soziales_kapital  
Manuela Hofer, Marc Diebäcker. Beratungspraxen in der Jugendarbeit – Ergebnisse eines explorativen  
Forschungsprojekts. soziales_kapital, Bd. 27 (2023). Rubrik: Sozialarbeitswissenschaf.  orarlberg.  
27. Ausgabe 2023  
Akademisierung Sozialer Arbeit  
Beratungspraxen in der Jugendarbeit  
Ergebnisse eines explorativen Forschungsprojekts  
Manuela Hofer & Marc Diebäcker  
Zusammenfassung  
Während in der Praxis der Offenen Jugendarbeit tagtäglich Beratungen von Jugendlichen  
nachgefragt und von Fachkräften gegeben werden, ist das Thema im Fachdiskurs Sozialer  
Arbeit bisher kaum behandelt. Ausgehend von dieser Lücke wurden in einem explorativen  
Forschungsvorhaben mit vier qualitativen Fallstudien, das 2021 im Rahmen eines Erasmus+  
Projekts durchgeführt wurde, Beratungspraxen in den besonders niederschwelligen Settings der  
Offenen Jugendarbeit beschrieben. Die Ergebnisse geben u.a. Einblicke darin, wie Jugendliche  
Zugang zur Beratung finden und wie Fachkräfte vielfältige Situationen arrangieren und Übergänge  
begleiten. Im Vergleich zu „klassischen“ Beratungskontexten zeigen sich in der Jugendarbeit  
alltagsnahe, flexible oder diskontinuierliche Beratungsverläufe. Die besondere Qualität der  
Beratung in der Offenen Jugendarbeit verdankt sich der Adressat*innenorientierung, dem starken  
Fokus auf Vertrauensaufbau sowie einer emanzipativen Hilfegestaltung durch fachlich versierte  
Jugendarbeiter*innen, die dazu beitragen, dass Jugendliche lebensweltnah Beratungen erfahren  
und zu Unterstützungen gelangen, die ihnen ansonsten wohl verwehrt blieben.  
Schlagworte: Beratung, Jugendarbeit, Settings, Niederschwelligkeit, Professionalisierung  
Abstract  
Counselling is a daily occurrence for young individuals seeking assistance in open youth work.  
However, the professional discourse within social work has largely disregarded this topic. To bridge  
this gap, a 2021 explorative research project consisting of four qualitative case studies was carried  
out within the Erasmus+ framework. The aim was to describe counselling practices in low-threshold  
settings of open youth work. The results provide insights into how young people access counselling  
and how professionals arrange diverse settings and accompany transitions. Compared to “classic”  
counselling contexts, youth work shows counselling processes that are close to everyday life,  
flexible or discontinuous. Orientation towards the addressees, a strong focus on building trust  
and an emancipative design of help are the unique qualities of professionally experienced youth  
workers. This allows young people to experience counselling in proximity to their lives and access  
support that they may have otherwise refused.  
Keywords: counselling, youth work, settings, professionalism, easy access  
1
Einleitung  
In der Fachliteratur zu Beratungen in der Sozialen Arbeit werden ausgesprochen selten Situationen  
Offener Jugendarbeit (OJA) in den Blick genommen. Vielmehr fokussiert der Forschungskanon in  
hohem Maße auf formalisierte Settings und höherschwellige Beratungsangebote, deren Zugänge,  
Methoden und Prozesse beschrieben werden, die für die niederschwellige Jugendarbeit allerdings  
wenig anschlussfähig sind. Anmelde- und Vorbereitungsroutinen, standardisierte Abläufe,  
Prozesssteuerung und Themenbegrenzungen oder fokussierte Auftragsklärung, die üblicherweise  
in der Fachliteratur empfohlen werden, greifen in offenen Beratungskontexten nicht (vgl. Hollstein-  
Brinkmann 2016: 23).  
ImbreitenFeldderJugendarbeitistderBeratungsbegrikonzeptuellkaumverankert,lediglich  
in der Praxis mobiler Angebote von Jugend-Streetwork oder Jugendsozialarbeit wird sie als Tätigkeit  
gefasst. Dabei passiert in der standortbezogenen Jugendarbeit abseits freizeitpädagogischer  
Aktivitäten und offener Angebote viel Beratung, wenngleich eher „nebenher“. In Ihrer Studie zu  
Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit betonen Mike Seckinger und andere (2016: 22), dass „neun  
von zehn Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit“ in Deutschland alltagsnahe Beratung  
anbieten, dass dieser große Umfang an zusätzlicher (oftmals nicht beauftragter) Unterstützung  
Jugendlicher aber kaum dargestellt ist (vgl. ebd.: 23). Ein ähnliches Bild zeichnet eine Onlineumfrage  
der Dachverbände Bundesweites Netzwerk Offene Jugendarbeit (bOJA) und Arbeitsgemeinschaft  
Jugendfreizeitstätten Baden-Württemberg (AGJF) sowie der FH Campus Wien zu Beratungspraxen  
in der Offenen Jugendarbeit für die Situation in Österreich und Deutschland, der zufolge 97% der  
befragten Einrichtungen Beratungen anbieten, die Hälfte davon mehrmals pro Woche (vgl. boJA/  
AGJF/FH Campus Wien 2022: 6). Die besondere Niederschwelligkeit der Jugendarbeit ist also oft  
der Ausgangspunkt für alltagsnahe und beratende Gespräche.  
Jugendliche nehmen Beratung – im Vergleich zu Erwachsenen – seltener in Anspruch  
und die Beratung bedarf bestimmter Voraussetzungen. Beziehungsqualität, Vertrauen und  
Sympathie sind wesentliche Faktoren für eine Beratungsannahme, aber auch die freiwillige,  
eher unverbindliche, von den Jugendlichen mitbestimmte und mitgestaltete Kontaktaufnahme  
sowie ein wenig formalisierter Zugang. Ein vorgelagerter Beziehungs- und Vertrauensaufbau ist  
daher oft eine zentrale Bedingung für eine Beratung, die auf informeller Interaktion aufbaut und  
spezifische Qualitäten besitzt (vgl. Nestmann 2007: 791). Aufgrund ihrer Lebensweltorientierung  
oder besonderer Alltagsnähe (vgl. Knab 2016: 54; Thiersch 2007: 116) bieten die niederschwelligen  
und offenen Settings insbesondere Jugendlichen, die aufgrund der Lebensphase und/oder prekärer  
Lebenslagen besonders benachteiligt sind, einen wichtigen, oft den einzigen Zugang zur Beratung.  
Für das „lebensweltliche Herstellen“ (Wild 2020: 86f.) adäquater Beratungsbedingungen sowie ein  
ressourcenorientiertes Begleiten von Jugendlichen ist die Jugendarbeit geradezu prädestiniert.  
