soziales_kapital
MelanieZeller.Interventionskettebei(häuslicher)GewaltgegenFrauen.soziales_kapital,Bd.27(2023).
27. Ausgabe 2023
Akademisierung Sozialer Arbeit
Interventionskette bei (häuslicher) Gewalt gegen Frauen
Melanie Zeller
Zusammenfassung
Obwohl in Österreich das dritte Gewaltschutzgesetz in Kraft ist und zahlreiche
Unterstützungseinrichtungen gegen häusliche Gewalt arbeiten, ist Gewalt im sozialen Nahraum
verbreitet und die Zahl der Morde an Frauen hoch. Der Verein wendepunkt bietet Seminare unter
dem Titel „Hinter der Fassade“ an, um Fachkräfte zum Thema häusliche Gewalt zu schulen.
Damit auch Zivilpersonen über häusliche Gewalt informiert werden und eine unterstützende
Handlungsanleitung erhalten, wurde eine Faltkarte entwickelt, auf der die Interventionskette gegen
Gewalt abgebildet ist. Diese setzt die gewaltbetroffene Frau in den Mittelpunkt und zeigt aus ihrer
Perspektive Wege zu Hilfseinrichtungen auf. Die Faltkarte wird folgend in digitaler und Printversion
vorgestellt. Sie entstand in einem kollaborativen Prozess zwischen Opferschutzeinrichtungen,
Polizei, Gesundheitswesen und in Kooperation mit der Politik. Die Herausforderungen bei der
Entstehung werden benannt und ein Ausblick für nächste Schritte in der Gewaltprävention gegeben.
Gewaltschutz und Gewaltprävention braucht uns alle!
Schlagworte: Gewaltprävention, Gewaltschutz, häusliche Gewalt, Interventionskette, Zivilpersonen
Abstract
Although the third Protection against Violence Act is in effect in Austria and numerous support
organisations are working against domestic violence, violence in the social environment remains
widespread and the number of women murdered is high. The organisation wendepunkt offers
seminars titled „Hinter der Fassade“ (Behind the Facade) to train professionals on the topic of
domestic violence. To ensure that the public is well informed about domestic violence and has
access to a guide for action, a folding card displaying the chain of intervention against violence
has been created. The card emphasises the affected woman at its focal point and provides various
routes to support facilities from her perspective. The folding card is available in digital and print
versions. It was created collaboratively by victim protection organisations, the police, the healthcare
system and in cooperation with politicians. This contribution provides insights into the challenges
involved in its creation and an outlook for the next steps in preventing violence. We must all take
part in protecting against violence and prevention measure!
Keywords: violence prevention, protection against violence, domestic violence, intervention chain,
civilians
1
Einleitung
In Österreich gibt es ein Gewaltschutzgesetz in dritter Auflage (vgl. BMI 2022). Zahlreiche
SozialeinrichtungenarbeitenseitJahrendaran,häuslicheGewaltundMordeanFrauenzuverhindern.
AktuellgibtesinfastjederBezirkshauptstadteineFrauen-undMädchenberatungsstelle.DasNetzwerk
österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen hat insgesamt 63 Mitgliedsorganisationen.
Es gibt 30 Frauenhäuser und in jedem Bundesland ein Gewaltschutzzentrum. Das reicht jedoch nicht.
Es braucht zusätzlich Zivilcourage und eine dichtere Vernetzung von Unterstützungseinrichtungen,
um (häusliche) Gewalt in unserer Gesellschaft zu minimieren. Der Rechnungshof Österreich
empfiehlt in seinem Bericht vom August 2023, dass „verstärkt auch präventive, nachhaltig
wirksame Maßnahmen in der gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung, beispielsweise in den
Bereichen Bildung, Gesundheit oder Integration, gesetzt werden“ (Rechnungshof Österreich 2023:
37). Damit Zivilpersonen gegen häusliche Gewalt vorgehen können, brauchen sie ein Tool, das sie
ausreichend informiert und ihr Handeln anleitet. Die Mitarbeiterinnen des Vereins wendepunkt haben
eine Handlungsanleitung entwickelt, um Zivilpersonen dabei zu unterstützen, häusliche Gewalt zu
erkennen und entsprechend zu reagieren.
Der vorliegende Artikel geht auf Bedarfe im Praxisfeld Gewaltprävention und Gewaltschutz
ein. Die Relevanz und die Entstehungsgeschichte einer Interventionskette gegen häusliche Gewalt
an Frauen werden dargestellt und eine erste Handlungsanleitung vorgestellt. Im Gewaltschutz findet
Vernetzung notwendigerweise auf unterschiedlichen Ebenen statt, was Herausforderungen birgt,
die hier erläutert werden. Abschließend werden weitere notwendige Kooperationen im Gewaltschutz
aufgezeigt und ein Ausblick für nächste Schritte gegeben.
