soziales_kapitalMagdalena Habringer & Christoph StoikEin begleiteter Nachverdichtungsprozess: Die beteiligten Akteur_innen und ihre Handlungslogiken.” soziales_kapital, no. 26 (2022). Rubrik „Sozialarbeitswissenscha“. Wien. Printversion: https://soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/765/1395_Soziale Innovation 26. Ausgabe Juni 2022ZusammenfassungDie Errichtung von gefördertem Wohnbau auf bestehenden Grundstücken – sogenannte Nachverdichtungen – stellt eine Option dar, leistbaren Wohnraum in wachsenden Städten zu schaen. Damit verbundene Transformationsprozesse können zu Konikten führen. Ein vom Klima- und Energiefonds gefördertes Forschungsprojekt hat sich mit einer Nachverdichtung im 22. Bezirk in Wien auseinandergesetzt. 156 neue Wohnungen werden von der gemeinnützigen Wohnbauträgerin Schwarzatal errichtet. Der Transformationsprozess wird von der Caritas Stadtteilarbeit begleitet. Die Begleitforschung wurde durch die Austrian Energy Agency und die FH Campus Wien durchgeführt. Letztere hat sich v.a. mit den Handlungslogiken der Akteur_innen beschäftigt, insbesondere mit jenen der Bestandsbewohner_innen, der Projektbetreiber_innen und der Prozessbegleitung. Die zentralen Ergebnisse der Forschung, u.a. die Konikthaftigkeit der Transformationen, das Partizipationsdilemma und die Verantwortung der Kommune sind Inhalt dieses Beitrags.Schlagworte: sozialer Wohnbau, Nachverdichtung, urbane Transformationen, Gemeinwesenarbeit, wachsende StädteAbstractThe construction of public housing on existing properties – so-called redensication – is an important option for creating aordable housing in growing cities. However, the related transformation processes can cause conicts. A research project funded by the Klima- und Energiefonds has examined a redensication project in Vienna’s 22nd district. 156 new apartments to be built by the non-prot housing developer Schwarzatal. The transformation process is accompanied by Caritas Stadtteilarbeit. The accompanying research was carried out by the Austrian Energy Agency and the FH Campus Wien. The latter focused primarily on the logic of action of the participants, in particular those of the existing residents, the project operations, and the process management. This article presents the central results of the research, including the conictual nature of the transformations, the participation dilemma and the responsibility of the municipality.Keywords: social housing, redensication, urban transformations, community work, growing cities1 EinleitungDer Wohnungsmarkt wachsender Städte steht unter Druck. Um genügend Wohnraum zur Verfügung zu stellen, müssten in Wien jährlich ca. 11.000 Wohnungen errichtet werden (vgl. Schremmer 2015). Eine Möglichkeit zur Schaung von leistbarem Wohnraum kann für Städte wie Wien die Nachverdichtung auf bestehenden Grundstücken darstellen. Nachverdichtende Bauprojekte in (sub)urbanen Räumen gehen jedoch mit komplexen und herausfordernden Transformationsprozessen einher, die von unterschiedlichen Akteur_innen – teilweise konikthaft – ausverhandelt werden. Als Forschungsteam haben wir ein Projekt über drei Jahre (2018–2021) begleitet. Im Rahmen unseres Forschungsprojekts haben wir die Bewohner_innen des Altbestands, zukünftige Bewohner_innen des Neubaus, die Prozessbegleitung, die Eigentümerin und Hausverwaltung und ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Mietervereins in zwei Erhebungsphasen qualitativ interviewt bzw. deren Aktivitäten teilnehmend beobachtet. 2021 haben wir nach der ersten Erhebungsphase in soziales_kapital bereits über Zwischenergebnisse zur Nachverdichtung der erforschten Wohnhausanlage im 22. Bezirk berichtet (vgl. Habringer/Stoik/Poigner/Kirsch-Soriano da Silva 2021). Während die erste Erhebungsphase noch vor Baubeginn durchgeführt wurde, konnten wir in der zweiten Erhebungsphase auch Dynamiken erfassen, die durch die zu dem Zeitpunkt schon bestehende Baustelle und die zwischenzeitlich gesetzten Maßnahmen durch die Prozessbegleitung entstanden. Einleitend soll an dieser Stelle das erforschte Nachverdichtungsprojekt kurz vorgestellt werden, um darauolgend die vor Ort involvierten Akteur_innen und die damit verbundenen Herausforderungen für die Prozessbegleitung zu betrachten. Die Handlungslogiken und Dynamiken der Akteur_innen sollen damit sichtbar werden. Darunter fällt etwa auch das sogenannte Partizipationsdilemma, das bei zukünftigen Nachverdichtungsprozessen von Anfang an mitbedacht werden sollte und das später ausführlicher beschrieben wird. Abschließend werden Hinweise und Empfehlungen für ähnliche zukünftige Projekte gegeben, die anhand der Ergebnisse der Begleitforschung erarbeitet wurden.2 Akteur_innen und ihre HandlungslogikenIn Nachverdichtungsprojekten sind viele unterschiedliche Akteur_innen involviert, die mit ihren jeweiligen Interessen und im Rahmen ihrer Handlungsoptionen auf das Projekt einwirken beziehungsweise dieses als solches produzieren. Auch wenn jede Akteur_innen-Gruppe in sich heterogen und wandelbar ist, konnten wir in unserem Forschungsprojekt zentrale Akteur_innen betrachten, die folgend anhand ihrer Handlungslogiken in Bezug miteinander gesetzt werden. Damit wollen wir Dynamiken sichtbar machen, die den Verlauf des Projekts prägten und allgemeine Rückschlüsse auf ähnliche zukünftige Vorhaben zulassen. Um die