Elisabeth Lehmer. Die Bedeutung von Zugehörigkeitsansätzen in der sozialarbeiterischen Beratung  
von jungen Frauen und Mädchen, die von Zwangsheirat bedroht oder betroffen sind. soziales_kapital,  
Bd. 28 (2024). Rubrik: Junge Wissenschaſt. Innsbruck. Printversion: http://www.soziales-kapital.at/  
28. Ausgabe 2024  
Soziale Arbeit, Staat und Zivilgesellschaft  
Die Bedeutung von Zugehörigkeitsansätzen  
in der sozialarbeiterischen Beratung  
von jungen Frauen und Mädchen,  
die von Zwangsheirat bedroht oder betroffen sind  
Elisabeth Lehmer  
Zusammenfassung  
Zwangsheirat ist ein globales Phänomen von weitreichender Bedeutung, das auch die Soziale Arbeit  
vor die Herausforderungen stellt, wirksame Interventionen zu entwickeln. Dieser Artikel basiert auf  
meiner Masterarbeit, die Fragen der Zugehörigkeit(en) im sozialarbeiterischen Beratungskontext  
untersucht. Expertinneninterviews verdeutlichen, dass Zugehörigkeitsfragen eine Rolle spielen,  
besonders bei innerfamiliären Konflikten, die zumeist mit ambivalenten Gefühlen gegenüber  
der Familie und der Selbstidentifikation der Klientinnen einhergehen. Der Artikel betrachtet  
Zugehörigkeitsansätze in der Migrationsgesellschaft, insbesondere bei von Zwangsheirat  
betroffenen Frauen und Mädchen. Dabei wird verdeutlicht, dass eine Abkehr von Kategorisierungen  
qua Migrationshintergrund und eine Öffnung hin zu einer differenzierteren Perspektive bezüglich  
Zugehörigkeit(en) unerlässlich ist.  
Schlagworte: Soziale Arbeit, Migrationsgesellschaft, Zugehörigkeit(en), Zwangsheirat,  
Migrationshintergrund  
Abstract  
Forced marriage is a significant global phenomenon that also poses challenges for social work in  
order to create effective interventions. This article is based on my master’s thesis, which examines  
questions of belonging(s) in the context of social work counselling. Interviews with female experts  
indicate that questions of belonging play a role, particularly in intra-family conflicts, accompanied  
by ambivalent feelings towards family and the self-identification of clients. The article examines  
approaches of belonging in our migration society, with a particular focus on women and girls  
affected by forced marriage. It thus demonstrates the necessity of moving away from simplistic  
categorizations such as ‘migration background’ and embracing a more nuanced understanding of  
belonging(s).  
Keywords: social work, migration society, belonging(s), forced marriage, migration background  
1
Einleitung  
Zwangsheirat ist ein weltweites Phänomen. Die Vereinten Nationen definieren eine Zwangsheirat  
als „a marriage in which one and/or both parties have not personally expressed their full and free  
consent to the union“ (UN 2022a); in den „Sustainable Development Goals“ ist die Abschaffung von  
Zwangsheirat festgeschrieben (vgl. UN 2022b). Laut Gaby Straßburger liegt eine Zwangsheirat dann  
vor, wenn eine Frau oder ein Mann durch psychischen oder physischen Druck gegen den eigenen  
Willen zur Ehe gezwungen werden“ (Straßburger 2007: 72). Mandl und Tadic betonen in diesem  
Zusammenhang, dass „immer mehrere Faktoren und Aspekte, die sich wechselseitig bedingen“  
(Mandl/Tadic 2016: 9), einen Einfluss auf das Zustandekommen einer Zwangsehe haben (können).  
Darüber hinaus können Zwangsehen nicht an „ethnischer Herkunft, Kultur oder Religion“ (Orient  
Express 2022) festgemacht werden, sondern sie müssen vielmehr auf „Traditionen“ zurückgeführt  
werden. Eine Zwangsheirat stellt eine Form der Gewalt gegen Frauen (im familiären Kontext) dar (vgl.  
ebd.). Angaben über die genaue Anzahl der Zwangsehen in Deutschland und Österreich sind schwer  
zu ermitteln, da nur die polizeilich geführten Fälle dokumentiert sind. Für Deutschland beliefen sich  
diese im Jahr 2022 auf 67 Fälle (vgl. Statista 2022). Die Informations- und Servicestelle für Frauen  
femail in Voralberg erklärt, dass „jährlich bis zu 200 Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund  
von Zwangsheirat bedroht“ (femail 2022) sind.  