2
Gewaltprävention und Gewaltschutz
„In Österreich werden Frauen ermordet, weil sie Frauen sind“ (Rösslhumer 2022), erklärte die
Geschäftsführerin der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser Maria Rösslhumer in einem
Interview. Im Zeitraum 2014 bis 2018 haben sich Femizide in Österreich von 19 auf 41 verdoppelt
(vgl. AÖF 2023). Allein im Jahr 2022 wurden in Österreich 30 Frauen getötet. 28 dieser Frauen wurden
mutmaßlich durch (Ex-)Partner, Bekannte oder Familienmitglieder ermordet (vgl. AÖF 2023). Ein
Vergleich der Ergebnisse zweier Gewaltprävalenzstudien – Fundamental Rights Agency (2014) und
Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Österreich (2022) – zeigt, dass eine hohe Zahl an
Frauen von Gewalttaten in intimen Partnerschaften berichten. Gabriele Kronberger weist darauf hin,
dass „Gewalt an Frauen kein Randphänomen ist und damit das Thema für alle Praxisfelder sozialer
Arbeit Relevanz hat“ (Kronberger 2022: 63). Femizide sind die Spitze dieses Eisbergs. Nach jedem
Mord an einer Frau stellt sich die Frage, wie diese Tat trotz eines dichten Unterstützungsangebotes
geschehen konnte und wie dies zu verhindern gewesen wäre.
Soziale Arbeit im Bereich Gewaltprävention und Gewaltschutz wird zuerst in der
Frauenberatung, im Frauenhaus und in Gewaltschutzzentren tätig, die eng miteinander kooperieren.
Ziel muss es sein, den Zugang für gewaltbetroffene Frauen zu Hilfseinrichtungen weiter zu
erleichtern, gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern und ein gewaltfreies Leben zu ermöglichen.
Die Erfahrungen der Frauenberaterinnen zeigen, dass es nach wie vor große Unsicherheiten in
der Zivilgesellschaft aber auch bei Multiplikator_innen (in sozialen Einrichtungen, Ämtern etc.)
darüber gibt, welche Schritte sie bei Verdacht auf (häusliche) Gewalt setzen können. Fragen sind
unter anderem, woran Gewalt erkannt werden kann, wie eine Frau bei Verdacht anzusprechen ist
und welche Einrichtungen es in der Region gibt. Es braucht mehr Orientierung und Wissen über
häusliche Gewalt, damit sowohl Zivilpersonen als auch Professionist_innen Sicherheit im Umgang
mit gewaltbetroffenen Frauen bekommen. Kurz gefasst braucht es ein Tool, das Wissen vermittelt,
die Kooperation von Fachkräften verbessert und Einrichtungen im Gewaltschutzbereich noch
besser vernetzt. Um diese Ziele zu erreichen, wurde als erster Schritt vom Verein wendepunkt eine
Fortbildung konzipiert.
2.1 Die Anfänge von „Hinter der Fassade“
Bereits im Jahr 2012 entwickelten die niederösterreichischen Frauenberaterinnen Eva Huber und
MelanieZeller–betroffendurchdashoheAusmaßanhäuslicherGewaltinÖsterreich–imRahmenihrer
Tätigkeit für den Verein wendepunkt eine Fortbildung zum Thema häusliche Gewalt. Die Fortbildung
wurdeundwirdnachwievorimRahmenihrerTätigkeitfürdenVereinwendepunktausderPerspektive
von Frauenberatung und Frauenhaus angeboten. Zahlreiche Mitarbeiter_innen unterschiedlicher
Institutionen im Raum Wiener Neustadt wurden in den folgenden Jahren in Workshops mit dem Titel
„Hinter der Fassade“ geschult. „Hinter der Fassade“ wurde als Titel gewählt, da sich der Tatort bei
häuslicher Gewalt nicht im öffentlichen, sondern im privaten Raum, in Wohnungen und in Häusern,
also „hinter der Fassade“ befindet. Gleichzeitig berichten gewaltbetroffene Frauen, dass der Täter
im öffentlichen Raum eine freundliche Fassade aufrechterhält, die erst hinter geschlossenen Türen
bröckelt. Der Begriff stammt vom Titel einer interaktiven Wanderausstellung, die Anfang der 2000er
Jahre erstellt wurde.i Die Seminare „Hinter der Fassade“ sollen den Teilnehmer_innen ermöglichen,
häusliche Gewalt zu erkennen und hilfreich zu handeln.
Die Erfahrung aus den Seminaren zeigte, dass Akteur_innen aus dem Sozialbereich über
dieses Angebot gut erreicht werden können und dass die Zusammenarbeit zwischen den zentralen
Anlaufstellen bei häuslicher Gewalt gut funktioniert. Für Professionist_innen der Sozialen Arbeit
ist das Konzept von „Hinter der Fassade“ insofern hilfreich, als der Status quo im Gewaltschutz
vermittelt wird. Doch nach einigen Jahren der Seminardurchführung wurde ersichtlich, dass
deutlich mehr Personen erreicht werden müssen, um Gewalt an Frauen zu reduzieren. Vor allem
auch außerhalb der gut vernetzten sozialarbeiterischen Community des Gewaltschutzbereichs ist
Information notwendig. So entstand die Idee, Wissen über Interventionsmöglichkeiten bei häuslicher
Gewalt in die breitere Öffentlichkeit zu tragen.