Dynamiken im Feld beschreiben zu können, werden zuvor die Gegebenheiten des Forschungsprojekts erläutert.2.1 Nachverdichtung als Forschungsprojekt Unser Forschungsprojekt setzte sich mit der Nachverdichtung in der Meißauergasse 2a in Kagran auseinander. Neben der bereits bestehenden Wohnanlage mit 426 Wohneinheiten werden auf der Fläche des ehemaligen Parkdecks zwei neue Wohnhäuser mit insgesamt 156 Wohneinheiten sowie eine Tiefgarage für die gesamte Anlage errichtet. Die neuen Wohnungen sollen im Frühjahr 2023 fertiggestellt sein. In den Bestandsgebäuden aus dem Baujahr 1975, die vor ca. fünf Jahren thermisch und sicherheitstechnisch saniert wurden, leben derzeit ca. 700 Bewohner_innen (vgl. Caritas der Erzdiözese Wien – Hilfe in Not 2021). Ungefähr die Hälfte der Bewohner_innen sind Erstmieter_innen aus den 1970er Jahren (vgl. Caritas der Erzdiözese Wien – Hilfe in Not 2017: 14). Die Wohnanlage bendet sich im Eigentum der Schwarzatal, einer gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft. Ziel der Schwarzatal ist es, leistbaren Wohnraum zu errichten. Gleichzeitig hat sie das Interesse, die Bestandsbewohner_innen weiterhin mit hochqualitativem, sozialen Wohnraum zu versorgen. Um diesem Spannungsfeld gerecht zu werden, hat sich die Schwarzatal zum Ziel gesetzt, die baulichen Transformationsprozesse in der Meißauergasse mit professioneller Unterstützung zu begleiten (vgl. Caritas der Erzdiözese Wien – Hilfe in Not 2021). Die Stadtteilarbeit der Caritas Wien hat die Aufgabe der Prozessbegleitung – in Kooperation mit der Schwarzatal – übernommen. Dabei wurden auch Maßnahmen hinsichtlich der Mobilität, der Freiräume und Gemeinschaftsräume, des generationengerechten Wohnens sowie der Nachbarschaft entwickelt, die zu einer nachhaltigeren Gestaltung der zukünftigen Wohnanlage beitragen sollen. Zudem wurden bestehende und zukünftige Bewohner_innen über die geplanten Maßnahmen auf verschiedenen Kommunikationskanälen informiert und eingeladen sich zu bestimmten Themen auch aktiv mit ihren Anliegen und Ideen einzubringen (vgl. Caritas der Erzdiözese Wien – Hilfe in Not 2021; Kirsch-Soriano da Silva/Verlič 2018). Wir, ein Forschungsteam der FH Campus Wien, und ein Team der Österreichischen Energieagentur haben dieses Bauprojekt und die laufenden Begleitmaßnahmen wissenschaftlich begleitet. Das gesamte Projektvorhaben wurde im Rahmen eines Smart-Cities-Demonstrationsvorhabens durch den Klima- und Energiefonds gefördert (vgl. Smart Cities des Klima- und Energiefonds 2018). 2.2 Die Bewohner_innen und der hohe Grad an Identikation mit ihrem WohnhausDie Bewohner_innen des erforschten Nachverdichtungsprojekts wurden in mehreren Erhebungs-phasen empirisch in den Blick genommen. Insgesamt wurden 15 leitfadengestützte qualitative Interviews mit Bewohner_innen des Altbestands, zum Teil vor Baubeginn und zum Teil während der Bauphase des Neubaus, durchgeführt. Anhand der zwei qualitativen Befragungsphasen und mehrerer teilnehmender Beobachtungen vor Ort erhielten wir einen Einblick in ihre Haltungen zur (geplanten) Nachverdichtung, ihre Sorgen bezüglich damit einhergehenden Transformationsprozessen und ihre Strategien zum Umgang damit. 2021 beschrieben wir bereits die hohe Wohnzufriedenheit der Bewohner_innen im Altbestand (vgl. Habringer et al. 2021). Diese wollten ihre Wohnumgebung nicht verändert wissen und entwickelten und artikulierten daher Widerstände gegen den geplanten Neubau als Erweiterung ihres Wohnbaus. Besonders jene Bewohner_innen, deren Wohnung nahe an der (damals nur geplanten) Baustelle lag, zeigten sich widerständig und verärgert über das Projekt. Dies lag unserer Analyse folgend unter anderem daran, dass die Bestandsbewohner_innen Faktoren, die wesentlich zu ihrer hohen Wohnzufriedenheit beitrugen, durch den Neubau bedroht sahen. Hierzu zählten beispielsweise die weite Aussicht, viele Grünächen und leistbare Mietpreise. Der Neubau in unmittelbarer Nähe würde viel Gewohntes und Geschätztes verändern. Nach unserer ersten Erhebungsphase konnten wir Transformationsprozesse und damit verbundene reale und amorphe Ängste eruieren. Diese Ängste standen zum Teil in direktem Zusammenhang mit dem Neubau (etwa veränderte Parkplatzsituation), wurden zum Teil aber auch auf den Neubau projiziert (etwa Sorgen um demographische Veränderungen in der unmittelbaren Wohnumgebung). So konnten wir beispielsweise einen Generationenwechsel im Bestand beobachten, der das gewohnte soziale Gefüge im Wohnhaus und im gesamten Wohnumfeld verändert. Dies würde durch neue Bewohner_innen im Neubau sowie in anderen Neubauten in der Umgebung verstärkt werden. Diese demographischen Veränderungen im gesamten Stadtteil bringen durch ihre räumliche Verdichtung Urbanisierungsprozesse mit sich, die gewohnte Lebenskonzepte in Frage stellen. Egal auf welche Ebene, ob im eigenen Wohnhaus oder im gesamten Stadtteil: die befürchteten Transformationen wurden als Gefahr für das gewohnte und geordnete suburbane Leben im erforschten Wohnbau beschrieben. Die entstehenden Unsicherheiten und teilweise hinzunehmenden Einschränkungen des alltäglichen Lebens (z.B. durch die Baustelle) brachten Widerstände hervor. Es zeigte sich, dass Widerstände Handlungsmacht und somit die Option schaen, Gefühle der Ohnmacht zu überwinden und ungewünschte Veränderungen zu beeinussen. Nach der zweiten Erhebungsphase