Die spezifischen Situationen, Qualitäten und Herausforderungen von Beratung in der  
Jugendarbeit sind im fachlichen Diskurs Sozialer Arbeit allerdings kaum beschrieben und können im  
Sinne der Professionalisierung daher nur schwer weiterentwickelt werden: Fachliche Anforderungen,  
Wissens- und Kompetenzprofile, Qualifizierungsinitiativen oder notwendige Rahmenbedingungen  
von Beratung in der Jugendarbeit sind völlig unterthematisiert. Die Feststellung dieser Lücke war  
Anlass für ein exploratives Forschungsvorhaben, welches wir im Rahmen des EU finanzierten  
Erasmus+ Projekts „Beratungspraxen in der Offenen Jugendarbeit“ im Jahr 2021 durchgeführt  
haben und dessen Ergebnisse folgend präsentiert werden.i  
Mittels eines ethnografisch inspirierten Forschungszugangs begleiteten wir im September  
2021 vier Einrichtungen in Oberösterreich, Tirol, Wien und in der Steiermark für rund eine  
Arbeitswoche in ihrem Arbeitsalltag. Die Auswahl der vier Fallstudien erfolgte kontrastierend  
und anhand ausgewählter Kriterien, mittels derer die Angebotsvielfalt in der OJA Österreichs  
widergespiegelt werden kann: so wurden Einrichtungen im ländlichen wie im städtischen Raum,  
eher einrichtungsbezogene wie auch mobil ausgerichtete Angebote sowie unterschiedlich große  
Trägerorganisationen und Teams ausgewählt. Wichtig war uns auch, dass die Einrichtungen  
keine thematische Spezialisierung aufweisen, sondern in ihrer Breite und Offenheit als typische  
Angebote Offener Jugendarbeit eingeordnet werden können. In teilnehmenden Beobachtungen,  
Fokusgruppen mit den jeweiligen Teams und Gesprächen mit jugendlichen Nutzer*innen und  
Jugendarbeiter*innen wurden die alltäglichen Momente, in denen Beratung entsteht, und die  
verschiedenen Formen, in denen sie durchgeführt wird, kenntlich.ii Das Forschungsinteresse  
galt den Besonderheiten von Beratungen in niederschwelligen Settings. Im Mittelpunkt standen  
Fragen zu Beratungszugängen und Beziehungen, Situationen und methodischem Vorgehen, zur  
Weitervermittlung und Begleitung von Übergängen oder auch unterschiedlichen Aufträgen und  
Rahmenbedingungen. Die gegenstandsbezogene Auswertung und Interpretation von Protokollen  
und Transkripten erfolgte angelehnt an die Grounded Theory.iii Aus einer Fallstudien-übergreifenden  
Perspektive werden wir im Folgenden einige zentrale Ergebnisse zu Zugängen, Settings, Begleitung  
von Übergängen und Beratungsverläufen darlegen.  
2
Der Zugang von Jugendlichen zur Beratung  
Beratung in der offenen Jugendarbeit findet in einem sozialen Kontext statt, in dem Beratung  
üblicherweise nicht im Vordergrund steht. Häufig bemüht sich die Jugendarbeit um ein offenes  
Bildungs- und Freizeitangebot, das auf den Aufbau von Beziehungen ausgerichtet ist. Daher sehen  
viele der von uns befragten Fachkräfte die Beziehungsarbeit als Grundbedingung für Beratung  
in der Jugendarbeit. Jugendliche bestätigen dies in Gesprächen mit uns dahingehend, dass  
Vertrauen und Verschwiegenheit für sie von zentraler Bedeutung sind. Zugleich spielt für sie das  
glaubhafte, „echte Interesse“ an ihren Themen eine wichtige Rolle. Dies verweist auf die Bedeutung  
von thematischer Alltagsnähe, derer sich Jugendliche im Vorfeld einer möglichen Beratung bereits  
versichern – erst dann scheinen sie bereit, ihren Bedarf nach Beratung anzuzeigen. Dabei ist es  
bedeutsam, dass Beratung als Tätigkeitsbereich in ein breites Angebotsportfolio der Jugendarbeit  
eingebettet ist, damit Jugendarbeit von Jugendlichen als eine Option alltäglicher Ratsuche (vgl.  
Nestmann 2014: 549) und als informelle Hilfeoption wahrgenommen und akzeptiert wird.  
Sowohl auf der Straße als auch im Jugendtreff konnten wir beobachten, dass Jugend-  
arbeitende im ständigen kommunikativen Austausch mit jugendlichen Nutzer*innen sind. In  
achtsamer Hinwendung und respektvoller, oftmals zurückhaltender Kommunikation vermitteln  
sie Jugendlichen ihr Interesse an ihnen als Person. Bei Erstkontakten scheinen die transparente  
Darlegung des eigenen Auftrags, die Vermittlung potenzieller Unterstützungsmöglichkeiten  
oder das vorsichtige Ausbalancieren von Nähe und Distanz wesentlich, um Jugendlichen einen  
Möglichkeitsraum für „alle Anliegen“ zu eröffnen. Im Berufsalltag bieten sich Fachkräfte permanent  
an und bemühen sich, Raum für Erzählungen und offene Gespräche zu schaffen: sie hören zu,  
fragen nach und wirken aufrichtig interessiert an Erlebnissen, Gedanken und Emotionen ihres  
Gegenübers. Für uns war in vielen Situationen ein professioneller Habitus der aktiven Zuwendung  
erkennbar. Eine hohe Aufmerksamkeit und permanentes Reagieren auf jugendliches Tun, ein  
fokussiertes Zu- und Hinhören, ein umschauendes Beobachten und Beachten, einfühlsames  
Fragen und Ansprechen sowie ein Bemühen, auf unterschiedliche Stimmungen von Jugendlichen  
einzugehen, scheinen zentral, damit Jugendliche sich akzeptiert und wahrgenommen fühlen. Es ist  
das scheinbar ritualisierte Fragen nach ihrem Befinden, das genaue Hinhören und Nachfragen sowie  
das kontinuierliche Interesse mit Hinweis auf Möglichkeiten der Vertiefung, welches die Schwelle für  
Jugendliche senkt, eine „Beratung anzufragen“.  
Aufgrund der Freiwilligkeit der Beratung spielt die Eigeninitiative der Jugendlichen eine  
zentrale Rolle dafür, ob sie Zugang zu Jugendarbeiter*innen als „besondere[n] Erwachsene[n]“  
(Diebäcker/Hofer 2024) und zur Beratung finden oder nicht – wenngleich die Fachkräfte dafür  
verantwortlich sind, ihnen diesen Schritt zu erleichtern. In Gesprächen mit Jugendlichen wurde  
deutlich, dass diese auch aufgrund von Anregungen von Netzwerkangehörigen – ihren Peers –  
Beratung in Anspruch nehmen. Sie verweisen mehrfach darauf, dass Freund*innen ihnen mitgeteilt  
haben, dass man die Jugendarbeitenden „alles fragen kann“. Beratungsbeziehungen entstehen also  
auch, indem das Vertrauen in Fachkräfte unter Freund*innen übertragen wird, was dazu führt, dass  
sie sich relativ schnell öffnen und Gesprächsbedarf anzeigen. Wir konnten auch feststellen, dass  
Jugendliche beratende Gespräche in Gruppensettings genau beobachten und sich der Kompetenz  
von Fachkräften vergewissern, sie teilweise auch durch provokante Fragen prüfen.  
