Anna Fischlmayr. Soziale Arbeit und Konflikte im Wohnumfeld. Konfliktdimensionen mit dem  
KonDiWo-Modell erfassen, verknüpfen und bearbeiten. soziales_kapital, Bd. 29 (2024). Rubrik:  
29. Ausgabe 2024  
Klimagerechtigkeit und Soziale Arbeit in Österreich  
Soziale Arbeit und Konflikte im Wohnumfeld  
Konfliktdimensionen mit dem KonDiWo-Modell erfassen,  
verknüpfen und bearbeiten  
Anna Fischlmayr  
Zusammenfassung  
DieserArtikelstelltdasKonDiWo-Modell(KonfliktdimensionenimWohnumfeld)vor,mitdemKonflikte  
im Wohnumfeld in ihrer situativen, individuell/biographischen sowie sozialräumlichen Dimension  
erfasst werden können, aus denen sich wiederum konkrete Reflexions- und Handlungsebenen  
ableiten lassen. Im Sinne einer konfliktorientierten Sozialen Arbeit werden Nachbarschaftskonflikte  
nicht nur als Zeichen divergierender Interessen, sondern auch als Ausdruck verschiedener sozialer  
Lagen, gesellschaftlicher (Ungleichheits-)Verhältnisse und struktureller Bedingungen verstanden.  
Das Erkennen gemeinsamer Betroffenheiten birgt für die beteiligten Parteien das emanzipatorische  
Potential, solidarisch zu handeln. Soziale Arbeit ist gefordert, den eigenen professionellen Zugang  
als im Konfliktgeschehen wirksam zu reflektieren und Spannungsfelder zu beachten, die sich  
aus organisationellen Aufträgen, fachlich-ethischen Zielsetzungen und vielfältigen Interessen im  
Gemeinwesen ergeben.  
Schlagworte: konfliktorientierte Soziale Arbeit, Gemeinwesenarbeit, sozialraumorientierte Soziale  
Arbeit, Wohnen, Nachbarschaft  
Abstract  
This article introduces the model “KonDiWo” (Konfliktdimensionen im Wohnumfeld, translated into  
English: aspects of conflict in the sphere of housing) which provides a framework for the analysis  
and description of conflicts within the context of housing. The model identifies three distinct  
dimensions: situative, individual/biographical and social spatial. Furthermore, it establishes a  
correlation between these dimensions and the various levels of reflection and intervention that are  
relevant to social work. A conflict-oriented profession of social work understands conflicts not only  
as indications of divergent interests between neighbours, but also as manifestations of personal  
social and economic circumstances, structural (housing) conditions and societal inequalities. The  
identification of shared impact has the potential to facilitate solidarity among the parties involved  
in the conflict. Social work must be mindful of its own involvement in societal conflicts and must  
navigate the ambivalences that arise from its professional-ethical approach in conjunction with  
organisational directives and the diverse interests present within communities.  
Keywords: conflict-oriented social work, community organizing, social-spatial social work, housing,  
neighborhood conflicts  
1
Einleitung  
Die Wohnung ist wie die zweite Haut. Sie dient dem Rückzug, der Regeneration, der Pflege sozialer  
Beziehungen, dem Schutz. Sie ist Ort von Reproduktions- und auch Erwerbsarbeit sowie Ort des  
persönlichen Ausdrucks, der eigenen Sinn-Konstruktion und Identifikation. Sie grenzt aber auch an  
Nachbarwohnungen und somit deren persönlichen Ausdruck von Individualität und Alltag an. Andere  
Wohnweisen können wir als vertraut oder als irritierend, gar störend wahrnehmen. Das Einordnen  
und der Umgang mit ‚Störungen‘ hängt dabei nicht nur von persönlichen Konflikterfahrungen,  
der aktuellen (z.B. gesundheitlichen) Verfasstheit und damit dem Grad des Leidensdrucks ab,  
sondern auch von hegemonialen Diskursen, die auf die eigenen Deutungsprozesse wirken und  
diese reproduzieren (vgl. Labek 2024). Nicht zuletzt beeinflussen strukturelle Bedingungen (z.B.  
Größe und Nutzungsdichte von Wohnung und Wohnhausanlage), ob und wie stark Wohnende  
nachbarschaftlichen Einflüssen ausgesetzt sind bzw. sich diesen entziehen können.  
Das Zusammenspiel der hier bereits umrissenen Konfliktdimensionen soll im vorliegenden  
Artikel unter Einbeziehung ausgewählter Literatur beleuchtet und Interventionsformen für  
eine sozialraumorientierte Soziale Arbeit sollen abgeleitet werden. Kernstück dieses Artikels  
ist das KonDiWo-Modell zur Analyse und Bearbeitung unterschiedlicher Konfliktdimensionen  
im Wohnumfeld, das ich auf Basis meiner langjährigen Erfahrung in der Gemeinwesen- und  
Konfliktarbeit im kommunalen Wohnbau in Wien entwickelt habe. Im Folgenden werde ich zunächst  
eine konfliktorientierte Perspektive auf und von Sozialer Arbeit vorstellen, diese in wohnpolitische  
(Zugangs-)Logiken des kommunalen Wohnbaus in Wien einbetten und unterschiedliche  
sozialarbeiterische Aufträge in diesem Kontext umreißen, bevor ich das KonDiWo-Modell genauer  
beschreibe und abschließend reflektiere.  
2
Soziale Arbeit und Konflikte  
Soziale Arbeit hat grundsätzlich mit Konflikten zu tun: Sie sind in ihrem Auftrag (Hilfe und Kontrolle,  
auch im Tripelmandat) begründet und setzen sich im Umgang mit knappen Ressourcen und  
ungleich-machenden Verhältnissen sowie deren Individualisierung fort. Konflikte sind in Form  
von Ambivalenzen, Widersprüchen und biographischen Brüchen auch in den Lebenswelten  
der Adressat*innen angelegt. Diese haben das Potential, zu realen Konflikten, z.B. in der Form  
(vermeintlich) widerstreitender Interessen im Wohnumfeld, zu werden (vgl. Bitzan/Herrmann 2018:  
43ff.).  
Eine konfliktorientierte Soziale Arbeit (vgl. Bitzan/Klöck 1993) betrachtet Konflikte, die sich  
beispielsweise im Gemeinwesen in Form von nachbarschaftlichen Konflikten manifestieren, als  
Ausdruck von aus- bzw. begrenzenden, diskriminierenden oder belastenden Verhältnissen, „seien  
es interpersonale Strukturen oder gesellschaftliche Bedingungen“ (Bitzan/Herrmann 2018: 46).  
