von Persönlichkeitsstörungen
oder Beziehungsstörungen) bereits beim Aufnahmeverfahren herauszultern. An zwei der FHs sind auch
PsychologInnen involviert, die z.B. Gruppendynamiken reektieren oder Belastungstests einsetzen. Dort wird
auch gezielt nach belastenden Lebensereignissen gefragt. Geachtet wird auf den Grad der Reektiertheit
und der Bewältigung. Wem kritische Distanz fehlt, wird mitunter nicht aufgenommen. An einer FH spielen
Gatekeeping-Überlegungen bei Studierenden mit psychischen Störungen auch später im Studium eine
Rolle. Man setzt auf beidseitig befriedigende Lösungen, bedenkt allerdings auch mit, ob sich Nachteile
für künftige KlientInnen ergeben könnten. Eine andere DozentIn äußert zum Gatekeepingprozess jedoch
ethische Bedenken und betont das Veränderungspotenzial im Laufe des Studiums. Es stellt sich die Frage,
ob man aufgrund der eigenen Wahrnehmung überhaupt über spätere Kompetenz urteilen kann und sollte.
Weiters habe man keinen Einuss darauf, wo die Studierenden später arbeiten würden; manche könnten
auch in die Forschung gehen.
Auf Fachhochschulebene wird psychologische Beratung entweder angeboten oder es wird
gegebenenfalls weitervermittelt, z.B. an die psychologische Studierendenberatung. In seltenen Fällen
wird auch an eine Klinik verwiesen. Welchen Stellenwert Therapie und Supervision unter Studierenden
haben, wird unterschiedlich wahrgenommen. Ein/e Befragte/r kann die Studierenden diesbezüglich nicht
konkret einschätzen, anderen Befragten zufolge ist die Einstellung recht positiv, es seien „gar nicht so
wenige“ in therapeutischer Behandlung. Auch eine Gender- und Diversity-Abteilung für Studierende mit
Beeinträchtigungen wird als unterstützend wahrgenommen. Außerdem denkt eine FH über die Einführung
von Hochschulsozialarbeit nach. In diesem Zusammenhang wird auch auf mögliche Rollenverstrickungen
von DozentInnen hingewiesen. Studierende sollten bei schwereren Belastungen eher weitervermittelt
werden.
5 Diskussion
Die Bandbreite wahrgenommener Belastungen reicht von Stress bis hin zu schwereren psychischen
Störungen wie Suizidgedanken oder bipolaren Störungen. Belastende biograsche Vorerfahrungen werden
den Befragten vor allem im Einzelfall bekannt, sodass nur wenige allgemeine Bereiche genannt werden
(z.B. Sucht). Allgemein ist zum quantitativen Ausmaß von Belastungen und Vorerfahrungen bislang wenig
bekannt. Eine FH führte dazu jedoch interne Befragungen durch. Hier ist Raum für weitere Forschung,
um die Bedeutung und das Ausmaß von Belastungen und Vorerfahrungen zu untersuchen. Auch Sellers/
Hunter (2005: 878) befürworten die Untersuchung belastender Kindheitserfahrungen mit repräsentativen
Stichproben.
Zu den Auswirkungen belastender biograscher Vorerfahrungen werden sowohl Vorteile (Empathie,
eigene Erfahrung) als auch mögliche Nachteile (Abgrenzungsprobleme, unreektierte Projektion eigener
Erfahrungen auf KlientInnen) für die professionelle Praxis genannt. Ein/e Befragte/r wirft zudem die Frage
nach einem Zusammenhang zwischen Motivation für die Berufswahl und möglicherweise erhöhtem
Burnout-Risiko auf. Diese Erfahrungen der DozentInnen decken sich weitgehend mit den Einschätzungen
aus der Literatur. Auf diesen Erfahrungen und der Literatur aufbauend sollten mögliche Auswirkungen auf
Gesundheit und professionelle Praxis empirisch untersucht werden.
