soziales_kapital  
Bakic, Josef / Coulin, Johanna / Kronberger, Gabriele (Hg.) (2022). Praxis Sozialer Arbeit in  
Österreich. Ein Ordnungsversuch mit exemplarischen Ausblicken. Wien: Loecker Erhard. soziales_  
kapital, Bd. 27 (2023). Rubrik: Rezession. Wien. Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.  
27. Ausgabe 2023  
Akademisierung Sozialer Arbeit  
Bakic, Josef / Coulin, Johanna / Kronberger, Gabriele (Hg.) (2022):  
Praxis Sozialer Arbeit in Österreich  
Ein Ordnungsversuch mit exemplarischen Ausblicken  
Wien: Loecker Erhard  
Bei der scheinbar einfachen Frage, wo Sozialarbeiter_innen überall tätig sind, hat so manch eine_r im  
ersten Moment vielleicht Schwierigkeiten, die Breite der Profession in wenigen Worten darzustellen.  
Einige mögen an die Kinder- und Jugendhilfe denken, die Suchthilfe oder Streetwork, andere  
geben möglicherweise die definierten Handlungsfelder des Berufsverbands wieder. Dass die Praxis  
vielfältiger ist, als sich in einer solchen Einteilung abbilden lässt, ist gewiss. Josef Bakic, Johanna  
Coulin und Gabriele Kronberger ist es im Band Praxis Sozialer Arbeit in Österreich gelungen, die  
Diversität sozialarbeiterischer Praxis abzubilden. Es wurden 16 Handlungsfelder ausgewählt, die  
samt ihren historischen Entwicklungen und aktuellen Herausforderungen beschrieben worden sind.  
Die Auswahl der Praxisfelder erfolgte angelehnt an das Curriculum des Bachelorstudiengangs  
Soziale Arbeit in Wien. Am Ende des Buches finden sich acht Kurzdialoge, in denen die Autor_innen  
zweier Beiträge jeweils in Diskurs miteinander treten, Unterschiede und Gemeinsamkeiten ihrer  
beiden Praxisfelder aufzeigen und Anstöße zum Weiterdenken geben.  
Die drei Herausgeber_innen hatten mit diesem bereits zweiten Band zum Ziel, eine fachlich  
fundierte Einführung in die Praxisfelder Sozialer Arbeit zu geben, deren Heterogenität aufzuzeigen  
und Rahmenbedingungen zu diskutieren, unter welchen „Praxis“ stattfindet. Entstanden ist ein  
Buch aus der Praxis für die Praxis. Diesem Motto folgend wurden für die vorliegende Rezension  
sechs Sozialarbeiter_innen aus den Praxisfeldern Psychiatrie, Gewaltschutz, Asyl, Sucht,  
Wohnungslosenhilfe und Straffälligenhilfe gebeten, den Beitrag zu „ihrem“ Praxisfeld kritisch zu  
lesen – vielen Dank an dieser Stelle für die Bereitschaft dafür. Die Kolleg_innen gaben anschließend  
eine Einschätzung ab, was im jeweiligen Praxisfeld treffend abgebildet worden ist und wo sie  
Ergänzungen für notwendig erachten. Josef Bakic, Johanna Coulin und Gabriele Kronberger  
wünschten sich, mit diesem Buch die „Praxis beleben“ (S. 12) zu können. Die Gespräche mit den  
Sozialarbeiter_innen haben eindeutig gezeigt, dass dies gelungen ist und dass das Buch eine  
wunderbare Diskussionsgrundlage bietet – auch für langjährige Praktiker_innen. Die folgenden  
Statements bzw. Forderungen an die Soziale Arbeit zeigen beispielhaft die Gemeinsamkeiten der  
unterschiedlichen Beiträge und spiegeln die breite Debatte mit den Praktiker_innen wider.  
Soziale Arbeit beeinflusst Gesellschaft und vice versa! In nahezu allen Beiträgen wird deutlich  
spürbar, dass Soziale Arbeit nicht losgelöst von gesellschaftlichen Entwicklungen gedacht werden  
kann und stets von diesen beeinflusst wird. „Normen und Werte einer Gesellschaft, in denen  
es um Ausgrenzung oder Befindlichkeit geht“ (S. 38), spiegeln sich auch in den Arbeitsfeldern  
der Sozialen Arbeit wider. Eine Verknüpfung von Sozialem und Gesellschaftlichem ist essenziell.  
