soziales_kapital  
Fabian Matthias Kos. Führungsethik in sozial-wirtschaflichen Organisationen. Angewandte  
Grundlagen zum Erkennen und Behandeln moralischer Probleme auf mittlerer Managementebene.  
soziales_kapital, Bd. 27 (2023). Rubrik: Junge Wissenschaf. Wien. Printversion: http://www.soziales-  
27. Ausgabe 2023  
Akademisierung Sozialer Arbeit  
Führungsethik in sozialwirtschaftlichen Organisationen  
Angewandte Grundlagen zum Erkennen und Behandeln  
moralischer Probleme auf mittlerer Managementebene  
Fabian Matthias Kos  
Zusammenfassung  
Sozialwirtschaftliche Organisationen sind mit einer Fülle von normativen Ansprüchen konfrontiert:  
Sie sollen sich am Gemeinwohl orientieren und den Bedürfnissen ihrer Klient*innen zuwenden,  
gleichzeitig kosteneffizient handeln und die konkreten Wirkungen ihrer Dienste nachweisen.  
Die Frage, wie Führungskräfte diese unterschiedlichen Erwartungshaltungen erleben und  
verantwortungsvoll damit umgehen können, wurde in der wissenschaftlichen Literatur bisher nur  
schlaglichtartigbeleuchtet. AnhandeinesKlassifikationsschemaszurBeschreibungvonmoralischen  
Problemsituationen und ausgehend von konkreten Erfahrungen aus der beruflichen Praxis zeigt  
der Beitrag, wie Führungskräfte in der Sozialwirtschaft bei ethischen Entscheidungsprozessen  
strukturell unterstützt werden können.  
Schlagworte: Wirtschaftsethik, qualitative Sozialforschung, soziale Dienstleistungen, Soziale  
Arbeit, mittleres Management, Führungskräfteentwicklung  
Abstract  
Social economy organisations are confronted with a set of normative demands. They aim to promote  
the common good and meet the needs of their clients. At the same time, they are expected to be  
cost-efficient, as well as to prove the concrete impact of their service. The question of how managers  
in social economy perceive these different expectations and how they can handle them responsibly  
has, however, been little discussed in research. Hence, using a classification scheme to describe  
moral problems and based on concrete experiences from professional practice, the article shows  
how managers in the social economy can be structurally supported in ethical decision-making.  
Keywords: business ethics, qualitative social research, social services, social work, middle  
management, leadership development  
1
Wozu Führungsethik?  
Die Sozialwirtschaft hat soziale Dienstleistungen zum Gegenstand. Dabei handelt es sich um eine  
Reihe vielfältiger Beratungs-, Betreuungs- und Unterstützungstätigkeiten, die soziale Bedarfslagen  
in den Blick nehmen und an den lebensweltlichen Bedürfnissen von Individuen ausgerichtet  
sind (vgl. Merchel 2022: 803). Im Unterschied zu Geld- und Sachzuwendungen werden soziale  
Dienstleistungen direkt an und mit Menschen erbracht. Kinder- und Jugendwohlfahrt, Gesundheit  
und Pflege, Flucht und Asyl, Arbeitsmarktintegration sowie Hilfen für Menschen mit Behinderung  
oder in besonderen Notlagen – etwa Wohnungslosigkeit, Haft, Sucht oder Überschuldung – zählen  
zu den zentralen Handlungsfeldern (vgl. Cremer/Goldschmidt/Höfer 2013: 8–9).  
Eng mit ihrem fachlichen Auftrag verbunden, wird der Sozialwirtschaft eine besondere  
moralische Verantwortung zugeschrieben: „[W]o Leistungen zugunsten besonders verletzlicher  
Menschen erbracht werden, stehen die Organisationen als Unternehmen der Moral für die  
Verwirklichung gesellschaftlicher Solidarität“ (Herzka 2017: 110). Dieser normative Anspruch ist  
sowohl von der International Association of Schools of Social Work (IASSW 2018) als auch von  
zahlreichen nationalen Verbänden wie dem Österreichischen Berufsverband der Sozialen Arbeit  
(OBDS 2020) umfassend aufgearbeitet worden. Die daraus resultierenden professionsethischen  
Standards beziehen sich in erster Linie auf die Kerntätigkeiten Sozialer Arbeit. Eine genuin ethische  
Perspektive auf sozialwirtschaftliche (Führungs-)Tätigkeiten, die nicht im direkten Kontakt mit den  
Klient*innen erbracht werden, hat sich bis dato hingegen kaum etabliert.  
Der Beitrag verfolgt vor diesem Hintergrund ein dreifaches Ziel: Er leistet erstens eine  
Einführung in die Besonderheiten der Sozialwirtschaft sowie in das Feld der angewandten Ethik und  
legt deren wechselseitige Bezüge offen. Zweitens wird darauf aufbauend ein Klassifikationsschema  
erarbeitet, anhand dessen moralische Probleme in der Führung sozialwirtschaftlicher Organisationen  
identifiziert werden können. Drittens verdeutlichen Fallbeispiele aus der Praxis, welche Rolle der  
ethischen Reflexion im Rahmen eines Entscheidungsprozesses zukommt. Aufbauend auf diesen  
Erkenntnissen hält der Artikel schließlich fest, welche organisationalen Strukturen es braucht, um  
die individuellen Akteur*innen im Umgang mit moralischen Problemen zu unterstützen.  