Diese Perspektive ist anschlussfähig an eine Idee des Sozialen Raums als ein Zusammenwirken von  
gesellschaftlichen, sozialen und physisch-materiellen Wechselbeziehungen. Das Gegenständliche  
von Raum wird also sozial produziert und wirkt auf das Handeln im und das Denken über Raum  
zurück. In der Produktion von Raum bilden sich gesellschaftliche und damit auch Macht- und  
Herrschaftsverhältnisse ab (vgl. Kessl/Reutlinger 2022).  
Eine konfliktorientierte Soziale Arbeit sieht das Suchen und Benennen von Konfliktursachen  
mit Adressat*innen als Chance, bestehende Machtverhältnisse zu verändern. Werden strukturelle  
KontexteaußerAchtgelassen,läuftdieSozialeArbeitGefahr,zuverkürztenInterpretationenzugelangen  
und oberflächliche Lösungen anzubieten (vgl. Bitzan/Herrmann 2018: 44). Diese Zugänge finden sich  
auch in einer emanzipativen Ausrichtung von Gemeinwesenarbeit wieder, deren Ausgangspunkt  
ebenfalls häufig soziale Konflikte darstellen. Die „Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip“ (Boulet/  
Krauss/Oelschlägel 1980) soll Probleme im Stadtteil in ihren sozialökologischen Kontexten und  
mit Hilfe einer Kollektivierung von Interessen und der Ermächtigung von Bewohner*innen eines  
Stadtteils bearbeiten.  
3
ZugängeundwohnpolitischeZusammenhängeimkommunalenWohnbau  
in Wien  
Konflikte zeigen sich in spezifischen Kontexten und Situationen. Soziale Arbeit ist immer Teil davon,  
wie sie auch Teil von Macht- und Herrschaftsverhältnissen ist, die sich sozialräumlich manifestieren.  
Obwohl sich das Modell zu Konfliktdimensionen im Wohnumfeld in andere Kontexte übertragen  
lässt, soll hier beispielhaft ihr Entstehungskontext im kommunalen Wohnbau in Wien reflektiert  
werden.  
Wohnen im Allgemeinen und der kommunale Wohnbau im Speziellen sind  
gesellschaftspolitisch umkämpft. Da Konflikte im Wohnumfeld auch Ausdruck gesellschaftlicher  
Auseinandersetzung sind, müssen Rahmenbedingungen wie Zugang und Ausschluss, Leistbarkeit  
sowie gesellschaftspolitische Diskurse bei deren Einordnung und Bearbeitung Beachtung finden.  
Die Stadt Wien hat weltweit aufgrund des Ausmaßes und der Qualität von über 2.000 stadteigenen  
Wohnhausanlagen, sogenannten Gemeindebauten, ein Alleinstellungsmerkmal. Städtische  
Wohnhausanlagen stellen gemeinsam mit dem geförderten Wohnbau ein wohn- und daher  
sozialpolitisches Steuerungsinstrument dar, um leistbaren Wohnraum herzustellen und so Mieten  
am privaten Wohnungsmarkt zu drücken. In den letzten zehn Jahren kam es jedoch zu erheblichen  
Teuerungen beim Wohnen in allen Segmenten, u.a. als Folge von Inflation, gestiegenen Baukosten,  
knapper werdendem Baugrund in einer wachsenden Stadt und der zunehmenden Spekulation mit  
Wohnungen als Wertanlagen auf einem globalen Wohnungsmarkt (vgl. Reinprecht 2019: 25ff.).  
Die Frage der Verfügbarkeit von und Zugänglichkeit zu (leistbarem) Wohnraum ist eine  
politische. Erst seit 2006 gewährt die Stadt Wien Personen ohne österreichischem Pass Zugang  
zum kommunalen Wohnbau. Neben dem Aufenthaltstitel ist eine zweijährige Hauptsitzmeldung in  
Wien eine Zugangsvoraussetzung. Ein Bonussystem („Wien-Bonus“) sorgt für eine Vorreihung von  
Personen, die bereits länger in Wien leben. Bevorzugt werden zudem Personen unter 30 Jahren, die  
ihren ersten Haushalt gründen, sowie Personen, die krankheits- oder altersbedingt, aufgrund eines  
Überbelags oder als Alleinerzieher*in mit Kind(ern) in den kommunalen Wohnbau ziehen (vgl. ebd.:  
30).  
ÜberdasAngebotderSozialenSchienekönnenPersoneninNotsituationenüberzuweisende  
soziale Einrichtungen zu einer Notfallwohnung gelangen, die teilweise unsaniert und daher günstiger  
mietbar ist. Da am privaten Wohnungsmarkt drei von vier Wohnungen befristet vermietet werden  
und rassistische Praktiken bei der Wohnungsvergabe bestehen, findet eine Verschiebung von  
Personen mit geringem Einkommen und aus dem migrantischen Arbeiter*innenmilieu vom privaten  
hin zum kommunalen Sektor statt. Der Anteil von armutsgefährdeten Haushalten im kommunalen  
Sektor ist laut EU-SILC mit 34% beinahe doppelt so hoch wie im Wiener Durchschnitt von 19%  
(vgl. Reinprecht 2019: 30). Gegenwärtige Entwicklungen zeigen eine Ethnisierung der sozialen  
Frage, die von „soziale[n] und symbolische[n] Grenzen“ (ebd.) wie Meldezeiten und dem Wien-  
Bonus abgeleitet werden könnten: Besonders für Personengruppen, die von einer gewählten oder  
erzwungenen Mobilität und dadurch einem häufigen Wohnortwechsel betroffen sind, stellen die  
Wiener Zugangskriterien eine Barriere dar.  
Darüber hinaus wirken normativ besetzte Konzepte wie jenes der „sozialen Durchmischung“  
(siehe dazu kritisch: Diebäcker 2021: 233ff.) auf Konflikte und deren Deutungen im Wohnumfeld.  
Während diffus bleibt, welche Ungleichheitsfaktoren „durchmischt“ werden (sollen), vermittelt das  
Konzept,dasseinhoherAnteilanBewohner*innenmitgewissenMerkmalennichtwünschenswertsei.  
