Ursula Müllner & Marianne Skopal. Zusammenspiel von sozialer Nachhaltigkeit und Klimagerechtig-
keit. Einblicke in die Sozialwirtschaſt. soziales_kapital, Bd. 29 (2024). Rubrik: ema. Wien.
29. Ausgabe 2024
Klimagerechtigkeit und Soziale Arbeit in Österreich
Zusammenspiel von sozialer Nachhaltigkeit und
Klimagerechtigkeit
Einblicke in die Sozialwirtschaft
Ursula Müllner & Marianne Skopal
Zusammenfassung
Im Mittelpunkt dieses Beitrages steht die Frage, welche Rolle die Sozialwirtschaft bei der Förderung
der Klimagerechtigkeit spielt. Gerade alternative Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle können
hier unterstützen und werden als Wege betrachtet, die soziale Dimension der Nachhaltigkeit zu
fördern.
Praxisbeispiele von vier ausgewählten sozialwirtschaftlichen Organisationen zeigen, wie
durch die Umsetzung von sozialer Nachhaltigkeit zur Klimagerechtigkeit beigetragen wird und
welche Initiativen, Netzwerke oder Modelle dabei unterstützend herangezogen werden können.
Die Ausführungen folgen der Annahme, dass nur durch Teilhabe und Inklusion ein Wandel hin zu
Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit vonstattengehen kann. Dabei wird einerseits verdeutlicht,
wie viel Potential bereits in der Sozialwirtschaft steckt, um einen Wandel voranzutreiben, und
andererseits gezeigt, wo Organisationen ansetzen können, die sich noch gar nicht bis wenig damit
beschäftigen oder ihr Potential nicht ausgenutzt haben.
Schlagworte: alternative Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle, Inklusion, Klimagerechtigkeit,
Partizipation, soziale Nachhaltigkeit, Sozialwirtschaft
Abstract
This paper examines the potential of the Social Economy to advance climate justice. Alternative
social and economic models, in particular, can provide support and be regarded as means of
promoting the social dimension of sustainability.
This article presents practical examples from four selected Social Economy organisations
and demonstrates how they contribute to climate justice through the implementation of social
sustainability. Furthermore, it identifies the initiatives, networks or models that are employed to
facilitate this contribution. The explanations are based on the assumption that a change towards
climate justice and sustainability can only be achieved through participation and inclusion. The
article aims, on the one hand, to raise awareness of the potential of the Social Economy to effect
change and, on the other hand, to show where organisations can begin if they are not yet involved
or are not exploiting their potential.
Keywords: alternative social and economic models, inclusion, climate justice, participation, social
sustainability, Social Economy
1
Einleitung
Die Auswirkungen der Klimakrise sind für alle Menschen spürbar, jedoch in unterschiedlichem
Ausmaß und stellen daher auch eine soziale Krise dar. Einkommensschwache Haushalte und
vulnerable Personengruppen sind besonders von den Folgen des globalen Klimawandels betroffen.
Sie sind weniger gut in der Lage, sich vor den Konsequenzen zu schützen und sich von diesen
zu erholen. Dies gilt nicht nur für Menschen im Globalen Süden, sondern auch in Österreich
(vgl. Marhold/Schranz/Weinberger 2022: 115). Im Gegensatz zu Klimaschutz oder Initiativen zur
Klimaneutralität konzentriert sich die Klimagerechtigkeit auf soziale Fragestellungen und analysiert
die unterschiedliche Betroffenheit von verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Während Klimaschutz
darauf abzielt, gesellschaftliche Prozesse effizient zu gestalten, liegt bei der Klimagerechtigkeit der
Fokus auf der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit (vgl. Liedholz 2023: 189).
Gerade die Adressierung von sozialen Aspekten der Nachhaltigkeit kann einen wichtigen
Hebel darstellen, um Gerechtigkeit zu fördern. Soziale Arbeit und sozialwirtschaftliche Organisa-
tionen können sich hierbei an bestehenden Initiativen sowie an alternativen Gesellschafts- und
Wirtschaftsmodellen orientieren, die sie bei der Implementierung unterstützen. Beispiele hierfür
sind die Gemeinwohl-Ökonomie, die Degrowth-Ökonomie oder die Solidarökonomie. Durch eine
Auseinandersetzung mit diesen Modellen können Organisationen der Sozialwirtschaft zu einer
nachhaltigen und klimagerechten Wirtschaftsweise beitragen.
In diesem Beitrag wird ausgehend von den drei Nachhaltigkeitsdimensionen auf die
dargelegten Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle eingegangen und die Bedeutung der sozialen
Nachhaltigkeit im Kampf mit den Auswirkungen des Klimawandels beleuchtet. Dazu wird die
Perspektive von vier befragten sozialen Organisationen präsentiert und anhand der Beispiele
gezeigt, welche Umsetzungsmöglichkeiten innerhalb der Sozialwirtschaft bestehen und inwiefern
diese zur Klimagerechtigkeit beitragen können.
2
Von der ökologischen Nachhaltigkeit zur Klimagerechtigkeit
Nachhaltigkeit ist nicht allein mit Umwelt-, Klima- oder Naturschutz gleichzusetzen, sondern sollte
als ein holistischer Ansatz betrachtet werden. Es handelt sich hierbei um ein Querschnittsthema,
das eine ökonomische, eine ökologische und eine soziale Dimension beinhaltet. Alle drei stehen
miteinander in Wechselwirkung und sind eng miteinander verknüpft (vgl. Pufé 2017: 100).