Die Grundlage für weitere Schritte waren Erfahrungswissen und Evaluationen der Seminare
sowie die deutsche Studie Gemeinsam gegen häusliche Gewalt (vgl. Hagemann-White/Kavemann
2004). Die Studie beinhaltet über zehn verschiedene Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt,
die zwischen 1998 bis 2004 durchgeführt wurden. Der Fokus wird von regionaler Innovation zu
gesamtgesellschaftlicher Veränderung gelegt, was sich als erfolgreich darstellte. Das Ziel der
Studie war, tragfähige Strategien zu entwickeln, um nachhaltige Verbesserungen im Gewaltschutz
zu erreichen. Als vorrangig erschien es in diesem Zusammenhang, das Netz der Hilfen dichter
zu weben und Täter stärker in die Verantwortung zu nehmen. In der Studie wird der Begriff der
Interventionskette für die Orientierung aller Beteiligten eingeführt und in der Diskussion verankert.
2.2 Das Knüpfen einer Interventionskette
Zeller und Huber übernahmen den Begriff Interventionskette, da er ein taugliches Bild für das
Ineinandergreifen und die nötige Lückenlosigkeit von Interventionen im Falle häuslicher Gewalt
liefert. Sie organisierten als Vertretung von Frauenberatung und Frauenhaus bilaterale Treffen
mit weiteren wichtigen Player_innen einer Interventionskette, dem Gewaltschutzzentrum und
der Polizei. Im Gewaltschutz wird oft die Polizei als erste Kontaktstelle im Opferschutz genannt
(vgl. Rösemann 1989: 88). Im Gegensatz dazu geht die Interventionskette von der Perspektive
der betroffenen Frau aus. Das niederschwelligste professionelle Angebot für eine Frau, die von
häuslicher Gewalt betroffen ist, ist eine Frauenberatung, da hier das Angebot anonym in Anspruch
genommen werden kann. Bei den bilateralen Treffen war die Ausgangsfrage jeweils: Wie kann eine
Frau, die von häuslicher Gewalt betroffen ist, mit einer Einrichtung in Kontakt kommen? Wie ist ein
niederschwelliger Zugang möglich? Wo wird die Frau wie unterstützt? Welche Konsequenz hat die
Annahme dieser Hilfe? Im Zuge dieser Austauschtreffen wurden komplexe Fachfragen erläutert.
Um die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse für Zivilpersonen als Nicht-Expert_
innen zu erhöhen, wurde die Komplexität der Diskussionsergebnisse wieder reduziert.
Ausgehend von den Reaktionsmöglichkeiten der betroffenen Frauen wurde ausgearbeitet,
welche Optionen die Frau hat: Sie kann sich an die Frauenberatungsstelle, das Frauenhaus,
das Gewaltschutzzentrum oder die Polizei wenden. In Krankenanstalten bestehen seit 2011
sogenannte Opferschutzgruppen, die im Erkennen von häuslicher Gewalt geschult sind bzw.
laufend geschult werden (vgl. BMWFJ 2011). Oft werden jedoch Personen in anderen Bereichen des
Gesundheitswesens von gewaltbetroffenen Frauen um Hilfe gebeten, wie beispielsweise Apotheker_
innen und Mediziner_innen in Ordinationen. Die Ergebnisse der bilateralen Treffen wurden in einer
Grafik dargestellt, laufend ergänzt und intern diskutiert. Das Resultat war eine komplexe Grafik
mit verzweigten Entscheidungspfaden. Für die Austauschgruppen (Frauenberatung, Frauenhaus,
Gewaltschutzzentrum, Polizei, Gesundheitswesen) wurde der Zusammenhang der einzelnen Glieder
der Interventionskette klarer. Es entstanden Kooperationen zwischen den Organisationen.
3
Die Interventionskette als Handlungstool
Aus der intensiven Vernetzungstätigkeit mit den Player_innen der Interventionskette entstand die
Idee, die komplexen Zusammenhängen als Grafik zu gestalten und diese in Form einer Faltkarte mit
genaueren Erläuterungen zur Interventionskette gegen Gewalt an Frauen darzustellen. Sie sollte eine
Definition von häuslicher Gewalt enthalten. Fragen, die einer möglicherweise von gewaltbetroffenen
Frau gestellt werden können, sollten vorhanden sein. Die Vernetzung der Hilfsorganisationen und
deren Angebot sollte auf einen Blick erkennbar sein.
3.1 Interventionskette in Printversion
In den ersten Diskussionsrunden der bilateralen Austauschtreffen (mit Frauenberatung, Frauenhaus,
Gewaltschutzzentrum, Polizei) wurde ein Haushalt ohne Kinder als Ausgangspunkt genommen.
Die Statistik der Interventionsstelle gegen Gewalt zeigt jedoch, dass ca. die Hälfte der Frauen, die
von häuslicher Gewalt betroffen sind, mit minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt mit
den Tätern leben (vgl. IST 2021: 22). Daher wurde in einer weiteren Diskussion die Kinder- und
Jugendhilfe mitgedacht, um die Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen mit Kindern durch
die Kinder- und Jugendhilfe abzubilden. Soziale Arbeit im Bereich Gewaltschutz erfordert eine
enge Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Gesundheitssystem (vgl. Kronberger 2022: 67). Der
Rahmen für die Vernetzung wurde von der sozialen Arbeit in Frauenberatung, Frauenhaus, Kinder-
und Jugendhilfe, Gewaltschutzzentrum mit Polizei und Gesundheitswesen gesetzt.