In unserer Erhebung waren zahlreiche Situationen erkennbar, in denen Jugendliche  
Beratungen selbst initiieren und aktiv einfordern (vgl. auch Neumann 2016: 133), z.B. indem sie  
sich mittels einer konkreten Anfrage direkt an eine Fachkraft wenden. Diese direkte Form der  
Kontaktaufnahme erfolgt v.a. bei dringlichen Themen, etwa bei akuter Wohnungsnot, Strafanzeigen,  
familiären Krisensituationen oder ähnlichen Problemlagen, die einer schnellen Lösung bedürfen.  
Wir konnten aber auch beobachten, dass Fachkräfte, die aufgrund einer spezifischen thematischen  
Expertise als besonders kompetent wahrgenommen werden, von Jugendlichen mit weniger  
Handlungsdruck angefragt werden. Oft steht dann der inhaltliche Austausch, die Reflexion eigener  
Optionen oder Momente der Selbstvergewisserung im Vordergrund. Jugendarbeiter*innen werden  
von Jugendlichen insbesondere dann eine Expert*innenrolle zugeschrieben, wenn diese sich in der  
Vergangenheit zu bestimmten Themen positioniert und spezifisches Fach- oder Erfahrungswissen  
glaubhaft vermittelt haben. In den Fallstudien wird deutlich, dass besondere Fachkenntnisse von  
einzelnen Mitarbeiter*innen zu Schwerpunktsetzungen in der Einrichtung führen kann und eine  
erhöhte Beratungsnachfrage bewirkt; etwa dass besonders oft rechtliche Beratung nachgefragt  
wird, wenn eine Fachkraft über juristische Expertise verfügt, oder in einem Angebot vermehrt Fragen  
zu Körper, Geschlecht und Sexualitäten bearbeitet werden, weil Jugendliche sexualpädagogisch  
kompetente Gesprächspartner*innen oder eine queere Fachkraft vorfinden.  
Im Anzeigen von Beratungsbedarf konnten wir unterschiedliche Modi von Jugendlichen  
beobachten. Auf der einen Seite agieren Jugendliche wie oben beschrieben aktiv, nehmen direkten  
Kontakt auf und können ihr Thema klar artikulieren. Jugendliche holen Jugendarbeitende von der  
Gruppe weg und fordern ein Einzelsetting aktiv ein oder melden sich durch Textnachrichten mit einem  
mehr oder weniger konkreten Wunsch nach einem Treffen bei der Fachkraft ihrer Wahl. Eine direkte  
Kontaktaufnahme erfolgt vielfach aufgrund vordergründig „harmloser“ Themen, hinter der sich aus  
der Erfahrung von Jugendarbeiter*innen aber „schwierigere“ Sachverhalte verbergen können, die  
erst im weiteren Gesprächsverlauf oder beim nächsten Treffen konkreter artikuliert und offengelegt  
werden. Auf der anderen Seite erfolgt die Anbahnung einer Beratung auch weniger bewusst,  
sie „passiert“ den Jugendlichen situativ, wenn sich in einem Gespräch ein Thema herausbildet.  
Immer wieder ließ sich beobachten, dass Jugendliche ein Freizeitangebot nutzen, aus ihrem Leben  
erzählen, sich dabei biographische Erzählungen allmählich verdichten, das Gespräch vertieft, ein  
Thema konkretisiert wird und in reflexive Momente übergeht, in welchen dann ein Beratungsbedarf  
formuliert wird. Jugendliche spüren oft die Notwendigkeit nach Hilfestellung, ohne sie konkret  
benennen zu können. Eine weitere, durchaus übliche Variante ist, dass Jugendliche Vertraulichkeit  
suchen und auf ein geeignetes Setting und den passenden Moment warten, z.B. wenn sie eine  
Fachkraft zu Beginn oder zum Ende eines Angebots abpassen. Die problembestimmende Aussage  
wird z.B. öfter erst am Ende einer Interaktion gesetzt, um die Artikulation des Bedarfs von der  
direkten Bearbeitung zu trennen. Fachkräfte betrachten dieses „Deponieren“, „Entlasten“ und  
„Entziehen“ als ersten, wesentlichen Schritt für einen künftigen Beratungsprozess.  
3
Vielfältige Settings zur Ermöglichung von Beratung  
In der „klassischen“ Fachliteratur zur Beratung in der Sozialen Arbeit wird das Setting oft gar nicht  
thematisiert, denn durch den Fokus auf Kommunikation und Prozess (vgl. Großmaß 2002: 187) das  
Bild einer Setting-losen Einzelberatung vermittelt. Das führt u.a. dazu, dass weder die vielfältigen  
und dynamischen Settings in der Jugendarbeit beschrieben noch die Übergänge zu Beratungen  
als fachliche Anforderung reflektiert werden (vgl. Diebäcker/Hofer 2024). Fachliche Besonderheiten  
der Jugendarbeit sind die häufig offenen Settings und der leichte, niederschwellige Zugang über  
freizeitpädagogische Aktivitäten; ein geringer Formalisierungsgrad und geringe Rollenvorgaben  
sind diesbezüglich hervorzuheben (vgl. Neumann 2016: 116f.; Hollstein-Brinkmann/Knab 2016: 2).  
IndenerhobenenFallstudienwirddeutlich,dassoffeneSettingseinenzentralenErmöglichungsrahmen  
für Beratung darstellen: dort, wo sich Alltag und Freizeit verschränken und wo Jugendliche  
eigenmotiviert sein und handeln wollen, entstehen Anlässe zum Thematisieren eigener Bedarfe.  
Offene Settings sind zugleich sozial dynamisch und störanfällig, Gesprächsunterbrechungen  
und schnell wechselnde Konstellationen erschweren oftmals, potenziellen Beratungsbedarfen  
nachzugehen. Während vertiefender Diskussionen und Auseinandersetzungen kristallisieren sich oft  
Beratungsbedarfe heraus, die in der Jugendarbeit nicht automatisch in Einzelberatung münden. Oft  
entstehen Settings, in denen Beratung in größeren und kleineren Gruppen stattfindet, wenn mehrere  
Jugendliche ein geteiltes Anliegen haben. Dies erfolgt etwa durch anlass- und gruppenbezogene  
Formate, teilweise unter Mitwirkung eingeladener Expert*innen, wodurch inhaltliche Schwerpunkte  
gesetzt und beratend weitergeführt werden. Auch Peer-Beratungen, in denen Jugendliche sich bei  
zurückhaltender Begleitung durch eine Fachkraft gegenseitig beraten, sind zu verzeichnen. Dabei  
werden Freund*innen als emotionale Stütze oder als „Ressource“ wahrgenommen.  