Im Fokus der ökonomischen Dimension stehen wirtschaftlicher Erfolg und das Wachstum
eines Systems, jedoch unter der Prämisse, dass die dafür erforderlichen ökologischen und sozialen
Ressourcen nicht übermäßig belastet oder geschädigt werden (vgl. ebd.: 101). Langfristiges
ökonomisches Wachstum trägt dabei vor allem zur Sicherstellung der menschlichen Grundbedürf-
nisse und zur Gewährleistung der Grundversorgung bei (vgl. ebd.: 104). Soziale Nachhaltigkeit zielt
darauf ab, Gemeinschaften, Organisationen oder Systeme so zu gestalten und zu betreiben, dass sie
das Wohlergehen und die Gerechtigkeit für alle Menschen fördern. Dies umfasst Chancengleichheit
in Bezug auf Bildung und Beruf, Zugang zu Informationen, Partizipation an Entscheidungsprozessen,
Bewahrung der kulturellen Vielfalt oder die Lösung von Verteilungsproblemen zwischen Regionen,
sozialen Schichten und Altersgruppen (vgl. ebd.: 102). Basis dafür sind soziale Ressourcen, wie
Toleranz, Solidarität, Integrationsfähigkeit, Inklusion, Gemeinwohlorientierung oder auch Rechts-
und Gerechtigkeitssinn (vgl. ebd.: 104).
Mit dem Fortschreiten der Klimakatastrophe wurde in den letzten Jahren ein besonderes
Augenmerk auf ökologische Nachhaltigkeit gelegt. Die Relevanz der sozialen Dimension zeigt dabei
die Debatte um Klimagerechtigkeit, in der die Klimakrise nicht vorrangig als ein Umweltproblem,
sondern vor allem als eine ethische und politische Herausforderung betrachtet wird, die mit Aspekten
wie Gleichheit, Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit zusammenhängt (vgl. BMZ 2024).
Diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, sind zugleich jene, die am stärksten von
dessen Auswirkungen betroffen sind. Während historisch die Industrieländer des Globalen Nordens
die Hauptverursacher der Klimakatastrophe sind, leiden vor allem Menschen in den Ländern des
Globalen Südens unter den negativen Folgen. Doch auch in Österreich sind bestimmte Gruppen
von den Auswirkungen überproportional stark betroffen (vgl. Institut für Ökologie und Aktions-
Ethnologie 2024). Während sich die Diskussion um die Folgen des Klimawandels anfangs vor allem
auf ökologische Aspekte, nämlich die Auswirkungen auf die Natur, konzentrierte, gewannen dessen
soziale Implikationen im Laufe der Zeit an Bedeutung: Es wurde wiederholt darauf hingewiesen,
dass der Klimawandel direkt und indirekt mit Armut und dem Lebensunterhalt von Menschen
zusammenhängt und somit das soziale Wohlergehen beeinträchtigt (vgl. Islam/Winkel 2017: 2).
Soziale Ungleichheit beeinflusst die Auswirkungen des Klimawandels in drei wesentlichen
Aspekten. Erstens ist die Wahrscheinlichkeit, dass benachteiligte Bevölkerungsgruppen den
negativen Auswirkungen des Klimawandels ausgesetzt sind, stark erhöht. Zweitens sind diese
Gruppen anfälliger für Schäden, die durch den Klimawandel verursacht wurden, und drittens
schwächt eine soziale Ungleichheit die relative Fähigkeit, mit einem Schaden umzugehen und sich
davon zu erholen (vgl. ebd.).
3
Nachhaltigkeit und die Soziale Arbeit
Die Verbindung der Sozialen Arbeit zu Nachhaltigkeitsaspekten ergibt sich aus ihrer grundlegenden
Ausrichtung auf soziale Gerechtigkeit, ökologische Verantwortung und wirtschaftliche Teilhabe (vgl.
Jones/Truell 2012: 454f.). „Soziale Arbeit und Nachhaltigkeit teilen mit dem Ziel, allen Menschen
jetzt und in der Zukunft ein ‚gutes Leben‘ zu ermöglichen, ein gemeinsames Kernanliegen.“ (Batz
2023: 118)
Ökologisches Denken lässt sich bereits seit dem Beginn der Sozialen Arbeit, bei Mary
Richmond (1861–1928) und Jane Addams (1860–1935), finden. Während Richmond den Einfluss der
Natur in der sozialen Fallarbeit berücksichtigt, zeigt sich bei Addams eine Ausrichtung der Sozialen
Arbeit auf Umwelt- und Wirtschaftskrisen sowie eine Rückbindung an die Traditionen kollektiver
Aktionen und politischer Interventionen. Eine Rückführung zur politischen Tradition der Sozialen
Arbeit ist in fast allen Konzepten und Theorien, die sich mit ökologischer Sozialer Arbeit befassen,
erkennbar (vgl. Närhi/Matthies 2016: 22–25). In den unterschiedlichen Ansätzen geht es darum,
ökologischeundsozialeGerechtigkeitgemeinsamanzustreben, beispielsweiseim„EcologicalSocial
Approach in Social Work“ (vgl. u.a. McKinnon/Alston 2016) oder in der „Environmental Social Work“
(vgl. Gray/Coates/Hetherington 2012). Ein weiteres Konzept ist die „Green Social Work“ nach Lena
Dominelli. Sie sieht Sozialarbeiter*innen auf individueller Ebene in der Verantwortung, Bewusstsein
für den Klimawandel zu schaffen und Lösungen für die sozialen Auswirkungen zu entwickeln,
insbesondere für vulnerable Gruppen, die am stärksten davon betroffen sind (vgl. Dominelli
2012: 103f.). Von besonderer Bedeutung ist für die Autorin der Zusammenschluss verschiedener
Akteur*innen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene, um strukturelle Ungleichheiten zu
beseitigen und sozialen sowie ökologischen Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken (vgl. ebd.: 99f.).