Bewohner*innenwieProfessionist*innensindmitdemantheoretischerFundierungentbehrendenZiel  
zurückgelassen, sich um ein „gutes Zusammenleben“ zu bemühen und „Nachbarschaftsempathie,  
Ambiguitätstoleranz und Diversitätskompetenz“ (Reinprecht 2019: 32) zu zeigen bzw. zu fördern.  
Insgesamt sind nachbarschaftliche Konflikte wie auch Interventionen Sozialer Arbeit im Wohnkontext  
vor dem Hintergrund von Ungleichheitsentwicklungen am Wohnungsmarkt, der politischen  
Entscheidung hinsichtlich der Zugänge zum und Ausschlüssen vom kommunalen Wohnbau und  
der „Moralisierung der Wohnungsfrage“ (ebd.) zu reflektieren.  
4
Soziale Arbeit im kommunalen Wohnbau  
Im Falle des kommunalen Wohnbaus in Wien richtet sich wohnpartner als Teilorganisation der  
Wohnservice Wien mit kostenlosen Angeboten der Gemeinwesenarbeit, Konfliktarbeit und  
Vernetzung an Bewohner*innen. Neben wohnpartner, welche als städtisch beauftragte und  
finanzierte Organisation allparteilich und zielgruppenübergreifend handelt, sind zahlreiche weitere  
Einrichtungen Sozialer Arbeit mit unterschiedlichen, i.d.R. parteilichen, Aufträgen für bestimmte  
Adressat*innengruppen in deren Wohnumfeld tätig. Diese umfassen u.a. sozialpädagogische  
Hilfen für Familien im Rahmen der behördlichen Kinder- und Jugendhilfe, sozialpsychiatrische,  
nachgehende Versorgung von Patient*innen, mobile Unterstützung ehemals stationär betreuter,  
wohnungsloser oder von häuslicher Gewalt betroffener Personen und Familien. Abseits dieser  
Interventionen, die oft über Hausbesuche direkt in der Privatheit der Wohnung von Adressat*innen  
vollzogen werden, finden auch niederschwellige Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit und  
der gemeinwesenorientierten Sozialen Arbeit im Wohnumfeld der Adressat*innen in teilöffentlichen  
Innenhöfen oder auch im öffentlichen, wohnortnahen Raum statt.  
Welche Rolle, Position und Form der Parteilichkeit Soziale Arbeit bei Konflikten einnimmt,  
hängt u.a. von deren Aufträgen und dem (freiwilligen bzw. verbindlichen) Angebot ab. Daneben ist  
die wohnrechtliche Absicherung der Adressat*innen und die damit einhergehende Verteilung von  
Macht bzw. Abhängigkeiten zwischen Sozialer Arbeit, Adressat*innen und anderen Konfliktparteien  
bedeutsam für die Positionierungs- und Handlungsoptionen der Beteiligten. Selbstkritisch ist für  
die Soziale Arbeit mitzubedenken, dass das Arbeiten im Wohnumfeld immer einen „Grenzgang  
im Spannungsfeld öffentlich-wohlfahrtsstaatlicher Tätigkeiten innerhalb des als privat markierten  
Wohnkontextes“ (Meuth 2017: 5) darstellt und dass neben unterschiedlichen Vorstellungen von der  
richtigen Lebensführung auch verschiedene Konfliktwahrnehmungen und -bearbeitungsstrategien  
aufeinandertreffen.  
5
Das KonDiWo-Modell: Konfliktdimensionen im Wohnumfeld  
Das vorliegende Modell umfasst drei übergeordnete Dimensionen (situativ, individuell/biographisch  
undsozialräumlich),dieallewirksamsindundsichwechselseitigbeeinflussen,wennBewohner*innen  
miteinander in Konflikt stehen. Die Ebenen, in die die Dimensionen unterteilt sind – im Modell als  
Blasen abgebildet – eröffnen zugleich Reflexions- und auch Handlungspotentiale für Konfliktparteien  
wie auch Professionist*innen.  
Individuelle, biographische  
Dimension  
Situative Dimension  
Psychosoziale, gesundheitliche Ebene  
psychische und physische Gesundheit,  
emotionale Bezüge, häusliche Gewalt  
Beziehungsebene  
zwischenmenschliche Bezüge, Ereignisse u.  
Emotionen (z.B. Kränkungen)  
Lebenslage  
ökonomische Absicherung, soziale Lage,  
Betreuungspflichten, Überbelag…  
Sachebene  
Ereignisse und Rahmen des Konflikts  
Konfliktdimensionen  
im Wohnumfeld  
Deutungsebene  
unbewusste Zuschreibungen  
Professioneller Zugang  
Auftrag, fachl. Ausrichtung,  
eigene Konfliktmuster  
Strukturelle Ebene  
Größe der Wohnung(en), Dichte der  
Wohnhausanlage, Freiflächen, Umfeld der  
Wohnhausanlage und Angebote  
(Ressourcen und Zugang)  
Gesellschaftliche Ebene  
soziale Spannungsfelder,  
öffentlichkeitswirksame Diskurse  
(Medien, Politik), Rassismen,  
Sexismen, Generationenkonflikte,  
globale Krisen  
Sozialräumliche Dimension  
Normative Ebene  
Nachbarschaftliche Ebene  
gesetzliche Regelungen (Mietvertrag,  
Kündigungsgründe), formelle  
(z.B. Hausordnung), informelle Regeln d.  
Zusammenlebens  
nachbarschaftliche Geschichte,  
divergierende sozialräuml. Interessen,  
Machtasymmetrien, Multiplikator*innen  
Abb. 1: KonDiWo-Modell der Konfliktdimensionen im Wohnumfeld  
(eigene Darstellung).  
Die Motivation für die Entwicklung und Veröffentlichung des Modells ist die in der Praxis der Sozialen  
Arbeit häufig beobachtete Beschränkung der Konfliktanalyse und -bearbeitung auf die situative  
Dimension. Bei lebensweltlich ausgerichteten Zugängen finden zusätzlich auch individuelle bzw.  
biographische Aspekte Beachtung. Oft unbeachtet bleibt indes die sozialräumliche Dimension,  
die hier im weitesten Sinne verstanden wird als in Nachbarschaften, Wohnstrukturen und -normen  
sich verräumlichende gesellschaftliche (Ungleichheits-)Verhältnisse. Eine konfliktorientierte Soziale  
Arbeit fordert uns auf, neben der Würdigung des individuellen Erlebens und zwischenmenschlicher  
Bezüge sowie biographischer Einflussgrößen auch deren strukturelle und gesellschaftlich-diskursive  
Ursachen zu ergründen und Veränderungspotentiale wahrzunehmen.  