Der vorliegende Artikel beruht auf meiner Masterarbeit Zwangsheirat – ein spezifisches  
und sensibles sozialarbeiterisches Beratungsfeld (2022). Deren Ausgangspunkt war die Annahme,  
dass sich Mädchen und Frauen, die von einer Zwangsheirat bedroht oder betroffen sind, häufig  
in einem (inneren) Konflikt befinden. Dieser spielt sich zumeist zwischen den relevanten Werten  
und Normen der Herkunftsländer (der Eltern/Erziehungsberechtigten) und den Werten und Normen  
des Ankunftslandes ab, wie es Expert_innen der Bundesfachkonferenz zum Thema Zwangsheirat  
konstatieren (vgl. BuKo 2022: 4). In der Forschungsarbeit wird erörtert, inwieweit Fragen nach  
Zugehörigkeit(en) im sozialarbeiterischen Kontakt mit Betroffenen und/oder Bedrohten von  
Zwangsheirat bearbeitet werden bzw. inwieweit diese eine Rolle in der Beratung spielen. Hierzu  
wurden insgesamt zehn Expertinneninterviews geführt. Es konnten sechs Interviews mit Fachkräften  
von Fachberatungsstellen, zwei Interviews in Freizeit- und Bildungseinrichtungen für Mädchen und  
junge Frauen, ein Interview mit einer Mitarbeiterin einer Schutzeinrichtung für Betroffene und ein  
weiteres Interview im Bereich der Schulsozialarbeit geführt werden (vgl. Lehmer 2022: 49–50).i  
Im folgenden Artikel werden zwei theoretische Ansätze zum Thema Zugehörigkeit(en)  
vorgestellt. Dabei soll verdeutlicht werden, dass eine Abkehr von Kategorisierungen wie  
„Migrationshintergrund“ und den damit verbundenen Zuschreibungen und eine Öffnung hin zu  
einer differenzierten Perspektive bezüglich Zugehörigkeit(en) unerlässlich ist. Insbesondere bei  
der (sozialarbeiterischen) Arbeit mit jungen Frauen und Mädchen, die von Zwangsheirat bedroht  
und/oder betroffen sind, können beide Ansätze dazu beitragen, eine umfassendere Analyse  
von Zugehörigkeit(en) zu ermöglichen – und davon ausgehend eine Grundlage für wirksame  
Interventionen schaffen. Folgend werden der Ansatz des Belonging nach Yuval-Davis (2006) und  
das Konzept der Mehrfachzugehörigkeit nach Mecheril, Thomas-Olalde, Melter, Arens und Romaner  
(2013) vorgestellt. Anschließend folgt eine prägnante Zusammenfassung der Hauptaussagen aus  
der Masterarbeit sowie ein abschließendes Fazit.  
2
Zugehörigkeit(en) in der Migrationsgesellschaft  
Der Ansatz der Mehrfachzugehörigkeit nach Mecheril et al. (2013) sowie das Belonging nach Yuval-  
Davis (2006) sind beide darauf ausgerichtet, die Komplexität von Zugehörigkeit(en) zu erfassen.  
Beide Konzepte betonen, dass Menschen in (Migrations-)Gesellschaften oft nicht nur einer einzigen  
Kategorie angehören, sondern vielmehr verschiedenen Gruppen und Kontexten zugehörig sind.  
Mecheril et al. (2013) betonen dabei die individuelle Ebene und die Vielfalt von Zugehörigkeit(en),  
während Yuval-Davis (2006) die strukturellen und sozialen Dimensionen von Zugehörigkeit(en) in  
den Mittelpunkt stellt. Beide Ansätze berücksichtigen zudem Machtverhältnisse und -strukturen,  
die die Konstruktion von Zugehörigkeit(en) beeinflussen können. In der (sozialarbeiterischen) Arbeit  
mit jungen Frauen und Mädchen, die von Zwangsheirat bedroht und/oder betroffen sind, können  
beide Ansätze dazu beitragen, eine umfassendere Analyse der individuellen Gegebenheiten zu  
erstellen. Eine solche Analyse berücksichtigt strukturelle, soziale und kulturelle Dynamiken und  
bildet somit eine Grundlage für wirksame Unterstützung. Eine Zusammenführung beider Ansätze  
ermöglicht demnach eine differenzierte Perspektive bei der Untersuchung von Zugehörigkeitsfragen  
in Migrationsgesellschaften, was insbesondere für die genannte Zielgruppe von Bedeutung ist.  
2.1 Migrationsgesellschaft  
Paul Mecheril setzt sich im Zuge seiner Arbeit mit der „Migrationspädagogik“ mit dem Begriff der  
„Migrationsgesellschaft“ auseinander (vgl. Mecheril 2016: 12). Er erklärt, dass mit der Bezeichnung  
Migrationsgesellschaft die „gegenwärtige und historische Vielfalt des Wanderungsgeschehens und  
die wechselseitige konstitutive Dynamik von Grenzformationen und Zugehörigkeitsordnungen“  
(ebd.: 15) fokussiert werden. Demnach ist jede_r mit gegebenen sowie entstehenden Grenzen  
und „Zugehörigkeitsordnungen“ (ebd.: 12) konfrontiert, bewegt sich und handelt in diesen und  
ist von ihnen beeinflusst (vgl. Mecheril 2010: 19). Mit seiner Definition von Migrationsgesellschaft  
unterstreicht Mecheril eine Sichtweise, welche sowohl die „Entstehung von Zwischenwelten und  
post-nationalen Identitäten“ (Mecheril 2016: 15) als auch die Thematik von Grenzen (im psychischen  
und physischen Sinne) miteinbezieht. Ferner hält Mecheril fest, dass ein wesentlicher Bestandteil  
bei der Auseinandersetzung mit Migration darin liegt, zu klären, wo letztendlich Grenzen bestimmt  
wurden/werden und auf welche Weise „innerhalb dieser Grenze[n] mit Differenz, Heterogenität und  
Ungleichheit“ (Mecheril 2010: 12) verfahren wird. So verdeutlichen die Ausführungen von Mecheril,  
dass es in der sogenannten Migrationsgesellschaft zu Grenzziehungen kommt, welche auch  
Hierarchisierungen mit sich bringen.  
2.2 Grundsätzlicher Zugang: Belonging  
In Migrationsgesellschaften können Menschen verschiedenen Aus- und Eingrenzungen unterliegen  
(vgl. Mecheril 2010: 16). Folglich sind Zugehörigkeit(en) im Kontext von Migrationsgesellschaften  
oft durch komplexe Strukturen geprägt. Der Ansatz von Yuval-Davis betont, dass Zugehörigkeit(en)  
nicht nur individuell, sondern auch strukturell geformt sind. Bei Auseinandersetzung mit diesen  
müssen insbesondere auch gegebene Machtstrukturen berücksichtigt werden (vgl. Yuval-Davis  
2006: 198–200). Gleichzeitig integriert Yuval-Davis in ihren Ansatz individuelle Erfahrungen,  
Identifikationen, Emotionen und Wertvorstellungen (vgl. ebd.: 202–204). Auf diese Weise wird die  
Komplexität von Zugehörigkeit(en) in verschiedenen Kontexten besser erfasst, wodurch auch die  
Vielfalt von Zugehörigkeit(en) in Migrationsgesellschaften besser verstanden werden kann. Der  
Ansatz des Belonging nach Yuval-Davis ermöglicht, die Wechselwirkungen zwischen individuellen  
Erfahrungen und gesellschaftlichen Strukturen zu erfassen. Yuval-Davis beschreibt Belongingii  
folgendermaßen:  
„People can ‚belong‘ in many different ways and to many different objects of  
attachments. […] [B]elonging can be an act of selfidentification or identification by  
others, in a stable, contested or transient way. Even in its most stable ‚primordial‘  
forms, however, belonging is always a dynamic process […].“ (Yuval-Davis 2006:  
199).  
