soziales_kapital
Johanna M. Hefel, Iris Kohlfürst. Die Rolle der ogsa im österreichischen Akademisierungsprozess
der Sozialen Arbeit. soziales_kapital, Bd. 27 (2023). Rubrik: ema. ogsa. Printversion: http://www.
27. Ausgabe 2023
Akademisierung Sozialer Arbeit
Die Rolle der ogsa im österreichischen
Akademisierungsprozess der Sozialen Arbeit
Johanna M. Hefel & Iris Kohlfürst
Zusammenfassung
Der Artikel thematisiert die Entstehungsgeschichte und Relevanz der Österreichischen Gesellschaft
für Soziale Arbeit (ogsa) im Rahmen des Professionalisierungs- und Akademisierungsprozesses
der Sozialen Arbeit in Österreich. Zu Beginn wird die noch junge Akademisierungsgeschichte der
Sozialen Arbeit beschrieben. Die Verortung der Fachkraft-Qualifikation im Hochschulsektor im
Jahr 2001 stellt den Beginn der strukturellen Akademisierung Sozialer Arbeit in Österreich dar.
Ausgehend von der Feststellung, dass der Akademisierungsprozess noch nicht abgeschlossen
ist, wird die Rolle der ogsa als Ergebnis und Ausgangspunkt weiterer Akademisierung sowie als
Motor für eine zunehmende Professionalisierung diskutiert. Sie ist aufgrund ihrer finanziellen und
fachlichen Unabhängigkeit von Standortinteressen der Hochschulen in der Lage, die Disziplin und
Profession Soziale Arbeit zu vertreten und zu fördern. Somit stellt sie eine wesentliche Säule im
Wissenschaftsbetrieb dar.
Schlagworte: Soziale Arbeit, ogsa – Österreichische Gesellschaft für Soziale Arbeit, Wissenschafts-
gesellschaft, Akademisierung, Professionalisierung
Abstract
This article explores the history and relevance of the Austrian Society for Social Work (ogsa) within
the context of the professionalization and academization of social work in Austria. It begins with
an overview of the recent history of academization in social work, followed by a description of the
establishment of specialist qualification in higher education. Notably, 2001 marked the beginning
of the structural academization of social work in Austria. Based on the observation that social
work is not yet fully academized, this article examines the role of ogsa as both a result of and a
starting point for further development, as well as a driving force for enhanced professionalization.
Ogsa’s financial and professional autonomy from university interests enables it to serve as a crucial
foundation for representing and promoting the discipline and profession of social work. Therefore,
it is an essential pillar in the academic community.
Keywords: social work, ogsa, scientific society, academization, professionalization
1
Einleitung
CharakteristikaeinesakademisiertenBerufesbzw.Tätigkeitsfeldessinddashohe„Gewichtkognitiver
Kompetenzen, eine große Bedeutung von theoretischen und systematischen Wissenselementen
und Denkweisen und schließlich die Vorbereitung auf ein ständiges kritisches Infragestellen der
bisherigen Denk- und Arbeitsweisen“ (Alesi/Teichler 2013: 19). Sichtbar wird Akademisierung durch
die Entwicklung einer eigenen Disziplin mit der Generierung eigenen wissenschaftlichen Wissens
(vgl. Borrmann/Spatscheck/Pankofer/Sagebiel/Michel-Schwartze 2016: 11); ihr formales Gerüst ist
die Verortung der Ausbildung an einer Hochschule im Rahmen eines dreistufigen Studiensystems
(Bachelor, Master, Doktorat/PhD) und einem entsprechendem Kerncurriculum (vgl. IASSW/IASW
2020).
Die Professionalisierung der Sozialen Arbeit ist eng mit ihrer Akademisierung verknüpft:
der Rekurs auf wissenschaftliches Wissen, die Entwicklung der eigenen Disziplin sowie eine
akademische Ausbildung sind genuine Merkmale einer Profession Sozialer Arbeit (vgl. bspw.
Heiner 2010; Staub-Bernasconi 2018). Die zunehmende Professionalisierung der Sozialen Arbeit im
deutschsprachigen Raum führte daher zu entsprechenden Akademisierungsprozessen, während
umgekehrt die Akademisierung die Professionalisierung fördert. Ein solches Verständnis Sozialer
Arbeit entwickelte sich in Österreich erst mit Beginn des 21. Jahrhunderts: Wurde Sozialarbeit
zunächst als Beruf gesehen, erlernbar an entsprechenden Schulen und mit Beginn der 1970er
Jahre an den sogenannten Sozialakademien, erlebte sie 2001, mit der Einführung der Ausbildung an
den Fachhochschulen, ihre formale Akademisierung. Dabei wurde dieser Akademisierungsprozess
durchaus auch kritisch gesehen, befürchtet wurde unter anderem eine zu große Theorielastigkeit in
Ausbildung und Praxis (vgl. Hefel 2019: 55).
Auch wenn die Hochschulen durch Lehre und Forschung als zentraler Ort der
Wissensproduktion gelten (vgl. Hölscher 2016: 1), findet Forschung auch in anderen Kontexten
statt, beispielsweise in privatwirtschaftlichen Organisationen. Eine weitere wichtige Säule im
Wissenschaftssystem sind die Fach- oder Wissensgesellschaften der jeweiligen Disziplin,
die ihre grundlegende Aufgabe in der Förderung der Qualität der Forschung, des Studiums
und der Lehre sehen (bspw. DGPS). Entsprechend wurde 2012, als Folge des zunehmenden
Akademisierungsprozesses in Österreich, die Österreichische Gesellschaft für Soziale Arbeit (ogsa)
gegründet, welche seither die österreichische Sozialarbeitswissenschaft wegweisend mitgestaltet
und beeinflusst. Sie zielt auf die Weiterentwicklung von Theorie, Empirie und Professionalität in der
Sozialen Arbeit (vgl. ogsa 2019: §2) und ist damit wesentlicher Teil des Akademisierungsprozesses.