Unter Zuhilfenahme des Modells können in einer systematischen Konfliktanalyse alle  
Dimensionen mit beteiligten Akteur*innen reflektiert und auf wirkmächtige Einflussgrößen und  
Änderungspotentiale hin untersucht werden. Soziale Arbeit ist dabei nie unbeteiligt, sondern  
unterliegt professionsethischen wie auch organisationellen Aufträgen und ist gefordert, sich situativ  
in Konflikten zu verhalten. Im Sinne der Einflussdimension „Professioneller Zugang“ (siehe Abb. 1) gilt  
es daher, neben eigenen biographisch geprägten Handlungsmustern auch organisationsimmanente  
KonfliktzugängesowieBilderüberSpannungsfeldergegenüberihrenAdressat*innenzudechiffrieren,  
um ihnen nicht aufzusitzen.  
Die folgenden Unterkapitel beschreiben je eine Dimension mit ihren dazugehörigen  
Ebenen und möglichen methodischen Zugängen, auf die kursiv verwiesen wird. Für kritische  
Betrachtungsweisen und theoretische Fundierungen stütze ich mich auf Literatur.  
5.1 Konflikte in ihrer situativen Dimension  
Ausgangspunkt von (nachbarschaftlichen) Konflikten ist zunächst eine Situation oder ein Ereignis,  
das die beteiligten Personen emotional erfasst, z.B. kränkt, irritiert, wütend macht. Mitgrund  
für die emotionalen Reaktionen auf ein als störend wahrgenommenes Ereignis ist die räumliche  
Nähe zur eigenen Wohnung, die als familiärer Ort der Intimität, des Rückzugs und der Privatheit  
gilt. Der Wohnkontext befindet sich hier im Spannungsfeld zwischen öffentlich und privat, intim  
und vertraglich geregelt. Nachbarschaftskonflikte können daher familiale Konfliktmuster mit  
hoher Emotionalität aufweisen (vgl. Böhnisch 2015: 157). Während die gerichtliche Bearbeitung  
eines Konfliktfalles auf vertraglich und gesetzlich geregelte Aspekte eines nachbarschaftlichen  
Wohnverhältnisses fokussiert, kann eine außergerichtliche Konfliktregelung neben der Sachebene  
auch auf die von Deutungsprozessen und Emotionen geprägte Beziehungsebene eingehen. Sie alle  
zusammen beschreiben die situative Dimension.  
5.1.1 Sachebene  
Auf Sachebene kann ein Ereignis methodisch mit W-Fragen (Was, Wann, Wer, Wann, Wo, Wie?) im  
Dialog zwischen Professionist*in und den Konfliktbeteiligten erfasst werden. Oft stellt sich dabei  
heraus, dass das situativ Gesagte bzw. durch Gesten und Handlungen Vermittelte zwischen den  
Beteiligten unterschiedlich wahrgenommen wird. Die Wahrnehmungen des Geschehenen stehen  
mit unbewussten Deutungsprozessen in Verbindung, die von biographischen Erfahrungen und  
aktuellen Lebensumständen (siehe individuelle Dimension), dem eigenen Weltbild, aber auch von  
vorherrschenden, gesellschaftlichen Diskursen geprägt sind (siehe sozialräumliche Dimension).  
5.1.2 Deutungsebene  
Auf Deutungsebene werden Verhaltensweisen entlang der Kategorien Norm und Abweichung  
eingeordnet, die hegemonial umkämpften Deutungshoheiten unterliegen (vgl. Labek 2024:  
16). Zudem werden nachbarschaftliche Ereignisse und Handlungen – und damit handelnde  
Personen(gruppen) – einer subjektiven Zuordnung von vertraut und fremd unterzogen, die von  
bestehenden Beziehungen zwischen Konfliktparteien ausgehen bzw. diese beeinflussen.  
Räumliche Nähe bedeutet trotz idealisierter Bilder und Vergleichen von Nachbarschaften mit  
Dorfgemeinschaften noch keine spezifische soziale Nähe (vgl. Böhnisch 2015: 156), besonders  
wenn die physische Nähe eine erzwungene ist. Während Angehörige der Mittel- oder Oberschicht  
ihren Wohnort auch unter dem Gesichtspunkt „habitueller Milieuzugehörigkeiten“ (ebd.: 160) in der  
Regel selbst auswählen (können), ist eine konkrete Bestimmung von Wohnung, Wohnhausanlage  
oder teils auch Wohnbezirk im kommunalen Wohnbau nur begrenzt möglich, abhängig von der  
Verfügbarkeit von Wohnungen und dem zeitlichen Druck, unter dem Antragsteller*innen stehen.  
Für die Bearbeitung einer konflikthaften Situation ist es nun nicht nur notwendig, auf die Sachebene,  
die jeweiligen Deutungsprozesse und die von diskursiven Zuschreibungen geprägten Beziehungen,  
sondern auch auf möglicherweise hinter den Konflikten stehende Anliegen zu achten. Bedürfnisse  
hinter einem Lärmkonflikt könnten beispielsweise Einsamkeit, eine psychosoziale Belastung  
oder ein Generationenkonflikt sein. Diese sind jedoch im Sinne eines hegemonialen Diskurses  
im nachbarschaftlichen Kontext schwerer bemerk- bzw. artikulierbar als zum Beispiel störender  
Lärm (vgl. Labek 2024: 69). Methodisch gilt es entsprechend, emotionalen Reaktionen sowie  
Deutungsprozessen Raum zu geben. Gelingt ein Beziehungsaufbau zu den beteiligten Parteien,  
ist eine wichtige Voraussetzung geschaffen, um mit diesen die je vorgebrachten Beschwerden zu  
entschlüsseln und verdeckte Themen und Bedürfnisse freizulegen.  