In Gruppensettings gilt es zu verhindern, dass Einzelne sich von anderen „unter Druck gesetzt  
fühlen“ und so ist das Abwägen, im „aktuellen Verbund“ zu bleiben oder in passendere Settings  
zu wechseln, eine fachliche Anforderung an Jugendarbeiter*innen. In diesen Abklärungsmomenten  
wird nicht nur ein Thema verhandelt, sondern auch festgelegt, wer an einem Gespräch beteiligt  
sein und wo und wann es damit weitergehen soll. Diese Übergänge reflektiert zu moderieren und  
für die jeweilige Person oder Gruppe ein − in ihrem Sinne − passendes Setting zu arrangieren,  
zeichnet u.E. eine professionelle Fachkraft aus. Fachkräfte schildern, dass sie dabei Prinzipien wie  
Freiwilligkeit, Verschwiegenheit, Bedarfe und Schutz miteinander abwägen und dies Jugendlichen  
transparent vermitteln müssen. Selbst wenn Einzelgespräche die passende Wahl sind, bedeutet  
dies nicht, dass diese automatisch in geschlossenen Settings geführt werden, denn oft wählen  
Jugendliche nicht den Beratungsraum, sondern präferieren ein Setting im Dazwischen, dass für  
sie weniger problembehaftet ist, mehr Eigensinn zulässt und weniger Verbindlichkeit bedeutet (vgl.  
Diebäcker/Hofer 2024).  
Beratungssettings in der Jugendarbeit werden auch von den räumlichen und institutionellen  
Bedingungen des jeweiligen Angebots beeinflusst (vgl. Großmaß 2014: 491–493). In den Fallstudien  
betonen Jugendliche, dass die gute „Atmosphäre“ von Anlaufstellen, Treffs oder Jugendhäusern  
ein Grund für ihren Besuch ist. Sie heben hervor, dass gerade der Wechsel von einem Raum in einen  
anderen, das Zurückziehen in eine Nische oder das Büro der Fachkräfte vertrauliche Gespräche  
erleichtern. Die offensichtlich wenig formalisierten Settings der Jugendarbeit werden aus  
Perspektive von Jugendlichen als offen, unverbindlich und nicht zweckorientiert wahrgenommen.  
Wenngleich die Anordnung von Möbeln, die Ausgestaltung von Sitz- und Kochgelegenheiten oder  
Aufenthalts- und Spielzonen das Innere funktional gliedern, fungieren sie situativ doch auch als  
flexible Beratungsettings.  
In Gesprächen reflektieren Fachkräfte, dass sie sich bei der Kommunikation im Inneren der  
Einrichtung häufig sicherer fühlen und sich dort klarer in Interaktionen verhalten. Sie haben dort mehr  
Einfluss auf den Rahmen und gerade bei sensiblen Themen können Beratungsgespräche auch in  
geschlossene Settings überführt werden. Ein ruhiger, nicht einsichtiger Raum in der Einrichtung stellt  
daher eine wichtige Rahmenbedingung für die Beratung der einrichtungsbezogenen Jugendarbeit  
dar. Nichtsdestotrotz sind Beratungen im öffentlichen Raum in der Mobilen Jugendarbeit ein  
häufiges Beratungssetting, bei dem grundsätzlich dieselben Standards wie in Jugendtreffs gelten.  
Im Vergleich zu Konstellationen in den Einrichtungen sind die Settings draußen noch offener, weniger  
formalisiert und unkontrollierbarer. Da der institutionelle Kontext entfällt, können die innerhalb einer  
Einrichtung etablierten Regeln nicht vorausgesetzt werden, zudem sind beteiligte Personen deutlich  
sichtbarer, auch für unbeteiligte Dritte. Auch draußen bemühen sich Fachkräfte, Settings unter  
Wahrung von weitgehender Vertraulichkeit und Anonymität so zu gestalten, dass Bedarfe eruiert und  
abgeklärt sowie Beratungsgespräche realisiert werden können. Grundsätzlich variieren die Settings  
im öffentlichen Raum je nach situativen Anforderungen und örtlichen Gelegenheiten: die Beratung  
am Ort des Treffens, der Rückzug in Nischen, das Gespräch im Café oder der Spaziergang sind nur  
einige Beispiele angepasster Beratungssettings.  
4
Begleiten von Übergängen und Weitervermittlung  
Die Gestaltung von Übergängen – sei es auf Ebene der Arbeitsbeziehung, der thematischen  
Expertise oder des sozialen Settings – spielt bei der Beratung von Jugendlichen eine wesentliche  
Rolle. Verschieben sich die Rollen von freizeitpädagogischen Aktivitäten hin zu Beratungen, ist  
es wichtig, diesen Wechsel auch gegenüber Jugendlichen zu thematisieren, fällt es diesen doch  
oft schwer, Rollen und Aufgaben von Jugendarbeitenden nachzuvollziehen. Gerade in Krisen,  
wenn Jugendliche besonders vulnerabel sind, ist auf Transparenz und Berechenbarkeit zu achten,  
wenngleich Fachkräfte in dynamischen Situationen des Berufsalltags die Dringlichkeit und  
Notwendigkeit eines Beratungsgesprächs nicht immer situativ erfassen oder bearbeiten können.  
Aufgrund der Breite der Anliegen der Jugendlichen fühlen sich Fachkräfte in thematischer  
Hinsicht oft allzuständig und müssen permanent abwägen, ob das eigene Wissen für eine „gute  
Beratung ausreicht“, ob sie sich selbst als kompetent genug einschätzen oder auf zusätzliche  
Wissensbestände zugreifen müssen. Bei wiederkehrenden Themen, wie etwa Arbeitssuche oder  
auch polizeiliche Einvernahmen, haben Jugendarbeiter*innen meist Expertise entwickelt und  
bemühen sich, diese durch Fortbildungen aktuell und greifbar zu halten. Überschreiten dringende  
Anliegen von Jugendlichen das eigene Themenspektrum, versuchen sie, benötigtes Wissen zu  
organisieren, um fachlich abgewogene Antworten oder Handlungsoptionen „bereitzustellen“:  
Recherchen (auch gemeinsam mit Jugendlichen), Nachfragen bei spezialisierten Kolleg*innen,  
kollegiale und oft kollektive Beratung im Team oder das Nachfragen bei Fachdienststellen sind  
einige Strategien, um zusätzliche Wissensbestände in den Beratungsprozess zu inkludieren. Dabei  
wägen Fachkräfte bewusst die Dringlichkeit der Anfragen ab, um sich möglicherweise Zeit zu  
verschaffen und Expertise einzuholen. Eine Terminvereinbarung dient dann auch dazu, sich in der  
Zwischenzeit zu informieren oder einrichtungsinterne Ressourcen nutzbar zu machen.  