Die Auseinandersetzung mit eigenen Belastungen, Unzulänglichkeiten und Grenzen wird von den
Befragten als sehr wichtig für die professionelle Soziale Arbeit gesehen. Biograsche Vorerfahrungen würden
dann zum Vorteil, wenn sie reektiert werden. Auch die Motivation sollte reektiert werden. Wie in der Einleitung
dargelegt, deutet auch die Fachliteratur darauf hin, dass Selbstreexion negative Auswirkungen auf die
Praxiskompetenz reduzieren könnte. Ein Diskussionsentwurf für ein mögliches Berufsgesetz von 2017 bleibt
diesbezüglich vage und schlägt als Bestandteil der Ausbildung „Theorie-Praxis Reexion mit Supervisions-
und Selbsterfahrungselementen (mind. 8 ECTS)“ (OBDS 2017: § 6) vor. Es bleibt also viel Spielraum, weshalb
eine Diskussion über den Umfang und vor allem den Fokus von Selbstreexion wünschenswert erscheint.
Die Interviews zeigen hierbei, wie unterschiedlich Selbstreexion gestaltet werden kann – umso wichtiger
erscheint eine evidenzbasierte Diskussion darüber. Die Ergebnisse der ExpertInneninterviews deuten darauf
hin, dass es einige förderliche Aspekte bzw. Methoden gibt, wie z.B. oene Haltung der DozentInnen,
kleinere Gruppen, Einzelgespräche, eigenes Wahlpichtfach, gezielte schriftliche Reexionen zu Themen
wie Stress oder Burnout, Persönlichkeitstests. Andererseits werden auch Bedenken bezüglich möglicher
Rollenkonikte und der eigenen Privatsphäre geäußert. Hier scheint es viel Raum für Forschung zu geben:
Welche Methoden und Settings sind besonders geeignet, oene Reexion zu fördern? Wie kann man die
Bedenken adressieren? Welche Auswirkungen hat solche Selbstreexion auf die psychische Gesundheit
und professionelle Kompetenz der angehenden SozialarbeiterInnen?
Zur Orientierung bei der Ausrichtung potenzieller Studiendesigns kann etwa eine Studie von Gore
und Black (2009) dienen: hier wurden mit einem Prä-Post-Design die Auswirkungen eines Kurses über
Kindesmisshandlung untersucht. Sie stellten fest, dass nach dem Kurs deutlich mehr Studierende angaben,
selbst sexuellen Missbrauch erlebt zu haben (vgl. Gore/Black 2009: 455). Man könnte auch erforschen, wie
(ehemalige) Studierende die selbstreexiven Ausbildungsbestandteile beurteilen. Eine Studie von Strozier
und Staces (2001: 191–192) in den USA fand z.B. heraus, dass befragte Studierende (Master of Social Work)
ihre Eigentherapie und damit einhergehende Selbsterfahrung als wesentlich wichtiger für ihre Ausbildung
einschätzten als die befragten Fakultätsangestellten. Derartige empirische Evaluationen könnten auch im
Rahmen von Seminaren wichtige Hinweise über Bedeutung und Gestaltung von Selbstreexion liefern.
Eine andere Implikation betrit Selbstfürsorge und Stressbewältigung. Aus den ExpertInneninterviews
geht hervor, dass in Reexionsseminaren teilweise gezielt Themen wie Stress, Burnout und
Bewältigungsmethoden bearbeitet werden. Angebote zur Stressbewältigung können sich als förderlich
erweisen, wie auch Kriener et al. (2018: 42) und Thomas (2016: 457) hervorheben. Psychologische Beratung
wird in den befragten Fachhochschulen entweder angeboten oder vermittelt. Ob die Angebote auch tatsächlich
in Anspruch genommen werden, ist den DozentInnen oft nicht bekannt. Zum Stellenwert von Therapie
und Beratung unter Studierenden gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen auf Seiten der DozentInnen.
Auch diese Aspekte könnten empirisch untersucht und evaluiert werden. Kriener et al. (2018) stellten in
ihrer Studie unter Sozialarbeitsstudierenden etwa fest, dass psychologische Beratungsangebote trotz
Bekanntheit (ca. 59%) nur von ca. 10% in Anspruch genommen wurden. Sie fordern, die Inanspruchnahme
durch Überprüfung und Modikation der Angebote zu fördern (vgl. Kriener et al. 2018: 42).