Die Ausrichtung auf soziale Gerechtigkeit, ökologische Verantwortung und wirtschaftliche
Teilhabe in der Sozialen Arbeit spiegelt sich auch in der globalen Agenda wider, die auf der „Joint
World Conference on Social Work and Social Development“ 2010 verabschiedet wurde (vgl. Jones/
Truell 2012: 454f.). Betont wird hier die Förderung sozialer und wirtschaftlicher Gleichheit, die
Achtung der Würde und des Wertes des Menschen, die Nachhaltigkeit von Gemeinschaften und
Umwelt sowie die Stärkung menschlicher Beziehungen als zentrale Aspekte Sozialer Arbeit (vgl.
Stepanek 2022: 26). Die Fähigkeit, interdisziplinär zu agieren und Stakeholder zusammenzubringen,
macht die Soziale Arbeit dabei zu einer wichtigen Akteurin.
Die Umsetzung sozialer Nachhaltigkeit trägt erheblich zur Förderung von Klimagerechtigkeit
bei, da sie die gerechte Verteilung von Ressourcen, Chancen und Belastungen in Bezug auf den
Klimawandel fördert und jene unterstützt, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels
betroffen sind. Dabei muss unterschieden werden, ob die Soziale Arbeit hier als Profession
betrachtet wird und also die Arbeit mit Menschen im Fokus steht oder ob die Sozialwirtschaft
in den Blick genommen wird: Soziale Arbeit beinhaltet Unterstützungs- und Hilfsprozesse für
Personen, Gruppen und das Gemeinwesen. Das Ziel Sozialer Arbeit ist unter anderem, die soziale
Teilhabe, die Lebensbedingungen und Lebensqualität der Menschen zu verbessern (vgl. obds
2023). Im Gegensatz dazu betrachtet die Sozialwirtschaft die unternehmerische Ausrichtung von
sozialen Diensten und Einrichtungen. Sie stellt einen Bereich des Wirtschaftens dar, der sich mit
Gütern beschäftigt, die als „sozial“ definiert werden, insbesondere mit der Bereitstellung von
Dienstleistungen für und mit betroffenen Personengruppen (vgl. Grunwald/Lange 2018: 45). In einem
breiteren Begriffsverständnis umfasst die Sozialwirtschaft all jene Organisationen, Unternehmen
und öffentlichen Einrichtungen, die soziale Dienstleistungen erbringen, wobei die Soziale Arbeit als
Menschenrechtsprofession eine Kerndienstleistung darstellt (vgl. Stepanek 2022: 21f.).
DieFokussierungaufUnterstützungs-undHilfsprozessewirddurchalternativeGesellschafts-
und Wirtschaftsmodelle gestärkt, weshalb die Sozialwirtschaft gezielt bei der Erreichung der Ziele
der Sozialen Arbeit unterstützen kann. So orientieren sich Soziale Arbeit und soziale Organisationen
häufig an bestehenden Initiativen und alternativen Modellen, die nicht nur bei der Umsetzung von
Nachhaltigkeitsstrategien helfen, sondern auch entscheidend zur Förderung von Klimagerechtigkeit
beitragen. Eng verknüpft mit der Forderung nach Klimagerechtigkeit und einem guten Leben für alle
ist auch die Forderung nach gerechten und nachhaltigen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodellen
(vgl. Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie 2024).
4
Alternative Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle
Im Folgenden werden alternative Wirtschaftsmodelle vorgestellt, die besonders anschlussfähig für
die Sozialwirtschaft sind. Ausgewählt wurden die Gemeinwohlökonomie, die Degrowth-Ökonomie
und die Solidarökonomie, da sie auf Prinzipien und Werten basieren, die die Sozialwirtschaft bei
der Erreichung ihrer Ziele und hinsichtlich ihrer Ausrichtung bestmöglich unterstützen. Durch ihren
Fokus auf soziale Gerechtigkeit, nachhaltiges Wirtschaften und partizipative Strukturen sind sie für
die Sozialwirtschaft besonders anschlussfähig. Alle drei Modelle setzen dabei auf unterschiedlichen
Ebenen an: Während Gemeinwohl-Ökonomie und Solidarökonomie vor allem auf der Organisations-,
also der Mikroebene wirken, operiert das Degrowth-Modell auf der Makroebene und erfordert eine
umfassende Neuausrichtung der Wirtschaft.
4.1 Gemeinwohl-Ökonomie
Die Gemeinwohl-Ökonomie stellt das gute Leben und das Wohl aller Menschen auf einem gesunden
Planeten in den Mittelpunkt. Obwohl das Modell vorrangig für Organisationen und Unternehmen
entworfen wurde, können sich auch Bildungseinrichtungen, Gemeinden und Regionen der
Gemeinwohl-Ökonomie anschließen (vgl. Gemeinwohl-Ökonomie Österreich 2024). Der Erfolg
einer Organisation wird entsprechend auch nicht am monetären Gewinn gemessen, sondern an
der Entwicklung hin in Richtung eines sozialen, ökologischen, demokratischen und solidarischen
Wirtschaftens (vgl. Pirgmaier/Gruber/Gerold/Stocker 2015: 49). Diesen Ansatz verfolgt auch
die Sozialwirtschaft, in der der Sinn und Zweck einer Organisation das Erreichen sozialer oder
gemeinnütziger Ziele ist (vgl. Wendt 2016: 8).