2
Sozialwirtschaft im Spannungsfeld unterschiedlicher Ansprüche  
Soziale Dienstleistungen sind praktischer Ausdruck von staatlicher Daseinsvorsorge und liegen  
insofern im Interesse des (politisch definierten) Gemeinwohls – unabhängig davon, ob sie sich  
in öffentlich-rechtlicher, privat-gemeinnütziger oder gewinnorientierter Trägerschaft befinden  
(vgl. Merchel 2022: 801–802). Durch ihren Bezug zu sozialpolitischen Beschlüssen folgen sie  
außerdem einer eigenen Finanzierungs- und Steuerungslogik: Anders als Dienstleistungen auf dem  
freien Markt werden soziale Dienstleistungen meist nicht nur von jener Person finanziert, die sie  
in Anspruch nimmt, „sondern auch durch öffentliche Gelder (Förderungen, Leistungshonorare),  
durch private Zuwendungen (Spenden, Donationen) und durch ehrenamtlich geleistete Arbeitszeit“  
(Dimmel/Schmid 2013: 62). Daraus resultiert das traditionelle Leistungsdreieck der Sozialwirtschaft  
zwischen Klient*innen, Kostenträger*innen und sozialen Dienstleister*innen. Der Staat kann hierbei  
unterschiedliche Rollen einnehmen: als Produzent übernimmt er den gesamten Prozess bis zur  
BereitstellungeinersozialenDienstleistung;alsNachfragerbeauftragterausgewählteOrganisationen  
mit der Erbringung sozialer Dienstleistungen und finanziert diese; als Regulator setzt er bestimmte  
Standards dafür, wer soziale Dienstleistungen an wen erbringen darf und wie diese beschaffen sein  
sollen (vgl. Schneider/Pennerstorfer 2014: 168).  
Mit dem Ziel, „mehr Wettbewerb, niedrigere Preise, mehr KundInnenbewusstsein und  
höhere Qualität“ (Gruber 2014: 8) zu etablieren, wird die Produktion sozialer Dienstleistungen  
in Europa beginnend in den 1980er Jahren vermehrt an private Organisationen delegiert bzw.  
abgegeben. Neben klassischen Non-Profit-Organisationen treten dabei immer häufiger auch  
gewinnorientierte Unternehmen und soziale Start-ups in Konkurrenz zueinander (vgl. Stepanek  
2018: 372). Diese zunehmende (und durchaus umstrittene) Vermarktlichung führt dazu, dass soziale  
Dienstleistungen verstärkt unter ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden (vgl. Lambers  
2016: 70–74). Das zeigt sich sinnbildlich am sogenannten SROI-Ansatz:i Soziale Dienstleistungen,  
so dessen Grundgedanke, tragen nicht nur dazu bei, die Lebenssituation von hilfsbedürftigen  
Menschen zu verbessern, sondern verhindern auch gesellschaftliche Folgekosten und sorgen  
insofern für eine beachtliche Umwegrentabilität (vgl. Dimmel/Schmid 2013: 14). Die Anbieter*innen  
sozialer Dienstleistungen sehen sich vor diesem Hintergrund einem wachsenden ökonomischen  
Rechtfertigungsdruck ausgesetzt – er bildet die erste von insgesamt vier verschiedenen  
Anspruchslogiken. Darüber hinaus wird von sozialwirtschaftlichen Organisationen erwartet, dass  
sie auf politisch festgelegte Bedarfslagen reagieren und sich am Gemeinwohl orientieren, sich  
der Lebenswelt und den individuellen Bedürfnissen ihrer Klient*innen zuwenden sowie ihr eigenes  
Professionsverständnis erfüllen (vgl. Merchel 2022: 804). Hinter diesen Erwartungen stehen jeweils  
verschiedene Anspruchsgruppen, die sich in der Praxis teilweise überlappen, aber auch „in  
Spannungen zueinanderstehen können und zum Teil widersprüchliche Appelle an die Organisation  
transportieren“ (ebd.). Die Frage, welche konkreten Handlungskonflikte sich daraus ergeben und  
wie sozialwirtschaftliche Organisationen bzw. deren Mitarbeiter*innen und Führungskräfte damit  
umgehen sollen, führt in das Feld der Ethik.  
3
Ethik als wissenschaftliche Disziplin und praktisches Analysewerkzeug  
Sämtliche Normen – „also Prinzipien, Regeln und Tugenden, die das Verhalten von Menschen und  
deren Einstellungen zu anderen und zur Umwelt leiten“ (Pauer-Studer 2020: 14) – werden in der  
wissenschaftlichen Literatur unter dem Begriff Moral zusammengefasst. Die Aufgabe der normativen  
Ethik als Teildisziplin der praktischen Philosophie besteht darin, solche Normen kritisch auf ihre  
moralische Plausibilität hin zu untersuchen.ii Dabei existieren verschiedene Theorien und Modelle.  