Der vorliegende Artikel geht den Fragen nach, welche Akteur*innen bei der österreichischen
Akademisierung der Sozialen Arbeit eine Rolle spielen, wie der aktuelle Stand dieses Prozesses
zu werten ist und welche notwendigen nächsten Schritte sich daraus ergeben. In einem ersten
Schwerpunkt wird die österreichische Akademisierungsgeschichte der Sozialen Arbeit in
ihren Grundzügen skizziert sowie der aktuelle Stand ihrer Akademisierung beschrieben. Daran
anschließend wird auf die Entstehungsgeschichte der ogsa, ihre Zielsetzungen sowie Aufgaben
und damit auf ihre konkrete Rolle im Akademisierungsprozess eingegangen. Der Beitrag kann
dabei insofern als parteiisch verstanden werden, als er aus der Perspektive der Autorinnen als
Vorstandmitglieder der ogsa verfasst ist.
Unter Sozialer Arbeit wird in diesem Artikel sowohl Sozialarbeit als auch Sozialpädagogik
verstanden; allerdings liegt der historische und akademische Fokus auf der Sozialarbeit (zur
Professionalisierung und Akademisierung der Sozialpädagogik vgl. bspw. Heimgartner/Scheipl
2022). Der Artikel gibt eine knappe Übersicht der Entstehung der Sozialarbeit in Österreich, geht
aber nicht im Detail auf die historische Entwicklung der Berufsgeschichte der Sozialen Arbeit ein
(siehe hierzu Brandstetter/Vyslouzil 2010; Heimgartner/Scheipl 2022; Maiss 2010; Rathmayr 2014;
Simon 2010; Steinhauser 1994; Wilfing 2012).
2
Der Weg der Akademisierung der Sozialen Arbeit in Österreich
Die gut hundertjährige Geschichte der Verberuflichung, Professionalisierung und Akademisierung
der Sozialen Arbeit in Österreich ist relativ komplex, geformt und beeinflusst von politischen und
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, von Machtansprüchen weltlicher und religiöser Träger.
Zunächst wird die Entwicklung der Verberuflichung Sozialer Arbeit in Österreich beschrieben,
anschließend auf den Akademisierungsprozess durch die Verortung der Ausbildung an den
Fachhochschulen eingegangen.
2.1 Vom Ehrenamt zum Beruf
Die Entwicklung der Sozialen Arbeit vom Ehrenamt über die Verberuflichung hin zur anerkannten
Profession und Disziplin, ist in den nationalen und internationalen Frauenbewegungen des 19. und
20. Jahrhunderts grundgelegt und unmittelbar mit ihnen verknüpft. Historisch betrachtet ist die
Sozialarbeit ein klassischer Frauenberuf, der sich in vielen Ländern der Welt aus dem Ehrenamt
entwickelt und etabliert hat. Die patriarchalen gesellschaftlichen Strukturen schlossen Frauen
lange Zeit weitestgehend von Bildung und Wahlrecht aus bzw. waren die Hürden überaus groß.
Die Ablehnung eines fremdbestimmten Lebens, davon, Objekt und Eigentum des Vaters oder
Ehemanns zu sein, war ein gemeinsames Movens der durchaus unterschiedlichen Begründerinnen
der Sozialarbeit. Sie entwickelten frühzeitig und beharrlich einen Eigen-Sinn hinsichtlich eines
autonomen und individuellen Lebens und wehrten sich gegen Fremdbestimmung und das „Warten
auf den Richtigen“.
In diesem Sinn ist die Geschichte der Professionalisierung der Sozialen Arbeit auch in
Österreich mit einer langen Tradition weiblicher Pionierarbeit und Emanzipation verbunden, markiert
durch die Gründung der ersten unabhängigen Fürsorgeschule in Wien, der „Vereinigte Fachkurse
für Volkspflege“ durch Ilse Arlt im Jahr 1912. Wilfing verweist mit Blick auf das Arlt’sche Curriculum
auf „ein prägnantes Berufsprofil der „Wohlfahrtspflegerin“ (Wilfing 2012: 470). Arlt zielt mit der
Schule darauf ab, eine gemeinsame Basis für bestehende soziale Frauenberufe zu schaffen; ein
zentraler Aspekt ist die Orientierung am Lebensnotwendigen und nicht an den aktuellen Modellen
der Fürsorge.
Arlt verstand die Schule von Beginn an als eine Einrichtung der Ausbildung und Forschung.
Dies bildete sich in wesentlichen Inhalten der Lehrpläne ab, insbesondere die systematische,
wissenschaftsbasierte, angewandte Armutsforschung war ihr ein großes Anliegen. Sie fokussierte
explizit auf den Theorie-Praxis-Transfer, u.a. im Rahmen von Feldforschung. Zudem hatte die
Persönlichkeitsbildung einen bedeutenden Stellenwert und eine Vereinheitlichung bzw. eine
Normierung der Schülerinnen lehnte Arlt strikt ab (vgl. Ertl 2011: 51–53).