Grundsätzlich folgen Fachkräfte dem Prinzip, dass die jungen Menschen Zeitpunkt und  
Person für eine Beratung selbst auswählen können und erleben dies als wichtige Qualität. Dennoch  
kommt es vor, dass spezialisierte Kolleg*innen hinzugezogen werden oder Jugendliche innerhalb  
des Teams „weitervermittelt“ werden. Fachkräfte berichten, dass sie in Krisensituationen besonders  
gefordert sind, da sie aufgrund ihrer Prozessverantwortung in der Pflicht stehen, emotionale und  
fachlich versierte Unterstützung zu leisten bzw. die entsprechende Expertise unmittelbar vom Team  
oder bei Fachdienststellen einzuholen. Es stellt sich ihnen die Frage, ob die jeweilige Krisensituation  
überhaupt innerhalb des Angebots und mit den vorhandenen Teamkompetenzen professionell  
bearbeitet werden kann. Mitunter ist es notwendig, Jugendliche an spezialisierte Einrichtungen und  
Fachdienststellen weiterzuvermitteln, wenngleich diese externen Übergänge für viele Jugendliche  
eine hohe Schwelle bedeuten und den Unterstützungsprozess stoppen können.  
Aufgrund der höheren Schwellen spezialisierter Angebote und aufgrund schlechter Erfahrungen mit  
Normalisierungsinstanzen wie etwa Schule und Ausbildungsstellen, mit Verwaltungsstellen oder  
Jugendhilfeträgern haben Jugendliche, auch aufgrund von Diskriminierungserfahrungen, oft wenig  
Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen. Aufgrund ihres niederschwelligen Zugangs erfüllt die  
Jugendarbeit auch eine Brückenfunktion zu höherschwelligen, sozialstaatlichen Beratungs- und  
Unterstützungsangeboten. In den Fallstudien wurde deutlich, dass Fachkräfte daher gefordert sind,  
ein breites Wissen über Angebote der sozialstaatlichen Unterstützungslandschaft zu generieren,  
um deren Logiken, Abläufe, Anspruchsvoraussetzungen und Ressourcen einordnen sowie  
Optionen der Weitervermittlung einschätzen zu können. Die Pflege des regionalen Netzwerks und  
der Aufbau persönlicher Kontakte sind diesbezüglich besonders wichtig, um externe Ressourcen  
zu organisieren und Jugendlichen das „Andocken“ an andere Einrichtungen zu erleichtern. Hierbei  
zeichnen sich Konfliktfelder ab, da sich die Zusammenarbeit aus Sicht von Jugendarbeiter*innen  
nicht immer problemlos gestaltet. Befragte berichten, dass ihre fachliche, beratende Kompetenz  
als Jugendarbeiter*in einerseits bei höherschwelligen Angeboten nicht immer anerkannt wird.  
Andererseits verweisen diese spezialisierten Stellen viele Jugendliche gerade aufgrund der  
besonderenExpertisefüralleJugendfragenandieOJA.Esscheint,dasseinRückzugaufdieeigenen  
Kernkompetenzen von spezialisierten Angeboten mit Abgrenzungs- und Abwertungstendenzen  
niederschwelliger Beratungs- und Unterstützungsleistungen wie der Jugendarbeit einhergeht,  
wodurch die Brückenfunktion der Jugendarbeit eingeschränkt wird.  
Interviewte Fachkräfte formulieren auch strukturelle Kritik und problematisieren die  
begrenzten Kapazitäten der sozialstaatlichen Unterstützungssysteme. In ihren Berichten wird  
Unzufriedenheit und Frustration erkennbar, wenn sie dringend benötigte Ressourcen des sozialen  
Netzes für Jugendliche nicht bedarfsgerecht organisieren können. Ihrer Meinung nach werden  
in solchen Fällen die lebensphasenspezifischen und lebensweltspezifischeniv  
Vulnerabilität  
und Unterstützungsbedarfe der Nutzer*innen der Jugendarbeit nicht anerkannt. Dabei sind  
Fachkräfte in unseren teilnehmenden Beobachtungen laufend engagiert, Übergänge zu anderen  
Hilfsinstanzen zu ermöglichen. Sie informieren über Optionen und vermitteln Kontakte, u.a.  
indem externe Fachkräften in die Räume der Jugendarbeit eingeladen werden. Sie schätzen  
Ressourcen sowohl der Jugendlichen als auch weiterführender Angebote ab und klären mit  
Jugendlichen, ob diese Übergänge zu externen Leistungen für sie eigenständig möglich sind. Oft  
werden Jugendliche auf entsprechende Termine vorbereitet, um institutionelle Barrieren durch  
Information und Übersetzungsarbeit zu senken. Zum Teil benötigt es aus Sicht der Fachkräfte auch  
persönliche Begleitung zu einem Erstgespräch, um Unsicherheiten und Ängste von Jugendlichen  
zu reduzieren. Dies trifft insbesondere auf parteiliche Begleitungen zu, z.B. bei Vorladungen von  
Behörden, insbesondere der Polizei, oder auch als emotionale Stütze bei Justizterminen oder  
Konfliktbearbeitungen in Schul- oder Ausbildungskontexten. Hier ist eine besondere fachliche  
Expertise gefordert.  
5
Beratung ohne Ende: den Beratungsprozess gestalten  
Beratung in der Offenen Jugendarbeit ist ein komplexer Prozess, zu dem niederschwellige Zugänge  
ermöglicht, vielfältige Settings arrangiert und Übergänge gestaltet werden. Fachkräfte sind  
dabei laufend gefordert, neben der Beratungstätigkeit vor allem freizeitpädagogische und offene  
Angebote zu gestalten, und dabei in Kontakt mit einer Vielzahl junger Menschen zu sein. So leicht  
der Zugang für Jugendliche zur Beratung in der Jugendarbeit sein kann, so herausfordernd ist die  
Gestaltung der untypischen und nicht-standardisierbaren Beratungsprozesse für die Fachkräfte.  
Über vielfältige, ganz unterschiedlich verlaufende Beratungsprozesse den Überblick zu behalten,  
situativ präsent zu sein und zu fokussieren sowie unter teils uneindeutigen und unverbindlichen  
Bedingungen Jugendlichen unterstützend zur Seite zu stehen, wird von Jugendarbeiter*innen als  
besondere Qualität, aber auch hohe fachliche Anforderung beschrieben.  