Durch die Erweiterung um die Kinder- und Jugendhilfe wurde die Grafik der Interventionskette
nochkomplexerundmussteindenfolgendenSchrittenwiedervereinfachtwerden, umausschließlich
die wichtigsten Informationen zur Interventionskette auf einer Faltkarte festhalten zu können. Nach
der Komplexitätsreduktion wurde 2021 die erste Version gedruckt (vgl. Verein wendepunkt 2021). Die
Faltkarte Interventionskette ist seit 2022 als Printversion auf Deutsch, Farsi, BKS, Türkisch, Englisch
und als Einfach-Lesen-Version erhältlich. Die Interventionskette in Posterformat A0 wurde bei der
12. Fachtagung Klinische Soziale Arbeit als eines der besten drei Tagungsposter ausgezeichnet und
kann nun von Multiplikator_innen für Vorträge zur Interventionskette verwendet werden.ii
In Niederösterreich werden seit 2019 regelmäßig Gewaltschutzorganisationen
(Frauenberatungsstelle, Frauenhäuser, Gewaltschutzzentrum, Polizei, Gesundheitswesen, Kinder-
und Jugendhilfe) von den zuständigen Politiker_innen zum „Runden Tisch Gewalt gegen Frauen“
eingeladen. Diese wurden als „Resonanzkörper“ für die Grafik genutzt und Rückmeldungen der
teilnehmenden Personen eingeholt. Ebenso wurden die Texte zu den Organisationen gemeinsam mit
diesen erstellt. Dieser partizipative Prozess hatte zur Folge, dass sich alle beteiligten Organisationen
eingebunden fühlten und an der Verteilung der gedruckten Faltkarten beteiligten.
Als weitere Begleitmaßnahme zur Verbreitung der Faltkarte und zur Eröffnung eines
Diskussionsraumes wurden sogenannte Vernetzungskonferenzen in den Hauptregionen
Niederösterreichs gemeinsam mit der Landesregierung Niederösterreich organisiert. Ziele dieser
Konferenzen waren, Informationen zum Thema häusliche Gewalt gegen Frauen zu geben, die
Faltkarte vorzustellen, Akteur_innen aus der Region miteinander zu vernetzen und gemeinsam
Maßnahmen im Bereich Gewaltprävention und Gewaltschutz zu entwickeln. Zielgruppen waren die
Polizei, die Kinder- und Jugendhilfe, die Soziale Arbeit auf den Bezirkshauptmannschaften, das
Gesundheitswesen sowie soziale Einrichtungen.
3.2 Interventionskette in digitaler Version
Eine in den Vernetzungskonferenzen erarbeitete Maßnahme war das sogenannte Gemeindepaket.
Die Idee war, dass Gemeinden und Bezirken Material zur Verfügung gestellt wird, damit sie
Veranstaltungen zum Thema häusliche Gewalt auf regionaler Ebene organisieren. Das damit
verfolgte Ziel war, dass Gemeindevertreter_innen die Verantwortung in der Gewaltprävention
und im Gewaltschutz übernehmen, nach dem Motto: „Gewalt geht uns alle an und wir alle haben
eine Verantwortung, Gewalt gemeinsam zu verhindern!“ Im Zuge dessen wurde eine Website im
das Gemeindepaket mit der Organisation von Vernetzungskonferenzen erklärt wird. Zahlreiches
Informationsmaterial zu Gewalt im sozialen Umfeld wird zur Verfügung gestellt. Ein Erklärvideo kann
zusätzlich für Schulungen verwendet werden. Das Video gibt Informationen zu den handelnden
Institutionen in der Interventionskette. Weiters erklärt je ein_e Vertreter_in aus den Frauen-
und Mädchenberatungsstellen, dem Frauenhaus, dem Gesundheitswesen, der Polizei, des
Gewaltschutzzentrums und der Kinder- und Jugendhilfe, was ihre Rolle in der Interventionskette
ist. Auf diese Weise wird die bedeutende Arbeit in den Opferschutzeinrichtungen und das Netz
der Hilfen sichtbar gemacht. Zusätzlich sprechen drei Vertreter der Zivilgesellschaft darüber, was
jede und jeder zum Gewaltschutz beitragen kann. Täter werden verstärkt in die Verantwortung
genommen. Die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt wird als gesellschaftspolitischer
Auftrag hervorgehoben.
Abb. 1: Funktion der Faltkarte zur Interventionskette (eigene Darstellung).
Die Zielgruppe der Interventionskette sind Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Damit die
Informationen sie erreichen und sie in Folge Unterstützung aufsuchen können, braucht es
geschulte Fachkräfte in sozialen Einrichtungen und Ämtern und eine couragierte Zivilgesellschaft.
Klinische Soziale Arbeit will gesellschaftliche Teilhabe erhöhen und geht dabei sehr vernetzt vor.
Die Interventionskette in ihren unterschiedlichen Formaten setzt daher auf verschiedenen Ebenen
an. Gewaltschutzexpert_innen, wie die Erstellerinnen der Faltkarte, erreichen Multiplikator_innen
im Rahmen von Vernetzungskonferenzen und Schulungen. Diese geben Informationen über die
Interventionskette an die Beratung, Begleitung, Öffentlichkeitsarbeit weiter. Sie können die Faltkarte
einer betroffenen Frau in die Hand geben und erklären, welche Organisation wie hilft. Mit der
Umsetzung der Gemeindepakete können Gemeinden Zivilpersonen informieren. Bestenfalls können
über die sensibilisierten Multiplikator_innen und couragiert handelnde Personen der Zivilgesellschaft
Informationen zu gewaltbetroffenen Frauen gelangen.