Laut Stepanek (2022: 61) lässt sich das Modell der Gemeinwohl-Ökonomie gut in
sozialwirtschaftliche Organisationen integrieren. Aufgrund der starken Fokussierung auf die soziale
Mission und Bereitstellung von sozialen Dienstleistungen werden viele Aspekte der Gemeinwohl-
Ökonomiehierbereitsberücksichtigt,siebasierenauffünfGrundwerten:Menschenwürde,Solidarität
und soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitentscheidung.
Organisationen, die sich dem gemeinwohlorientierten Wirtschaften verpflichten, orientieren sich
an diesen Werten und beachten diese in der Interaktion mit ihrem Umfeld, den sogenannten
Berührungspunkten. Dazu zählen Lieferant*innen, Eigentümer*innen und Finanzpartner*innen,
Mitarbeitende, Kund*innen und Mitunternehmer*innen sowie das Umfeld (vgl. Gemeinwohl-
Ökonomie Österreich 2024).
Ausgehend von einer Aufstellung von Grundwerten und Berührungspunkten ergibt sich
eine Matrix mit 20 Themenfeldern, welche als zentrales Instrument eingesetzt wird. In dieser
wird abgebildet, welchen Stellenwert zum Beispiel die Werte „Solidarität und Gerechtigkeit“ bei
den verschiedenen Berührungspunkten haben und welche Maßnahmen zu ihrer Erreichung
seitens der Organisation getätigt werden (vgl. Felber 2021: 32f.; Blachfellner et al. 2023: 8). Diese
Auseinandersetzung mit den gemeinwohlorientierten Werten unterstützt Organisationen bei der
Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen und dadurch kann es gelingen, die soziale, die ökologische
und die ökonomische Dimension zu einem holistischen Ansatz zu verbinden.
Abbildung 1: Gemeinwohlmatrix 5.0
(Stepanek 2002: 60, zit.n. Blachfellner et al. 2023: 8)
Um das Handeln der Organisationen messbar und vergleichbar zu machen, kann die Gemeinwohl-
Bilanz herangezogen werden. Im Rahmen eines Zertifizierungsprozesses werden die Themenfelder
entweder durch die Organisation selbst oder durch ein externes Audit bewertet und so wird die
aktuelle Positionierung innerhalb der Matrix gemeinwohlorientierten Handelns sichtbar gemacht
(vgl. Gemeinwohl-Ökonomie Österreich 2024).
Da das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie auf Freiwilligkeit basiert, ist es in seiner
Wirksamkeit begrenzt und kann einen Mehraufwand innerhalb von Organisationen erfordern. Daher
sollte der Ansatz nicht nur auf einer organisatorischen Ebene, sondern auch auf staatlicher und
globaler Makroebene umgesetzt werden. Zudem wird es derzeit nur von wenigen Organisationen
angewendet – um eine höhere Effektivität zu erreichen, ist es jedoch notwendig, eine breitere Masse
zur Übernahme dieses Modells zu bewegen.
4.2 Degrowth-Ökonomie
Ein weiteres Modell, das das Wohlergehen aller Bevölkerungsgruppen sowie die Erhaltung der
ökologischen Lebensgrundlagen zum Ziel hat, ist die Degrowth-Ökonomie. Kritisiert wird in diesem
Bereich vor allem das aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Weltbild mit seiner
Ideologie von permanentem Wachstum und Entwicklung (vgl. Azam 2018: 78). Das Modell basiert
auf folgendem zentralen Prinzip: Es fordert die Abkehr von einer BIP-orientierten Definition von
Wohlstand und eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik, die das tatsächliche Wohlergehen der
Bevölkerung zum Ausgangspunkt nimmt und natürliche Ökosysteme als harte Begrenzung und
Rahmung unserer menschlichen Aktivitäten berücksichtigt (vgl. Kopfmüller/Nierling/Reichel/Albiez
2016: 46).
Traditionelles wirtschaftliches Wachstum erfordert stets einen Verbrauch von physischen
Ressourcen. Selbst neue Technologien führen zu einer Produktions- und Konsumsteigerung, was
wiederum zu einem höheren Verbrauch und Umweltbelastungen führt (vgl. Pirgmaier/Gruber/
Gerold/Stocker 2015: 34f.). Angesichts dieser Herausforderungen beginnt die Auseinandersetzung
mit Degrowth, sobald man akzeptiert, dass es planetare Grenzen gibt, die nicht überschritten
werden dürfen (vgl. Savini 2023: 115). Doch kann der Degrowth-Ansatz auch Risiken für die Soziale
Arbeit und die Sozialwirtschaft bergen. Die erforderliche Reduktion der Erwerbsarbeit könnte dazu
führen, dass viele Tätigkeiten, die bisher im Rahmen bezahlter Arbeit verrichtet wurden, in den
Bereich der Selbstversorgung und freiwilligen Arbeit verlagert werden (vgl. Stepanek 2022: 54).
Dies könnte in Kombination mit der staatlichen Nicht-Finanzierung vieler sozialer Dienste aufgrund
sinkender Steuereinnahmen durch weniger Konsum und Erwerbsarbeit die De-Professionalisierung
im Sozialwesen zur Folge haben. Zudem könnte sich ein Trend entwickeln, bei dem die Bedeutung,
Anerkennung und Nachfrage nach professioneller Sozialer Arbeit abnehmen, was zu einer
Verschlechterung der sozialen Versorgung führen könnte (vgl. ebd.: 57).