5.1.3 Beziehungsebene  
Um die Reflexion und Artikulation eigener Bedürfnisse zu unterstützen, bedienen sich u.a. mediative  
Verfahren dem Handlungskonzept der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg  
(2016). Die Konfliktparteien werden hier allparteilich dabei begleitet, ihr situativ Beobachtetes  
bzw. Erlebtes, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu formulieren. Das Konzept zielt auf die Klärung  
von jeweiligen Erwartungen und Wünschen auf Beziehungsebene ab. Bei der bedürfnisbasierten  
Konfliktaushandlung besteht m.E. jedoch die Gefahr, unhinterfragt dem Diktat der vordergründigen  
Bedürfnisse(z.B.nachRuhe)unddamiteinemindividuellenManagementderBedürfnisbefriedigung“  
(Fraser 1994: 240) zu folgen. Demgegenüber steht ein ermächtigender, herrschaftskritischer  
Zugang einer „Politik der Bedürfnisinterpretation“ (ebd.), bei dem die tatsächlich erfahrenen  
Mängel als Folge sozialer Ungleichheiten Ausdruck finden. Dies spricht für eine verschränkte  
Betrachtung von individuellen Konfliktdimensionen und sozialräumlichen Kontexten. Denn würde  
ein Klärungsversuch eines Lärmkonflikts auf die Herstellung der gewünschten Ruhe reduziert  
bleiben und würden sich „Lösungen“ ausschließlich auf Lärmvermeidung fokussieren, könnten  
dahinterliegende Konfliktursachen missachtet und sogar disziplinierende Maßnahmen gegenüber  
(vermeintlich) störendem Verhalten angestoßen werden (vgl. Fischlmayr 2020: 152).  
5.2 Die sozialräumliche Dimension von Konflikten  
Die sozialräumliche Dimension von Konflikten umfasst eine gesellschaftliche Ebene, deren Diskurse  
und (Ungleichheits-)Verhältnisse sich in nachbarschaftlichen Kontexten, in formell-wohnrechtlichen  
und informell-tradierten Normen sowie in strukturellen Bedingungen des Wohnens verräumlichen.  
5.2.1 Gesellschaftliche Ebene  
Gesellschaftliche Diskurse prägen unsere Wahrnehmung von Konflikten und deren Einordnung.  
Dazu gehören Rassismen, Sexismen, Agism und Generationenkonflikte sowie (populistische)  
Reaktionen auf aktuelle Krisen (Klimakrise, Wirtschaftskrise, „Flüchtlingskrise“). So hat mich eine  
Bewohnerin, um ihren Zuschreibungen gegenüber Nachbar*innen Nachdruck zu verleihen, gefragt:  
„Lesen Sie denn nicht die Zeitung?“ Die Rede über eine Bewohner*innenstruktur, die hinsichtlich  
ihrer Differenzmerkmale divers ist, ist geprägt von widersprüchlichen gesellschaftlichen wie auch  
städtischenDiskursen:UrbaneTransformationen,MigrationsbewegungenundeinewachsendeStadt  
Wien treffen diskursiv auf knapper und teurer werdenden Wohnraum und eine rechtspopulistische,  
rassistischeöffentlicheAuseinandersetzungüberFluchtundMigrationinÖsterreich. Auchdiebereits  
erwähnte wohnpolitische Idee einer „sozialen Durchmischung“ in städtischen Wohnhausanlagen  
wie auch der Wien-Bonus könnte eine rassistisch gefärbte „Wir zuerst“-Denkweise im Wohnkontext  
befördern. So findet eine (Re-)Produktion gesellschaftlicher Über- und Unterordnungsverhältnisse  
statt, die „im alltäglichen Tun der Beteiligten“ (Kessl/Reutlinger 2022: 42) fortgeschrieben wird.  
Es bedarf also einer Reflexion eigener Zuschreibungen und Normbilder, um Abwertungen des*/  
der* Anderen (Othering) zu erkennen und deren Wirkung auf eigene Interessen in Konflikten zu  
entschlüsseln.  
DiegesellschaftlicheEbenemussdemnachinderKonfliktanalyseund-bearbeitungBeachtung  
finden. Voraussetzung für Professionist*innen ist die innerorganisationelle sowie eigene Fortbildung  
und Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Spannungsfeldern, die sich im Wohnumfeld  
manifestieren, und die Entwicklung einer Haltung gegenüber diskriminierenden Rhetoriken und  
Praktiken. Im Sinne politischer Bildungsarbeit gilt es, im Gemeinwesen durch Vorträge Fakten und  
Wissen zu transportieren und zu Diskussionen anzuregen. Kunst- und Kulturprojekte könnten auf  
kreativ-humoristische Weise zur kritischen Auseinandersetzung mit tabuisierten Themen beitragen.  
Dabeiistzureflektieren,dassBilderüberdenkommunalenWohnbauodergewisseWohnhausanlagen  
selbst hegemonialen Diskursen unterliegen, stigmatisierend wirken und sich in sozialräumlichen  
Konflikten fortschreiben können. Dem Verständnis einer emanzipatorischen Gemeinwesenarbeit  
folgend sind Gruppen darin zu bestärken, ihre Perspektiven öffentlich zu machen und Korrektive zu  
medial reproduzierten Bildern über „das Leben im Gemeindebau“ herzustellen.  
Die Arbeit in und mit der Öffentlichkeit ist Anspruch der Gemeinwesenarbeit, um  
unterschiedliche Interessen sichtbar zu machen und ihre Durchsetzung zu unterstützen. Es kann  
zwischen Methoden der Interessenserkundung und -klärung (siehe nachbarschaftliche Ebene),  
Methoden der Veröffentlichung von Interessen (z.B. Stadtteilmedien, Flugblätter etc.) sowie deren  
Organisation und Durchsetzung (z.B. Unterschriftenlisten, Demonstrationen) unterschieden werden.  
Letztere Herangehensweisen finden sich in der Tradition des Community Organizing wieder, das  
in den USA von Saul Alinsky entwickelt und etabliert wurde. Hinsichtlich der Veröffentlichung von  
Interessen differenziert Stoik (2013), ob sich diese an Stadtteile (z.B. Aushänge, Stadtteilzeitung) oder  
an eine breitere Öffentlichkeit richtet (z.B. via Social Media, in Leser*innenbriefen in Massenmedien  
etc.) (vgl. ebd.: 441f.).  
5.2.2 Normative Ebene  
Informelle und formelle Regeln organisieren unser Zusammenleben. Auf formeller Ebene legt der  
Mietvertrag die Bestimmungen des Wohnverhältnisses fest. Gesetzliche Grundlage ist hier das  
Mietrechtsgesetz (MRG), das für städtische Wohnhausanlagen zur Vollanwendung kommt und  
auch die Beendigung eines Mietverhältnisses regelt. Nachbarschaftskonflikte spielen dann eine  
Rolle, wenn gerichtlich nachgewiesen wird, dass Mieter*innen eine strafbare Handlung gegenüber  
einer anderen Mietpartei verübt oder das Zusammenleben, z.B. durch Beschimpfungen, erschwert  
haben (vgl. AK 2023: 196f.).  