4
Die Faltkarte zur Interventionskette
Alle Versionen der Interventionskette (in Print als Faltkarte, im Web oder als Video) haben denselben
Aufbau. Es wird häusliche Gewalt erklärt und eine Handlungsanleitung gegeben. Da statistisch
gesehen Frauen deutlich öfter Opfer von häuslicher Gewalt sind, wurden verkürzt „Männer“ als
Täter und „Frauen“ als Betroffene definiert. Dies zeigen auch die Forschungsergebnisse einer
Studie des Institutes für Konfliktforschung, die bei (versuchten) Morden in familiären Beziehungen
96,3% männliche Tatverdächtige feststellt (vgl. IKF 2023: 34).
Die Darstellung der Interventionskette zeigt, dass betroffene Frauen auf unterschiedliche
Weise reagieren können. Es werden mögliche Unterstützungsangebote aufgezeigt. Sozialarbeiter_
innen unterstützen bei allen Formen häuslicher Gewalt im Rahmen der Organisation, in der sie tätig
sind. Gewalt wird physisch, psychisch, sexualisiert, im analogen oder virtuellen Raum ausgeübt.
Schwerwiegende Folgen häuslicher Gewalt oder ein Femizid sind oft das Ende einer Gewaltspirale
und passieren „nicht aus dem Nichts“ (Erkl 2022: 16). Soziale Arbeit in den Opferschutzeinrichtungen
hat die Erhöhung der Sicherheit der gewaltbetroffenen Frau zum Ziel. Welche Wege dafür genommen
werden, entscheidet die Frau.
Die Aufbereitung der Inhalte der Interventionskette für Personen aus der Zivilgesellschaft
wurde von den wendepunkt Mitarbeiterinnen an die Grafikerinnen von LENNI weitergegeben, die
das Design und die Umsetzung als Faltkarte übernahmen. Die Faltkarte hat zusammengefaltet das
Format einer kleinen Geldbörse und kann auf A3 aufgefaltet werden.
Abb. 2: Faltkarte Interventionskette. Gewalt erkennen & handeln. Vorderseite.
Zusammengefaltet gibt die Faltkarte auf der Vorderseite die komprimierte Information: „Mann
schlägt Frau“, die Frau reagiert und es gilt, Gewalt zu erkennen und zu reagieren. Die Gewaltform
„schlagen“ ist ebenfalls eine Komplexitätsreduktion, um vereinfacht darzustellen, dass Gewalt
ausgeübt wird. Die knappe Formulierung „Mann schlägt Frau“ stellte sich als anschlussfähig
heraus. Bei der Farbkombination wurde darauf geachtet, dass durchgehend dieselbe Farbe für
die jeweiligen Institutionen verwendet wurde. Beispielsweise wurde für den Informationstext ein
Orange verwendet, das der Verein wendepunkt für allgemeine Informationen einsetzt. Da die
Frauenberatung und das Frauenhaus des Vereins wendepunkt eng zusammenarbeiten, wurde für
diese beiden Angebote durchgehend die Farbe Orange verwendet.
Zusätzlich ist auf der Vorderseite das internationale Hilfezeichen bei häuslicher Gewalt
abgebildet. Auf der Rückseite befindet sich eine Toolbox mit Telefonnummern von Notfallskontakten.
Bei einmaligem Aufklappen wird auf der Vorderseite erklärt, was häusliche Gewalt ist. Hier werden
beispielhaft Gewaltformen genannt: „Häusliche Gewalt bedeutet, dass Frauen in ihrer Beziehung
Gewalt durch Ihren Partner oder Ehemann erfahren.“ Weiters wird erklärt, dass der Hintergrund
dafür ein systematisches Vorgehen des Täters ist, das seine Dominanz sichert und die Kontrolle
wiederherstellensoll.AufderRückseitefindensichbeieinmaligemAufklappenHinweiseaufhäusliche
Gewalt. Dabei wurde berücksichtigt, dass neben verschiedenen Verletzungen in unterschiedlichen
Heilungsstadien auch beispielsweise ein übermäßig aufmerksamer Partner ein Hinweis für Gewalt
in der Beziehung sein kann. Mit den Beispielen wird aufgezeigt, dass häusliche Gewalt viele Formen
hat.
Bei völligem Aufklappen der Faltkarte ist die eine Seite von der bisherigen Information
gerahmt. Die Mitte bildet ein möglichst schlicht gehaltener Handlungsleitfaden, der zeigt, wohin
sich eine Frau bei häuslicher Gewalt wenden kann: Die Frau geht zur Frauenberatung. Sie
flüchtet ins Frauenhaus. Sie geht zum Gewaltschutzzentrum. Sie geht zu Vertreter_innen des
Gesundheitswesens. Sie ruft die Polizei. Falls Kinder im gemeinsamen Haushalt leben, informiert
die Polizei in weiterer Folge die Kinder- und Jugendhilfe. Die Grafik ist ergänzt durch ein Feld zur
Zivilgesellschaft, die eine gewaltbetroffene Frau unterstützt bzw. an die sich die Frau wenden kann.