Die angeführte Definition verdeutlicht, dass die Art und Weise, wie und wozu sich Menschen  
zugehörig fühlen, weder festgeschrieben ist noch determiniert werden kann, sondern vielmehr ein  
dynamischer Prozess ist. Für die vertiefende Analyse unternimmt Yuval-Davis eine Dreiteilung, um  
die einzelnen zu berücksichtigenden Ebenen gesondert darstellen und somit den Begriff in seiner  
Komplexität fassen zu können (vgl. ebd.: 198–204).  
2.1 Soziale Positionierung und Positioniertheit (social locations)  
Die erste Analyseebene ist die der sozialen und ökonomischen Positionierung und Positioniertheit.  
Für die deutsche Übersetzung der von Yuval-Davis verwendeten Begrifflichkeit – „social locations“  
– wurde sich an den Begriffsdefinitionen von Daniel Bartel (2015) orientiert. In seinem Beitrag in der  
Broschüre des Antidiskriminierungsverbands Deutschland (advd) geht er auf Positioniertheit und  
Positionierung in Beratungseinrichtungen und die Folgen für die Klient_innen ein. Bartel thematisiert  
hierbei die Bedeutung von gesellschaftlichen Machtverhältnissen, welche ihm zufolge auf jede  
Person einer Gesellschaft Auswirkungen haben. Das bedeutet, dass es auch für Sozialarbeiter_  
innen notwendig ist, sich mit diesen zu beschäftigen. So bezieht sich laut Bartel die Bezeichnung  
Positionierung auf die Verortung von innen, also die eigene Verortung einer Person, und die  
Positioniertheit auf die Einordnung von außen (vgl. Bartel 2015: 15).  
Yuval-Davis erklärt, dass mit der sozialen Positionierung und Positioniertheit die  
Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht, einer Volksgruppe, einer Klasse, einer Nation,  
einer bestimmten Altersgruppe, einem Verwandtschaftskreis oder auch einer Berufsgruppe  
gemeint ist, wobei die einzelne Positionierung und Positioniertheit in Bezug auf Machtfragen  
unterschiedlich gewichtet ist (vgl. Yuval-Davis 2006: 199). Diesbezüglich spricht Yuval-Davis von  
den Machtachsen („axis of power“), wobei die jeweilige soziale Positionierung und Positioniertheit  
meist nicht entlang einer einzelnen Machtachse der Differenz zu verorten ist. Daher unterstreicht  
Yuval-Davis die Bedeutung des Intersektionalitäts-Ansatzes für die Auseinandersetzung mit der/  
den Zugehörigkeit(en). Dessen Relevanz begründet sie damit, dass sich jeder Mensch theoretisch  
auch nur mit einer Identitätskategorie („identity category“) identifizieren kann, gleichzeitig aber  
die soziale Positionierung und Positioniertheit anhand von diversen Differenzachsen („axis of  
difference“) gebildet werden. Eine weitere Grundannahme der intersektionellen Analyse ist,  
dass sich die überschneidenden Differenzkategorien („intersecting social divisions“) letztendlich  
gegenseitig bedingen. Dementsprechend kann für die jeweiligen Differenzkategorien, welche dann  
die soziale Positionierung und Positioniertheit ergeben, keine gesonderte und greifbare Bedeutung  
herausgearbeitet werden, da diese ineinandergreifen und dies individuell unterschiedlich abläuft.  
Yuval-Davis erläutert dies an einem Beispiel: die Einordnung als Frau wird auch bedingt durch  
weitere Kategorien wie die Schicht, das Alter oder Zugehörigkeit(en) zu einer bestimmten Minderheit,  
weswegen in Bezug auf die Kategorie Frau nicht eine allgemeine Aussage abgeleitet werden.  
Unabhängig von den Kategorien/der Kategorie, mit welchen/r sich der_die Einzelne identifiziert, wird  
die soziale Positionierung und Positioniertheit also von unterschiedlichen Differenzachsen bedingt.  
Zudem zeigt Yuval-Davis, dass Machtgefälle auf vielfältige Weise auf die einzelnen Individuen  
Auswirkungen haben.  
Dennoch erklärt Yuval-Davis eine politische Sichtbarmachung von Differenzkategorien als  
bedeutend für betroffene Personen, um bestehende soziale Machtachsen anzuerkennen (vgl. ebd.:  
201). Zugleich hält sie fest, dass auch eigene Bedeutungskategorien („categories of signification“)  
mithineinspielen. Dasbedeutet, dassbiszueinemgewissenGraddiejeweiligeBedeutungskategorie  
durch die individuelle Selbstbestimmung bedingt wird, aber auch ein Konstrukt von Akteur_innen  
darstellt, welche diese herstellen. Aus diesen Gründen und um ein umfassendes Verständnis von  
Zugehörigkeit(en) gewinnen zu können, ist es nach Yuval-Davis essentiell, den Zusammenhang  
zwischen der Positionierung und Positioniertheit, der Identität sowie den politischen Werten  
zu berücksichtigen. Gleichzeitig unterstreicht sie, dass eine separate Untersuchung der drei  
Analyseebenen notwendig ist, um ein detaillierteres Bild von Zugehörigkeit(en) zeichnen zu können  
(vgl. ebd.: 202).  