4.3 Solidarökonomie
Solidarökonomie umfasst alternative Wirtschaftsformen, die Solidarität und Kooperation in den
Vordergrund stellen. Die Aktivitäten orientieren sich an den Bedürfnissen der Beteiligten und
schaffen einen Nutzen für diese (vgl. Pirgmaier et al. 2015: 52). Da es keine verbindliche Definition
der Solidarökonomie gibt, überschneiden sich solche Ansätze häufig mit anderen Modellen und
Initiativen. Exner und Kraxwald (2021: 63) zufolge weisen solidarische Wirtschaftsaktivitäten
häufig folgende Merkmale auf: sie tragen zum Lebensunterhalt bei, sind selbstverwaltet, basieren
auf Kooperation und gemeinschaftlicher Entscheidungsfindung und arbeiten an der Etablierung
solidarischer gesellschaftlicher Beziehungen. Neben traditionellen Organisationsformen wie
Verbänden, Vereinen, Genossenschaften und sozialen Organisationen findet das Modell der
Solidarökonomie auch bei einer breiten Palette spontaner, selbstorganisierter Kollektive Anwendung,
z.B. bei der Erstellung von Waren und Dienstleistungen, der Gründung von Einkaufsgemeinschaften
oder der Initiierung von Konsument*innen-Initiativen (vgl. Utting 2023: 23f.).
Im Sinne der Solidarökonomie gründen Solidarität und Kooperation auf dem Bewusstsein,
dass das planetare Ökosystem der Erde begrenzt ist und die vorhandenen natürlichen Ressourcen
schonend zu nutzen sind (vgl. Elsen 2023: 211). Ein gutes Beispiel dafür bietet das Konzept der
Sozialen Landwirtschaft, das Arbeitsintegration, psychosoziale Zielsetzungen und biologische
Landwirtschaft miteinander verbindet. Kleinbäuerliche Produzent*innen erhalten hier die
Möglichkeit eines Zuverdienstes zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage und Klient*innen werden in
die Arbeitswelt integriert. Zudem wird die biologische Lebensmittelproduktion gefördert (vgl. Elsen/
Angeli/Bernhard/Nicli 2020: 4f.).
Die Solidarökonomie hat großes Potential, den Wandel hin zu mehr Gerechtigkeit und
Orientierung an den Bedürfnissen der Beteiligten zu fördern, wird jedoch oft durch strukturelle
Herausforderungen wie eine instabile Kapitalbasis oder fehlende Ressourcen begrenzt (vgl. Elsen
2024: 71). Zudem verlangt solidarisches Wirtschaften ein hohes Maß an Verantwortung, Kooperation
und gelebter Solidarität, was gerade in der Anfangsphase vieler Projekte zum Scheitern führen
kann, wenn interne Probleme wie fehlendes Verantwortungsbewusstsein, unklare Hierarchien oder
auch persönliche Konflikte nicht überwunden werden (vgl. Möller 2008: 79–80).
Die vorgestellten alternativen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle bilden nicht das ganze
Spektrum existierender Alternativen ab. Zu erwähnen wäre hier z.B. noch die Donut-Ökonomie,
vertreten durch Kate Raworth (2018), die vor allem die planetaren Grenzen in den Blick nimmt,
aber auch auf gesellschaftliche Grenzen eingeht. Ein weiteres Konzept ist die sogenannte Sharing-
Ökonomie. Dieses Modell fokussiert auf das Teilen von Gütern und Dienstleistungen, wobei die
gemeinsame Nutzung im Zentrum steht, um Ressourcen zu schonen. Klar hiervon zu unterscheiden
ist die Commons-Debatte, die das Teilen von gemeinschaftlichen Gütern in den Vordergrund
stellt, ohne dass diese als persönliches Eigentum betrachtet werden. Aktuell betrifft dies nicht nur
natürliche Ressourcen (z.B. gemeinsames Weideland), sondern auch Wissens-Commons oder
eine freie Verfügbarkeit von Software-Programmen (vgl. Aguiton 2018: 100f.). Zu erwähnen ist
darüber hinaus das Modell der Kreislaufwirtschaft, das darauf abzielt, bestehende Materialien und
Produkte so lange wie möglich zu teilen, wiederzuverwenden und zu recyceln. Dieses wird häufig
von sozialwirtschaftlichen Organisationen implementiert. Ein Beispiel dafür ist das österreichische
Netzwerk arbeit plus, das 200 gemeinnützige soziale Unternehmen umfasst und Menschen beim
(Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt unterstützt; ein Drittel der 200 arbeit plus-Mitglieder gehört zur
Kreislaufwirtschaft und 65% der Re-Use-Betriebe in Österreich sind Sozialbetriebe (vgl. Rehbichler
o.J.).
Insgesamt sind Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit nach Stepanek (2022: 22f.) ein zentrales
Thema für die Soziale Arbeit und ihre Tätigkeitsbereiche mit Klient*innen. Für Organisationen der
Sozialwirtschaft ist es auf organisatorischer Ebene wichtig, den internen Fokus auf das Wohlergehen
der Menschen, insbesondere der Mitarbeitenden, zu legen. Darüber hinaus können die Soziale Arbeit
und die Sozialwirtschaft den Wandel hin zu alternativen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodellen
fördern, da sie über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um den gesellschaftlichen Diskurs
aufzugreifen und zu vermitteln.