Arlt verfasste die ersten österreichischen Lehrbücher für Soziale Arbeit und entwickelte
in zahlreichen Publikationen eine umfassende und differenzierte Bedürfnistheorie. Anna Holecek,
Leiterin der Fürsorgeschule der Stadt Wien in den 1950er Jahren, erinnert sich an Ilse Arlt: Sie war
„nicht nur unerhört interessant, sondern auch freundlich […]. Sie hat sich nur vehement dagegen
gewehrt, dass man Sozialarbeit mit dem guten Herzen machen kann und ohne was zu wissen. Und
damit hat sie recht gehabt“ (Holecek zit. nach Ertl 2011: 33). Dennoch blieb die Schule von Ilse Arlt
„eine Randerscheinung“ (Simon 2010: 217). Charakteristisch für diese Zeit sind Lehranstalten von
kirchlichen Einrichtungen und den Landesregierungen mit christlich-konservativen Werten.
Die erfolgreichen und hoffnungsvollen ersten Entwicklungen der Verberuflichung Sozialer
Arbeit wurden mit der Okkupation Österreichs im Jahr 1938 zerstört. Das Fürsorgewesen wurde zur
Gänze in das nationalsozialistische Regime eingegliedert. Zentrale und maßgebliche Vertreter*innen
der Sozialen Arbeit wurden mit einem Berufsverbot sanktioniert, etliche mussten aus Österreich
fliehen und hinterließen ein Vakuum, welches nach Kriegsende nur langsam und mühevoll wieder
aufgebaut werden konnte (vgl. Hefel 2019: 52–54, Steinhauser 1994: 65–67).
Einige Fürsorgeschulen wurden ab 1962 zu „Lehranstalten für gehobene Sozialberufe“,
andere zu „Akademischen Lehranstalten“ (Wien 1970, Oberösterreich 1971, Niederösterreich
1974, Vorarlberg 1974 und Salzburg 1984) erhoben. Allerdings gab es bis 1970 (außer der
„Volkspflegerinnenausbildung“ während der Zeit des Nationalsozialismus) ausschließlich private
Schulen (Heimgartner/Scheipl 2022: 256). Steinhauser sieht verpasste Chancen in dem aus seiner
Sicht typisch österreichischen Kompromiss: „Was damals den Lehrern gelang, nämlich der Sprung
von der klassischen Lehrerausbildung zur Pädagogischen Akademie, blieb den Sozialarbeitern
zunächst versagt.“ (Steinhauser 1994: 67) Er moniert die unverbundene Fächerlehre sowie das
„relativ starre Lehrplankorsett“ (Steinhauser 1994: 67), welches nicht flexibel und rasch auf die
gesellschaftlichen und sozialpolitischen Entwicklungen reagieren konnte.
Im Jahr 1976 erfolgte die Einführung der viersemestrigen „Akademien für Sozialarbeit“; 1987
wurde im gesamten österreichischen Raum das dreijährige postsekundäre Studium implementiert.
Eine verbindliche gemeinsame Lehrplanordnung, welche von den Direktor*innen der Akademien
erstellt und im Rahmen eines Begutachtungsverfahrens unter Beteiligung des Österreichischen
Berufsverbands der Sozialen Arbeit (OBDS), von Arbeitgeber*innen und vom Bundesministerium für
Unterrichterlassenwurde, sichertediefachlichenStandardsösterreichweit. WährendinDeutschland
und der Schweiz Soziale Arbeit ab 1970 sukzessive an Fachhochschulen als Studium eingeführt
wurde, erfolgte die Einführung des Studiums Soziale Arbeit an Fachhochschulen in Österreich erst
ab 2001 (vgl. Fürst 2010: 244–247; Hefel 2019: 53–54).
2.2 Der Weg an die Fachhochschulen
Die Implementierung der Fachhochschulen erfolgte in Österreich 1993 mit der Einführung des
Fachhochschulstudiengesetzes und mit dem Ziel einer wissenschaftsbasierten Ausbildung. Die
Gründung der Fachhochschulstudiengänge Soziale Arbeit 2001 brachte Veränderungen mit sich:
Einerseits werden Fachhochschulen in Österreich mit Bundes- und teils Landesmitteln gefördert,
doch von privaten Trägern geführt. Andererseits erforderten die Ende der 1990er Jahre beim
Fachhochschulrat eingereichten Curricula-Anträge spezifische Schwerpunkte, was im markanten
Gegensatz zur bis dato österreichweit verbindlichen Lehrplanordnung für Sozialarbeit stand.
Das zu Beginn vierjährige Studium schloss mit dem Titel Mag.a/Mag. (FH) für
sozialwissenschaftliche Berufe ab. Fürst verweist in diesem Zusammenhang auf einen „ersten
wirklich großen Bruch in der Ausbildungs-Kontinuität“ (Fürst 2010: 246): bis zu diesem Zeitpunkt
erfolgte stets eine Gleichstellung mit vorangegangenen Ausbildungen, was nun nicht mehr der
Fall war. Zeitgleich liefen die europaweiten Bemühungen, den europäischen Hochschulraum
zu vereinheitlichen – bekannt als „Bologna Deklaration“ (vgl. BMBWF o.J.). Wesentliche Ziele
derselben waren und sind die internationale Vergleichbarkeit von Studienleistungen und
Strukturen, die wechselseitige Anerkennung von Abschlüssen sowie die Modularisierung mit klaren
Kompetenzbeschreibungen. Dies wurde mit dem dreistufigen System Bachelor (BA), Master (MA),
PhD und der Einführung des European Credit Transfer System (ECTS) geschaffen (vgl. Bittner 2010:
226). Das dreistufige System etablierte sich in den letzten 22 Jahren. In Österreich werden in allen
neun Bundesländern an Fachhochschulen und an zwei privaten Universitäten (Berta von Suttner
Universität, Donau-Universität Krems) Bachelor- und größtenteils auch Master-Studiengänge
Soziale Arbeit angeboten.