Politische Ausrichtungen beeinflussen, wem in welchem Ausmaß Hilfe zuerkannt wird. Ausschlüsse,  
Anspruchsberechtigungen und (eigene) Erreichbarkeiten müssen vor diesem Hintergrund reflektiert  
werden. Daher soll, so formuliert es Tina Füchslbauer in ihrem Beitrag zum Praxisfeld Psychiatrie,  
neben „individuellen Veränderungen auf der Mikroebene [...] auch gesellschaftliche Transformation  
auf der Makroebene“ (S. 45) stattfinden. Bei einer Individualisierung von sozialen Problemlagen droht  
die Gefahr, strukturelle Einflussgrößen wie Sexismus, Klassismus oder Rassismus zu übersehen.  
Die Fähigkeit der Klient_innen, sich auch widrigsten Lebensbedingungen anzupassen, darf kein  
Grund sein, diese nicht zu berücksichtigen.  
Soziale Arbeit ist politisch! Diese klare Haltung und Selbstverpflichtung dem politischen  
Mandat gegenüber wird in allen Beschreibungen der Praxisfelder deutlich. Lediglich die konkrete  
Auslegung des politischen Mandats und die erkannten Möglichkeiten, dieses umzusetzen, variieren.  
Im Praxisfeld Asyl, das von Daniel Bernhart beschrieben wird, wird etwa die Soziale Arbeit explizit  
aufgefordert, zu politisieren und auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen. Dabei  
müsse zusätzlich der globale Kontext miteinbezogen werden und europäische Entwicklungen, wie  
z.B. der schrittweise Aufbau der „Festung Europa“ lautstark in Frage gestellt und kritisiert werden.  
Im Beitrag zum Praxisfeld Sucht von Maria Fraißler wird eine kritische Soziale Arbeit gefordert,  
die sich nicht (weiter) zur Verwalterin parteipolitischer Aufträge degradieren lässt, sondern ihr  
politisches Mandat verteidigt und an ethischen Grundsätzen orientiert. Sozialarbeiter_innen der  
niederschwelligen Suchthilfe sollen demnach eine gleichheitsorientierte und antidiskriminierende  
Haltung entwickeln, „Aufträge repressiver Verdrängungsmechanismen zurückweisen“ (S. 109),  
marginalisierte Adressat_innen stärken und so sozialen Ausschlüssen entgegenwirken. Das  
politische Mandat ernst zu nehmen, heißt auch, politische Entscheidungen kritisch zu beobachten  
und, etwa im Praxisfeld Gewaltschutz, die Täterarbeit auszubauen, da es letztlich um die Verteilung  
finanzieller Mittel und eine Definitionsmacht bei konzeptionellen Entwicklungen geht.  
Soziale Arbeit ist im Wandel! In allen Beiträgen finden sich historische Bezüge, die die  
strukturellen, institutionellen und gesellschaftlichen Veränderungen im jeweiligen Praxisfeld greifbar  
machen. Eigenheiten und Eigenlogiken eines Praxisfeldes sind oftmals aus dem historischen Kontext  
erklärbar. Bemühungen um Verbesserungen und ein unermüdlicher Einsatz von Aktivist_innen haben  
zurelevantenVeränderungen, wieetwadenPsychiatriereformen, beigetragen. DaheristSystemkritik,  
auch wenn diese nicht originär im jeweiligen Praxisfeld verankert ist, notwendig und fördert langfristig  
sozialen Wandel. In der Suchthilfe zeigen sich die strukturellen Veränderungsprozesse der letzten  
Jahrzehnte bspw. durch eine Verschiebung von einer klaren Parteilichkeit hin zu einer scheinbaren  
Allparteilichkeit, der entsprechend die „Sicherheitsbedürfnisse der Vielen über die Bedarfe der  
eigentlichen Zielgruppe“ (S. 108) gestellt werden. Soziale Arbeit übernimmt mittlerweile – neben  
Polizei und Sicherheitsdiensten – sowohl in der Gemeinwesenarbeit (Bsp. Karlsplatz) als auch in  
Einrichtungen der Suchthilfe selbst exekutierende Aufgaben. Dadurch wird Soziale Arbeit auch  
zu einer, exkludierende und soziale Ungleichheiten reproduzierenden Kraft. Dem gilt es, bewusst  
entgegenzuwirken.  