Eine Person der Zivilgesellschaft kann die Frau zu einer Opferschutzeinrichtung begleiten oder die
Polizei rufen.
Am unteren Rand dieser aufgeklappten Seite befindet sich noch ein Feld mit Hinweisen, wie eine
von Gewalt betroffene Frau unterstützt werden kann. Unterstützung wird beispielsweise vermittelt,
indem ein Gefühl der Sicherheit gegeben wird. Zusätzlich werden Formulierungen angeboten, wie
eine von Gewalt betroffene Frau angesprochen werden kann. Beispielsweise wäre der Satz, „Ich
sehe Sie sind verletzt, wie kann ich helfen?“, ein Anfang.
Abb. 3: Faltkarte Interventionskette. Gewalt erkennen & handeln. Rückseite.
Die Rückseite der aufgeklappten Faltkarte im Format A3 ist in neun Felder eingeteilt. Auf der linken
Seite werden die Angebote einer Frauenberatungsstelle, eines Frauenhauses und Einrichtungen
des Gesundheitswesens schlicht erklärt. In Frauenberatungsstellen wird anonym und ambulant
beraten. Falls die Frau von ihrem Wohnsitz flüchten muss, kann sie in ein Frauenhaus ziehen, wo
ihr Schutz, Beratung und Begleitung angeboten werden. Während die Fraueneinrichtungen orange
gerahmt wurden, wurde für das Gesundheitswesen die Farbe Grün verwendet. Als Vertreter_innen
des Gesundheitswesens werden medizinische und pflegende Kräfte in niedergelassenen Praxen,
Spitälern, Heimen, Schulen, Betrieben und Apotheken genannt. Diese sind oft eine erste Anlaufstelle
für von gewaltbetroffenen Frauen und können über Opferschutz informieren.
Die rechte Seite der Faltkarte stellt das Angebot der Polizei (blau), eines
Gewaltschutzzentrums (lila) und jenes der Kinder- und Jugendhilfe (rosa) dar. Die Polizei verfügt
über das staatliche Gewaltmonopol und kann bei Verdacht auf häusliche Gewalt die privaten
Wohnräume betreten. Sie informiert die gewaltbetroffene Frau, die nun als Gewaltopfer bezeichnet
wird, über Opferschutzeinrichtungen. Die Polizei verweist den Gefährder aus der Wohnung und
informiert die Kinder- und Jugendhilfe, falls Minderjährige im Haushalt leben. Jedenfalls wird das
Gewaltschutzzentrum von der Polizei über das Betretungs- und Annäherungsverbot informiert. Das
Gewaltschutzzentrum setzt sich mit dem Gewaltopfer in Verbindung und begleitet psychosozial
und juristisch durch den gerichtlichen Prozess.
Die mittleren drei Felder der Faltkarte erklären in je einem Feld, wie Personen der Zivilgesellschaft
vorgehen können, wenn sie häusliche Gewalt erkennen und entsprechend handeln wollen. Für die
Zivilgesellschaft wurde die Farbe Rot verwendet, um zu signalisieren, wer vor allem mit der Faltkarte
angesprochen werden soll. Jede zivile Person ist aufgerufen, häusliche Gewalt zu erkennen und
Unterstützung anzubieten. Diese Unterstützung kann Information über Opferschutzeinrichtungen
und deren Angebote beinhalten. Es wird im mittleren Feld der Faltkarte nochmals an die Kernaussage
erinnert: „Mann schlägt Frau“. Die Frau reagiert beispielsweise mit dem internationalen Hilfezeichen
bei häuslicher Gewalt. Das dritte der mittigen drei Felder verweist auf mehr Informationen zu
at. Die Faltkarte ist auf der Homepage des Vereins wendepunkt online verfügbar und kann in Print
kostenfrei bei der Fachstelle für Gewaltprävention der Landesregierung NÖ bestellt werden: unter
Opferschutzeinrichtungen auf. Weitere Vertreter_innen im Gesundheitswesen sind eingeladen, die
Faltkarte aufzulegen und interessierten Personen zugänglich zu machen.
Aktuell ist ein Handbuch mit umfassenderen Erläuterungen zu den Player_innen der
Interventionskette in Arbeit, das von Elisabeth Cinatl, Eva Huber und Melanie Zeller erstellt und
noch 2023 in Druck gehen wird.iii
Als Grundlage für die inhaltlichen und grafischen Überlegungen
dieses Handbuchs dienen die Publikationen Wege aus der Gewalt gegen Frauen und Mädchen
(2002) von Margrit Brückner und Untersuchung zur Übertragbarkeit des amerikanischen Modells
DAIP: Intervention gegen Gewalt in der Familie (1989) von Ute Rösemann.