konnte ein hoher Grad an Identikation mit dem Wohnhaus festgestellt werden. Dies ist ein besonders bedeutender Faktor, der eine Erklärung für die oft ablehnende Haltung der Bewohner_innen gegenüber dem Neubau darstellt. Viele Bewohner_innen lebten schon mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte im erforschten Wohnhaus, sie beschrieben sich selbst teilweise als Eigentümer_innen ihrer Wohnung. Sie haben die Anlage und die dazugehörigen Grünächen jahrelang mitgestaltet und gepegt und sich damit das Wohnhaus auf ihre Art angeeignet. Gleichzeitig zeigte sich bei diesen Bewohner_innen ein verstärkter Wunsch nach Mitbestimmung und Partizipation bei bestimmten Veränderungsprozessen. Auch die befragten Prozessbegleiter_innen wiesen auf den hohen Grad an Identikation der Bewohner_innen als bedeutende Handlungslogik hin. Die Tatsache, dass am „eigenen“ Grund, durch „meine“ Genossenschaft gebaut wird, beeinusste aufgrund der hohen Identikation das Denken und Handeln bezüglich der Transformationen viel stärker als nur eine räumliche Nähe. Der hohe Grad an Identikation kann Widerstände hervorrufen, kann aber auch zu einer höheren Bereitschaft zur Partizipation führen, wenn das Wohnhaus als „das eigene“ identiziert wird und damit eine wichtige Bedeutung für das eigene Leben und die Identität hat. Diese Dynamik kann von Prozessbegleiter_innen eines Nachverdichtungsprojekts erkannt, aufgegrien und genutzt werden. Die hohe Identikation mit dem Wohnhaus zeigte sich beim erforschten Projekt auch in der Organisation und Vergemeinschaftung der Bewohner_innen über einen Mieterverein mit einer langen Tradition und wechselnd hoher Legitimation.2.3 Strategien und Ziele des MietervereinsIm erforschten Wohnhaus besteht ein Mieterverein, dessen Vorstand sich aus engagierten Mieter_innen zusammensetzt. Die Bewohner_innen des Wohnhauses zahlen als Vereinsmitglieder einen kleinen nanziellen Beitrag. Allgemein, aber besonders bei Projekten wie der thermischen Sanierung vor wenigen Jahren oder dem Neubau sieht sich der Mieterverein als Sprachrohr der Bewohner_innen in Ausverhandlungsprozessen beispielsweise mit der Hausverwaltung. Er beschreibt sich auf seiner Homepage folgendermaßen: „Der Mieterverein […] ist das einzig, gemeinsame Sprachrohr und die Interessenvertretung der BewohnerInnen der [Wohnhausanlage, Anm.]. […] Unsere Aufgabe ist es, sich für den Erhalt der Rechte der MieterInnen in unserer Wohnhausanlage einzusetzen.“ (Mieterverein Meißauergasse 2a 2022) Als Forschungsteam bemühten wir uns intensiv um ein Interview mit dem Mieterverein, der den ersten Termin leider absagte und dann keinen weiteren mehr zusagte. Die Handlungslogiken des Mietervereins beziehen sich daher auf die Aussagen der restlichen hier beschriebenen Akteur_innen und unsere Beobachtungen. In den Bewohner_innen-Interviews der ersten Erhebungsphase zeigte sich, dass der Mieterverein eine große Rolle bei der Informationsweitergabe gegenüber den Mieter_innen spielt. Seit es Pläne zum Neubau gab, hat der Verein einige Veranstaltungen organisiert, die gut besucht waren, so die befragten Bewohner_innen. Viele bezogen zum Zeitpunkt der ersten Erhebungen ihr Wissen über den Neubau ausschließlich über die Infos durch den Mieterverein, also durch Veranstaltungen, Gespräche mit Vertreter_innen des Vereins am Gang, Blogbeiträge der Vereinshomepage oder auch Aushänge am Schwarzen Brett. Wir erkennen in den Aussagen der Bewohner_innen der ersten Erhebungsphase eine hohe Legitimation des Mietervereins bei den Mieter_innen. Der Mieterverein betrieb eine intensive Kommunikationsarbeit, was dazu führte, dass sich viele Mieter_innen in ihren Interessen wahrgenommen und vertreten fühlten. Sein oberstes Ziel dürfte unseren Daten zufolge die Verhinderung oder zumindest die Verzögerung der Nachverdichtung gewesen sein. Seine Handlungslogik war demnach davon geprägt, die Bewohner_innen in ihren Sorgen zum Neubau aufzufangen beziehungsweise diese womöglich zu schüren. Der Mieterverein versorgte die Bewohner_innen mit Informationen zu den Bauplänen und damit verbundenen eigenen Bewertungen. Weiters gelang es dem Verein, den Baustart und einzelne Maßnahmen der Eigentümerin u.a. mit rechtlichen Mitteln zu verzögern – beispielsweise die Ersatzstellplätze für die Autos. Das bisherige Parkdeck musste der Baustelle für den Neubau weichen. Der Vorschlag der Eigentümerin für einen Ersatzparkplatz wurde seitens des Mietervereins abgelehnt, sodass die Suche nach neuen Optionen den Baustart zeitlich nach hinten versetzte. Der Bau wurde trotz dieser Verzögerungen begonnen und es wurde ein anderer, weiter entfernter Ort für die zu parkenden Autos gefunden. Die Legitimation des Mietervereins wurde dadurch vermutlich geschwächt, denn er konnte seine Versprechen nicht halten, sondern hat für manche Bewohner_innen sogar Verschlechterungen herbeigeführt. Ein Befragter der zweiten Erhebungsphase erzählte, dass er die Mails des Mietervereins mittlerweile ignoriere, weil er „Konsens sucht und nicht [jemanden, der] Chaos produziert“ (Bewohner A). So veränderte sich die Wahrnehmung des Mietervereins durch Bewohner_innen im Laufe der Zeit. Stand er vor Baubeginn dafür, Handlungsmöglichkeiten für Bestandsbewohner_innen zurückzugewinnen, die sich in Bezug auf die geplanten Veränderungen ohnmächtig fühlten, so schien der Mieterverein im Lauf der Zeit an Legitimation gegenüber manchen Bewohner_innen verloren zu haben. Die Fokusgruppen mit Vertreter_innen der Eigentümerin, der Hausverwaltung und der Prozessbegleitung zeigen, dass die Kommunikation mit dem Mieterverein selten produktiv oder konsensual verlief. Mehrere Ausverhandlungsprozesse oder Vereinbarungen scheiterten, weil Vorstandsmitglieder des Vereins Gespräche abbrachen, Abmachungen nicht einhielten und stattdessen andere Strategien wählten, wie den Rechtsweg. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein Konkurrenzverhältnis zwischen dem Mieterverein und der Prozessbegleitung. Den Prozessbegleiter_innen gelang es zunehmend, Zugang zu den Bewohner_innen zu nden, sie zu informieren und damit mehr und mehr eine Aufgabe des Mietervereins zu übernehmen. Damit ging für den Mieterverein auch ein Verlust von Einuss und Macht einher, den er hinnehmen musste. Die Legitimation des Mietervereins verringerte sich nach dem Baustart, was einerseits darauf zurückgeführt werden kann, dass er den Bau nicht verhindern konnte und mit den Verzögerungen eine verlängerte Bauphase provozierte, die nicht im Sinne der Bewohner_innen war. Andererseits verlor er sein Informationsmonopol, über das er lange verfügte. Die Prozessbegleitung war immer mehr vor Ort sichtbar und legten eigene Kommunikationsmaßnahmen fest . Einzelne Mitglieder des Vereins initiierten auch nachbarschaftliche Initiativen, wie z.B. einen oenen Bücherschrank, und setzten gemeinsam mit dem Team der Caritas Stadtteilarbeit um. Insgesamt kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass organisierte Mieter_innen-Vertretungen wie der besagte Mieterverein – egal wie hoch ihre Legitimation gegenüber den Bewohner_innen ist – für Stimmen, Meinungen und Interessen von Bewohner_innen stehen. Diese Interessen müssen daher nicht nur ernst genommen werden, weil Mietervertretungen mit ihren Aktivitäten Einuss auf Bewohner_innen haben, sondern auch, weil sie zumindest einen Teil der Bewohner_innen repräsentieren. Sie sind daher wichtige Akteur_innen, mit denen professionell umgegangen werden muss.2.4 Maßnahmen und Wirkung der ProzessbegleitungDie Caritas Stadtteilarbeit, die für die Begleitung des Nachverdichtungsprozesses verantwortlich war und ist, setzte einen Schwerpunkt auf die Informationsaufbereitung und -übermittlung. Zudem eruierte sie die Bedürfnisse der Bewohner_innen und half bei der Umsetzung mancher Verbesserungsvorschläge. Gelingen sollte dies durch unterschiedliche Maßnahmen, die im Laufe des Prozesses gesetzt wurden. Die Erhebung von Bedarfslagen und Umsetzung von konkreten Vorschlägen wurde dabei möglichst partizipativ gestaltet. Die gesetzten Maßnahmen der Prozessbegleitung erfassten wir einerseits im Rahmen von teilnehmenden Beobachtungen und andererseits durch die Interviews mit den Bewohner_innen bzw. durch die Fokusgruppe mit den Prozessbegleiter_innen. Als Maßnahmen wurden ein Infopoint direkt vor dem Wohnhaus sowie digitale Infoscreens in den Stiegenhäusern installiert. Infobriefe ergingen wiederholt an alle Haushalte des Bestandshauses. Um niederschwellig in Kontakt zu treten, boten die Prozessbegleiter_innen zudem Radausüge, einen oenen Bücherschrank (in Kooperation mit dem Mieterverein), Radreparaturen etc. an, die von den Bewohner_innen zahlreich angenommen wurden. Beim Warten während der Reparatur des eigenen Rads wurden zum Beispiel viele Fragen und Sorgen zum Neubau artikuliert, die von den Prozessbegleiter_innen aufgegrien und wenn notwendig an die Bauträgerin weitergeleitet wurden. Aufgabe der Prozessbegleitung war es, zu informieren und in abgesteckten Bereichen, wie bei der Umgestaltung der Grünächen, Partizipation zu ermöglichen. Dass diese beschränkte Mitbestimmung für manche Bedürfnisse der Bewohner_innen nicht weit genug gri, bezeichnen wir als Partizipationsdilemma, das in Kapitel 3 ausführlich beschrieben wird. Die Kommunikationsmaßnahmen der Prozessbegleitung fanden oft Anklang bei den Bewohner_innen und konnten Befürchtungen, die im Zuge der ersten Erhebungsphase sichtbar wurden, abschwächen. Dabei zeigte vor allem der Infopoint eine bedeutende Wirkung. Denn er signalisierte auch für Bewohner_innen, die keinen Kontakt zur Prozessbegleitung suchten, die Option, Informationen einholen und Beschwerden oder Wünsche einbringen zu können. Der Infopoint signalisierte somit auch, dass die Bewohner_innen im Transformationsprozess nicht allein gelassen werden und eine Ansprechstelle für sie da ist. Allein die Präsenz und das Angebot der Prozessbegleitung zeigte demnach Wirkung. Eine weitere Wirkung, die in der Fokusgruppe der Prozessbegleiter_innen festgestellt werden konnte, sind die Spotlights, wie es die Prozessbegleiter_innen selbst nennen. Denn die Präsenz der Prozessbegleitung und das Angebot an die Bewohner_innen, ihre Bedürfnisse zu artikulieren, warf ein Licht auf sie und ihr bestehendes Wohnhaus, das ohne die Nachverdichtung durch den Neubau ausbleiben würde. Damit wurde sichtbar, dass „Personen, die bereits dort wohnen, eben entweder Widerstände haben oder halt Mitgestaltungswünsche haben, wenn etwas Neues in ihrer Nähe entsteht“ (Fokusgruppe Prozessbegleitung). Diese Wünsche und Bedürfnisse bestehen teilweise auch ohne Nachverdichtungsprojekt, bleiben aber oftmals unerkannt oder ungehört. Im Falle des erforschten Projekts