3.1 Drei Dimensionen der ethischen Betrachtung sozialer  
Dienstleistungsproduktion  
Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich zwei konzeptionelle Hauptströmungen innerhalb  
der normativen Ethik herausgebildet: Während begründungsorientierte Ansätze darauf abzielen,  
allgemeingültige Handlungsprinzipien zu definieren, gehen anwendungsorientierte Ansätze von  
konkreten Problemsituationen im Alltag aus (vgl. Fenner 2022: 19–20). Ihr Anliegen ist es, den  
betreffenden Entscheidungsträger*innen eine ethische Orientierungsgrundlage zur Verfügung  
zu stellen und Handlungsoptionen aufzuzeigen, die möglichst angemessen, umsetzbar und  
wirkungsvoll sind. Um diesen Anspruch erfüllen zu können, fokussieren angewandte Ethiker*innen  
in der Regel abgegrenzte Handlungsbereiche und greifen in ihrer Arbeit auf Erkenntnisse aus  
relevanten Bezugsdisziplinen zurück (vgl. Ostheimer/Zichy/Grimm 2012: 15). Die Wirtschaftsethik  
– zu der auch die Überlegungen in diesem Beitrag gezählt werden können – beschäftigt sich  
etwa mit der Frage, inwiefern und unter welchen Umständen ökonomische Handlungsweisen mit  
bestimmten Vorstellungen vom guten Leben vereinbar sind. In diesem Zusammenhang nimmt  
sie drei verschiedene Analyseebenen in den Blick: die Makro-, Meso- und Mikroebene. Alle drei  
stehen mit unterschiedlichen Akteurstypen sowie spezifischen Formen von Handlungsmacht und  
Verantwortlichkeit in Verbindung (vgl. Fenner 2022: 415–416).  
Auf der Makroebene werden die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beleuchtet, inner-  
halb derer sich wirtschaftliches Handeln vollzieht. Unter dem Eindruck multipler gesellschaftlicher  
KrisenfindetdiesePerspektiveauchinaktuellenDiskursenderSozialwirtschaftzunehmendBeachtung.  
Konzepte wie die Gemeinwohlökonomie, die Sharing Economy oder die Postwachstumsökonomie  
bilden hierfür konkrete Anknüpfungspunkte (vgl. Stepanek 2018: 367–372). Ebenfalls ein zentrales  
Thema auf der Makroebene ist die Reichweite des Sozialstaates: „Inwieweit und in welchem  
Umfang z. B. Menschen mit einer Drogenerkrankung durch Therapieangebote unterstützt und  
gefördert werden sollen, ist […] auch davon abhängig, wie innerhalb einer Gesellschaft eine solche  
soziale Problemlage beurteilt wird“ (Cremer/Goldschmidt/Höfer 2013: 3). Dies macht deutlich, dass  
ökonomische Ordnungen nicht nur grundsätzlich veränderbar, sondern auch durch eine Vielzahl an  
verschiedenen Einflüssen geprägt sind.  
Auf der Mesoebene wird die kollektive Verantwortung von Unternehmen und Organisationen  
bzw. deren Gremien thematisiert. Die Aufgabe der Organisations- und Unternehmensethik liegt  
darin, die bestehenden Normen innerhalb einer Organisation zu reflektieren sowie in weiterer Folge  
die eigenen Strukturen und Verhaltensstandards darauf abzustimmen (vgl. Fenner 2022: 448).  
Sobald es darum geht, organisationale Wertvorstellungen konkret in die Tat umzusetzen, tragen  
aber nicht nur Organisationen als Ganzes Verantwortung, sondern je nach Funktion auch deren  
Angehörige. Dies kommt insbesondere bei der Gestaltung organisationsinterner Prozesse und  
zwischenmenschlicher Beziehungen zum Ausdruck, wo sich Mitarbeiter*innen und Führungskräfte  
in der Regel nicht nur kollektiv, sondern auch und gerade individuell für ihr Handeln rechtfertigen  
müssen (vgl. ebd.: 449).  
Auf der Mikroebene wird die individuelle moralische Verantwortung einzelner  
Wirtschaftsakteur*innen untersucht. Dabei lassen sich drei Schwerpunkte unterscheiden: 1.)  
Die Mitarbeiter*innenethik stellt ab auf die moralische Verantwortung von Beschäftigten ohne  
Führungsfunktion. Sie tragen eine doppelte Verantwortung: intern gegenüber Kolleg*innen und  
Vorgesetzten; nach außen gegenüber Klient*innen und Finanziers, Kooperationspartner*innen und  
der Öffentlichkeit. Themen wie die Einstellung zur eigenen Arbeit, Kollegialität oder Aufrichtigkeit  
erhalten in diesem Zusammenhang besondere Zuwendung (vgl. Fenner 2022: 460–461). 2.) Die  
Führungsethik setzt sich mit der moralischen Verantwortung von Personen auseinander, die  
eine Leitungsfunktion innerhalb einer Organisation ausüben. Sie sind einerseits gegenüber ihren  
Mitarbeitenden verpflichtet – etwa was den zwischenmenschlichen Umgang im Team, Fragen der  
Gesundheitsförderung oder der gerechten Entlohnung betrifft (Personalführung). Andererseits tragen  
sie Verantwortung für die Gestaltung und Entwicklung der Organisation als Ganzes und müssen vor  
diesem Hintergrund auch strategische Aspekte und externe Interessengruppen berücksichtigen  
(Unternehmensführung) (vgl. ebd.: 462–463). 3.) Die Konsument*innenethik richtet ihren Blick  
schließlichwegvonderAngebots-aufdieNachfrageseite.GeradeinmarktwirtschaftlichenSystemen  
wird den Konsument*innen aufgrund ihrer (mehr oder weniger) freien Kaufentscheidung individuelle  
moralische Verantwortung für die Performance des Marktes zugeschrieben (vgl. ebd.: 464–465). In  
der Sozialwirtschaft spielt diese Betrachtungsweise jedoch eine vergleichsweise untergeordnete  
Rolle. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass soziale Dienstleistungen in der Regel durch  
Dritte (mit)finanziert werden. Darüber hinaus lässt sich das Prinzip der Konsument*innensouveränität  
gerade im Kontext von Hilfe- und Unterstützungsbedürftigkeit kritisch in Frage stellen (vgl. Merchel  
2022: 803).  