Mit Wechsel der Ausbildung an die voneinander unabhängigen Fachhochschulen gab es
kein österreichweit verpflichtendes Curriculum der Sozialen Arbeit mehr. In den Jahren 2004–2006
bildete sich eine Gruppe von Studiengangsleiter*innen (basierend auf einer Grundsatzentscheidung
aller österreichischen Studiengangsleiter*innen Sozialer Arbeit), das so genannte Austro-Bachelor-
Team, bestehend aus Barbara Bittner (Wien), Karl Dvorak und Peter Pantuček (St. Pölten), Frederic
Fredersdorf (Vorarlberg), Marianne Gumpinger (Linz) und Klaus Posch (Graz). Sie entwickelten ein
Kerncurriculum mit zwanzig Modulen. „Erklärtes gemeinsames bildungspolitisches Ziel war es, an
den österreichischen Fachhochschulstandorten die relative Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit der
Bachelorstudiengänge Soziale Arbeit sicherzustellen.“ (Fredersdorf 2007: 50) Dies sollte erreicht
werden, indem mindestens zwei Drittel der Inhalte der BA-Studiengänge Soziale Arbeit aus den
zwanzig Modulen des Kerncurriculums besteht (vgl. Fredersdorf 2007: 50).
Seit damals entwickelten sich die Studiengänge weiter, Studiengangsleitende und Lehrende
wechselten und die kontinuierliche Weiterführung des Kerncurriculums geriet in den Hintergrund.
Ein Überblick über die Bachelor-Curricula im Jahr 2019 zeigt allerdings sowohl vergleichbare
Rahmenbedingungen und Ziele in Bezug auf die Identität der Sozialen Arbeit als Disziplin und
Profession als auch eine klare Orientierung an juristischem Wissen. Dies spiegelt sich vor allem
in der wissenschaftlichen Fundierung der Sozialen Arbeit, den akademischen Bezugsdisziplinen,
der Kompetenzorientierung, der Internationalisierung und der generalistischen Ausrichtung des
Bachelorstudiums wider. Insgesamt vermitteln die österreichischen Bachelorstudiengänge ein
gemeinsames Bild von professioneller Sozialer Arbeit (vgl. Hefel 2019: 161–163).
Die generalistische Ausrichtung der BA-Studiengänge wird durch sozialarbeits-
wissenschaftliche Spezialisierungen in den MA-Studiengängen ergänzt. Diese verlangen als
Zugang ein BA-Studium; die Inter- und Transdisziplinarität soll, gemäß der Bologna-Deklaration,
explizit gefördert werden. Dies ermöglicht, dass BA Absolvent*innen verwandter Disziplinen unter
bestimmten Voraussetzungen Zugang zu einem MA-Studium haben. Auf die besondere Situation
eines Doktoratsstudiums/PhD wird im folgenden Kapitel näher eingegangen.
3
Die Akademisierung der Sozialen Arbeit in Österreich – eine erste
Bestandsaufnahme
Ausgehend von den beschriebenen Entwicklungen wird in diesem Kapitel anhand folgender
formaler Kriterien der aktuelle Stand der Akademisierung der Sozialen Arbeit in Österreich dargelegt:
(1) Regelabschluss der Fachkräfte der Sozialen Arbeit, (2) Förderung des wissenschaftlichen
Nachwuchses, (3) Forschungsstrukturen, (4) Kerncurriculum Soziale Arbeit sowie (5) Berufsgesetz.
3.1 Regelabschluss der Fachkräfte der Sozialen Arbeit
Mit Verortung der Ausbildung an den Fachhochschulen (2001/2002) begann die formale
Akademisierung in Form eines acht-semestrigen Studiums. Die Bologna-Rahmenbedingungen
ab 2005 forderten ein generalistisches Studium in sechs Semestern, welches für die berufliche
Tätigkeit ausreichend qualifiziert; dies kann als ein akademisches Downgrading verstanden werden,
sozusagen eine „Akademisierung light“. Ein MA-Abschluss ist für die Praxis in der Sozialen Arbeit
nicht erforderlich, vielmehr ist ein „Großteil der Studierenden [...] mit dem Bachelor-Abschluss
zufrieden und hat damit große Chancen im Berufsleben“ (Becker-Lenz/Braches-Chyrek/Pantuček-
Eisenbacher 2022: 273).
Nach einer ersten Welle der Nachgraduierung von Diplomsozialarbeiter*innen, wurden
die MA-Studiengänge von BA-Absolvent*innen der Sozialen Arbeit eher zögerlich angenommen.
Stattdessen studieren häufig BA-Absolvent*innen anderer Disziplinen einen Master der Sozialen
Arbeit (vgl. Becker-Lenz et al. 2022: 273). Diese Studienstruktur hat durchaus Potential, da
gemeinsames Studieren, Forschen und der interdisziplinäre Austausch für alle Beteiligten eine
gewinnbringende Ressource darstellen können. Herausforderungen und teils auch Problematiken
liegen jedoch zum einen darin, dass ein dreijähriges BA-Studium mit Praxisphasen durch
Einführungsmodule für Quereinsteiger*innen kaum ausgeglichen werden kann. Zum anderen
bedingt diese Zusammensetzung eine große Heterogenität der Studierenden mit unterschiedlichem
Wissen und Kompetenzen, aber teilweise fehlenden sozialarbeitsspezifischen Praxiserfahrungen
(vgl. dazu auch Bittner 2010).