betraf dies beispielsweise den fehlenden barrierefreien Zugang im Altbestand. Die Behebung dieses Mangels hätte zu einer Verbesserung der Lebenssituation der ansässigen Bevölkerung geführt – er wäre ohne Neubauprojekt aber nicht oder erst später in den Blick gekommen. Leider gelang die Umsetzung eines barrierefreien Zugangs aufgrund von mietrechtsgesetzlichen Hürden nicht. Im erforschten Nachverdichtungsprojekt sah sich die Prozessbegleitung teilweise in Abhängigkeit von der Bauträgerin sowie insgesamt vom Fortschritt des Planungs- und Bauprozesses. Der Begleitprozess wurde zwar großteils über das Smart Cities Projekt nanziert, mit Baustart, wo es zahlreiche zusätzliche Anfragen aus der Bewohner_innenschaft gab, wurden jedoch zusätzliche Kommunikationsaufgaben an die Prozessbegleitung übertragen und direkt von der Bauträgerin nanziert. Auch dies stellt einen Einuss auf die Handlungslogiken der Institutionen dar. Die Prozessbegleitung befand sich damit stark im Spannungsfeld zwischen den Interessen der Bauträgerin und jenen der Bestands-Bewohner_innen. Diese Dynamik zeigte sich besonders im Umgang mit Widerständen. Eine Prozessbegleitung, die von der Bauträgerin beauftragt und nanziert wird, kann von Bestandsbewohner_innen kaum neutral und unabhängig wahrgenommen werden. Sie hat einerseits die Rolle, die Wahrnehmungen und Interessen der Bestandsbewohner_innen an die Bauträgerin weiterzugeben, andererseits repräsentiert die Prozessbegleitung die Transformationen. Zu hinterfragen bleibt auch, inwiefern tatsächlich Partizipation und Mitbestimmung gefördert wird, wenn dies eine Verzögerung des Bauvorhabens mit sich bringen würde. Die Handlungslogiken der Prozessbegleitung sind demnach komplex und abhängig von ihrer Finanzierung, ihrem Auftrag und ihren rechtlichen Möglichkeiten, um eine neutrale oder intermediäre Rolle einnehmen und Widerstände zulassen zu können.2.5 Eigentümerin und Hausverwaltung: Wenn die Schaung von leistbarem Wohnraum auf Widerstand stößt Die Eigentümerin hat als Genossenschaft auch die Hausverwaltung inne. Für unser Forschungsprojekt befragten wir sowohl die Mitarbeiter_innen der Projektentwicklung für das konkrete Neubauprojekt als auch die Mitarbeiter_innen der Hausverwaltung der bereits bestehenden Wohnanlage in Form von Fokusgruppen. Die Widerstände der Bewohner_innen gegen das Neubauprojekt stellte für beide Akteur_innen-Gruppen eine Herausforderung dar. Das Forschungsprojekt zeigt, dass die Logiken innerhalb der Bauträgerin keineswegs einheitlich waren. Die Hausverwaltung war zuständig für die Bestandsgebäude, wurde allerdings mit Beschwerden konfrontiert, die sich nicht aus der sonst üblichen Hausverwaltungstätigkeit ergaben, sondern aus dem Neubauprojekt. Verantwortlich für den Neubau war die Projektentwicklung, die sehr darum bemüht war, die Bestandsbewohner_innen gut über den Neubau zu informieren. Dafür wurde die Prozessbegleitung der Caritas proaktiv eingesetzt. Die Mitarbeiter_innen, die für die Abwicklung des Neubaus verantwortlich waren, betonten stets ihr Ziel, leistbaren Wohnraum schaen zu wollen und damit einen Beitrag zum knappen Wohnungsangebot in der Stadt zu leisten. Die Interessen der Bestandsbewohner_innen standen dabei in Spannung zu diesem Ziel. Im beforschten Projekt sollten diese aber über die Prozessbegleitung Beachtung nden. Um den Neubau gut durchführen zu können, hat die Genossenschaft den Bedarf einer Prozessbegleitung erkannt. Die Prozessbegleitung hatte vor allem die Aufgabe, die Kommunikation mit den Bestandsbewohner_innen professionell zu gestalten. Aus Sicht der Bauträgerin bringt der Neubau mehr positive Veränderungen für die Bewohner_innen mit sich als negative, da sich die Neugestaltung der Freiächen sowie neue Gemeinschaftsräume im Neubau auch gut auf den Altbestand auswirken würden. Die Beschwerden und Widerstände von Bestandsbewohner_innen wurden seitens der Projektentwicklung daher als sehr große Belastung und zeitweise sogar Gefährdung des Neubauprojekts wahrgenommen. Die Eigentümerin zeigte ein hohes Engagement im Schaen von Wohnraum durch Nachverdichtung. Dass der gesamte Prozess durch eine spezialisierte Institution, die Caritas Stadtteilarbeit, begleitet und von einem Forschungsteam evaluiert wurde, ist keine Selbstverständlichkeit und kann als Qualitätsmerkmal verstanden werden. Hierbei stellt sich jedoch die Frage, welche Rolle die Stadtpolitik und -verwaltung spielt, in deren Sinne die Errichtung von sozialem Wohnbau ebenfalls sein sollte. 2.6 Die Stadt und ihre Verantwortung vor OrtIm Zuge unserer Begleitforschung stießen wir auch auf eine Leerstelle im Prozess. Die Stadt Wien übernahm zwar Verantwortung für die Nachverdichtung auf unterschiedlichen Ebenen, indem sie beispielsweise die Flächen entsprechend widmete, Genehmigungen ausstellte und Wohnbauförderungsmittel für den Neubau zur Verfügung stellt. Aber sie war als Akteurin vor Ort kaum sichtbar. Bei der Kommunikation zur konkreten Nachverdichtung war vor allem die Bauträgerin gefragt – egal ob er diese selbst übernimmt, oder eine Prozessbegleitung beauftragt. Die Stadt (und auch der Bezirk) stand den Bestandsbewohner_innen bezüglich der Kommunikation zum Neubau kaum zur Verfügung. Die Kommunikation hinsichtlich des Gemeinwohlinteresses des Projekts wurde – abgesehen von allgemeinen Informationen zur Schaung von