Professionsethische Kodizes wie jener der IASSW (2018) oder des OBDS (2020) fokussieren  
vor allem darauf, allgemeine Leitlinien für die berufliche Praxis in Form von Standards und Prinzipien  
zu formulieren: Sie sollen zeigen, was für Sozialarbeiter*innen moralisch geboten ist. Um ethische  
Verantwortlichkeiten genau lokalisieren und im Zweifel auch situativ abwägen zu können, bildet die  
analytische Unterscheidung zwischen Makro-, Meso- und Mikroebene jedoch eine grundlegende  
Ergänzung. Schließlich rücken dadurch verstärkt auch jene sozialwirtschaftlichen (Führungs-)  
Tätigkeiten ins Zentrum ethischer Aufmerksamkeit, die nicht im unmittelbaren Kontakt mit den  
Klient*innen erbracht werden und in der Debatte um den Status Sozialer Arbeit als Profession bis  
dato kaum eine Rolle spielen. Der nächste Abschnitt stellt daran anknüpfend einen Ansatz vor,  
mithilfe dessen moralische Problemsituationen in ihrer Genese erkannt und rekonstruiert werden  
können.  
3.2 Was ist ein moralisches Problem?  
Grundsätzlich lassen sich zwei Formen moralischer Probleme unterscheiden:iii objektive und  
subjektive. Objektive moralische Probleme „resultieren daraus, dass gegen eine wohlbegründete  
moralische Forderung verstoßen wird“ (Kallhoff 2012: 36). Ein prominentes Beispiel für eine  
solche Forderung, die gesellschaftlich breit akzeptiert ist, bilden Grundrechte, wie sie etwa in der  
entsprechenden Charta der Europäischen Union kodifiziert sind. Diese enthält unter anderem das  
Recht aller Menschen auf körperliche und geistige Unversehrtheit, freie Meinungsäußerung und  
Diskriminierungsfreiheit. Die Verletzung solcher Rechte und Werte, „die mit Gründen gerechtfertigt  
[werden], denen jeder zustimmen können sollte“ (ebd.: 37), gilt es aus ethischer Perspektive strikt  
zu vermeiden.iv Subjektive moralische Probleme hängen im Unterschied dazu von der Einschätzung  
jener Person ab, die sich in ihrem Denken und Handeln an moralischen Regeln orientiert und  
bestimmte Vorstellungen vom Guten umzusetzen versucht. Sie treten also dort auf, wo sich aus  
einer konkreten Handlungssituation heraus moralische „Unsicherheiten, Konflikte, vielleicht sogar  
prinzipiell unlösbare Dilemmata“ (ebd.: 36) für das betreffende Individuum ergeben. In diesem  
Sinne werden subjektive moralische Probleme gleichermaßen als konstitutiver Bestandteil und  
Irritationsmoment auf der Suche nach dem richtigen Handeln verstanden (vgl. ebd.: 52).  
Angela Kallhoff identifiziert für subjektive moralische Probleme drei verschiedene  
Ausgangspunkte: Erstens kann ein subjektives moralisches Problem in Zusammenhang mit  
konfligierenden Interessen entstehen. Dabei ist nicht jeder beliebige Interessenskonflikt von  
moralischer Relevanz. Genau dann aber, wenn eine Person oder Partei benachteiligt wird, wenn  
Nebenfolgen besonders schädlich sind oder wenn Menschen in einer Weise in Mitleidenschaft  
gezogen werden, die berechtigten Ansprüchen zuwider läuft“ (ebd.: 40), ist eine Form des  
Konfliktmanagements angezeigt, die auch ethische Bewertungsmaßstäbe anlegt. Dessen  
Kernaufgabe besteht dann darin, überlegt abzuwägen, „welchen Interessen welcher Stellenwert  
zuerkannt werden muss“ (ebd.: 38) – auch und gerade in Situationen, in denen dies nicht immer  
eindeutig ist.  
Ein subjektives moralisches Problem kann nach Kallhoff, zweitens, vorliegen, wenn es einer  
Person nicht gelingt, ein schlüssiges normatives Selbstbild zu formen. Dieses Phänomen geht von  
der Beobachtung aus, dass Menschen nicht nur interessenorientiert handeln, sondern „mit ihren  
Handlungen auch ausdrücken, an welche Werte sie sich binden möchten, was sie für richtig halten  
– und schließlich auch, wer sie sind“ (ebd.: 43). Das Anliegen, die eigenen Entscheidungen mit  
ausgewählten Prinzipien eines guten Lebens in Einklang zu bringen, kann in der Praxis jedoch aus  
unterschiedlichen Gründen scheitern. Einerseits reicht es nicht aus, moralische Wertvorstellungen  
nur abstrakt anzuerkennen – sie müssen auch auf konkrete Handlungssituationen angewandt  
werden können und schließlich umgesetzt werden. Andererseits stehen moralische Prinzipien  
mitunter in direkter Konkurrenz zueinander, was unweigerlich zu Abwägungsprozessen führt (ebd.:  
47–48). Aus diesen Momenten des Zweifels darüber, was gesollt und richtig ist, resultieren offene  
Interpretationsspielräume für die Entscheidungsträger*innen, die entsprechend ausgefüllt werden  
müssen.  