AufderakademischenEbenekannderaktuelleStandalseineFormderDe-Professionalisierung
Sozialer Arbeit betrachtet werden. Bereits vor elf Jahren verweist Wilfing auf das sich im Rahmen
des Bologna-Prozesses ausdifferenzierende Feld von Lehrenden und Studierenden und damit auch
Absolvent*innen. Er merkt hierzu kritisch an, „dass Professionalisierung und wissenschaftliche
Fundierung der Sozialarbeit durch unterschiedliche akademische oder auch informelle Zugänge
wieder aufgeweicht und einer gewissen Beliebigkeit anheimfallen können“ (Wilfing 2012: 472).
3.2 Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
Aufgrund des fehlenden Promotionsrechts ist es aktuell in Österreich nicht möglich, ein
Doktoratsstudium der Sozialen Arbeit an einer Fachhochschule zu absolvieren. Damit ist die formale
Akademisierung durch das fehlende Doktorat in der Disziplin Sozialer Arbeit in Österreich noch
nicht abgeschlossen. Die Hürden für die Studierenden der Sozialen Arbeit sind hoch, da es kein
formales Procedere für die Promotion gibt. Dies bedeutet, dass Sozialarbeitswissenschaftler*innen
Wege finden müssen, um zu promovieren: in einer anderen Disziplin an einer Universität, an jenen
deutschen Hochschulen, welche über ein Promotionsrecht Soziale Arbeit verfügen,i oder im Rahmen
von Kooperationen der Fachhochschulen mit Universitäten.
Es ist Aufgabe der Fachhochschulen, die Förderung der Nachwuchswissenschaft zu
gewährleisten und die Begeisterung für eine akademische Laufbahn zu wecken. Neben einem
niederschwelligen Zugang zur Promotion beinhaltet dies auch die Schaffung von sicheren und
attraktiven Arbeitsplätzen mit entsprechenden Rahmenbedingungen im Wissenschaftsbetrieb.
Dieses erhöht auch die Anzahl an Lehrenden bzw. Professor*innen mit einer Grundqualifikation
und einem Doktorat im Kontext der Sozialen Arbeit. Dommes und Sagebiel (2016: 52) betonen die
besondere Relevanz einer Lehrperson, die „sich als Angehörige/r der Profession identifiziert und
diese Identität authentisch, engagiert und didaktisch anregend vermitteln kann“. Lehrende, die ihre
„Begeisterung und Freude an theoretischem Wissen“ (ebd.: 56) zeigen, wirken als identitätsstiftende
role models für angehende Fachkräfte der Sozialen Arbeit.
3.3 Forschungsstrukturen
Obwohl Soziale Arbeit in Österreich seit zwei Jahrzehnten im Fachhochschulbereich verankert
ist, stellen Bakic, Brunner und Musil (2020: 7) fest, dass die grundlagenorientierte Forschung und
eine entsprechende Publikationstätigkeit nach wie vor zögerlich und lückenhaft sind. Ähnlich wie
in Deutschland fehlt „weiterhin eine flächendeckende, noch umfangreichere und noch stärker
belastbare Forschungsförderung für die Soziale Arbeit“ (Spatscheck 2023: 44). Derzeit müssen
Sozialarbeitswissenschaftler*innenAnträgeentsprechend„denFörderrichtlinienandererDisziplinen“
(Spatscheck 2023: 45) einreichen.
3.4 Kerncurriculum Soziale Arbeit
Wie im Kapitel zwei skizziert, gab es an den Sozialakademien eine österreichweite Lehrplanordnung
und ab der Überführung der Ausbildung an die Fachhochschulen die Verständigung auf ein
Kerncurriculum der Sozialen Arbeit. Allerdings ist dieses kein offizielles Instrumentarium, an dem
sich Fachhochschulen im Rahmen der Re-Akkreditierungen verbindlich orientieren (müssen). Die
inhaltliche Schwerpunktsetzung von Modulen und Lehrveranstaltungen hängt wesentlich von den
Lehrenden, deren Profession, Identifikation und Haltung gegenüber der Sozialen Arbeit ab. Fürst
konstatiert unter der Leitfrage „Wer bildet wen aus?“ einen fehlenden kritischen Fachdiskurs und
zeigt,dassimJahr2012inÖsterreich50%derhauptamtlichLehrendenkeinesozialarbeitsspezifische
Ausbildung oder ein entsprechendes Studium nachweisen konnten (vgl. Fürst 2010: 255).
Im Sinne einer Qualitätssicherung wäre es begrüßenswert, analog zum „Fachwissenschaft-
lichen Qualifikationsrahmen für die hochschulische und berufliche Bildung des deutschen
Fachbereichstag Soziale Arbeit“,ii erneut ein entsprechendes Dokument in Österreich zu etablieren.
3.5 Berufsgesetz
Ein Berufsgesetz ermöglicht Berufen eine Qualitätssicherung nach innen und außen, etabliert
und positioniert die Voraussetzungen und Aufgaben in einem rechtlich verbindlichen Rahmen
und ist damit Merkmal einer Profession. Der OBDS entwickelte 1988 das erste Berufsbild und
nahm Verhandlungen hinsichtlich eines Berufsgesetzes auf. Das jahrelang angestrebte Ziel, ein
Gesetz für Sozialarbeiter*innen zu implementieren, wurde vorerst nicht erreicht. In der aktuellen
österreichischen Regierungsperiode ist die Erarbeitung eines einheitlichen Bundesgesetzes im
Regierungsprogramm vorgesehen (vgl. OBDS 2023).