In der Analyse unserer Erhebungen wird deutlich, dass Beratung in der Jugendarbeit meist  
ein offener Prozess ohne klares Ende und von unbestimmter Dauer ist. Teilweise sind Beratungen  
singuläre Ereignisse, z.B. wenn durch Gespräche Anfragen weitgehend geklärt oder für ausreichende  
Entlastung gesorgt wird. Dass ein weiteres Gespräch vereinbart wird, wie in einem formalen  
Beratungsprozess üblich, ist für die Jugendarbeit eher untypisch. Oft greifen Jugendliche zu  
einem späteren Zeitpunkt erneut auf ein Gesprächsangebot zurück, nicht immer in Anknüpfung an  
vorherige Themen. Jugendarbeiter*innen sind gefordert, sich nach einem ersten Beratungskontakt  
bei passenden Gelegenheiten erneut anzubieten, an Vorheriges anzuknüpfen und für weitere  
Anfragen offen zu bleiben. Da die Beziehung zwischen Jugendlichen und Fachkräften abseits von  
Beratungssituationen häufig „weiterläuft“, müssen Fachkräfte zwischen den unterschiedlichen  
Kontexten differenzieren und die eigene Rolle im Beziehungsverhältnis entsprechend ausrichten.  
Dies ist u.a. wichtig, um zu vermeiden, dass eine problembehaftete Beratungsperspektive das  
Geschehen und Miteinander in der Jugendarbeit dominiert. Zudem kann so die eigene Rolle als  
Jugendarbeitende*r bei der Begleitung externer Beratungsprozesse gegenüber den Jugendlichen  
transparent gemacht werden.  
Ausbleibende oder unregelmäßige Kontakte von Seiten der Jugendlichen können in  
Anschluss an eine Krisen- und Beratungssituation für Fachkräfte belastend sein, da der weitere  
Umgang und die konkrete Bewältigung „ausgehalten werden müssen“. In den grundsätzlich  
offenen Beratungsprozessen der Jugendarbeit können sie sich nur entsprechend der getroffenen  
Absprachen um Kontakt bemühen – über die Bereitschaft zur Fortführung von Beratung entscheidet  
aber die jugendliche Person. Nachgehende Kommunikationsangebote erfordern organisatorische  
Flexibilität, um Räume eröffnen und situativen Gelegenheiten folgen zu können. Die in hohem  
Maße von Jugendlichen gestaltete soziale Dynamik in Beratungsprozessen bedeutet auch, dass  
Themen, Belastungen oder Dringlichkeiten schon beim nächsten Treffen an Bedeutung verloren  
haben können. Auch die Weitervermittlung an ein anderes Angebot heißt nicht, dass Jugendliche  
sich nicht wieder an die Jugendarbeitenden wenden, um das Thema weiter zu besprechen oder ihre  
Erfahrungen mit dem „spezialisierten Angebot“ zu reflektieren.  
Ein Beratungsprozess wird in der Praxis, der Supervision oder auch in der Fachliteratur  
üblicherweise in Phasen eingeteilt. Das Reflektieren über den Anfang, die Mitte und das Ende (z.B.  
Culley 2015) ermöglicht Beratung als professionell gestaltbaren Verlauf zu betrachten, in dem von  
professioneller Seite auch Ziele formuliert, Handlungen überlegt und Techniken eingesetzt werden.  
Demgegenüber ist ein Beratungsverlauf in der Jugendarbeit eine oft diskontinuierliche, wenig  
formalisierte und kaum standardisierbare Gesprächsfolge.  
Die Anfangsphase kreist in „klassischen“ Beratungssettings vor allem um den Aufbau einer  
Arbeitsbeziehung, die in der Jugendarbeit meist schon vorhanden ist. Häufig hat sich eine Beratung  
in einem offenen Setting angebahnt, sodass Beratungsbedarf und -thema ein stückweit eingegrenzt,  
manchmal auch schon abgeklärt sind. Insofern fokussieren Jugendarbeiter*innen in einem ersten  
geschlossenen Setting mit der Einzelperson oder Kleingruppe meist darauf, Thema und Ziel mit  
Jugendlichen zu explorieren und zu konkretisieren sowie Rollen und Verantwortlichkeiten zu klären.  
Damit Jugendliche nicht einfach in einen Beratungsprozess mit besonderer Beziehungsintensität  
geraten, muss der Einstieg von der Fachkraft transparent gehalten werden. Diese steht in der  
ethischen Pflicht, dem jungen Menschen Rollen, Ziele, Aufgaben und eine Idee zur Vorgangsweise  
verständlich begründen und nachvollziehbar vermitteln zu können.  
In der Mittel- oder Hauptphase von Beratung, in der Ratsuchende unterstützt werden, ihre  
Anliegenneuzuordnenundzubewerten,andereLösungenzuentdeckenundWegezubestreiten(vgl.  
Culley 2015: 19), folgen Berater*innen in der Jugendarbeit durchaus „klassischen“ Zielsetzungen.  
Sie konzentrieren sich dabei auf Kontakt und Kontinuität, im Wissen, dass Prioritäten und  
Verbindlichkeit in der Lebensphase Jugend schwanken. In offenen und niederschwelligen Settings  
bemühen sich die Fachkräfte mit Hinwendung und aktivem Nachgehen, die Beratungsbeziehung  
aufrechtzuerhalten, also eine relative Kontinuität zu ermöglichen.  
In der Endphase der Beratung geht es in der Jugendarbeit meist darum, das Ende einer  
intensiven Beratungsbeziehung zu thematisieren und bestehende Rollen wieder aufzulösen.  
Im Gegensatz zur „klassischen“ Beratung bedeutet die Beendigung der Beratung in der Regel  
keinen Abbruch der Beziehung zwischen ratsuchenden und beratenden Personen. Vielmehr geht  
es häufig darum, bewusst in „alte“ Rollen und eine andere Beziehungsrealität zurückzufinden.  
Unsere Fallstudien deuten darauf hin, dass der „leichte“ Übergang in andere Angebotsformen  
der Jugendarbeit allerdings dazu führen kann, dass der Abschluss der Beratung nicht bewusst  
besprochen wird, sondern „ausläuft“ und damit nicht transparent vollzogen wird. Die Veränderung  
von Rollen und Beziehungen bleibt damit möglicherweise unbesprochen.  
6
Abschließende Herausforderungen und Empfehlungen für eine reflexive  
Beratungspraxis in der Offenen Jugendarbeit  
Die Ergebnisse unseres Forschungsprojekts zeigen, dass – unabhängig von der politischen-  
administrativen Beauftragung, der konzeptuellen Ausrichtung oder den Rahmenbedingungen  
des jeweiligen Angebots – Fachkräfte kontinuierlich mit Beratungsanfragen von Jugendlichen  
konfrontiert sind und sich diesen weder entziehen können noch wollen. In den vier Fallbeispielen  
der OJA haben Jugendliche die Möglichkeit, sich entsprechend ihres persönlichen Bedarfes mit  
Fachkräften in Beziehung zu setzen, sich dabei die beratende Person selbst auszusuchen sowie  
Zeit, Ort, Themen und Dauer des Gesprächs bzw. Prozesses in hohem Maße bestimmen zu können.  