Drittens tauchen subjektive moralische Probleme dort auf, wo das angestrebte Gute – trotz  
und gerade wegen aller redlichen Bemühungen – nicht erreicht wird (vgl. ebd.: 48–49). Dieser Form  
des Problems liegt die Einsicht zugrunde, dass sich ein gutes Leben „immer nur fragmentarisch  
oder in gewissen Hinsichten“ (ebd.: 40) verwirklichen lässt. Das Streben nach dem richtigen  
Handeln erweist sich dann für das betreffende Individuum entweder als (zu) anstrengend und  
desillusionierend oder – im Falle einer moralisch weitgehend gelingenden Lebensführung – als  
besonders entbehrungsvoll in Hinblick auf andere Lebensaspekte (vgl. ebd.: 51).  
Die Unterteilung in objektive und subjektive moralische Probleme knüpft an die beiden  
Kernaufgaben der Ethik an. Deren Ziel liegt in einem ersten Schritt darin, moralisch relevante  
Problemsituationen aus subjektiver Perspektive, das heißt mit Rücksicht auf die involvierten  
Akteur*innen, Kontextbedingungen und Verantwortungsbeziehungen darzustellen (vgl. Kallhoff  
2012: 37). Darauf aufbauend strebt die Ethik in einem zweiten Schritt schließlich danach,  
moralische Forderungen – und daraus resultierende Verhaltensweisen – so zu begründen, dass sie  
„in dem Sinne objektiv gültig sind, als alle Beteiligten den rechtfertigenden Gründen zustimmen“  
(ebd.: 37) können. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Lösung eines moralischen Problems  
notwendigerweise diesen Standards entspricht, sondern sich mitunter nur bestmöglich daran  
annähert (vgl. ebd.: 52). Die Voraussetzung für einen solchen ethischen Entscheidungsprozess  
bleibt aber immer, dass das handelnde Individuum die konkrete Situation als moralisches Problem  
(an)erkennt. Genau hier setzt der empirische Teil des vorliegenden Artikels an. Er zeigt anhand von  
Fallbeispielen aus der Sozialwirtschaft, wie sich Herausforderungen im Streben nach dem Guten für  
Entscheidungsträger*innen darstellen und wie sie sich systematisch bearbeiten lassen.  
4
Moralische Probleme erkennen und beschreiben  
Wie bereits gezeigt, steht die Erbringung sozialer Dienstleistungen unter besonderen Vorzeichen.  
Einerseits unterscheiden sich die Produktionsbedingungen deutlich von jenen in anderen  
Wirtschaftsbereichen, andererseits müssen die ausführenden Akteur*innen außerordentlich  
hohen moralischen Ansprüchen genügen. Diese Ansprüche lassen sich aus drei verschiedenen  
analytischen Perspektiven betrachten. So kann sich die Frage danach, was gut und gesollt ist, auf  
gesamtgesellschaftliche Strukturen (Makroebene), Unternehmen bzw. Organisationen (Mesoebene)  
und einzelne Individuen (Mikroebene) beziehen. Auf der Mikroebene wird die Frage nach dem  
richtigen Tun für die betreffenden Entscheidungsträger*innen in der Regel besonders greifbar – sei  
es in Form von komplexen Interessenskonflikten, aufgrund der gescheiterten Selbstbindung an  
moralische Wertvorstellungen oder im Rahmen des Erkennens individueller Machbarkeitsgrenzen.  
Gleichzeitig bilden diese Momente der Konfrontation mit moralischen Problemsituationen die  
zentralen Knackpunkte, an die ein reflektierter Prozess zur Entscheidungsfindung im Sinne einer  
kontextsensitivenEthikandockenmuss:Ethicistsshouldnotlimitthemselvestoformulatingabstract  
and general principles. They have to specify and operationalize principles for particular contexts“  
(Musschenga 2005: 473). Um angemessen auf moralische Problemsituationen eingehen zu können,  
ist es demnach unerlässlich, dass sich normative ethische Theorien auf Lebenswirklichkeiten und  
somit auch auf die Ergebnisse empirischer Forschung beziehen.  
Es existiert eine wachsende Zahl an Studien, die moralische Führungsprobleme anhand  
empirischer Fallbeispiele verdeutlichen. Auch mit spezifischem Blick auf die Sozialwirtschaft gibt  
es erste Systematisierungsversuche und Bestandsaufnahmen, die den „Grauzonen zwischen  
rechtswidrigem und unbedenklichem Leitungshandeln“ (Langer 2018: 112–113) gewidmet sind.v  
InsgesamthatsichbisherjedochwedereineinheitlichesBegriffsverständnisnocheinstandardisiertes  
Identifizierungsverfahren für moralische Probleme in der Führung sozialwirtschaftlicher  
Organisationen etabliert.  
Um Führungskräften das Erkennen und Beschreiben moralischer Problemsituationen zu  
vereinfachen, plädiert der vorliegende Artikel für ein empirisch-systematisches Vorgehen. Zu diesem  
Zweck wird anhand von Fallbeispielen verdeutlicht, inwiefern sich die verschiedenen Formen  
subjektiver moralischer Probleme auf die sozialwirtschaftliche Praxis anwenden lassen. Die zentrale  
Forschungsfrage lautet: Welche moralischen Probleme erleben Führungskräfte sozialwirtschaftlicher  
Organisationen im deutschsprachigen Raum? Abbildung 1 zeigt, wo die Problemerkennung  
und -beschreibung im ethischen Entscheidungsfindungsprozess angesiedelt ist. Um die damit  
verbundenen individuellen Verantwortlichkeiten deutlich machen zu können, werden die jeweiligen  
Handlungssituationen schlaglichtartig auch im Kontext ihrer Entstehungsbedingungen beleuchtet  
und so für eine tiefergehende moralphilosophische Analyse vorbereitet.  