Das nach wie vor fehlende Berufsgesetz führt dazu, dass die Soziale Arbeit kein geschützter
Beruf ist und keine festgelegte akademische Ausbildung erforderlich ist. Dies kann zu einer De-
Professionalisierung in der Praxis der Sozialen Arbeit führen und damit die bisher erreichte formale
Akademisierung schwächen.
4
Die Österreichische Gesellschaft für Soziale Arbeit im Kontext der
Akademisierung
Fachgesellschaften übernehmen wesentliche Aufgaben im Wissenschaftsbetrieb, da sie unabhängig
von Standortinteressen der Hochschulen die jeweilige Disziplin und Profession vertreten und fördern
können. Sie sind dem nationalen und internationalen Fachdiskurs verpflichtet und „ermöglichen
Austausch im Sinne politischer, weltanschaulicher und fachlicher Pluralität“ (DGSA 2023).
In den Nachbarländern Deutschland und Schweiz erfolgte die Implementierung der
Sozialen Arbeit im Hochschulsektor ab 1970 und entsprechend formierten sich die jeweiligen
Fachgesellschaften hier früher: die Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) im Jahr 1989
und die Schweizerische Gesellschaft für Soziale Arbeit (SGSA) im Jahr 2006. Im April 2012 berieten
sich Barbara Bittner (FH Campus Wien), Peter Pantuček-Eisenbacher (FH St. Pölten), Christian
Stark (FH Oberösterreich) sowie Andrea Trenkwalder-Egger (MCI) hinsichtlich der notwendigen
Schritte zur Gründung einer Fachgesellschaft. Die darauffolgende Gründungsversammlung der
ogsa fand am 27.11.2012 an der FH Campus Wien statt (vgl. Bakic 2013: 1). Die erste Generation
der Vorstandsmitglieder bildeten Barbara Bittner (Kassierin), Johanna M. Hefel (Schriftführerin),
Peter Pantuček-Eisenbacher (Präsident), Sharon Schneider (stellvertretende Kassierin), Christian
Stark (stellvertretender Schriftführer) und Andrea Trenkwalder-Egger (stellvertretende Präsidentin).
Im folgenden Kapitel wird auf die Zielsetzungen und Aufgaben der ogsa, ihre Organisation sowie auf
ihre Rolle im Akademisierungsprozess eingegangen.
4.1 Organisation und Ziele der ogsa
Die ogsa ist ein österreichweiter Zusammenschluss von Expert*innen zur Förderung der Disziplin
und Profession der Sozialen Arbeit. Organisiert als unabhängiger Verein, widmet sie sich der
Weiterentwicklung und dem Ausbau nationaler und internationaler Netzwerke zur Förderung des
(inter)disziplinären Austausches. Als Vernetzungsplattform für Theorie, Forschung und Lehre
ermöglicht sie einen unabhängigen sozialwissenschaftlichen Fachdiskurs, der für eine aktive
Teilnahme an gesellschaftspolitischen Fragestellungen notwendig ist. Zudem sieht sie sich auch als
Vertretung der Interessen der Sozialen Arbeit in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik. In diesem
Sinne sind Öffentlichkeitsarbeit, das Aufgreifen relevanter sozialpolitischer Diskurse in Form von
Tagungen, Publikationen und Stellungnahmen sowie Kooperationen mit anderen Organisationen
zentrale Aufgaben der ogsa. Sie versteht sich nicht als Vertretung der Profession der Sozialen
Arbeit (und damit auch nicht als Gewerkschaftsersatz), sondern als Vertretung der Disziplin im
Professionalisierungsprozess (vgl. ogsa 2019: §2).
Die ogsa wird von einem ehrenamtlich tätigen Vorstand geleitet, der alle zwei Jahre von
den Vereinsmitgliedern gewählt wird. Einzige Angestellte ist eine Fachkraft der Sozialen Arbeit zur
UnterstützungderVorstandstätigkeiteninorganisatorischenAngelegenheiten. GemäßihrenStatuten
ist die ogsa ein gemeinnütziger Verein und damit nicht auf Gewinn ausgerichtet. Die Finanzierung
erfolgt in der Hauptsache über die Mitgliedsbeiträgeiii und Tagungsgebühren (vgl. ogsa 2019).