Wie eingangs erwähnt, kann ein Gericht die Sachebene klären und darüber befinden,  
ob ein gesetzlicher Kündigungsgrund vorliegt. Dahinterliegende Konfliktdimensionen werden  
hierbei i.d.R. nicht erfasst oder bearbeitet. Seitens der Sozialen Arbeit können Vernetzungen mit  
(kostenlosen) Rechtsberatungs- bzw. Wohnungssicherungsstellen hergestellt werden, um einen  
Wohnungsverlust zu verhindern bzw. abzufedern. Im Vorfeld kann mit Hilfe einer Mediation als  
freiwilligem „Versuch, mit einem fachlich ausgebildeten neutralen Vermittler [sic*] die Kommunikation  
zwischen Streitparteien zu fördern und eine selbst verantwortete Lösung zu finden“ (BMJ 2024), ein  
mögliches Gerichtsverfahren abgewendet werden. Das Angebot einer Mediation stellt wohnpartner  
Bewohner*innen städtischer Wohnhausanlagen in Wien kostenlos zur Verfügung.  
Neben dem Mietrechtsgesetz ist die Hausordnung ein „formelles“ Regelwerk, mit dem die  
Hausverwaltung Normen des Zusammenlebens vorgibt. Auch diese unterliegen gesellschaftlichen  
Entwicklungen und wurden im Laufe der Jahre immer wieder aktualisiert. So wurde im kommunalen  
Wohnbau „Kinderlärm“ in den letzten Jahren nicht als unnötiger Lärm definiert, während dieser in  
der aktuellen Version örtlich auf „Geräusche von Spielplätzen und anderen Freiflächen“ (Wiener  
Wohnen 2022) beschränkt wird. Meiner Erfahrung nach ist es auf normativer Ebene wichtig, über  
Informationen zu rechtlichen Rahmenbedingungen sowie Handlungsspielräumen zu verfügen  
und diese an Konfliktparteien weiterzugeben. Die Verhandlung von Konflikten im Wohnumfeld auf  
Basis von Regeldurchsetzung ist nur wenig zielführend, da sie wesentliche Konfliktdimensionen  
missachtet und Soziale Arbeit Gefahr läuft, als exekutive Macht für die Durchsetzung von Regeln  
herangezogen zu werden. Es lohnt stattdessen, auch einen Blick auf informelle Normen und Regeln  
zu werfen und mit Konfliktparteien zu reflektieren, von wem diese definiert oder auch verändert  
werden. Dies könnte vermeintliche Verbote, den Rasen zu betreten, genauso betreffen wie die  
„Nutzungsrechte“ von Gemeinschaftsräumen oder Aneignungsformen von Bänken im Hof. Konflikte  
rund um sozialräumlich tradierte Normen und Regeln können sowohl einzelne Konfliktparteien wie  
auch Gruppen betreffen, deren Interessen zur Nutzung gemeinschaftlicher Flächen divergieren.  
5.2.3 Nachbarschaftliche Ebene  
Eine inspirierende theoretische Figuration für die Einordnung von Konfliktlinien und Machtgefällen  
in nachbarschaftlichen Kontexten ist jene von „Etablierten“ und „Außenseitern“. Elias und Scotson  
(1993) beforschten Machtdynamiken von Bewohner*innen zweier Dorfteile im Vororte-England der  
späten 1950er, die zu unterschiedlichen Zeiten besiedelt wurden. Obwohl sich die Bewohner*innen  
hinsichtlich ihrer Differenzmerkmale wenig unterschieden, definierten sich die alteingesessenen,  
„etablierten“ Bewohner*innen als statushöher und hielten an der Ausübung einflussreicher Ämter  
fest. Sie werteten zugezogene Bewohner*innen kollektiv als „Außenseiter“ ab (vgl. ebd.: 16–23).  
Mit diesem Modell lassen sich Generationenkonflikte analysieren, in denen Interessen und  
Normen des Zusammenlebens von etablierten Bewohner*innengruppen, die schon lange in einer  
Wohnhausanlage leben, auf Aneignungsformen junger Bewohner*innen treffen, die allein aufgrund  
ihres Lebensalters eine kürzere Wohndauer aufweisen. Ein anderes, rassistisch aufgeladenes  
Thema betrifft den Einzug von Personen, die als People of Color sichtbar sind und als solche  
gesellschaftlich und auch in ihrem Wohnumfeld häufig Diskriminierungen erfahren. Zudem sind  
etablierte Bewohner*innen u.a. mit anderen geltenden Normen und Ideen von Nachbarschaft  
eingezogen, die sich in den damals geltenden und seither überarbeiteten Hausordnungen  
ausdrückten. Schließlich genießen etablierte Bewohner*innengruppen mit lange bestehenden  
Mietverträgen einen ökonomischen Vorteil, da der Mietzins bei Neuabschlüssen oft wesentlich  
höher liegt.  
Methodisch ist für die Sichtbarmachung und Aushandlung unterschiedlicher Interessen –  
abhängig von Zielsetzungen und bestehenden Ressourcen sowie den beteiligten Parteien – vieles  
möglich: Mit einer Aktivierenden Befragung werden Adressat*innen zu ihrer Sichtweise zu gewissen,  
auch konflikthaften Themen befragt und ihre Ideen und Möglichkeiten erhoben, an Verbesserungen  
mitzuwirken. Die Ergebnisse der Befragung werden im Rahmen einer Bewohner*innenversammlung  
präsentiert und daraus entstehende Arbeitsgruppen angeregt und begleitet (vgl. Lüttringhaus/  
Richers 2013: 384). Ein Vorteil besteht in der systematischen Erhebung einer Tür-zu-Tür-Befragung,  
die auch Personen einbindet, deren Interessen aufgrund ungleich verteilter Artikulationschancen  
sonst nicht öffentlich würden.  
Bei Methoden, die die Geschichte einer Wohnhausanlage bzw. ihre Bewohner*innen  
würdigen, wie beispielsweise im Rahmen von Biographie- oder Zeitzeug*innenarbeit, ist darauf zu  
achten, dass neben ohnehin etablierten Personengruppen und Interessen auch andere Perspektiven  
ausreichend Platz gewinnen und dadurch Würdigung erfahren.  