Abbildung 1: Stellung der Problemidentifikation im ethischen Entscheidungsfindungsprozess  
innerhalb sozialwirtschaftlicher Organisationen (eigene Darstellung).vi  
Der empirischen Studie dieser Arbeit liegt ein qualitativer Forschungsansatz zugrunde. Dessen  
Vorgehen „hat den Anspruch, Lebenswelten „von innen heraus“ aus der Sicht der handelnden  
Menschen zu beschreiben“ (Flick/von Kardoff/Steinke 2012: 14), und eignet sich in besonderer  
Weise dafür, Wissen über soziale Wirklichkeiten hervorzubringen, die bisher wenig erforscht sind  
(vgl. ebd.: 22–25). Um moralische Probleme in der Führung sozialwirtschaftlicher Organisationen  
offenlegen zu können, wurde vor diesem Hintergrund das leitfadengestützte, problemzentrierte  
Interview nach Andreas Witzel (2000) als Datenerhebungsmethode eingesetzt. Die Auswahl der  
Interviewpartner*innen erfolgte nach dem zielgerichteten Intensity Sampling (vgl. Patton 2002: 234):  
Da Beschäftigte im mittleren Management den Arbeitsalltag in sozialwirtschaftlichen Organisationen  
aufgrund ihrer Sandwichposition sowohl aus Mitarbeiter*innen- als auch aus Führungssicht kennen  
(vgl. Noll 2012: 184–185), stehen sie im Fokus der Studie. Insgesamt wurden vier Personen interviewt,  
drei davon weiblich und eine männlich. Die Arbeitsbereiche, in denen sie tätig sind, umfassen  
psychosoziale Versorgung, Behinderung und Inklusion, Wohnungslosenhilfe sowie Jugendarbeit.  
Zum Zeitpunkt der Befragung hatten die Interviewpartner*innen zwischen zweieinhalb und acht  
Jahren Führungserfahrung und trugen für zwei bis 28 Mitarbeiter*innen Führungsverantwortung. Die  
Dauer der Interviews betrug zwischen 59 und 97 Minuten. Sie wurden als Audiodatei aufgezeichnet  
und wörtlich transkribiert. Für die Auswertung des erhobenen Materials wurde nach dem  
Ablaufschema der inhaltlich-strukturierenden Variante der qualitativen Inhaltsanalyse vorgegangen  
(vgl. Kuckartz/Rädiker 2022: 132).  
5
Fallbeispiele zu moralischen Führungsproblemen in der Sozialwirtschaft  
Auf der Grundlage des erhobenen Interviewmaterials lässt sich feststellen, dass subjektive  
moralische Probleme im beruflichen Alltag der befragten Führungskräfte omnipräsent sind. Im  
Folgenden werden beispielhafte Entscheidungssituationen anhand der dreigliedrigen Typisierung  
aus Abschnitt 3.2 vorgestellt.  
5.1 Interessenskonflikte zwischen haupt- und ehrenamtlichen  
Mitarbeiter*innen  
Die Mischung aus haupt- und ehrenamtlich Tätigen bildet ein zentrales Strukturmerkmal der  
Sozialwirtschaft im deutschsprachigen Raum und ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt  
in vielfacher Hinsicht von Bedeutung. Gleichzeitig birgt das unentgeltliche Engagement aber  
auch problematische Aspekte, etwa wenn es zum „Lückenbüßer für unzureichende staatliche  
Absicherung wird oder zunehmend in versteckter Form zur Zuarbeit für (soziale) UnternehmerInnen  
wird“ (Simsa/Rameder 2019: 175). Bedenklich ist auch, dass bestehende soziale Ungleichheiten  
in der Freiwilligenarbeit fortgeschrieben und perpetuiert werden. So sind etwa Frauen und  
Arbeitssuchende sowie Menschen mit formal niedrigem Bildungsabschluss in leitenden  
Ehrenamtspositionen deutlich unterrepräsentiert (vgl. ebd.: 160–161). Zudem ist das Verhältnis der  
beiden Mitarbeiter*innengruppen zueinander durch verschiedene Vorbehalte sowie einen Macht-  
und Informationsvorsprung zugunsten der Hauptamtlichen geprägt (vgl. Schumacher 2015: 14–  
25). Daraus können moralisch relevante Interessenskonflikte entstehen, wie das Beispiel soziale  
Kontrolle zeigt.  
Während der Interviews kam ein Fall zur Sprache, in dem hauptamtliche Mitarbeiter*innen  
die Weihnachtsfeier ihrer Organisation als Kontrastprogramm zum Arbeitsalltag begreifen. Ihren  
ehrenamtlichen Kolleg*innen würden sie die Teilnahme an der Veranstaltung wegen möglicher  
Differenzen und Kritik hinsichtlich der eigenen Arbeitsauffassung hingegen gerne verweigern: „Wir  
möchten frei sprechen können!“ (B2: 384–387). Diesem Bedürfnis nach einer Rückzugsmöglichkeit  
steht das Interesse an Anerkennung und betrieblicher Integration vonseiten der Freiwilligen  
gegenüber. Für die betreffende Führungskraft resultieren diese konfligierenden Positionen in einem  
moralischen Problem: „Also wie wertet man Ehrenamt und die festangestellte Person?“ (B2: 378–  
379). Um darauf eine plausible Antwort finden zu können, muss die/der Entscheidungstragende  
dafür sorgen, dass zunächst alle Perspektiven gehört werden und „nicht jene Interessen obsiegen,  
die mit der größten Energie oder auch mit Macht verfolgt werden“ (Kallhoff 2012: 39).  