2.2.2 Individuelle Identifikation und emotionale Bindung (individuals’  
identifications and emotional attachments)  
In der zweiten Analyseebene beleuchtet Yuval-Davis die individuelle Identifikation und emotionale  
Bindung (vgl. ebd.: 202). Hierbei beruft sie sich mit Rekurs auf Denis-Constant Martin auf ein Konzept  
von Identitäten als Narrativen, die Menschen sich selbst und anderen über sich selbst erzählen. Bei  
Erzählungen über Identität geht es nicht ausschließlich darum, ob oder inwieweit sich ein Individuum  
einer bestimmten Gruppe zugehörig fühlt, sondern auch um Eigen- und Fremdwahrnehmungen  
davon, was die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe mit sich bringt. Auch Emotionen sind  
bedeutend, insbesondere dann, wenn Gefühle von Unwohlsein oder Unsicherheit involviert sind.  
Des Weiteren erklärt sie, dass Individuen durch ihre Interaktion in bestimmten sozialen und/oder  
kulturellen Räumen Identitätsnarrative konstruieren oder rekonstruieren (vgl. ebd.: 203). Folglich  
übernehmen Individuen die Narrative, die sie aus ihrer Umgebung kennen, und gestalten so ihre  
eigene Identität, indem sie sich in bestimmten Gruppen aufhalten.  
2.2.3 Ethische und politische Werte (ethical and political values)  
Als dritte Analyseebene von Zugehörigkeit(en) führt Yuval-Davis ethische und politische Werte  
an (vgl. ebd.: 203). Hierbei spielen Bewertungen und Beurteilungen der im vorherigen Abschnitt  
angeführten Identitäten und Zugehörigkeit(en) eine Rolle. Demnach gilt es zu berücksichtigen,  
auf welche Art und Weise die angeführten Identitäten und Zugehörigkeit(en) gesellschaftlich, aber  
auch individuell bewertet und beurteilt werden. Es wird betrachtet, welche Werte und Prinzipien  
die individuelle(n) Zugehörigkeit(en) beeinflussen und wie diese mit ethischen und politischen  
Rahmenbedingungen interagieren (vgl. ebd.: 203–204). Die genannten Bewertungen und  
Beurteilungen hängen wiederum von speziellen Einstellungen und Ideologien ab, weswegen hierbei  
bestimmte Zugehörigkeitspolitiken eine Rolle spielen.  
2.3 Spezifischer Zugang: Mehrfachzugehörigkeiten  
Die Ausführungen zur Migrationsgesellschaft nach Mecheril haben verdeutlicht, dass jede  
Person in einer Migrationsgesellschaft mit bestehenden und sich entwickelnden Grenzen und  
„Zugehörigkeitsordnungen“ (Mecheril 2016: 15) konfrontiert ist, die wiederum ihre Handlungen  
beeinflussen (vgl. Mecheril 2010: 19). Mecheril fokussiert bei der Beschäftigung mit der  
Migrationsgesellschaft einerseits das „Verhältnis von Individuen und Gruppen zu natio-ethno-  
kulturell kodierten Zugehörigkeitsordnungen“ (Mecheril 2016: 15) und andererseits die „Veränderung  
dieser Verhältnisse“ (ebd.) selbst, die ihm zufolge einen Kernaspekt der migrationspädagogischen  
Auseinandersetzung und Herangehensweise darstellen. Mecheril erklärt die Verwendung des  
Begriffs „natio-ethno-kulturell“ damit, dass mit diesem dem eher „diffuse[n] und mehrwertige[n]  
Zugehörigkeitsregister“ (ebd.) besser entsprochen werden kann, welches hinter Begriffen wie  
„Migrant/innen, Ausländer/innen“ (ebd.: 15) liegt. Bedeutend sind bei dieser Auseinandersetzung  
die „Konzepte von Nation, Ethnie/Ethnizität (und Rassenkonstruktionen) sowie Kultur (und Religion)“  
(ebd.: 15), welche auf unterschiedliche Weise hergestellt werden und Verwendung finden.  
Mecheril et al. unterstreichen die notwendige Berücksichtigung sowie die Existenz von  
Mehrfachzugehörigkeiten, da „Variationen der Möglichkeit von Verbundenheit und Zugehörigkeit  
zu mehreren national-kulturellen Kontexten die Normalform darstellen“ (Mecheril et al. 2013: 9).  
Somit besagt der Begriff „Mehrfachzugehörigkeiten“, dass Zugehörigkeit vielschichtig ist und auf  
unterschiedlichen Ebenen zum Tragen kommt. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass dies für  
das einzelne Individuum letztendlich vor allem ein „Pendeln, das faktisch-imaginative Bewegen  
zwischen Zugehörigkeitskontexten sowie Mehrfachzugehörigkeiten“ (ebd.) bedeutet. Zudem kann  
dieses Verständnis unterstützend bei der Auflösung der dichotomen Idee zwischen dem Wir und  
den Anderen wirken, da es Überschneidungen wie auch Gleichzeitigkeiten betont (vgl. Mecheril  
2001: 45–47).  
Daraus lässt sich folgern, dass der „Anerkennung von Mehrfachzugehörigkeit“ (ebd.: 45) in  
der heutigen Gesellschaft eine große Bedeutung zukommt. Dennoch führt Mecheril in Bezug auf  
die Anerkennung von Mehrfachzugehörigkeit auch kritische Stimmen an, welche besagen, dass  
„Politiken der Anerkennung minoritäre Gruppenzugehörigkeiten“ (Mecheril 2001: 45) erzeugen  
(können) oder diese auch verfestigen. Zudem wird dadurch die Vorstellung von der Existenz einer  
Mehrheit und einer Minderheit, die in einer Gesellschaft lebt, bestärkt. Nichtsdestotrotz kann der  
Ansatz unterstützend darin sein, herrschende Zugehörigkeitsordnungen zwar nicht in erster Instanz  
aufzulösen, aber sie als professionell handelnde Person nicht noch weiter zu reproduzieren. Folglich  
ermöglicht der Ansatz eine Perspektive, welche Klient_innen die Möglichkeit gibt, unabhängig von  
Zuschreibungen ihre Mehrfachzugehörigkeiten zu erkennen, zu entfalten und sie vor allem als  
„normal“ anzusehen.  