Multiplikator*innen vertreten die Sichtweise vieler bzw. gewisser Bewohner*innengruppen.  
Sie können, z.B. als Haussprecher*innen, mit (in)formeller Macht ausgestattet sein und eine  
einflussreiche Rolle in Aushandlungsprozessen und nachbarschaftlichen Konflikten spielen.  
Seitens der Gemeinwesenarbeit ist es wichtig, partizipative Strukturen zu stärken und gezielt jene  
Bewohner*inneneinzubinden,derenPerspektiveingesamtgesellschaftlichenEntscheidungsgremien  
und daher auch in Wohnhausanlagen unterrepräsentiert sind. In städtischen Wohnhausanlagen  
können Mietervertreter*innen auf Basis eines Mitbestimmungsstatuts gewählt werden, die von  
der Hausverwaltung beispielsweise über Sanierungsarbeiten informiert, aber auch z.B. bei der  
Gestaltung von Freiflächen eingebunden werden müssen.  
5.2.4 Strukturelle Ebene  
Nachbarschaftliche Konflikte weisen immer auch strukturelle Komponenten auf, die es zu erkennen  
und dann auch zu benennen gilt. Es kann also sein, dass die starke, vielleicht auch konflikthafte  
Nutzung von Infrastruktur (z.B. Kinderspielplätze in Höfen) am Fehlen geeigneter Freiflächen im  
umliegenden Stadtteil liegt. Lärm aus der Nachbarwohnung ist auch deutlicher in Wohnungen mit  
dünnen Wänden oder fehlender Trittschalldämmung vernehmbar und weist auf bauliche Aspekte  
hin. Aushandlungsprozesse und Interessenskonflikte finden also nicht nur auf horizontaler Ebene  
– zwischen Bewohner*innen – statt, sondern auch auf vertikaler Ebene mit Repräsentant*innen  
der Hausverwaltung, dem Stadtteil, von Infrastrukturvorhaben etc. Professionist*innen kommen  
hier unterschiedliche Aufgaben zu, die abhängig vom organisationalen Auftrag und dem fachlichen  
Verständnis von Gemeinwesenarbeit stärker harmonisierend oder emanzipatorisch angelegt sind.  
Für das Erkennen von Zusammenhängen zwischen Nachbarschaftskonflikten und der  
bestehenden Infrastruktur können methodisch Sozialraumanalysen oder Stadtteilbegehungen mit  
Konfliktparteien erhellend sein. Das Erkennen struktureller Ursachen von Konflikten kann für Parteien  
entlastend wirken und den Fokus weg von persönlichem (Fehl-)Verhalten hin zu einer Kollektivierung  
gemeinsamer Interessen lenken. Professionist*innen als intermediär Handelnden kommt die  
Aufgabe zu, die Organisation und Veröffentlichung lebensweltlicher Interessen gegenüber einem  
staatlich-administrativen System zu unterstützen. Besonders bei der Begleitung benachteiligter  
Personengruppen erfordert dies eine parteiliche Positionierung der Gemeinwesenarbeit bzw. die  
Einbindung sozialer Einrichtungen mit parteilichem Auftrag für spezifische Adressat*innengruppen  
(vgl. Fischlmayr 2020: 160). Das Organisieren bzw. Moderieren eines Runden Tisches ist ein  
weiterer methodischer Zugang für die Aushandlung von Interessen auf Stadtteilebene. Schophaus  
und Wallentin (2013) beschreiben die Teilnahme an Runden Tischen aus Perspektive von  
Bürger*inneninitiativen und das Abwägen von Wirkungsabsichten, Zielen und Gestaltungsmacht. Sie  
unterscheiden zwischen einer konsensorientierten Beteiligung, die darauf abzielt, Lösungsideen zu  
entwickeln und eine Perspektivenvielfalt herbeizuführen, und einer dissensorientierten Beteiligung,  
die Gegenpositionen einbringen möchte, deren Durchsetzungskraft von der Mobilisierbarkeit vieler  
Bürger*innen abhängt (vgl. ebd.: 392).  
5.3 Individuelle/biographische Dimension  
NebensozialräumlichenDimensionenvonKonflikten, dieaufgesellschaftlich-diskursiver, normativer,  
strukturell-manifestersowiemachtdynamisch-interessensgeleiteterEbenewirksamwerden, istauch  
die individuelle Lebenslage und die eigene psychosoziale Gesundheit als individuelle/biographische  
Dimension für die Erfassung und Umgangsweise mit Konflikten im Wohnkontext bedeutsam.  
Konflikte im Wohnumfeld berühren persönlich, da sie den eigenen Rückzugsraum  
betreffen und an der Schwelle zwischen privatem und öffentlichem Raum stattfinden. Inwiefern  
sich Wohnende überhaupt mit diesen auseinandersetzen müssen, hängt unter anderem von  
strukturellen Bedingungen ab wie Möglichkeiten, diesen räumlich auszuweichen, Lärmschutzwände  
aufzuziehen oder den Wohnort zu wechseln. Die strukturellen Bedingungen, in denen gewohnt wird,  
sind u.a. verknüpft mit der ökonomischen Lebenslage der Betroffenen. Menschen mit geringen  
ökonomischen Mitteln verfügen über weniger Wohnraum, sind häufiger von Überbelag betroffen  
und können bei Konflikten aufgrund hoher Transaktionskosten oder langer Wartezeiten nur schwer  
den eigenen Wohnort wechseln.  
Entzündet sich nun ein nachbarschaftlicher Konflikt, hängt es u.a. vom eigenen Weltbild,  
den eingeübten Konfliktmustern und der bereits bestehenden Beziehung bzw. den Zuschreibungen  
zwischen den Beteiligten ab, wie dieser Konflikt eingeordnet wird (siehe Deutungsebene). Für  
die Bewältigung eines Konflikts ist zudem die soziale Lage und die aktuelle physische und  
psychische Verfasstheit bedeutsam. Menschen, die ohnehin aufgrund von Armutsbetroffenheit, zu  
pflegenden Angehörigen oder Betreuungspflichten oder wegen gesundheitlicher oder psychischer  
Beeinträchtigungen belastet sind, haben häufig weniger verfügbare Kapazitäten, um sich zusätzlich  
um nachbarschaftliche Agenden zu kümmern. Manchmal sind nachbarschaftliche Konflikte  
aber auch selbst Ausdruck von belasteten Lebenssituationen: So können Bewohner*innen, die  
sozial abgesichert, gesund und mit stabilen Netzwerken ausgestattet sind, ein als störend oder  
‚abweichend‘ eingeordnetes Verhalten wohl besser tolerieren als Personen, die selbst belastet  
sind. Zudem können Bewohner*innen auch die ersten sein, die Problemlagen und Notsituationen  
ihrer Nachbar*innen bemerken, sei es bei psychischen oder physischen Erkrankungen oder bei  
häuslicher Gewalt.  