Gesetzliche Rahmenbedingungen waren und sind für die Praxis der Sozialen Arbeit  
entscheidend. Auf große Veränderungen, etwa durch die Gewaltschutzgesetze, die die Arbeit  
in Frauenhäusern und Frauenberatungseinrichtungen maßgeblich prägen, oder durch das  
Unterbringungsgesetz, wird in den Praxisfeldbeschreibungen exemplarisch verwiesen. Dass es  
dauert, bis diese gesetzlichen Änderungen in der Praxis Wirkung zeigen, wird gerade am Beispiel  
des dritten Gewaltschutzgesetz deutlich: die hierin festgeschriebene Gewaltpräventionsberatung  
und die kalkulierten Stunden für Gefährdergespräche reichen nicht aus, sondern es braucht  
weiterhin Lösungen und neue Angebote. Veränderungen passieren permanent und manche der im  
Buch genannten Beispiele sind ein gutes Jahr nach der Erstpublikation nicht mehr ganz aktuell: Das  
besagte Unterbringungsgesetz z.B. erfuhr mit 1. Juli 2023 eine Novellierung, der Zusammenschluss  
Österreichischer Frauenhäuser (ZÖF) ist mittlerweile aufgelöst, auch wenn die Frauenhäuser  
(Steiermark, Kärnten, Wien und St. Pölten) natürlich weiterhin bestehen.  
Soziale Arbeit braucht die Klient_innen-Perspektive! Ohne die Sichtweise der Nutzer_innen  
und ohne Kenntnisse um ihre Versionen der Realität läuft Soziale Arbeit Gefahr, an den Bedarfen und  
Bedürfnissen der Klient_innen vorbeizuarbeiten. Dies beinhaltet auch, von Standards der Klient_  
innen auszugehen und unsere persönlichen Vorstellungen in den Hintergrund zu stellen. Es bedarf  
bspw. einer Reflexion darüber, was überhaupt für wen ein gelingendes Leben meint. Als konkretes  
Beispiel dafür sei hier auf den Beitrag von Marc Diebäcker zum Praxisfeld Wohnungslosenhilfe  
verwiesen, in welchem die Qualitäten des eigenen Wohnraums als Voraussetzung für eine  
„eigenständige und gelingende Lebensführung“ (S. 114) benannt werden. Diese Begrifflichkeit regt  
eine Reflexion darüber an, wem Definitionsmacht darüber zukommt, was „gelingend“ ist.  
Soziale Arbeit findet auch zwischen Praxisfeldern statt! Mehrfachbelastungen der  
Klient_innen bedingen Mehrfachzuständigkeiten unterschiedlicher Professionist_innen aus  
unterschiedlichen Praxisfeldern. Eine klare Zuteilung zu nur einem Praxisfeld scheint unmöglich und  
wenig zielführend. Beispiele sind endlos: Wohnungslose Menschen können auch psychiatrische  
Erkrankungen, ältere Menschen können auch Schulden oder straffällig gewordene Menschen  
können auch Kinder haben. Wie die Kurzdialoge am Ende des Buches zeigen, gibt es selbst zwischen  
solchen Praxisfeldern Überschneidungen, die auf den ersten Blick wenige Berührungspunkte  
haben, z.B. das Praxisfeld Ältere Menschen und Queere Soziale Arbeit.  
Soziale Arbeit braucht Tätigkeitsbeschreibungen! In den einzelnen Beiträgen werden  
Aspekte des Praxisfeldes, aber weniger dessen Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche beschrieben,  
was von den Test-Leser_innen jedenfalls erwartet/gewünscht worden wäre. Beim Praxisfeld  
Straffälligenhilfe etwa wird der Verein Neustart samt Leitungsbild dargestellt, aber auf Tätigkeiten  
anderer Einrichtungen der Straffälligenhilfe wird nicht verwiesen. Im Praxisfeld Psychiatrie finden sich  
umfassende Ausführungen zur queer-feministischen, rassismuskritischen und klassismuskritischen  
Sozialen Arbeit, aber nicht zu konkreten Aufgaben der Sozialarbeiter_innen in (sozial)psychiatrischen  
Einrichtungen. Im Praxisfeld Asyl wird Politisierung gefordert. Dass diese in der Praxis aber bereits  
passiert oder wie sie weiter passieren könnte (bspw. über Dossiers, das Schließen von Bündnissen,  
die Auseinandersetzung mit internationalen Best-Practice-Modellen etc.), wird nicht thematisiert.  
Am Ende der Diskussion blieb zwar offen, ob und inwieweit konkrete Tätigkeitsbeschreibungen für  
die Beiträge des Praxisbands überhaupt gewünscht gewesen wären, aber klar ist, dass es in der  
Praxis großes Interesse an einem dritten Band zu den vielfältigen Tätigkeiten von Sozialarbeiter_  
innen gibt.  
243 Seiten / EUR 19,80  
Anna Gamperl