3
Hauptaussagen der Forschung: Zugehörigkeit(en) und Zwangsheirat  
FüreineVeranschaulichungderinderTheorieeventuellabstrakterscheinendenZugehörigkeitsansätze  
werden folgend die Kernaussagen der Masterarbeit dargestellt. Die Forschungsarbeit hat sich  
auf die Expertise von Fachkräften gestützt, um Auskunft darüber geben zu können, inwiefern  
die Zugehörigkeit(en) von Mädchen und jungen Frauen, die von Zwangsheirat bedroht und/oder  
betroffen sind, im sozialarbeiterischen Alltag berücksichtigt werden. Hierbei wurde sich in erster  
Linie auf die Wahrnehmungen, Erfahrungen, Wissensbestände und Einordnungen der interviewten  
Personen gestützt.  
Yuval-Davis verweist auf der ersten Analyseebene auf unterschiedliche Kategorien, zu  
welchen sich Individuen zuordnen oder zu denen sie von außen zugeordnet werden, woraus sich  
in der Gesamtheit die Positionierung und Positioniertheit ergeben (vgl. Yuval-Davis 2006: 199–200).  
Bei der Datenerhebung haben sich einzelne Faktoren abgezeichnet, welche in unterschiedlichem  
Ausmaß Bedeutung haben und so auf die eigene/n Zugehörigkeit(en) Einfluss nehmen. In Bezug  
auf die Familie, zu der sich die Mädchen und jungen Frauen zuordnen oder zugeordnet werden,  
konnte gezeigt werden, dass dieser Kontext von Einschränkungen, Vorgaben und auch Verboten für  
die Mädchen geprägt ist (vgl. Lehmer 2022: 81). Ferner verdeutlichen einige Interviewpartnerinnen  
von Fachstellen, dass es hier schlussendlich „um die Kontrolle der weiblichen Sexualität“ geht (vgl.  
ebd.: 58). Dies unterstreicht eine weitere Interviewpartnerin:  
„Ja und die Spitze des Eisberges ist die Zwangsverheiratung. Und diese, diese  
Einschränkung der Persönlichkeitsentwicklung, die im Grunde dazu dient, die  
Sexualität, die Jungfräulichkeit zu kontrollieren, also die Erfahrung machen wir hier in  
der Beratungsstelle, die führt zu Konfliktsituationen, weil sie häufig in der Pubertät  
sind und andere Ideen haben ihre, äh ihr Leben zu gestalten, auch perspektivisch.“  
(Ebd.: 58)  
So kann von einem Machtgefälle zwischen den Mädchen und jungen Frauen als Mitgliedern der  
Familie einerseits und dem Familiensystem andererseits ausgegangen werden. Aufgrund der  
vorgegebenen Struktur und des damit einhergehenden fehlenden Freiraums kann die Zuordnung  
zur Familie nach Yuval-Davis als von außen bedingt angesehen werden. In diesem Zusammenhang  
ist die Berücksichtigung der Positioniertheit, also ein von außen bestimmter Standpunkt, in diesem  
Falle von der Familie, wichtig. Dementsprechend ist die soziale Positionierung der Klientinnen sehr  
stark von außen geprägt und bedingt. Auch die Kategorie Mädchen/Frau ist zu berücksichtigen.  
Auffällig ist hierbei, dass es starke Vorgaben dazu gibt, wie sie sich als Mädchen oder junge  
Frau zu verhalten oder zu benehmen haben (vgl. Lehmer 2022: 82). Eine Befragte schildert dies  
folgendermaßen:  
„[I]n jedem Schritt wurde sie erinnert, dass sie ein Mädchen ist, mach das nicht, weil  
du eine Mädchen bist, ah, es steht dir nicht zu, weil du eine Mädchen bist, sprich es  
nicht so, weil du eine Mädchen bist […] In diese Frauenrolle ist sie, seit sie zur Welt  
gekommen ist, […] ist sie reingewachsen […].“ (Ebd.: 58)  
Die Ergebnisse verdeutlichen die bei Yuval-Davis angeführten Machtstrukturen. Yuval-Davis erklärt,  
dass die Zuordnung zu bestimmten Kategorien immer auch in bestehenden Machtstrukturen  
stattfindet, was auf das jeweilige Individuum unterschiedliche Auswirkungen hat (vgl. Yuval-Davis  
2006: 199–200).  
Unterstützt durch das Konzept von Yuval-Davis konnten sowohl die gegebenen  
Differenzkategorien, zu welchen sich die Mädchen und jungen Frauen zuordnen oder zugeordnet  
werden, wie auch die damit einhergehenden Wechselwirkungen unter Berücksichtigung gegebener  
Machtstrukturen aufgedeckt werden. Für die vulnerable Zielgruppe junger Frauen und Mädchen,  
die von Zwangsheirat bedroht und/oder betroffen sind, ist es wichtig, zu berücksichtigen, dass ein  
Zusammenspiel der einzelnen Differenzkategorien wie Familie und Geschlecht gegeben ist.  