5
Einblicke in sozialwirtschaftliche Organisationen
Wie kann nun die Umsetzung sozialer Nachhaltigkeit einen Beitrag zur Klimagerechtigkeit leisten
und welche Initiativen, Netzwerke oder alternativen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle können
dabei unterstützen? Vier Organisationen haben praxisrelevante Einblicke gewährt und berichtet,
wie durch ihre Tätigkeit eine Verbindung von sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit gelingt und
Klimagerechtigkeit unterstützt wird. Die Organisationen wurden deshalb ausgewählt, weil ihre
Außendarstellung (z.B. Website, soziale Medien) bereits zeigte, dass sich hier mit den Themen soziale
und/oder ökologische Nachhaltigkeit auseinandergesetzt wird. Weitere Auswahlkriterien waren die
Größe der Organisation – das Sample reicht vom kleineren Social Business bis zum Dachverband
– und die Verschiedenheit der Zielgruppen. Im Zuge von teilstrukturierten Interviews wurden
Mitarbeiter*innen oder die Geschäftsführung mit dem Ziel befragt, die erfolgreiche Implementation
sozialer und ökologischer Maßnahmen sowie Aktivitäten in der eigenen Organisation kenntlich
zu machen. Zudem wurden Fragen zur Klimagerechtigkeit, zu unterschiedlichen Netzwerken und
zum Einbezug alternativer Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle gestellt. Folgend werden die
Organisationen kurz vorgestellt und die relevanten Ergebnisse der Befragungen zusammengefasst.
Eine Interpretation und Zusammenführung der Ergebnisse mit der Literatur findet im nächsten
Kapitel statt.
5.1 dabei-austria, Dachverband berufliche Inklusion
(Interview mit Michael T. Landschau, Stabsstelle Kommunikation und Digitales, Um-
weltzeichen-Koordination)
Die Förderung von Inklusion und beruflicher Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie
ausgrenzungsgefährdeten Jugendlichen ist das zentrale Anliegen der Organisation dabei-austria.
Hierzeigtsich,dasssozialeNachhaltigkeiteinenentscheidendenBeitragzurKlimagerechtigkeitleisten
kann, indem sie sicherstellt, dass Bedürfnisse von sozial benachteiligten und den am stärksten vom
Klimawandel betroffenen Menschen (z.B. Menschen mit Behinderungen, ausgrenzungsgefährdete
Jugendliche) berücksichtigt werden. Dies kann durch Sicherstellung von Chancengleichheit,
Bildung, Ausbildung sowie Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung gewährleistet werden.
Verbesserte soziale Bedingungen ermöglichen es Menschen, widerstandsfähiger gegenüber
bestimmten Auswirkungen des Klimawandels zu werden und entsprechende Maßnahmen zur
Bewältigung der Klimaveränderung zu ergreifen. Ebenso trägt ökologische Nachhaltigkeit,
beispielsweise durch die Förderung von erneuerbaren Energien oder nachhaltige Landwirtschaft,
zur wirtschaftlichen Stärkung und Armutsbekämpfung bei, was wiederum die soziale Nachhaltigkeit
unterstützt.
Eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung der Bedürfnisse spielen gemeinnützige
Organisationen und Dachverbände, die sich mit sozialen Fragestellungen auseinandersetzen
und politische Entscheidungsträger*innen auffordern, entsprechende Rahmenbedingungen zu
schaffen. Partnerschaften mit anderen Organisationen und Netzwerken helfen, entsprechende
Anliegen umzusetzen und politischen Druck aufzubauen. So ist die Organisation dabei im Vorstand
des Österreichischen Behindertenrats sowie des Bündnisses für Gemeinnützigkeit vertreten,
unterstützt aktiv die Armutskonferenz und ist mit dem Österreichischen Umweltzeichen für
Bildungseinrichtungen zertifiziert.
5.2 LebensGroß GmbH
(Interview mit Lisa Mahajan, Sustainability Manager)
LebensGroß setzt sich für Inklusion ein. Ihre Zielgruppen sind Menschen mit Behinderungen,
Menschen, die am Arbeitsmarkt schwer Fuß fassen, arbeitslose Jugendliche und geflüchtete
Menschen. Neben einer eigenen Nachhaltigkeitsbeauftragten wurde Nachhaltigkeit auch in
der Unternehmensstrategie verankert. Es werden bereits sämtliche Daten aller LebensGroß-
Einrichtungen, welche für einen Nachhaltigkeitsbericht wesentlich sind, erfasst und auf Basis
dessen entsprechende Maßnahmen abgeleitet.
Eine Maßnahme, die soziale und ökologische Nachhaltigkeit verbindet und zur
Klimagerechtigkeit beiträgt, ist die Gestaltung von Begegnungsräumen. Hier sollen sich
unterschiedliche Personen(gruppen) gemeinsam über Nachhaltigkeit und Klimaschutz austauschen
können. Die Erstellung von Klima-Postern in einfacher Sprache und die Einbeziehung politischer
Vertreter*innen unterstützen diese Maßnahme. Ausschlaggebend für die Schaffung eines
Begegnungsraumes war eine Studie des Forschungsbüros Menschenrechte gemeinsam mit
queraum: Im Zuge ihrer Erstellung wurden die Zielgruppen von LebensGroß zu ihrem Verständnis
von Nachhaltigkeit befragt. Dabei wurde sichtbar, dass es an niederschwelligen Möglichkeiten
fehlt, sich zu diesen Themen einzubringen. Es fehlen Vorbilder, die ihre Lebensrealitäten
widerspiegeln, die Kommunikationssprache ist zu kompliziert und Mitsprachemöglichkeiten fehlen.
LebensGroß setzt daher auf Bewusstseinsbildung, sie haben gemeinsam mit Atempo eine inklusive
Klimaschutzakademie gegründet, in der sie Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten zu
Klimacoaches ausbilden, die dann ihr Wissen in Schulen und anderen Unternehmen weitergeben
können.