Aufgrund niedriger Schwellen in der Jugendarbeit und der lebensweltnahen Verankerung von  
Gesprächsmöglichkeiten erfahren Jugendliche Beratung in alltäglichen, informellen bzw. wenig-  
formalisierten Kontexten (vgl. Thiersch 2002: 157). Durch die Adressat*innenorientierung, einen  
starken Fokus auf Vertrauensaufbau, ein weniger asymmetrisches Verhältnis von Ratsuchenden  
und Ratgebenden sowie eine partizipative bzw. emanzipative Hilfegestaltung werden optimale  
Bedingungen für Jugendberatung geschaffen (vgl. Hollstein-Brinkmann 2016: 17). Unsere  
Ergebnisse zeigen u.E. auch, dass häufig eine Vertiefung von Beratungsbeziehungen gelingt, weil  
Fachkräfte sich aktiv und kontinuierlich darum bemühen, die „individuelle Souveränität“ (Bettmer/  
Sturzenhecker 2013) des jugendlichen Gegenübers zu wahren.  
Für Jugendarbeiter*innen in sozialdynamischen und freizeitpädagogischen Arbeitskontexten  
bedeutet dies eine große fachliche Herausforderung: Sie müssen Beratungsbedarfe von  
Jugendlichen erkennen und abklären, passende Settings arrangieren und Gespräche führen sowie  
gemeinsam Prozesse gestalten und Übergänge begleiten. Diese besondere Form professioneller  
Beratung von Jugendlichen erfordert von Fachkräften spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten,  
aber auch ermöglichende institutionelle und infrastrukturelle Rahmenbedingungen. Für ein  
multiprofessionelles Arbeitsfeld, in dem einschlägige formale Qualifikationen für Mitarbeiter*innen  
nicht überall Voraussetzung sind und Weiterqualifizierungen von individuellen Motivationen und  
trägerbezogenen Rahmenbedingungen abhängen, gilt es seitens der Trägerorganisationen,  
staatlichen Auftraggeber*innen, Dachverbänden und der Bildungsträger, gemeinsam die  
Kompetenzentwicklung zur Beratung in der Jugendarbeit aktiv zu fördern.  
Auf Basis unserer Fallstudien und eigener Erfahrungen möchten wir abschließend noch auf  
Aspekte hinweisen, die für eine Professionalisierung der Beratung in der Jugendarbeit wichtig sind:  
Der Zugang zur Beratung ist bei aller „Offenheit“ auch in der Jugendarbeit nicht  
grundsätzlich „frei“: aufgrund eingeschränkter Öffnungszeiten, begrenzter  
Anwesenheit des Personals oder Personalressourcen kann dem Beratungsbedarf  
von Jugendlichen nicht ständig entsprochen werden. Um einen Überblick über die  
offenen und behandelten Themen zu behalten und auch nach einiger Zeit in der  
Beratungwiedergemeinsamanschließenzukönnen, isteinefachlicheDokumentation  
ein wichtiger Qualitätsstandard.  
Wegen der lebensweltnahen Situierung der Jugendarbeit und einer generalistischen  
Offenheit von Fachkräften befinden sich diese immer wieder in der Situation, das  
angefragte oder erforderliche Knowhow nicht sofort bereitstellen zu können. Sich  
dieser konstitutiven Überforderung bewusst zu sein, sie im konkreten Moment der  
Interaktion einzugestehen, mit Vereinfachungen weiterzuarbeiten und zugleich  
Verantwortung für die Suche nach benötigter Expertise zu übernehmen, ist eine  
zentrale Kompetenz in der kritisch-reflexiven Beratungsarbeit.  
Für einen fachlich versierten Dialog in der Beratung trägt die Fachkraft der OJA die  
Verantwortung. Beim Aufeinander-Einlassen obliegt es ihr, die Dynamik von Nähe  
und Distanz in der Beziehung einzuschätzen und passend auszubalancieren.  
Dabei bewegt sich die Fachkraft in der Gesprächsführung immer in einem  
Spannungsfeld. Sie muss einerseits umfassende Akzeptanz, Respekt und Annahme  
(auf personaler Ebene) vermitteln und andererseits als Expert*in für den Prozess  
oder auch aufgrund thematischer Expertise (auf funktionaler Ebene) das Gegenüber  
mit anderen Perspektiven und Sichtweisen konfrontieren (vgl. Fuhr 2003: 39).  
In einer Beratungsbeziehung drängen immer auch die eigenen Beziehungsmuster an  
die Oberfläche. Sich dieser Dynamik in den informell-offenen Settings der Jugend-  
arbeit bewusst zu sein und sich von den eigenen Erfahrungen und Identifikationen  
distanzieren zu können, schützt ratsuchende Jugendliche. Auch für das Wahrnehmen  
eigener Überforderungsmomente sind „laufende Reflexion der alltäglichen  
Erfahrungen“ (Schrödter 2021: 1159) notwendig. „Beziehungslernen“ ist daher ein  
zentraler Baustein bei der Professionalisierung von Beratung in der Jugendarbeit:  
Selbsterfahrung, berufliche Fallreflexionen, Einzel- und Teamsupervisionen sowie  
Fort- und Weiterbildungen müssen daher organisatorisch ermöglicht und von  
Fachkräften wahrgenommen werden.  
Verweise  
i Das Projekt fand unter Leitung von boJA, AGJF und Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit der FH Campus Wien statt.  
ii  
Das Design des Forschungsvorhabens wurde von der Ethikkommission der FH Campus Wien geprüft, die Daten wurden von den  
Autor*innen selbst erhoben und ausgewertet. Die Transkripte der Fokusgruppen wurden von Anna Aszódi erstellt.  
iii  
Ergebnisse dieser Forschungsphase wurden in Kooperation mit Kolleg*innen von bOJA und AGJF mit weiteren Befragungen in  
Deutschland und Österreich verknüpft und waren die Basis für eine mehrmonatige Laborphase im Jahr 2022 in weiteren Einrichtungen der  
OJA. Über mehrere Konferenzen sowie Austausch- und Diskussionsformate wurden unsere erhobenen Daten mehrfach kommunikativ  
validiert und mündeten u.a. in einen Praxisleitfaden „Beratung in der Offenen Jugendarbeit“ (vgl. Walzl-Seidl et al. 2023), in einen Artikel  
zu Beratungssettings in der Offenen Jugendarbeit (vgl. Diebäcker/Hofer 2024) sowie zur Beziehung und Beratung in der Jugendarbeit  
(vgl. Diebäcker 2024).  
iv  
Während alle Jugendlichen aufgrund ihrer gemeinsamen Lebensphase ähnliche Erfahrungen machen, sind manche Jugendliche  
aufgrund ihrer gesellschaftlichen Verortung und spezifischer Verhältnisse mehr als andere von (v.a. rassistischen und sexistischen)  
Diskriminierungen betroffen.  