Ein Rückblick auf den Entwicklungsprozess der Interventionskette zeigt, dass die
kollaborative Vorgehensweise entscheidend für das Gelingen war. Bei dem Projekt Interventionskette
ging es von Anfang an nicht nur um die Erstellung einer Faltkarte als Tool zur Unterstützung
von gewaltbetroffenen Frauen. Es war als partizipativer Prozess angelegt, der Vernetzung und
Kommunikation unterschiedlicher Akteur_innen ermöglichen soll. Angeleitet wurde der Prozess
von Expertinnen aus der Frauenberatungsstelle und dem Frauenhaus, die weitere Institutionen aus
dem Bereich Gewaltschutz, Multiplikator_innen aus dem sozialen Feld, die Politik und Verwaltung
einbezogen. Wichtige Aspekte dabei waren zum einen der Fokus auf die Lebensrealitäten von
Frauen und zum anderen die Vorannahme, dass unbürokratische und schnelle Unterstützung nur
durch eine gute Zusammenarbeit möglich ist. Diese Herangehensweise ermöglichte die Verbreitung
der Faltkarte durch Multiplikator_innen im Rahmen einer Beratung oder über Öffentlichkeitsarbeit.
Die Kontinuität des partizipativen Prozesses und der Begleitmaßnahmen im Zuge der
Vernetzungskonferenzen gewährleistete, dass Akteur_innen aus der Sozialen Arbeit (noch) mehr
die Verantwortung wahrnahmen, die es im Gewaltschutz braucht. Es ist auch sichtbar geworden,
dass ein partizipativer Prozess auf bereits bestehenden guten Kontakten mit Vertreter_innen des
sozialen Feldes und der Politik aufbauen kann.
Das Spannungsfeld zwischen der Kooperation mit Entscheidungsträger_innen und der
notwendigen kritischen Stimme der Sozialen Arbeit ist eine der größten Herausforderungen für das
Funktionieren der Interventionskette. In einem nächsten Schritt wurde die Interventionskette um
eine Reflexion der politischen und medialen Dimension erweitert, um strukturelle Bedingungen und
Verantwortlichkeiten im Bereich Gewalt gegen Frauen thematisieren und bearbeiten zu können.
5
Erweiterung der Interventionskette
Im Rahmen der digitalen Fachtagung des European Center for Clinical Social Work (ECCSW)
beschäftigte sich Elisabeth Cinatl mit Herausforderungen bei der Zusammenarbeit innerhalb der
Interventionskette und regte zu weiteren Schritten an (vgl. Cinatl 2023). Cinatl sieht Gewalt gegen
Frauen als das größte sicherheitspolitische Problem an, obwohl Österreich über ein dichtes Netz an
Unterstützungsstrukturen verfügt.
Abb. 4: Erweiterung der Interventionskette nach Cinatl (2023).
Cinatl hat die Grafik der Interventionskette um die Rolle der Politik erweitert, die noch mehr gefordert
werden muss. Hier wird das Spannungsfeld, in dem sich Soziale Arbeit bewegt, sichtbarer. Die
Forderung nach stärkerem Einsatz der Politik stimmt mit dem Bericht des Rechnungshofes überein,
der festhält, dass „in Österreich keine langfristig angelegte, gesamthafte Strategie zum Schutz
von Frauen vor Gewalt und zu deren Finanzierung bestand“ (Rechnungshof Österreich 2023: 36).
Medien wurden in die Interventionskette eingebunden und deren Vertreter_innen müssen weiter
geschult werden, um den Gewaltschutz ebenfalls zu fördern. Sie müssen mehr auf ihre Sprache
achten, so dass zukünftig nicht mehr von einem theatralen „Ehedrama“, sondern einem Frauenmord
berichtet wird. Jeder Bericht über häusliche Gewalt muss mit Information über das Angebot
von Opferschutzeinrichtungen und deren Kontaktdaten enden. Cinatl hat die Interventionskette
um Täterarbeit ergänzt. Mit dem dritten Gewaltschutzgesetz werden Täter nach Gewalttaten zu
sechs Gewaltpräventionsberatungen in sogenannten Gewaltpräventionszentren geladen. Diese
Täterarbeit muss opferschutzorientiert gestaltet werden.
Im Gewaltschutz arbeiten Organisationen auf individueller Ebene mit dem zentralen Ziel des
Opferschutzes (vgl. Cinatl 2023). Sofern eine gewaltbetroffene Frau Kontakt mit einer Organisation
aufnehmen konnte, läuft die Vernetzung zwischen den Organisationen sehr gut, da Kooperation
eine zentrale Arbeitshaltung zum Wohle der Klientinnen darstellt. Gesetzliche Vorgaben ermöglichen
eine Zusammenarbeit, beispielsweise in Form von Fallkonferenzen bei Hochrisikosituationen,
die einberufen werden können. Mit dem Ansatz, die Verantwortung für die Gewalt beim Täter zu
belassen, gehen die Organisationen konform. Da Organisationen unterschiedlich strukturiert sind,
gibt es jedoch großen Verbesserungsbedarf hinsichtlich einer abgestimmten Vorgehensweise der
sehr unterschiedlichen Player_innen im Gewaltschutz. Ähnlich den Hürden bei der Kooperation
von Berliner Interventionsprojekten (vgl. Kavemann/Leopold/Schirrmacher/Hagemann-White 2001:
38f.) sind feministische Nonprofit-Projekte in Sorge, bei intensiven Auseinandersetzungen mit der
Politik ihre Autonomie oder öffentliche Förderungen zu verlieren. So wurde im Bundesland Salzburg
das langjährig bestehende Frauenhaus Pinzgau aus politischen Gründen geschlossen (vgl. AÖF
2021).