5.3 Sindbad GmbH
(Interview mit Maria Hofer, Social Sustainability Consultant)
Sindbad bietet seit 2016 Jugendlichen aus sozioökonomisch benachteiligten Familien ein 1:1
Mentoring an. Ein neuer Bereich ist gerade im Aufbau, welcher sich mit sozialer Nachhaltigkeit
beschäftigt und der Unternehmen auf eine zukünftige Nachhaltigkeitsberichtslegung vorbereiten
soll. Sindbad setzt bei der Verbindung sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit auf die
Bewusstseinsbildung, da die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit oftmals ein Privileg ist. Viele
Jugendliche des Sindbad-Mentoringprogramms haben keine Kapazitäten/Möglichkeiten, sich
näher damit zu beschäftigen.
Durch die folgenden zwei sozialen Aktivitäten trägt die Organisation zur Klimagerechtigkeit
bei: Zum einen ist Klimagerechtigkeit eng verbunden mit Chancengerechtigkeit, politischer
Gerechtigkeit oder auch ökonomischer Gerechtigkeit. Mit einem Mentoringprogramm wird dies
durch die aktive Integration von Jugendlichen gefördert – in der Gesellschaft, aber auch am
Arbeitsmarkt. Es werden Vorurteile abgebaut, auch vor Ort in unterschiedlichen Unternehmen.
Durch die Annäherung zweier Seiten, die sich sonst nicht oder nur am Rande begegnen, wird
ein wichtiger Beitrag zum Gerechtigkeitsverständnis geleistet. Zum anderen hat Klimagerechtigkeit
etwas mit Umverteilung zu tun. Sindbad unterstützt vor allem mit zeitlichen Ressourcen. Personen,
denen es möglich ist, Zeit zu schenken und gemeinsame Aktivitäten zu machen, tragen dazu bei,
Ressourcen in der Gesellschaft anders zu verteilen.
5.4 sozKom GmbH & Co KG
(Interview mit Rita Resch & Kathrin Stern, Geschäftsführung)
sozKom unterstützt Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, beim Ausbau ihrer sozialen
Kompetenzen. Dies erfolgt durch Kinder- und Jugendhilfemaßnahmen, Assistenzleistungen in
Bildungseinrichtungen sowie Lehrlings- und Lehrbetriebscoaching. Um soziale Nachhaltigkeit auf
der Ebene der Zielgruppe/Klient*innen umzusetzen, werden Dienstleistungen entwickelt, die sich
zum einen an deren Bedürfnissen orientieren und zum anderen auch für alle zugänglich sein sollen.
Daher gibt es bei den Angeboten zukünftig eine Preisstaffelung, damit auch einkommensschwache
Familien diese in Anspruch nehmen können.
Partizipation und Mitbestimmung von Mitarbeiter*innen sind wichtige Instrumente, um die
Zufriedenheit zu fördern und tragen entscheidend dazu bei, soziale Nachhaltigkeit Organisations-
internzugewährleisten.DafürhatdieOrganisationdasFührungsmodelldersozKomKratieentwickelt,
welches auf sozialer Nachhaltigkeit aufbaut, und setzt dieses in der Unternehmensführung um. Im
MittelpunktstehtdieFörderungeinerArbeitskultur,diealleMitarbeiter*innengleichermaßenwertschätzt.
Durch weitreichende Beteiligungs- und Partizipationsprozesse erfolgen unternehmensrelevante
Entscheidungen unter Einbezug der Mitarbeiter*innen und das organisationsinterne Know-how
fließt in diese ein. Für die Entwicklung des Modells der sozKomKratie wurde die Organisation mit
dem Trigos-Awardi ausgezeichnet.
Seit 2016 wird bei sozKom zudem das Modell der Gemeinwohl-Ökonomie umgesetzt und
die Organisation ist seitdem mittels einer Gemeinwohl-Bilanz zertifiziert. Durch die Orientierung an
den Grundwerten der Gemeinwohl-Ökonomie werden ökologische und soziale Nachhaltigkeit gut
miteinander verbunden: Die Dienstleistungen unterstützen Kinder und Familien und tragen daher
zur Umsetzung von sozialer Nachhaltigkeit und Förderung der Klimagerechtigkeit bei, wobei als
Basis die ökonomische Absicherung und Stabilität der Familien gegeben sein muss.
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Perspektiven zur Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit
Soziale Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit stehen in enger Verbindung und die Umsetzung
sozialer Maßnahmen kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass Klimagerechtigkeit gelingt.
Die Soziale Arbeit und sozialwirtschaftliche Organisationen spielen hier eine entscheidende Rolle
und sind wichtige Akteur*innen, um Gerechtigkeit und das Wohlergehen der Menschen zu fördern.
Um das Kernanliegen – ein gutes Leben für alle – zu erreichen, ist es unerlässlich, auch den
Aspekt der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. In der sozialarbeiterischen Praxis ist die direkte
Vermittlung von Nachhaltigkeitsaspekten an Klient*innen nicht immer möglich, da viele Zielgruppen
zuerst andere alltägliche Problemlagen bewältigen müssen. Dies wurde besonders von zwei
befragten Organisationen hervorgehoben. Dennoch sind soziale Organisationen angehalten, sich
mit der Thematik auseinanderzusetzen, nicht zuletzt aufgrund ihrer Vorbildwirkung und ihres
bedeutenden Einflusses in der Gesellschaft. Voraussetzung dafür sind die Unterstützung politischer
Entscheidungsträger*innen und die Bereitstellung finanzieller Mittel.