gefördertem Wohnraum – v.a. von der Wohnbauträgerin und der Prozessbegleitung übernommen. Aber auch die nanzielle Verantwortung bei der Kommunikation mit den Bestandsbewohner_innen lag v.a. bei der Bauträgerin. Die Stadt hat jedoch ein Interesse an der Errichtung von gefördertem Wohnbau – in Wien sollen zwei Drittel der Wohnungsneubauten öentlich gefördert werden (vgl. Stadt Wien 2022). Im konkreten Projekt wurde die Nachverdichtung der bestehenden Wohnanlage sogar aktiv bei der Wohnbauträgerin angeregt. Das steht im Widerspruch dazu, dass für eine Prozessbegleitung weder zusätzliches Geld bereitgestellt wurde noch das Interesse der Kommune bei den konkreten Prozessen der Nachverdichtung aktiv kommuniziert wurde. Dies wiegt noch schwerer, weil das Forschungsprojekt auch zeigt, dass Bestandsbewohner_innen nicht nur von einer konkreten Nachverdichtung, sondern auch von urbanen Transformationsprozessen im Umfeld der Wohnanlage auf unterschiedliche Weise betroen sind. Im konkreten Fall wird nicht nur in der Meißauergasse 2a neu gebaut, sondern auch in der näheren Umgebung. Der gesamte Charakter des ursprünglich eher suburbanen Raums verändert sich. Insgesamt nden im gesamten Gebiet Urbanisierungsprozesse und sozialdemographische Veränderungen statt. Befürchtungen und Widerstände von Bestandsbewohner_innen bezogen sich also nicht notwendig auf ein konkretes Nachverdichtungsprojekt, sondern wurden teilweise auf den aktuellen Neubau projiziert (vgl. Habringer et al. 2021). Die Stadt trägt also eine Verantwortung für die Bestandsbewohner_innen und neue Bewohner_innen, die sich durch die Errichtung von geförderten Wohnbauten ansiedeln. Diese Verantwortung sollte sich auch in der Kommunikation mit den Bestandsbewohner_innen zeigen.2.7 Handlungslogiken als Forschende Wir begleiteten das Nachverdichtungsprojekt als Forschungsteam über knapp drei Jahre. Dabei kam uns eine zweifache Rolle zu, die als Wirkungsfaktor auf das Projekt nicht übersehen werden sollte. In unserer ersten Rolle war unser Ziel, das Projekt, seine Akteur_innen und Dynamiken zu eruieren und ihre Logiken zu verstehen. Dies gelang uns durch die oben angeführten Forschungszugänge. Gleichzeitig kam uns die Rolle zu, unsere Erkenntnisse während des Prozesses an die handelnden Akteur_innen (Prozessbegleitung und Eigentümerin) rückzumelden, um Bedarfe und Lücken aufzuzeigen und damit die Qualität des Prozesses zu verbessern. Damit waren wir keine neutralen Beobachter_innen, sondern nahmen laufend Einuss auf das Projekt und die weiteren Maßnahmen. Dies blieb nicht unbemerkt – zumindest deutet die Reaktion des Mietervereins auf unsere Interviewanfrage darauf hin. Ihre Absage des Termins und die Verweigerung eines neuen Termins erklären wir uns damit, dass wir möglicherweise sehr stark mit der Prozessbegleitung und der Eigentümerin in Verbindung gebracht und somit für die befürchteten Transformationsprozesse durch das Projekt mitverantwortlich gemacht wurden. Auch den restlichen Bewohner_innen gegenüber mussten wir unsere forschende Rolle betonen. Da wir nicht im Auftrag der Eigentümerin handelten, konnten sie dann anonymisiert eigene Vorstellungen, Sorgen und Wünsche äußern. Als Forscher_innen war unser Handeln vom Interesse geprägt, das Nachverdichtungsprojekt umfassend zu begreifen. Die eruierten Widerstände der Bewohner_innen waren für uns wichtige Erkenntnisse, aus denen wir jedoch keinen Handlungsauftrag für uns ableiten mussten – außer eben jene erkannten Dynamiken an das restliche Konsortium rückzumelden. Trotz unseres Einusses durch das Rückspielen von Zwischenergebnissen bezogen wir uns bewusst immer wieder auf unsere beobachtende Rolle, aus der wir phasenweise aktiv auch wieder aussteigen mussten, um Rückmeldung geben zu können.3 Das PartizipationsdilemmaEine besonders herausfordernde Dynamik von Nachverdichtungsprozessen stellte das Partizipationsdilemma dar, das sich auch in anderen Forschungen zu Nachverdichtungen in Wien zeigt (vgl. Mayrhofer 2020). Eine Prozessbegleitung von Bauprojekten führt stets zu einer Aktivierung der betroenen Bewohner_innen. Ihre Bedürfnisse sollen erfasst und im Rahmen eines partizipativen Prozesses umgesetzt werden. Das erforschte Projekt zeigte jedoch ein Dilemma auf: Wie kann Partizipation im Rahmen eines Projektes gelingen, wenn der einzig klar formulierte Wunsch ist, das Projekt zu verhindern? Auf der einen Seite erlebten Bestandsbewohner_innen eine Ohnmacht hinsichtlich der Nachverdichtung, weil sie erkannten, dass sie über keine Eigentumsrechte verfügen und ihnen somit keine Mitsprachemöglichkeiten oder Entscheidungskompetenzen zukommen. Auf der anderen Seite erlangten sie Macht durch ihren Widerstand. Denn sie konnten Veränderungen, die sich auf ihre Wohnumgebung und ihr Wohlbenden auswirken, nicht nur verzögern, sondern sie gewannen durch widerständiges Verhalten auch Handlungsfähigkeit zurück. Ihre Interessen erlangten durch ihren Widerstand Bedeutung und erhielten Aufmerksamkeit, auch wenn sie den Bau des Nachverdichtungsprojekts nicht verhindern konnten. In gewisser Weise partizipierten sie damit bereits – aber eben nicht im Sinne der Nachverdichtung. Die Auorderung von der Bauträgerin bzw. der Prozessbegleitung, sich einzubringen und zu partizipieren, führte zu einem Dilemma. Denn Partizipation wurde nur für kleine Bereiche, wie die Gestaltung