5.2 Vertrauen, Transparenz und Kontrolle in asymmetrischen  
Informationsbeziehungen  
Beziehungen, in denen Informationen asymmetrisch verteilt sind, prägen die Sozialwirtschaft  
auf verschiedenen Ebenen: Klient*innen haben in der Regel eingeschränktes Wissen über die  
von ihnen in Anspruch genommenen Dienstleistungen; Geldgeber*innen haben nur begrenzt  
Einsicht in die Abläufe der von ihnen begünstigten Organisationen; Mitarbeiter*innen haben einen  
Informationsvorsprung gegenüber ihrer Leitung hinsichtlich des Prozesses der Leistungserbringung  
(vgl. Kortendieck 2016: 116–117). Solche Beziehungskonstellationen zwischen einer besser  
informierten Partei (Agent) und einer weniger gut informierten Partei (Prinzipal) bergen erhebliches  
Konfliktpotenzialundzwardann, wenndie/derWissendevertragswidrigodergareigennützigagiert.  
In der mikroökonomischen Literatur ist dieses Phänomen als Prinzipal-Agent-Problem bekannt (vgl.  
ebd.:121–123). BeispielhaftzumAusdruckkommtesinderBeziehungzwischenSozialarbeiter*innen  
und ihren Vorgesetzten. Sofern letztere nicht unmittelbar in die Arbeit mit den Klient*innen involviert  
sind, müssen sie sich auf die Auskünfte ihrer Mitarbeiter*innen verlassen, um sich ein Bild vom  
Verlauf der sozialen Dienstleistungserbringung machen zu können. Dabei bleibt weitgehend offen,  
ob und inwiefern sich die Agent*innen an getroffene Leistungsvereinbarungen halten. So kann es  
zum Beispiel vorkommen, dass der erbrachte Leistungsumfang höher dargestellt wird als er in  
Wirklichkeit ist, um ein besseres Betreuungsverhältnis für die einzelnen Klient*innen sicherzustellen  
oder den eigenen Arbeitsaufwand kleinzuhalten (vgl. ebd.: 125). Gerade im Zuge der zunehmenden  
Ökonomisierung Sozialer Arbeit geraten „Situationen, in denen Kolleg*innen beispielsweise sagen,  
dass sie nach ihrem subjektiven Empfinden keine Kapazitäten mehr haben“ (B3: 397–399), zu einer  
moralischen Herausforderung für die Entwicklung und Realisierung des normativen Selbstbilds  
von Führungskräften. Die Prinzipien rationaler Kontrolle und zwischenmenschlichen Vertrauens  
stehen hier in direkter Konkurrenz zueinander. Da Führungskräfte meist deutlich intensiver in  
unternehmensstrategische Überlegungen eingebunden sind als ihre Mitarbeiter*innen, stellt sich  
die Frage nach dem richtigen Umgang mit asymmetrischen Informationsbeziehungen aber auch in  
die entgegengesetzte Richtung: „Welche Themen machen wir [als Führungskräfte] wie transparent  
und wo bleibt die Türe einfach zu?“ (B2: 170–172) Derlei Fragen werden beispielsweise virulent,  
wenn die Fortsetzung eines Projekts aus finanziellen Gründen in Zweifel steht. Das Verhältnis  
zwischen einem paternalistischen Zugang – „wir klären das jetzt erstmal auf Leitungsebene, bevor  
wir diese Unsicherheit an die Mitarbeitenden weitergeben“ (B2: 314–316) – und der möglichen  
Außenwahrnehmung – die „Leitung behält Informationen bei sich, um ihre Machtposition zu stärken“  
(B2: 308–309) – , gilt es dann aus ethischer Perspektive unter die Lupe zu nehmen.  
5.3 Instabile Finanzierungsverhältnisse als Machbarkeitsgrenze des Guten  
Die Kapitalbeschaffung gilt in sozialwirtschaftlichen Organisationen als „dominante Engpass-  
funktion“ (Schellberg 2018: 499). Dass die Finanzierung sozialer Dienstleistungen in aller Regel von  
Dritten, etwa vom Staat oder privaten Geldgeber*innen, abhängig ist, hat unmittelbaren Einfluss auf  
die Organisations- und Mitarbeiter*innenführung: „[W]eil viel nicht geht, weil es zu teuer ist, weil wir  
das Personal nicht haben, weil irgendjemand „Nein!“ sagt.“ (B4: 613–614) Als moralisches Problem  
zeigt sich dieses Phänomen insofern, als Führungskräfte den sozialen Auftrag ihrer Organisation  
– das angestrebte Gute – mit den ihnen zur Verfügung gestellten Mitteln häufig nur eingeschränkt  
umsetzen können. Eine befragte Person macht das anhand der auslaufenden Finanzierung für ein  
konkretes Projekt deutlich: „Wo wollen wir denn jetzt überhaupt noch Menschen aktivieren, wenn  
wir wissen, in absehbarer Zeit sind wir dann nicht mehr da? Und wer kümmert sich dann?“ (B2: 547–  
551) Entsprechend führt die wachsende Instabilität bei der Finanzierung sozialer Dienstleistungen  
zu „ganz viel Unmut auch bei den Mitarbeitenden“ (B2: 564–565), die sich gerade durch befristete  
Förderzusagen einer zunehmenden Prekarisierung ausgesetzt sehen.  