Durch die Austauschprozesse (ab 2017) bei der Entwicklung der ersten Grafik der
Interventionskette und im Zuge der folgenden Vernetzungskonferenzen (ab 2020) entstanden
enge Kooperationen zwischen den Organisationen, die im Opferschutz tätig sind. Jedoch zeigt
die Studie des Institutes für Konfliktforschung, dass nur wenige der gefährdeten Frauen eine
Opferschutzeinrichtung aufsuchen (vgl. IKF 2023). Größtenteils hatten die ermordeten Frauen in
Österreich keinen Kontakt zu einer Organisation der Interventionskette. Die Sozialarbeitsforschung
könnte den Ursachen dafür noch weiter auf den Grund gehen. In der Zivilgesellschaft, aber
auch innerhalb von Organisationen und Institutionen besteht große Unsicherheit, ob und wie
eine gewaltbetroffene Frau angesprochen und unterstützt werden kann. Die Faltkarte zur
Interventionskette gibt dazu eine erste Handlungsanleitung. In weiteren Schritten ist es notwendig,
die komprimierte Darstellung der Interventionskette wieder zu erweitern, um andere bedeutende
Kooperationspartner_innen wie Männerberatungsstellen einzubinden. Es ist Raum für Austausch
notwendig, um Kommunikation über die Unterschiedlichkeiten der Organisationen zu ermöglichen
und Perspektiven für erforderliche Ergänzungen zu schaffen (vgl. Cinatl 2023).
Es sind Inhalt und Ziele der Kooperationen im Rahmen der Interventionskette zu klären. Dafür
braucht es eine Begegnung auf Augenhöhe, um gemeinsame Strategien und Maßnahmen im Sinne
des Gewaltschutzes zu entwickeln, sowie ein laufendes Monitoring der Maßnahmen und deren
Wirkung. Die Vernetzungskonferenzen wurden einmalig in je einem Viertel des Bundeslandes NÖ
durchgeführt. In einem Zwei-Jahres-Zyklus könnte zu weiteren Vernetzungskonferenzen geladen
werden. In diesem Rahmen könnte die bisherige Kooperation evaluiert und die Vernetzung
intensiviert werden. Zukünftige Forschungsthemen wären Anpassungsvorschläge zur Faltkarte
der Interventionskette gegen Gewalt. Es ist die Wirkweise der Faltkarte als Handlungsanleitung zu
beforschen. Es ist zu evaluieren, wie Multiplikator_innen und die Zivilgesellschaft die Faltkarte zur
Interventionskette wahrnehmen und ob die Information bei gewaltbetroffenen Frauen ankommt.
Es braucht auf struktureller Ebene weitere Formen der Zusammenarbeit, einen politischen Willen und
eineentsprechendeFinanzierung, damitgemeinsameZieleimGewaltschutzerreichtwerdenkönnen.
Damit Frauen seltener von häuslicher Gewalt betroffen sind und um den Nährboden für häusliche
Gewalt auszutrocknen, bedarf es einer Intensivierung der Interventionskette. Gewaltprävention und
Gewaltschutz braucht uns alle!
Verweise
i Maria Schwarz-Schlöglmann, vormalige Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Oberösterreich, initiierte die Wanderausstellung
Hinter der Fassade, die Anfang der 2000er Jahre erstellt wurde (vgl. Schwarz-Schlöglmann 2009).
ii Die Interventionskette in Posterformat A0 wurde von Ambros grafisch umgesetzt (vgl. Zeller 2023).
iii Die Mitarbeiterinnen des Vereins wendepunkt, Melanie Zeller und Eva Huber, haben eine erste Darstellung der Interventionskette
gegen Gewalt an Frauen entwickelt. Elisabeth Cinatl (Geschäftsleitung) hat an der Weiterentwicklung der Interventionskette in Form einer
Faltkarte mitgewirkt und die Brücke zur Politik gebaut und gehalten. Ruth Hauser hat das Lektorat für das Handbuch übernommen. Ab
2020 erfolgte ein intensiver Austausch mit den Grafikerinnen von LENNI. Die erste Version der Faltkarte ging 2021 in Druck.
Literaturverzeichnis
AÖF – Autonome österreichische Frauenhäuser (2021): Salzburg verliert ein Drittel der geschützten
presseaussendungen-frauenhaeuser (20.10.2023).
AÖF – Autonome österreichische Frauenhäuser (2023): Mutmaßliche Femizide in Österreich. https://
Brückner, Margrit (2002): Wege aus der Gewalt gegen Frauen und Mädchen: Eine Einführung.
Frankfurt am Main: Fachhochschulverlag.
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ambros-agentur.at.
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frauenberatung-noe.at/.
Über die Autorin
Mag.a Dr.in Melanie Zeller
Psychosoziale Beraterin im Verein wendepunkt, Sozialpädagogin, systemische (Trauma-)Psycho-
therapeutin für jedes Alter und Gender, forschend und lehrend an diversen Bildungsinstitutionen
und am Masterstudiengang „Sozialraumorientierte und Klinische Soziale Arbeit“. Klinische Mentorin
des European Centre for Clinical Social Work (ECCSW).