von Grünächen, angeboten, nicht jedoch in Bezug auf grundsätzliche Bauentscheidungen, an denen widerständige Bewohner_innen aber teilhaben wollten. Den Bestandsbewohner_innen wurde also gleichermaßen vermittelt, dass sie sich und ihre Interessen einbringen sollen, während die Transformation schon beschlossene Sache ist. Die gewünschte Beteiligung der Bestandsbewohner_innen würde jedoch die Zustimmung zu den Veränderungen durch die Nachverdichtung voraussetzen. Die Vorstellung von einem partizipativen Projektverlauf ist für die Prozessbegleitung beziehungsweise die Eigentümerin eine andere als für die Bewohner_innen. Dass von den einen Mitsprache nur sehr begrenzt ermöglicht wird, während die anderen bei grundsätzlichen Entscheidungen involviert sein wollen, ist eine Herausforderung, die für folgende Projekte mitbedacht werden sollten. Denn dieses Dilemma soll nicht dazu verleiten, zukünftig keine Mitsprache mehr zu gestatten beziehungsweise Informationen an die Bewohner_innen erst zu einem späten Zeitpunkt weiterzugeben. Das Forschungsprojekt zeigt sogar vielmehr, dass der Bestand und die Maßnahmen im Interesse der dort wohnenden Menschen mehr in den Blick genommen werden sollten. Im konkreten Fall bedeutet dies beispielsweise, dass Sorgen wie der Generationenwechsel im Haus und die damit anfallenden Bedarfe, wie nachbarschaftliche Kontakte und Barrierefreiheit, um Einsamkeit zu minimieren, wahrgenommen und in die Maßnahmensetzung eingeplant werden müssen. Diese Maßnahmen sollten aber mit den Bestandsbewohner_innen – ausgehend von Erhebungen und Gesprächen – entwickelt werden und nicht schon vordeniert sein. Aus Sicht des Forschungsprojekts gibt es aus dem beschriebenen Dilemma kein Entrinnen. Es wirkt jedenfalls. Daher besteht die Herausforderung, damit umzugehen, Verständnis für die Bedenken, Befürchtungen und Widerstände zu haben und trotzdem dazu einzuladen, sich in die räumliche Transformation einzubringen. Das verlangt von allen Akteur_innen, der Bauträgerin, der Prozessbegleitung und den Bewohner_innen, eine hohe Ambiguitätstoleranz. Im erforschten Wohnhaus lag ein hoher Grad an Identikation mit der eigenen Wohnung, dem Haus und dem Wohnumfeld vor. Die Tatsache, dass die Bewohner_innen gerne hier wohnen und sich tatsächlich mit dem Wohnhaus identizieren, erhöht aus unserer Sicht die Bereitschaft, an Beteiligungsprozessen mitzuwirken. Die ausgeprägte Identikation kann aber auch die Sorge vor Veränderungen erhöhen und schließlich dazu führen, dass Bewohner_innen sich in den Prozess einbringen, um die Veränderung zu verhindern. Die Prozessbegleitung stand und steht damit vor der Herausforderung, einerseits die Bereitschaft zur Partizipation aufzugreifen und zu fördern und andererseits die Grenzen eben jener transparent und begründet zu vermitteln. Prozessbegleiter_innen sollten ein Partizipationsdilemma von Anfang an mitbedenken und in ihren Maßnahmen berücksichtigen. Um keine falschen Erwartungen an einen Beteiligungsprozess zu wecken, scheint laut den Befragten vor allem der Zeitpunkt ausschlaggebend, an dem die Bewohner_innen über das Projekt und den Bauplan informiert werden. Die Bewohner_innen sollten so früh wie möglich informiert werden, um die Veränderungen nicht erst durch diverse Medien zu erfahren. Jedoch muss schon Klarheit über die Nachverdichtung bestehen, bevor die Bestandsbewohner_innen informiert werden. Auch der Zeitpunkt für weitere Maßnahmen kann anhand dieses Dilemmas geplant werden. Die Prozessbegleiter_innen fragten beispielsweise im Rahmen der Fokusgruppe, ob der Infopoint, der viele Sorgen abfangen konnte, bei nächsten Projekten früher installiert werden könnte, um Gerüchten und Falschinformationen entgegentreten zu können. 4 Schlussfolgernde ErkenntnisseAuf Basis unserer Forschungserkenntnisse kann für zukünftige Nachverdichtungsprojekte und deren Prozessbegleitung folgende Empfehlung abgegeben werden. Professionelle Prozessbegleitung in konikthaften SituationenEine professionelle Prozessbegleitung von urbanen Transformationsprozessen ermöglicht, die Wahrnehmungen, Befürchtungen und Interessen von Bestandsbewohner_innen zu eruieren und nach Möglichkeit in die Prozesse zu integrieren. Dies verhindert jedoch nicht die Konikthaftigkeit der Veränderungsprozesse – Transformationsprozesse sind im Gegenteil notwendig mit Konikten verbunden.Ängsten und Widerständen von Bestandsbewohner_innen Raum und Zeit gebenBei der Prozessbegleitung soll es nicht darum gehen, Widerstände von Bewohner_innen zu verhindern. Vielmehr kann das Ziel verfolgt werden, den Interessen von Bestandsbewohner_innen Raum zu geben. Sie sollen ihre Befürchtungen artikulieren können, denn ihre Ängste verschwinden nicht einfach. Dabei soll auch verhindert werden, die Befürchtungen zu befördern und nur diesen Raum zu geben. Eine Prozessbegleitung ist gefordert, die dierenzierten Wahrnehmungen und Sichtweisen der heterogenen Bestandsbewohner_innen zu sehen und sichtbar zu machen, so wie das in der Meißauergasse auch geschehen ist.Transparent gemachte Widersprüche zwischen Interessen der lokalen Bevölkerung und GemeinwohlinteressenDie Spannung zwischen dem allgemeinen gesellschaftlichen Interesse, leistbaren Wohnraum zu schaen, und den Interessen vieler Bestandsbewohner_innen, die sich gegen die Transformationen richten, muss transparent bleiben – besonders