Yuval-Davis widmet sich auf der zweiten Analyseebene der eigenen Identifikation, was  
WahrnehmungsowieGefühlemiteinschließt;dieWahrnehmungschließtauchFremdwahrnehmungen  
mit ein (vgl. Yuval-Davis 2006: 202). Einige Interviews haben gezeigt, dass Klientinnen während des  
Hilfeprozesses durchaus eigene Wünsche oder Vorstellungen unabhängig von der Familiensituation  
entwickeln konnten (vgl. Lehmer 2022: 84). Daraus lässt sich folgern, dass die Mädchen und jungen  
Frauen die Identitätskategorie Geschlecht – auch in Zusammenhang mit der Identitätskategorie  
Familie – auf eine andere Weise auslegen (möchten), als es ihnen durch die soziale Positionierung  
und Positioniertheit möglich ist. Hierbei muss auch der individuelle Gewaltkontext betrachtet  
werden, wobei die Eigenwahrnehmungen der Klientinnen unbedingt berücksichtigt werden muss.  
Darüber hinaus muss das Zusammenspiel von Eigen- und Fremdwahrnehmung in Bezug auf  
die jeweilige Kategorie/Gruppe beachtet werden. So untermauern die Ergebnisse, dass Gewalt  
durchaus verbalisiert wird (vgl. Lehmer 2022: 84).  
Eine weitere wichtige Rolle kommt den Gefühlen zu (vgl. Yuval-Davis 2006: 202). Einige  
Interviewpartnerinnen geben an, dass die Betroffenen von Angst begleitet werden (vgl. Lehmer  
2022: 61–62). Drei Befragte erklären, dass Ängste unter anderem in Bezug auf mögliche Reaktionen  
der Familie bestehen, sowohl in Bezug auf das Nichteinhalten von Vorgaben und Verboten als auch  
im Falle des Verlassens der Familie oder eben des Nichtheiratens. Zugleich kann hierbei aber auch  
die Angst mitschwingen, eine Enttäuschung für die Familie zu sein. Neben dem Gefühl der Angst  
nimmt auch der Druck, den die Mädchen und jungen Frauen verspüren, viel Raum ein. Der Druck  
sowohl von Seiten der Familie, beispielsweise durch bestimmte Vorgaben, als auch von Seiten  
der Gesellschaft wirkt sich auf die Betroffenen aus und führt häufig dazu, dass sie an sich selbst  
zweifeln. Yuval-Davis unterstreicht die notwendige Beachtung von Emotionen immer dann, wenn  
solche Gefühle des Unwohlseins oder der Unsicherheit im Raum stehen (vgl. Yuval-Davis 2006:  
202).  
Mecheril et al. (2013: 9) illustrieren, dass Zugehörigkeit(en) prozessual gedacht werden  
müssen: Weniger können klare Zugehörigkeit(en) festgemacht werden, als dass es sich hierbei um  
ein Ausloten oder ein Verschwimmen handelt. Dies zeigen auch die Ergebnisse der Befragung. So  
berichten einige Interviewpartnerinnen von sehr ambivalenten Gefühlen der Klientinnen gegenüber  
der Familie, der Community und auch der eigenen Einordnung in der jeweiligen Situation (vgl.  
Lehmer 2022: 63). Ferner verdeutlichen die Ergebnisse, dass die Mädchen und jungen Frauen  
in Bezug auf ihre ethnische(n) und nationale(n) Zugehörigkeit(en) große Ungewissheit erleben.  
Präsent sind dabei Fragen darüber, welchen Werten und Normen (Herkunfts- oder Ankunftsland)  
sie sich eher verbunden fühlen (vgl. ebd.: 86). Dies veranschaulicht eine Interviewpartnerin einer  
Fachberatungsstelle mit folgenden Worten:  
„Dass sie da nicht ahm zu 100 Prozent reinpassen, dort passen sie auch nicht zu 100  
Prozent rein. Ähm, in, also dass sie, hier können sie nicht so sein wie sie es sich  
wünschen würden und in der anderen Gesellschaft auch nicht. Also es ist auch so  
ein ständiger Konflikt, ja, weil sie halt nicht wissen, was äh, wo gehöre ich jetzt  
eigentlich tatsächlich hin, also wo werde ich wirklich von allen komplett ahm  
akzeptiert. Ahm, viele erleben hier auch ganz viel ähm Rassismus. Ähm, in der Familie  
erleben sie Diskriminierung, äh in der Gesellschaft erleben sie auch Diskriminierung,  
also so es ist halt, ähm, ja auf vielen verschiedenen Ebenen.“ (Lehmer 2022: 64)  
Wie eine weitere Interviewpartnerin einer Fachstelle berichtet, ist diese Ungewissheit der eigenen  
Zugehörigkeit(en) immer wieder gegeben:  
„[D]ass sie sagen ähm, ich weiß nicht, wo ich hingehöre. Also ähm, irgendwie bin ich  
nicht wirklich äh Österreicherin, ich bin auch nicht, nicht mehr Somaliarin nur, also  
ich bin irgendwo zwischen drin und ich weiß nicht, wo mein Platz ist […] Also das  
Thema wo gehöre ich hin? Ist schon sehr stark vertreten.“ (Ebd.: 64)  
Im Bereich der Schulsozialarbeit bestätigt die Befragte genannte Gefühle und gibt an, dass  
„die Kinder dann selbst oft verunsichert sind, weil im Reisepass ganz was anderes steht, als wie sie  
sich ethisch zugehörig fühlen oder in der Familie oder die Familie ihnen die Zuschreibung macht,  
wie sie sich zugehörig zu fühlen haben.“ (Ebd.)  
Interviewpartnerinnen berichten ferner von Identitätskonflikten sowie von Loyalitätskonflikten  
(vgl. ebd.: 63–64). Fünf der Befragten erklären hierzu, dass sich die Klientinnen zwischen den  
Erwartungen ihrer Eltern, die mit Bedingungen, Verboten oder Gewalt verbunden sind, und ihren  
eigenen Wünschen entscheiden müssen, was zu einem großen inneren Konflikt führt (vgl. ebd.: 64).  