Literaturverzeichnis  
Bettmer, Franz/Sturzenhecker, Benedikt (2013): Einzelarbeit und Beratung. In: Deinet, Ullrich/  
Sturzenhecker, Benedikt (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. Wiesbaden: Springer  
VS, S. 421–425.  
boJA/AGJF/FH Campus Wien – Bundesweites Netzwerk Offene Jugendarbeit/Arbeitsgemeinschaft  
Jugendfreizeitstätten Baden-Württemberg/FH Campus Wien (2022): Ergebnisbericht der  
Onlineumfrage zu Beratungspraxen in der Offenen Jugendarbeit. Unveröffentlicht.  
Culley, Sue (2015): Beratung als Prozess. Lehrbuch kommunikativer Fertigkeiten. Weinheim/Basel:  
Beltz.  
Diebäcker, Marc (2024): Beratung und Beziehung in der Offenen Jugendarbeit. In: Sozialarbeit in  
Österreich, 60. Jg., Nr. 224, in Erscheinen.  
Diebäcker, Marc/Hofer, Manuela (2024): Beratungssettings in der Offenen Jugendarbeit. In: Soziale  
Arbeit, 73. Jg., Nr. 1/2024, in Erscheinen.  
Fuhr, Reinhard (2003): Struktur und Dynamik der Berater-Klient-Beziehung. In: Krause, Christina/  
Fittkau, Bernd/Fuhr, Reinhard/Thiel, Hans-Ulrich (Hg.): Pädagogische Beratung. Grundlagen und  
Praxisanwendung. Paderborn/München/Wien/Zürich: Verlag Ferdinand Schöningh, S. 51–50.  
Großmaß, Ruth (2002): Gestaltung von Beratungsräumen als professionelle Kompetenz. In:  
Nestmann, Frank/Engel, Frank (Hg.): Zukunft der Beratung. Tübingen: dgvt-Verlag, S. 187–199.  
Großmaß, Ruth (2014): Beratungsräume und Beratungssettings. In: Nestmann, Frank/Engel, Frank/  
Sickendiek, Ursel (Hg.): Das Handbuch der Beratung. Band 1: Disziplinen und Zugänge. Tübingen:  
dgvt-Verlag, S. 489–496.  
Hollstein-Brinkmann, Heino (2016): Herstellung und Definition der Tür und Angel-Situation – oder:  
Wann ist ein Gespräch Beratung? In: Hollstein-Brinkmann, Heino/Knab, Maria (Hg.): Beratung  
zwischen Tür und Angel. Professionalisierung von Beratung in offenen Settings. Wiesbaden:  
Springer VS, S. 17–48.  
Hollstein-Brinkmann, Heino/Knab, Maria (Hg.) (2016): Beratung zwischen Tür und Angel.  
Professionalisierung von Beratung in offenen Settings. Wiesbaden: Springer VS.  
Knab, Maria (2016): Beratung in offenen Settings in ihrem Gerechtigkeitspotential profilieren – Ein  
Beitrag zur Weiterentwicklung der fachlichen Kultur Sozialer Arbeit. In: Hollstein-Brinkmann, Heino/  
Knab, Maria (Hg.): Beratung zwischen Tür und Angel. Professionalisierung von Beratung in offenen  
Settings. Wiesbaden: Springer VS, S. 44–88.  
Nestmann, Frank (2007): Beratungsmethoden und Beratungsbeziehung. In: Nestmann, Frank/  
Engel, Frank/Sickendieck, Ursel (Hg.): Das Handbuch der Beratung. Band 2: Ansätze, Methoden  
und Felder. 2. Aufl. Tübingen: dgvt-Verlag, S. 783–796.  
Nestmann, Frank (2014): Beratung zwischen alltäglicher Hilfe und Profession. In: Nestmann, Frank/  
Engel, Frank/Sickendieck, Ursel (Hg.): Das Handbuch der Beratung. Band 1: Disziplinen und  
Zugänge. Tübingen: dgvt-Verlag, S. 547–558.  
Neumann, Olaf (2016): Niederschwellige Beratung von Jugendlichen in der Offenen Jugendarbeit  
– Inszenierungen der Jugendlichen. In: Hollstein-Brinkmann, Heino/Knab, Maria (Hg.): Beratung  
zwischen Tür und Angel. Professionalisierung von Beratung in offenen Settings. Wiesbaden:  
Springer VS, S. 113–136.  
Schrödter, Achim (2021): Beziehungsarbeit. In: Deinet, Ulrich/Sturzenhecker, Benedikt (Hg.):  
Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. Wiesbaden: Springer VS, S. 1155–1160.  
Seckinger, Mike/Pluto, Liane/Peucker, Christian/van Santen, Eric (2016): Ergebnisse der Erhebung  
bei Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Kurzzusammenfassung. München:  
Deutsches Jugendinstitut.  
Thiersch, Hans (2002): Beratung, von unten gesehen – Einige Fragen und Mutmaßungen. In:  
Nestmann, Frank/Engel, Frank (Hg.): Die Zukunft der Beratung. Tübingen: dgvt-Verlag, S. 155–163.  
Thiersch, Hans (2007): Sozialarbeit/Sozialpädagogik und Beratung. In: Nestmann, Frank/Engel,  
Frank/Sickendieck, Ursel (Hg.): Das Handbuch der Beratung. Band 1: Disziplinen und Zugänge.  
Tübingen: dgvt-Verlag, S. 115–124.  
Walzl-Seidl, Nicole/Diebäcker, Marc/Hofer, Manuela/Hofmann, Torsten/Holzinger, Stefan/Kern-  
Stoiber, Daniela (2023): Beratung in der Offenen Jugendarbeit. Ein Praxisleitfaden. Wien: bOJA.  
Wild, Gabriele (2020): Beratung und Begleitung. Professionelles Arbeiten in ungewissen Settings.  
In: Diebäcker, Marc/Wild, Gabriele (Hg.): Streetwork und Aufsuchende Soziale Arbeit im öffentlichen  
Raum. Wiesbaden: Springer VS, S. 85–100.  
Über die Autor_innen  
Marc Diebäcker  
Lehrt und forscht am Department Social Work der FH Campus Wien. Seine Schwerpunkte sind  
niederschwelligeundaufsuchendeSozialeArbeit,WohnungslosigkeitundWohnen,Sozialraumarbeit  
und Gesellschaftskritik.  
Manuela Hofer  
War elf Jahre in der Offenen Jugendarbeit in Vukovar, Bregenz und Wien tätig und hat darüber  
hinaus Menschen in den Bereichen Gewalt sowie Asyl und Migration beraten. Seit 2015  
lehrt sie hauptberuflich an der FH Campus Wien. Ihre Schwerpunkte sind Jugendarbeit und  
diskriminierungskritische Soziale Arbeit.