Für Professionist*innen gilt es also, die Lebenslage und die psychosoziale bzw.  
gesundheitliche Ebene als konfliktbeeinflussend zu beachten. Neben einer Unterstützung von  
Nachbarschaftshilfe (siehe dazu kritisch Reutlinger/Stiehler/Lingg 2015: 17ff.) gilt es, Ressourcen  
von außen in Konflikte und den Stadtteil zu holen. Bewohner*innen sollten für ihre (finanzielle,  
psychosoziale, gesundheitliche) Entlastung mit Beratungs- bzw. Betreuungseinrichtungen vernetzt  
werden. Im Umgang mit psychisch erkrankten Nachbar*innen können Bewohner*innen im Sinne  
einer Psychoedukation sensibilisiert werden. Bei häuslicher Gewalt kommt der Nachbarschaft eine  
wichtige, zivilgesellschaftliche Schutzfunktion zu, über die sie informiert und in der sie bestärkt  
werden muss.  
Zudem sind Professionist*innen gefordert, sich abhängig von der Verteilung der  
Artikulationsmacht und der Betroffenheit von Diskriminierung in Konflikten, (parteilich) zu  
positionieren.DieEinschätzungderKräfteverhältnissezwischendenKonfliktparteienistkomplexund  
von verschiedenen situativen und verschränkten Ungleichheitsfaktoren abhängig (vgl. Fischlmayr  
2020: 160). Der Blick auf benachteiligende gesellschaftliche Verhältnisse soll jedoch keinesfalls  
deterministisch verstanden werden und Bewohner*innen Gestaltungschancen absprechen. Im  
Gegenteil: Er eröffnet Möglichkeiten der Solidarisierung und Kollektivierung. So kann es sein, dass  
Bewohner*innen im Zuge eines Streits um die Freiraumnutzung auf die strukturelle Ebene ihres  
Konfliktes und Mängel in der Aufenthaltsqualität aufmerksam werden. Oder dass Nachbar*innen  
aus verschiedenen Gründen aus dem Arbeitsmarkt gedrängt wurden und nun die störende Präsenz  
des anderen wahrnehmen. Neben der Entwicklung von Lösungen für die Betroffenen, die ihren Alltag  
selbstbestimmter und besser lebbar sein lassen, gilt es, beeinflussende Dimensionen zu erkunden,  
um einer „Individualisierung von Lebenserfahrungen entgegenzuwirken“ (Bitzan/Herrmann 2018:  
52).  
6
Fazit  
Das KonDiWo-Modell soll dazu anregen, Konflikte im Wohnumfeld systematisch in ihrer situativen,  
sozialräumlichen und individuellen Dimension zu erfassen und diese als sich gegenseitig  
beeinflussend zu verstehen. Methodisch kann Soziale Arbeit unterstützend auf unterschiedlichen  
Ebenen ansetzen und Handlungsspielräume der Verständigung und Emanzipation eröffnen.  
Hierbei liegen Spannungen vor zwischen fachlich-ethischen Zielen einer konfliktorientierten  
Sozialen Arbeit und den politisch-programmatischen bzw. organisationellen Aufträgen an ein  
konfliktschlichtendes bzw. -kalmierendes Vorgehen. Der Anspruch, die sozialräumliche Dimension  
von Nachbarschaftskonflikten mit beteiligten Akteur*innen zu ergründen, erfordert nicht nur  
organisationelle Rückendeckung, sondern auch ausreichend personelle, zeitliche und finanzielle  
Ressourcen, um kollektive Betroffenheiten in längeren Gemeinwesen-Prozessen zu bearbeiten und  
partizipativ Veränderungen anzustoßen. Aktuelle Anforderungen an die Soziale Arbeit sind jedoch  
gegenläufig und folgen häufig einer Logik der Individualisierung von Problemlagen und dem raschen  
Herbeiführen von „Lösungen“.  
In diesem Sinne gilt mein Plädoyer vor allen methodischen Herangehensweisen, die  
auch im Artikel vorgestellt werden, dem Innehalten und dem Aushalten von Widersprüchen und  
Ambivalenzen, die in konflikthaften Situationen liegen. Der Deutungsebene kommt hierbei ein  
besonderes, auch emanzipatorisches Potential für eine reflexive Zugänglichkeit der sozialräumlichen  
und individuellen Dimension zu. Ihre Berücksichtigung lädt nicht nur Konfliktparteien, sondern auch  
Professionist*innen ein, konflikthafte Ereignisse einzuordnen, eigene Gefühle wahrzunehmen und  
dahinterliegende Deutungen, hegemoniale Bewertungen, strukturelle Komponenten und persönliche  
Anteile zu hinterfragen.  
Kollegiale Beratung und eine supervisorische sowie intervisorische Begleitung können  
Professionist*innen qualitätssichernd dabei unterstützen, ein komplexes Feld an Interessen  
und Bedürfnissen sowie einander beeinflussende Konfliktdimensionen im Kontext Wohnen zu  
überblicken, eigene Verwobenheiten zu erkennen und sich bedacht einzubringen. Schließlich ließe  
sich das vorliegende Modell zu Konfliktdimensionen auch in andere, z.B. institutionelle, Kontexte  
übertragen und dafür weiterentwickeln.  
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Über die Autorin  
Anna Fischlmayr, BA MA  
Sozialarbeiterin, Studium der Sozialen Arbeit in Graz und Wien. Supervisorin und nebenberuflich  
Lehrende am Bachelor- und Masterstudiengang Soziale Arbeit bzw. Sozialraumorientierte  
Soziale Arbeit an der FH Campus Wien. Langjährige Berufstätigkeit sowie Publikationen im Feld  
GemeinwesenarbeitundKonfliktarbeit.WeitereSchwerpunkte:(institutionelle)Sozialraumforschung,  
Wohnen, Gender, Praxisreflexion.