Dies verdeutlicht, dass insbesondere hinsichtlich der eigenen Wahrnehmung der Zugehörigkeit(en)  
häufig ein grundsätzlicher Identitätskonflikt besteht, in Bezug auf die Frage, ob sich die Klientinnen  
den Werten und Normen des Herkunftslandes der Eltern oder denen des Ankunftslandes  
verbunden fühlen. Die Gefühle von Ungewissheit bezüglich der eigenen Zugehörigkeit(en)  
entsprechen den Erkenntnissen von Mecheril et al. (2013). Dies betont die Bedeutung der  
Anerkennung von Mehrfachzugehörigkeit, sowohl im individuellen Kontext der Klientinnen als auch  
gesellschaftlich. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren sowie der erörterten Machstrukturen und  
Identitätskategorien, diesichwechselseitigbeeinflussenundAuswirkungenaufdieZugehörigkeit(en)  
der Mädchen und jungen Frauen haben, kann festgehalten werden: Grundsätzliche Fragen zu  
der/den Zugehörigkeit(en) sind sowohl nach Mecheril et al. (2013) wie auch im Sinne von Yuval-  
Davis (2006) schwer zu greifen. Jedenfalls kann nicht einfach von bestimmten Zugehörigkeit(en)  
ausgegangen werden. Es hat sich gezeigt, dass viele Themen und also auch Kategorien, welche  
die Zugehörigkeit(en) nach Yuval-Davis abbilden (können), in den Beratungsgesprächen virulent  
werden.  
Zuletzt werden ethische und politische Werte untersucht, die nach Yuval-Davis von  
Einstellungen bedingt werden (vgl. Yuval-Davis 2006: 203). Demnach können im Beratungskontext  
Werte (bewusst oder unbewusst) vermittelt werden, die wiederum auf die Klientinnen wirken. Hierbei  
hat sich gezeigt, dass die Art und Weise, wie Berater_innen Sprache verwenden und wie sie über  
Zwangsheirat sprechen, sowohl für die Zielgruppe als auch gesamtgesellschaftlich Wirkung hat (vgl.  
Lehmer 2022: 87–88). Zwei der Interviewpartnerinnen reflektieren beispielsweise die Bezeichnung  
„traditionsbedingte Gewalt“, die sie jedoch für unpassend halten. Stattdessen bevorzugen sie  
den Begriff „verwandtschaftsbasierte Gewalt“, da dieser die Gewaltausübung stärker auf den  
Menschen selbst bezieht. Eine der beiden Befragten betont, dass der Begriff Tradition den Kern  
des Problems nicht erfasst und dass die Zuordnung von Gewalt zu einer bestimmten Kultur oder  
Tradition problematisch ist (vgl. ebd.: 69). Eine weitere Interviewte hält zudem fest:  
„[Z]um Beispiel auch Exklusionsmechanismen, ähm, die im Zuge der Migration  
passieren, also ich glaube da muss man dieses transkulturelle Konzept auch immer  
im Hinterkopf haben, was macht es mit ähm einer Person oder einem einer Gruppe,  
wenn äh eben Migration stattfindet.“ (Lehmer 2022: 69)  
Die Befragte eines Mädchenzentrums unterstreicht, dass eine bestimmte Sprachverwendung  
es ermöglicht, Sensibilisierung zu schaffen und Diskriminierung zu vermeiden. Durch diese kann  
zudem vermittelt werden, dass Handlungen nicht automatisch Personen mit Migrationsgeschichte  
zugeschrieben werden dürfen (vgl. ebd.: 69). In diesem Kontext wurde ferner deutlich, dass auch  
das Sprechen über Gewalt und über die Zwangsheirat durch die Klientinnen auf unterschiedliche  
Weise geschieht. Zugleich hat sich gezeigt, dass die Klientinnen Gewalt erkennen (vgl. ebd.: 66–69).  
4
Fazit  
Durch die Zusammenführung der theoretischen Ansätze von Yuval-Davis (2006) und Mecheril  
et al. (2013) mit den Ergebnissen der Interviews konnte gezeigt werden, welchen Einfluss die  
verschiedenen Aspekte der Zugehörigkeit(en) auf die Zielgruppe junger Frauen und Mädchen  
haben, die von Zwangsheirat bedroht und/oder betroffen sind. Im Zuge der Datenerhebung wurde  
festgestellt, dass die Zugehörigkeit(en) in verschiedenen individuellen Fällen eine Rolle spielen,  
insbesondere bei innerfamiliären Konflikten oder Problemlagen. Diese werden von ambivalenten  
Gefühlen gegenüber der Familie, der Community und der eigenen Einordnung begleitet, wobei auch  
strukturelle und soziale Machtstrukturen eine Rolle spielen.  
Beide Ansätze erkennen an, dass Zugehörigkeit(en) nicht auf eine einzige Kategorie reduziert  
werdenkönnen.StattdessenbetonensiedieVielschichtigkeitundKomplexitätvonZugehörigkeit(en).  
Die Verwendung dieser beiden Ansätze in der Forschungsarbeit verdeutlicht weiterhin, dass die  
Situationen junger Frauen und Mädchen, die von Zwangsheirat bedroht und/ oder betroffen sind,  
in einem breiteren sozialen Kontext betrachtet werden müssen. Dies ist insbesondere erforderlich,  
da dieser, ebenso wie vorhandene Machstrukturen, die Zugehörigkeit(en) und damit verbundene  
Entscheidungsprozesse der betroffenen jungen Frauen und Mädchen beeinflussen. Besonders in  
Hinblick auf die zu Beginn angesprochene Gewalt, die eine (potentielle) Zwangsheirat darstellt,  
ist eine umfassende Perspektive unterstützend. Forschung und Interventionen, die auf diesen  
Ansätzen basieren, können dazu beitragen, Präventionsstrategien und Unterstützungsmaßnahmen  
zu entwickeln, die die Komplexität sozialer Kontexte und damit auch der Zugehörigkeit(en)  
ausreichendinRechnungstellen. AufdieseWeisekönntenMaßnahmenentwickeltwerden, mitdenen  
sowohl individuelle Bedürfnisse der Adressatinnen adressiert als auch strukturelle Veränderungen  
angestrebt werden können, um die Machtungleichgewichte, potentielle Gewaltsituationen sowie  
soziale und strukturelle Gegebenheiten anzugehen, die Zwangsheiraten begünstigen können.  