Organisationen der Sozialwirtschaft unterscheiden bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit
zwischen der Organisations-internen Ebene, ihrer Arbeit mit Klient*innen sowie ihrer Rolle
innerhalb eines gesellschaftlichen Diskurses. Organisations-intern stehen hinsichtlich der sozialen
Nachhaltigkeit vor allem Mitarbeitende im Fokus. Die Zufriedenheit am Arbeitsplatz, die Möglichkeit,
an Entscheidungsprozessen teilzunehmen, selbstbestimmte Arbeit und Weiterbildungen sowie
Transparenz sind die Basis für eine nachhaltige Unternehmenskultur. Soziale Ungleichheiten zu
verringern und gerechte Lebensbedingungen für alle zu schaffen, sind darüber hinausgehende
Anliegen sozialwirtschaftlicher Organisationen. Die externen Angebote und Maßnahmen für ihre
Klient*innen sind sehr vielfältig und reichen von der Schaffung eines inklusiven Bildungsprogramms
und des Zugangs zum Arbeitsmarkt bis hin zur Verbesserung der Lebensqualität oder der Gestaltung
von Beteiligungsprozessen.
Darüber hinaus sind die Erhöhung des Gemeinschaftsgefühls, das Aufstellen von politischen
Forderungen, eine breite Mobilisierung in der Gesellschaft sowie die Errichtung von Partnerschaften
und Netzwerken wichtige Ansatzpunkte, die auf einer gesellschaftlichen Ebene erforderlich sind und
von Organisationen umgesetzt, gefordert oder mitgetragen werden. Hier spiegeln sich auch zentrale
Elemente alternativer Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle wider, wie der Gemeinwohl-Ökonomie
oder der Solidarökonomie. Transparenz und Mitentscheidung, Teilhabe, Bewusstseinsschaffung,
Zugang zu Informationen sowie Selbstverwaltung sind Grundwerte, auf denen diese nachhaltigen
Modelle aufbauen.
Gerade die Gemeinwohl-Ökonomie bietet sozialwirtschaftlichen Organisationen einen
standardisierten Leitfaden und unterstützt diese bei der Implementierung und Umsetzung sozialer
Nachhaltigkeit auf der internen, externen und gesellschaftlichen Ebene. Von den vier befragten
Organisationen ist eine bereits seit Jahren mit der Gemeinwohl-Bilanz zertifiziert und eine weitere
Organisation stellt Überlegungen an, den Zertifizierungsprozess der Gemeinwohl-Ökonomie zu
durchlaufen.
Die Solidarökonomie umfasst all jene Wirtschaftsformen, die solidarisches und gemeinsames
Handeln und Entscheiden in den Vordergrund rücken. Gerade der Aufbau von Netzwerken und
Kooperationen oder auch die Mobilisierung der Gesellschaft sind wichtige Aktivitäten, die auf dem
Grundsatz der Solidarökonomie beruhen. Sozialwirtschaftliche Organisationen sind untereinander
oft gut vernetzt und durch Kooperationen mit anderen sozialen Organisationen werden Zielgruppen
gut eingebunden.
Im Gegensatz dazu stellt die Degrowth-Ökonomie auf eine fundamentale Neuorientierung
der Wirtschaft ab und die Abwendung vom traditionellen Glauben an unendliches Wachstum. Ein
zentraler Aspekt ist die Reduktion der Erwerbsarbeit zugunsten einer stärkeren Einbeziehung von
Freiwilligen. Sozialwirtschaftliche Organisationen spielen hierbei eine entscheidende Rolle, da sie
auf die Unterstützung freiwilliger Mitarbeiter*innen setzen. Durch ihr unentgeltliches Engagement
tragen sie zur Funktionsfähigkeit und Weiterentwicklung der Gesellschaft bei und unterstützen die
Grundprinzipien der Degrowth-Bewegung.
Wie anhand der Beispiele dargelegt, unterstützen alternative Gesellschafts- und
Wirtschaftsmodelle oder auch Initiativen sozialwirtschaftliche Organisationen dabei, soziale
Nachhaltigkeit umzusetzen und dadurch Gerechtigkeit sowie Klimagerechtigkeit zu fördern.
Gleichzeitig kann die Soziale Arbeit einen wesentlichen Beitrag leisten, in alternativen Systemen zu
denken. Angesichts der sehr unterschiedlichen sozialen Organisationen ist nicht jedes alternative
Modell oder Netzwerk für jede Organisation geeignet, da es unterschiedliche Bedürfnisse und
Herausforderungen gibt. Soziale Organisationen sollten verfügbare Alternativen sorgfältig prüfen
und das für sie passende Modell wählen beziehungsweise bei der Umsetzung auch mögliche
Kombinationen mehrerer Modelle berücksichtigen.
Klimagerechtigkeit kann nur gelingen, wenn Partizipation, Inklusion und solidarisches
Handeln gegeben sind. Diese Prinzipien bilden auch die Grundlage alternativer Gesellschafts- und
Wirtschaftssysteme, die auf Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit abzielen.
Verweise
i Mit dem Trigos-Award werden Unternehmen und Organisationen ausgezeichnet, die eine besondere Vorbildwirkung für verantwortliches
Wirtschaften und Nachhaltigkeit übernehmen.
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Über die Autorinnen
Ursula Müllner
Lehrt und forscht an der FH Campus Wien, Studiengang Sozialwirtschaft. Die aktuellen
Arbeitsschwerpunkte sind Nachhaltigkeitsmanagement und die Implementierung & Evaluierung
von Nachhaltigkeitskriterien sowie Social Business & Social Entrepreneurship.
Marianne Skopal
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum Soziale Arbeit an der FH Campus Wien
und Inklusionspädagogin. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen unter anderem partizipative
Forschung mit Menschen mit Behinderungen und Nachhaltigkeit in der Sozialwirtschaft.