Hinsichtlich Gatekeeping konnten unterschiedliche Zugänge ausgemacht werden. An zwei FHs nden
psychische Belastungen bereits im Aufnahmeverfahren Beachtung, an einer anderen nicht. Es gibt ethische
Bedenken: einerseits die Verantwortung künftigen KlientInnen gegenüber, andererseits den BewerberInnen
und Studierenden gegenüber. Durch ein Berufsgesetz mit Titelschutz würde die Verantwortung der FH als
„Torhüter der Profession“ weiter steigen und die Thematik somit noch relevanter. Die Frage, inwiefern eigene
psychische Störungen für die professionelle Kompetenz relevant sein können, wirft ethische Fragen auf,
deren Beantwortung man sich mittels Forschungsarbeiten nähern kann. Für die Psychotherapie fordert
Sydow (2014: 290) eine transparente Diskussion darüber. Das könnte auch auf die Soziale Arbeit übertragen
werden.
Die hier präsentierte Untersuchung ist erheblich limitiert. ExpertInneninterviews wurden nur mit
DozentInnen von drei Bachelor-Studiengängen geführt. Es handelt sich um Einzelwahrnehmungen der
DozentInnen, die nicht notwendigerweise die Situation am gesamten Studiengang widerspiegeln. Einüsse
sozialer Erwünschtheit sind möglich, werden aber durch die Anonymisierung minimiert (vgl. Kromrey 2006:
358–360). Die qualitative Inhaltsanalyse wurde vom Autor allein und nur einmalig durchgeführt, weshalb
keine Aussagen zur Reliabilität möglich sind (vgl. Mayring 2015: 124).
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Fazit
Die Studie untersuchte, welche Rolle Belastungen, psychische Störungen und belastende biograsche
Vorerfahrungen bei Studierenden der Sozialen Arbeit in Österreich spielen und wie mit diesen im
Hochschulkontext, im Zuge des Sozialarbeitsstudiums umgegangen wird. Die Methodik ist limitiert, weshalb
die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden sollten. Es ergibt sich aber ein erstes qualitatives Bild über
Bandbreite, Auswirkungen, Implikationen und den Umgang der Fachhochschulen mit der Thematik. Künftige
Forschungsprojekte könnten daran anknüpfen und damit einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von
Gesundheit und professioneller Kompetenz von Fachkräften in der Sozialen Arbeit leisten.
Verweise
1
„Als aversive Kindheitserfahrungen (Aversive Childhood Experiences, ACE) werden im Kontext epidemiologischer Forschung in den USA
folgende Ereignisse vor dem 18. Lebensjahr bezeichnet: verbaler, physischer und sexueller Missbrauch, häusliche Gewalt, Zusammenleben
mit drogenabhängigen, psychisch erkrankten oder inhaftierten Personen, Trennung/Scheidung der Eltern sowie emotionale und physische
Vernachlässigung.“ (Taubner/Ulrich-Manns/Klasen/Curth/Möller/Wolter 2014: 4)
2
Im Folgenden sind dabei vor allem Reaktionen der SozialarbeiterInnen auf KlientInnen gemeint, die auf ungelöste eigene Konikte zurückzuführen
sind und negative Auswirkungen auf den Prozess haben können. Einen allgemeinen Überblick zum Konzept sowie verschiedenen Auassungen
dazu nden sich beispielsweise bei Rosenberger und Hayes (2002).
3
Häug wird diesbezüglich auf Fausel (1988) verwiesen. Das Hauptargument ist, dass SozialarbeiterInnen mit eigenen Suchterfahrungen weniger
eektiv im Umgang mit abhängigen KlientInnen seien oder ihnen gar schaden könnten, etwa aufgrund eines übersteigerten Helferbedürfnisses, des
Bedürfnisses nach Anerkennung bzw. wegen eigener ungelöster Konikte (vgl. Fausel 1988: 40).
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Über den Autor
Paul Sölder
p.soelder@mailbox.org
Absolvent des BA-Studiengangs Soziale Arbeit am MCI Management Center Innsbruck. Derzeit Studium
der Psychologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
Psychosoziale
Belastungen
und
belastende
biograsche
Vorerfahrungen
von Studierenden der Sozialen Arbeit:
Umgang und Sichtweisen der Fachhochschulen
Paul Sölder