Die genannten Machstrukturen verdeutlichen die Notwendigkeit eines bewussten und  
reflexiven Umgangs mit eben diesen. Insbesondere für Sozialarbeiter_innen, die in diesen Strukturen  
tätig sind, ist ein reflektierter Umgang mit den eigenen Haltungen und Handlungen bedeutend. Dies  
gilt besonders für die Arbeit in einer Migrationsgesellschaft, da die Verwendung der vorgestellten  
Ansätze dazu beiträgt, starre Zuschreibungen zu vermeiden und stattdessen eine differenzierte  
PerspektiveaufZugehörigkeit(en)zuentwickeln. AusdiesenGründenkönnenZugehörigkeitsansätze  
in der Sozialen Arbeit eine Unterstützung darstellen, um zu erklären und zu analysieren, warum  
entsprechende (individuelle) Zugehörigkeit(en) empfunden und gegeben sind, wo die Ursprünge  
dieser Wahrnehmung liegen und ob eine Veränderung gewünscht ist.  
Verweise  
i
Die Masterarbeit wurde mit dem Forschungspreis „Integration“ des Österreichischen Integrationsfonds ausgezeichnet. Die gekürzte  
Version der Masterarbeit ist in der Mediathek des Österreichischen Integrationsfond einzusehen bzw. herunterzuladen (vgl. Lehmer 2023).  
ii In der folgenden Ausarbeitung wie auch in der Masterarbeit wurde die deutsche Übersetzung „Zugehörigkeit(en)“ verwendet, um den  
Lesefluss zu erleichtern und eine Einheitlichkeit zu ermöglichen.  
Literaturverzeichnis  
Bartel, Daniel (2015): Positioniertheit von Berater_innen und Beratungsangeboten. In:  
Antidiskriminierungsverband Deutschland advd (Hg.): Antidiskriminierungsberatung in der Praxis.  
Die Standards für eine qualifizierte Antidiskriminierungsberatung ausbuchstabiert, S. 13–19.  
BuKo–Bundesfachkonferenz(2022):PositionspapierderBundesfachkonferenzZwangsverheiratung.  
(01.12.2023).  
Lehmer, Elisabeth (2022): Zwangsheirat – ein spezifisches und sensibles sozialarbeiterisches  
Beratungsfeld. Unveröffentlichte Masterarbeit. Innsbruck Management Center Innsbruck.  
Lehmer, Elisabeth (2023): Zwangsheirat – ein spezifisches und sensibles sozialarbeiterisches  
Beratungsfeld. Österreichischer Integrationsfonds: Forschungspreis Integration, Wien. https://  
Mandl, Sabine/Tadic, Matea (2016): Zwangsheirat. In: polis aktuell. Politik lernen in der Schule (1), S.  
pdf.  
Mecheril, Paul (2001): Pädagogiken natio-kultureller Mehrfachzugehörigkeit. Vom „Kulturkonflikt“  
zur „Hybridität“. In: Diskurs, 10, S. 41–48.  
Mecheril, Paul (2010): Migrationspädagogik. Hinführung zu einer Perspektive. In: Andresen, Sabine/  
Hurrelmann, Klaus/Palentien, Christian/ Schröer, Wolfgang (Hg.): BA|MA Migrationspädagogik.  
Weinheim/Basel: Beltz, S. 7–22.  
Mecheril, Paul (2016): Migrationspädagogik – ein Projekt. In: Mecheril, Paul (Hg.): Handbuch  
Migrationspädagogik. Unter Mitarbeit von Veronika Kourabas und Matthias Rangger. Weinheim:  
Beltz, S. 8–30.  
Mecheril, Paul/Thomas-Olalde, Oscar/Melter, Claus/Arens, Susanne/Romaner, Elisabeth (2013):  
Migrationsforschung als Kritik? Erkundung eines epistemischen Anliegens in 57 Schritten. In:  
Mecheril, Paul/Thomas-Olalde, Oscar/Melter, Claus/Arens, Susanne/Romaner, Elisabeth (Hg.):  
Migrationsforschung als Kritik? Spielräume kritischer Migrationsforschung. Wiesbaden: Springer  
VS, S. 7–55.  
Orient Express (2022): Gegen Zwangsheirat. Worum es geht. https://www.gegen-zwangsheirat.at/  
worum-es-geht (01.12.2022).  
Statista (2022): Anzahl der polizeilich erfassten Fälle von Zwangsheirat in Deutschland von 2013  
Straßburger, Gaby (2007): Zwangsheirat und arrangierte Ehe – zur Schwierigkeit der Abgrenzung.  
In: Zwangsverheiratung in Deutschland. Baden-Baden: Nomos, S. 72–86.  
UN – United Nations (2022a): Child and forced marriage, including in humanitarian settings.  
(01.12.2023).  
UN – United Nations Development Programme (2022b): The SDGs in action. https://www.undp.org/  
Yuval-Davis, Nira (2006): Belonging and the politics of belonging. In: Patterns of Prejudice, 40(3),  
S. 197–214.  
Über die Autorin  
Elisabeth Lehmer, BA MA  
Elisabeth Lehmer hat an der Universität Passau und der Universität Extremadura „European Studies  
Major“ im Bachelor studiert. Daraufhin absolvierte sie den Master „Soziale Arbeit, Sozialpolitik  
und -management“ am Management Center Innsbruck. Derzeit ist sie in der Flüchtlings- und  
Integrationsberatung der Caritas in Garmisch-Partenkirchen tätig.