Arbeitsgemeinschaften der ogsa
Die inhaltliche Auseinandersetzung mit fachspezifischen Fragestellungen findet in Arbeits-
gemeinschaften (AGs) statt. Neben dem Fachaustausch zählen die regelmäßige Mitgestaltung
in Form von Beiträgen bei Tagungen und Foren sowie die Erarbeitung von Positionspapieren zu
relevanten Aspekten des Diskurses zu ihren Aufgaben. Im Jahr 2013 begannen sich, ausgehend
von Vernetzungsgesprächen und auf Aufruf des Vorstandes die ersten Arbeitsgemeinschaften zu
bilden. 2014 gab es die folgenden elf Arbeitsgemeinschaften: Schulsozialarbeit, Altern und Soziale
Arbeit, Soziale Arbeit und Internet, Kindheit und Jugend, Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Sozialer
Raum, Theorie und Wissenschaft, Menschenrechte, Ethik und Soziale Arbeit, Queer Social Work und
Promotionsförderung. Über die Jahre kam es zu Veränderungen. Manche Arbeitsgemeinschaften
lösten sich auf und andere gründeten sich neu. Mit Stand September 2023 gibt es folgende aktive
Arbeitsgemeinschaften der ogsa:
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AG Alter Mensch
AG Case Management
AG Digitalisierung und Soziale Arbeit
AG Forschung
AG Kindheit und Jugend
AG Klimagerechtigkeit und Soziale Arbeit
AG Klinische Soziale Arbeit
AG Körper-Leib und Soziale Arbeit
AG Offene Kinder- und Jugendarbeit in Österreich
AG Partizipation und Empowerment
AG Schulsozialarbeit
AG Soziale Arbeit und Sozialpädagogik
AG Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft
AG Sozialer Raum
4.2 Die Rolle der ogsa im österreichischen Akademisierungsprozess
Als Ort der Etablierung der Sozialarbeitswissenschaft (analog zur DGSA; vgl. dazu Borrmann et al.
2016: 12) bietet die ogsa Forscher*innen, Lehrenden, Fachkräften und Studierenden einen Rahmen
für die Förderung von Disziplin und Profession. Sie versteht sich nicht als Konkurrenz zu den (Fach-)
Hochschulen oder dem OBDS, sondern unterstützt die gemeinsamen Ziele der Akademisierung
und der Professionalisierung, so dass der Prozess der formalen Akademisierung auch in Österreich
abgeschlossen werden kann.
Förderung von Nachwuchswissenschaftler*innen
DasPromovierenindenSozialarbeitswissenschaftenistandenFachhochschulenmitStudiengängen
für Soziale Arbeit nicht möglich. Nachwuchswissenschaftler*innen sind aufgrund der fehlenden
Strukturen oftmals nicht – wie in anderen Disziplinen üblich – in ein Forschungsteam eingegliedert,
umhierihreForschungskompetenzdurchdieDissertationzubeweisen. Dieogsabietetinsbesondere
im Rahmen der AG Forschung eine entsprechende Vernetzungs- und Austauschmöglichkeit. Im
Frühjahr fand erstmals, gemeinsam mit der DGSA und weiteren deutschen Fachverbänden, eine
zweitägige Konferenz zum Thema Promovieren in der Sozialen Arbeit statt.
Schaffen eines Rahmens für wissenschaftlichen Diskurs
Eine wesentliche regelmäßige Aktivität zur Förderung der Akademisierung ist die Durchführung von
Tagungen und wissenschaftlichen Veranstaltungen (vgl. ogsa 2019: §2), welche Professionist*innen
aus Forschung, Lehre und Praxis die Präsentation aktueller Forschungsprojekte, Austausch,
Diskurs und Vernetzung ermöglichen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2012 veranstaltet die ogsa
alternierend die zweitägige ogsaTAGUNG und das eintägige ogsaFORUM. Bisher wurden sechs
Tagungen (2013, 2015, 2017, 2019, 2021 und zuletzt 2023) sowie fünf Foren (2014, 2016, 2018,
2020, 2022) organisiert und durchgeführt. In Kooperation mit der DGSA und SGSA fand 2021 die
erste trinationale DACH Tagung mit rund tausend Teilnehmer*innen online statt.
Fördern von Publikationsmöglichkeiten
Das Initiieren und Unterstützen von Publikationen ist ein weiterer Beitrag der ogsa zur Förderung
der Akademisierung der Sozialen Arbeit. Im Jahr 2021 wurde die Buchreihe der ogsa beim Verlag
Beltz Juventa ins Leben gerufen. Sie versteht sich als Forum für wissenschaftlichen Austausch und
richtet sich gleichermaßen an Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen, Lehrende sowie Studierende
der Sozialen Arbeit als auch an Kolleg*innen der Bezugs- und Nachbardisziplinen. Ihr Ziel ist es,
den sozialarbeitswissenschaftlichen Diskurs zu aktivieren und die sozialarbeitswissenschaftliche
Tätigkeit sichtbar und lesbar zu machen. Den ersten Band mit dem Titel Soziale Arbeit in der
Postmigrationsgesellschaft (2021) gab die AG Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft heraus;
den zweiten Band Gelingendes Case Management in der Sozialen Arbeit (2023) verfasste ein Team
der AG Case Management. 2022 publizierte das Tagungsteam der trinationalen DACH Tagung
den Tagungsband Europäische Gesellschaften zwischen Kohäsion und Spaltung (2022). Zudem
ist die ogsa Teil der Redaktion der halbjährlich erscheinenden wissenschaftlichen Onlinezeitschrift
soziales_kapitaliv sowie Mitglied des fachlichen Beirats der Redaktion des Journals Soziale Arbeit/
DZI.
Zurverfügungstellung einer Informationsplattform
ÜberdenNewsletter,derperE-MailanalleMitgliedergehtsowieonlineüberdieWebseiteabrufbarist,
informiert die ogsa regelmäßig über ihre Aktivitäten, vor allem jene aus den Arbeitsgemeinschaften,
über neue Publikationen, wissenschaftliche Tagungen etc.