für die Bestandsbewohner_innen. Beide Interessen haben ihre Berechtigung und nachvollziehbare Logiken, die sichtbar sein sollen. Aufgabe der Prozessbegleitung ist, Informationen zu Gemeinwohlinteressen, wie der Schaung von leistbarem Wohnraum, bereitzustellen und diese zu erklären. Diese Aufklärungs- und Bildungsarbeit führt nicht zwingendermaßen zur Auösung von Interessen, Ängsten und Widerständen von Bestandsbewohner_innen. Aber Gemeinwohlinteressen können so zum Gegenstand von Diskussionen und Aushandlungsprozessen werden.Bedürfnissen von Bestands-Bewohner_innen Raum und Zeit geben Im Rahmen der Begleitung können durch Bedarfserhebungen auch Verbesserungspotentiale in der bestehenden Wohnanlage erkannt und ausgeschöpft werden. Geld sollte für Maßnahmen zur Verfügung stehen, die die Bedürfnisse der Bestandsbewohner_innen aufnehmen. Deren Umsetzung sollte partizipativ erfolgen. Dieses Vorgehen lässt die Ängste und Widerstände im Falle von Nachverdichtungen wohl nicht verschwinden. Aber den Bestandsbewohner_innen wird ermöglicht, aktive Akteur_innen der Transformation zu werden, um damit einem Gefühl der Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit entgegenzuwirken. Die Bewohner_innen und ihre Interessen werden so gehört und gesehen. Die Stadt als Akteurin der NachverdichtungDie Stadt sollte nicht nur als Akteurin in lokalen Transformationsprozessen sichtbarer werden und Gemeinwohlinteressen vertreten und erklären, sondern sie hat auch Verantwortung für die Bestandsbewohner_innen. Die Wahrnehmung dieser Verantwortung sollte unter anderem darin bestehen, Begleitprozesse zu nanzieren und Geld für Transformationen im Bestand zur Verfügung zu stellen.Autonome ProzessbegleitungAbschließend wollen wir betonen, dass eine Prozessbegleitung von Nachverdichtungsprojekten möglichst autonom gestaltet werden sollte. Mit einer öentlichen kommunalen Finanzierung würde sie sich zwar weiterhin im Spannungsfeld zwischen den allgemeinen Interessen (der Errichtung von sozialem Wohnbau) und den Bedürfnissen der Bestandsbewohner_innen benden. Aber sie würde vermutlich weniger als Instrument der lokal tätigen Bauträgerin, sondern als Möglichkeit zur allgemeinen Verbesserung des städtischen Wohnraums und seine gerechte Verteilung wahrgenommen werden. LiteraturverzeichnisCaritas der Erzdiözese Wien – Hilfe in Not (2021): Meißauergasse. Smartes Wohnen für Generationen. https://www.meissauergasse.at (21.01.2021).Caritas der Erzdiözese Wien – Hilfe in Not (2017): Smartes Wohnen für Generationen. Partizipative Entwicklung von alternsgerechten Modernisierungskonzepten. Publizierbarer Endbericht Smart Cities Demo – 7. Ausschreibung – [Smartes Wohnen für Generationen].Habringer, Magdalena/Stoik, Christoph/Poigner, Michael/Kirsch-Soriano da Silva, Katharina (2021): Widerstände im Nachverdichtungsprozess: Ergebnisse einer Begleitforschung. In: soziales_kapital, 25, S. 302–318.Kirsch-Soriano da Silva, Katharina/Verlič, Mara (2018): Nachverdichtung im geförderten Wohnbau der Nachkriegszeit. In: Diebäcker, Marc/Glogar, Isabel/Stoik, Christoph/Bengesser, Andreas/Eder, Angelika/Putz, Peter/Simionovici, Ana-Maria/Spitzenberger, Edmund/Wellenzohn, Markus/Boldrino, Susanna/Zeiller-Vesely, Petra/Kloser, Katharina (Hg.): Working Class Districts. Urban Transformations and Qualities of Life in the Growing City. Book of Abstracts. Wien: FH Campus Wien, S. 112–114. Mayrhofer, Fabian (2020): Nachverdichtung aus Sicht von betroenen Bestandsbewohner*innen in Wien. Eine Untersuchung zur Wahrnehmung von Nachverdichtungsprozessen und intermediären Akteur*innen aus sozialräumlicher Perspektive am Beispiel Berresgasse. Masterarbeit. FH Campus Wien.Mieterverein Meißauergasse 2a (2022): Aufgaben und Ziele. https://www.mieterverein.at/aufgaben-und-ziele/ (23.03.2022).Schremmer, Christof (2015): Wie wohnt Wien künftig – was sind die größten Herausforderungen? In: Prenner, Peter (Hg.): Wien wächst – Wien wohnt. Gutes Wohnen in einer wachsenden Stadt. Wien: AK Wien.Smart Cities des Klima- und Energiefonds (2018): Smartes Wohnen für Generationen – multidimensionale Transformationsprozesse im Wohnquartier mitgestalten (WOGE Demo). https://smartcities.at/stadt-projekte/smart-cities/#woge-demo (21.01.2021).Stadt Wien (2022): Hintergrund: Gemeindebau und Sozialer Wohnbau in Wien. https://www.wien.gv.at/presse/hintergrund/wohnbau (20.03.2022).Über die Autor_innenMagdalena Habringer, MAmagdalena.habringer@fh-campuswien.ac.atAbsolvierte das Bachelorstudium Soziale Arbeit an der FH Campus Wien und das Masterstudium Soziologie an der Universität Wien. Sie forscht und lehrt als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit an der FH Campus Wien zu den Schwerpunkten Gewaltschutz, Cyber-Gewalt gegen Frauen und Wohnen.FH-Prof. Christoph Stoik, Dipl.Soz.Arb., MA, Master of Community Developmentchristoph.stoik@fh-campuswien.ac.atLehre, Forschung und Entwicklung an der FH Campus Wien im Masterstudiengang „Sozialraumorientierte und klinische Soziale Arbeit“ (inhaltliche Koordination des Vertiefungszweiges Sozialraumorientierung) und im Bachelorstudiengang „Soziale Arbeit“. Schwerpunkte: Soziale Arbeit im öentlichen Raum, Soziale Arbeit und soziales Wohnen, Gemeinwesenarbeit.Ein begleiteter Nachverdichtungsprozess: Die beteiligten Akteur_innen und ihre HandlungslogikenMagdalena Habringer, Christoph Stoik