DochauchausfachlicherSichtistdieAnpassungsozialerDienstleistungenandieökonomische  
Logik umstritten. So werden Leistungskennzahlen, die den Erfolg bestimmter Maßnahmen definieren  
und messen sollen, nur als unzureichendes Instrument erachtet, um sozialwirtschaftlichem Handeln  
und insbesondere der Klient*innenarbeit in ihrer Komplexität gerecht zu werden. Manche Vorgaben  
der Geldgeber*innen seien vor diesem Hintergrund „offenbar notwendig, um die Fördermittel  
zu bekommen, aber für die Klient*innen nicht unbedingt sinnvoll“ (B3: 747–749). Die Forderung  
etwa, „zu jedem messbaren Zeitpunkt zu hundert Prozent ausgelastet zu sein“ (B3: 693), stehe  
in keinem Bezug zur Lebenswirklichkeit und dem realen Bedürfnis, „dass man auch einmal etwas  
ausprobiert und von mir aus auch scheitert und dann wiederkommt und nochmal ausprobiert“ (B3:  
698–699). In der Praxis laufen solche Vorgaben darauf hinaus, dass schwierig zu bearbeitende  
Dienstleistungsfälle systematisch ausgegrenzt werden. Stattdessen kommen Personen zum Zug,  
von denen eher erwartet wird, dass sie die vordefinierten Erfolgskriterien auch tatsächlich erfüllen.  
Die Literatur spricht hier von einem sogenannten Creaming-Effekt (vgl. Dimmel/Schmid 2013: 90).  
Zusammenfassend bringen diese Situationsbeschreibungen also nicht nur zum Ausdruck, welche  
sozialen Konsequenzen mit der übermäßigen Regulierung finanzieller Mittel verbunden sein können,  
sondern auch, inwiefern Entscheidungsträger*innen mit ihren begrenzten Möglichkeitsräumen  
ringen.  
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Schritte zu einer Ethik für den Führungsalltag in sozialwirtschaftlichen  
Organisationen  
Führungskräfte in der Sozialwirtschaft sehen sich in ihrem beruflichen Alltag mit einer Vielfalt an  
moralischen Spannungsfeldern konfrontiert. Gleichzeitig ist der normative Anspruch an sie, das  
Gute und Richtige zu tun, außerordentlich hoch. Der vorliegende Artikel argumentiert vor diesem  
Hintergrund für eine kontextsensitive Führungsethik. Den Ausgangspunkt hierfür bilden konkrete  
Fallbeschreibungen aus der Praxis. Anhand von drei empirischen Beispielen wurde gezeigt, wie  
moralische Problemsituationen – unter Rücksicht auf die spezifischen Rahmenbedingungen  
sozialer Dienstleistungsproduktion – systematisch identifiziert werden können. Darüber hinaus  
wurde verdeutlicht, welche Rolle dieses empirische Analyseverfahren im Rahmen eines größeren,  
standardisierten Prozesses zur ethischen Entscheidungsfindung einnimmt. Zusammenfassend ist  
damit nicht nur eine geeignete Grundlage gegeben, um moralische Probleme von Führungskräften  
offenzulegen. Vielmehr belegen die Ergebnisse auch, dass sich sozialwirtschaftliche Organisationen  
darum bemühen sollten, die ethischen Kompetenzen ihrer Akteur*innen strukturell zu stärken. Ein  
erster Schritt hierzu könnte die Implementierung unterstützender Instrumente wie Ethiktrainings,  
partizipative Entscheidungsformate, Ombudsstellen oder Kommissionen sein.  
Verweise  
i SROI steht für Social Return on Investment (zu Deutsch: Sozialrendite).  
ii  
Neben der normativen Ethik gibt es noch die deskriptive Ethik, die die geltenden Normen von Gesellschaften beschreibt, sowie die  
Metaethik, die sich mit den begrifflichen Grundlagen ethischer Theoriebildung auseinandersetzt (vgl. Fenner 2022: 13).  
iii  
Arnd Pollmann (2014) unterscheidet darüber hinaus eine dritte Perspektive, mithilfe derer gezeigt werden soll, inwiefern eine  
konkrete Handlungssituation überhaupt von moralischer Relevanz ist, ohne an eine bestimmte Moralposition (wie Utilitarismus,  
Tugendethik oder Deontologie) gebunden zu sein. Die vorliegende empirische Studie konzentriert sich demgegenüber auf die subjektive  
Handlungsperspektive – im Wissen darum, dass diese stets auch moraltheoretisch bzw. soziokulturell vorgeprägt ist.  
iv Eine ausführliche Beschreibung, wie Grundrechte oder Werte moralisch gerechtfertigt werden können, ist bei Kallhoff (2012: 52–57) zu  
finden.  
v Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang etwa der Beitrag von Lynne M. Healy (2010).  
vi Die einzelnen Schritte sind lose an das Ablaufschema ethischer Entscheidungsfindung nach Donna McAuliffe und Lesley Chenoweth  
(2008: 42) angelehnt.  
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Über den Autor  
Fabian Matthias Kos, BSc MA MA  
Research Fellow am Internationalen Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen (ifz) in  
Salzburg. Lehrbeauftragter für den Studiengang Sozialwirtschaft und Soziale Arbeit an der FH  
Campus Wien. Träger des Erika-Stubenvoll-Preises 2023.