Förderung der Professionalisierung
Die ogsa beteiligt sich am gesellschaftlichen Diskurs durch wissenschaftliche Expert*innen-Beiträge,
erarbeitet Positionspapiere, gibt auf Sozialarbeitswissen basierte Stellungnahmen ab und leistet
durch die Erfüllung des politischen Auftrags der Sozialen Arbeit einen wichtigen Beitrag zu deren
Professionalisierung. Die Mitarbeit an der Schaffung rechtlicher Grundlagen der Sozialen Arbeit,
beispielsweise eines Berufs- oder Titelschutzgesetzes, ist ebenfalls als Förderung der formalen
Professionalisierung Sozialer Arbeit zu werten. Der notwendige Theorie-Praxis-Transfer als Merkmal
der Akademisierung und damit Professionalisierung wird gewährleistet durch die Zusammenarbeit
von Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen, speziell in den Arbeitsgemeinschaften, und durch
die Verleihung des „Monika Vyslouzil Preises“ des Ilse Arlt-Instituts an innovative Praxiseinrichtungen
im Rahmen des ogsaFORUMs.
5
Conclusio
Grundlegend ist die Soziale Arbeit in Österreich – über die Gründung der ersten unabhängigen
Fürsorgeschule in Wien durch Ilse Arlt, die Einführung der Akademien hin zur Einführung des
Studiums (2001/2002) an den Fachhochschulen – im akademischen Bereich etabliert. Dennoch
sind wesentliche Aspekte offen:
•
das fehlende Promotionsrecht der Fachhochschulen und damit verbunden eine
vergleichsweise geringe Anzahl an Nachwuchswissenschaftler*innen
fehlende, für die Sozialarbeitswissenschaft adäquate Forschungsstrukturen
die eher zögerliche Annahme der Masterstudiengänge
die Wiederaufnahme eines Bachelor-Kerncurriculums
•
•
•
•
ein fehlendes Berufsgesetz
Ein Weiterverfolgen der genannten Aspekte birgt das Potential, dass die Akademisierung nicht
nur die Profession und Disziplin Soziale Arbeit fördert. Vielmehr kann sie so auch ihrem Auftrag
nachkommen, soziale Probleme aufzuzeigen, deren gesellschaftliche Relevanz zu belegen und zu
ihrer Lösung beizutragen.
Die ogsa ist in diesem Akademisierungsprozess eine wichtige Säule, da sie nicht an die
Rahmenbedingungen von Fachhochschulen als Orten der Wissenschaft, Forschung und Lehre
gebunden ist. Unter anderem führen bildungspolitische Leitideen und Konzepte sowie rechtliche
und ökonomische Vorgaben zur zunehmenden Marktbezogenheit des Hochschulmanagements (vgl.
Truniger2017:XIII).DamiteinhergeheneineLogikderVerwertungundDruck,dersichinsbesonderein
Form von kontinuierlichen Evaluierungen einzelner Wissenschaftler*innen, Arbeitsgruppen, Institute
und ganzer Hochschulen zeigt. Ziel dieser Evaluierungen ist es, „die Qualität von Forschung und
Lehre sichtbar zu machen und eine möglichst „objektive“ Messung wissenschaftlicher Leistungen
zu ermöglichen“ (Weichhart 2012: 8). Dabei spielen vor allem quantitativ erfassbare Parameter – wie
beispielsweise die Anzahl der Veröffentlichungen in Zeitschriften mit einem Peer-Review-Verfahren
und hohem Impact Faktor oder die Höhe der eingeworbenen Drittmittel – eine entscheidende Rolle.
Diese Entwicklung kann durchaus kritisch betrachtet werden, da sie – wie Weichhart prägnant
formuliert – zu dem „Ethos, der Verantwortung und dem Geist wissenschaftlicher Denkungsart“
(Weichhart 2012: 9) in Widerspruch stehen kann. In diesem Sinn bietet die ogsa als gemeinnütziger
Verein einen Ort des freien wissenschaftlichen Denkens und Diskurses.
Verweise
i
Die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften Hochschule Darmstadt, Frankfurt University of Applied Sciences, die Hochschule
Fulda und die Hochschule RheinMain haben das eigenständige Promotionsrecht in der Fachrichtung Soziale Arbeit. Die Durchführung
und Organisation der Promotionen übernimmt das hochschulübergreifende Promotionszentrum Soziale Arbeit. Die Geschäftsstelle des
ii
Der Fachbereichstag ist die 1917 gegründete nationale Repräsentanz von Lehre und Forschung der Sozialen Arbeit an deutschen
iii
Die ogsa hat mit Stand 09/2023 230 Mitglieder; die Höhe der Mitgliedsbeiträge ist 20€ für Studierende und 80€ für Fachkräfte der
Sozialen Arbeit. Mitglieder erhalten neben der monatlich erscheinenden Zeitschrift Soziale Arbeit, herausgegeben vom DZI Berlin/Nomos
Verlag, und dem halbjährlich erscheinenden ogsa Newsletter auch Vergünstigungen beim Besuch der Tagungen/Foren.
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Über die Autorinnen
Prof.in (FH) Mag.a Dr.in Johanna M. Hefel, DSAin
Hochschulprofessorin an der Fachhochschule Vorarlberg (FHV) in den Studiengängen BA und
MA Soziale Arbeit. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Geschichte und Professionalisierung
Sozialer Arbeit, Klinische Soziale Arbeit, Soziale Arbeit und Gesundheit, Kasuistik; Verlust, Abschied,
Sterben und Tod, Autoethnographie. Präsidentin der ogsa.
FH-Prof.in Dipl. Sozialpäd.in (FH) Mag.a Dr.in Iris Kohlfürst
Fachhochschulprofessorin an der FH Oberösterreich in den Studiengängen BA und MA Soziale
Arbeit. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Ethik, Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit,
politische Partizipation in der Sozialen Arbeit. Vorstandsmitglied der ogsa.