Knecht, Alban (2024). Mit Sozialpolitik regieren. Eine ressourcentheoretische Policy-Analyse der
Beschäſtigungsförderung benachteiligter Jugendlicher in Österreich. Opladen/Berlin/Toronto:
Barbara Budrich. soziales_kapital, Bd. 29 (2024). Rubrik: Rezensionen. Wien. Printversion: https://
29. Ausgabe 2024
Klimagerechtigkeit und Soziale Arbeit in Österreich
Knecht, Alban (2024)
Mit Sozialpolitik regieren
Eine ressourcentheoretische Policy-Analyse
der Beschäftigungsförderung benachteiligter
Jugendlicher in Österreich
Opladen/Berlin/Toronto: Barbara Budrich
Die vorliegende Monographie von Alban Knecht rahmt seine langjährige wissenschaftliche Arbeit
zu Ressourcen, Sozialpolitik und Sozialer Arbeit. Am Beispiel der Beschäftigungsförderung
benachteiligter Jugendlicher in Österreich stellt er die Frage, inwiefern Arbeitsmarktpolitiken einen
Beitrag zur Bewältigung des herausfordernden Übergangs von der Schule zur Ausbildung und
zum Berufseinstieg leisten können. Ausgehend von einer detaillierten Analyse des diskursiven wie
auch institutionellen Wandels der Beschäftigungsförderung von 2000 bis 2019 werden wesentliche
Transformationen sowohl des österreichischen Wohlfahrtsstaates als auch der Sozialen Arbeit
erkennbar. Knecht nutzt (2024: 21) eine „interdisziplinäre, multidimensionale, transformations- und
mehrebenenbezogene Ressourcentheorie (IMTM)“, die für den Leitbegriff Ressource in der Sozialen
Arbeit eine wichtige ungleichheitstheoretische Erweiterung darstellt.
Im ersten Kapitel des Buches skizziert Knecht wesentliche Transformationslinien des
österreichischen Sozialstaats und betont, dass mit der zunehmenden Flexibilisierung von
Arbeitsmärkten die Bedeutung von Arbeit als Humankapital steigt. Damit wird Bildungspolitik zum
bedeutenden Bereich einer Sozialpolitik, die das Aktivieren, Fördern und Fordern zu Leitparadigmen
erhebt. Die Beschäftigungsförderung von Jugendlichen rückt seit den 2000er Jahren zunehmend in
den Mittelpunkt einer „sozialinvestiven Politik“, die z.B. an der Etablierung einer Ausbildungsgarantie
ab 2008 und der Einführung einer Ausbildungsverpflichtung ab 2018 ablesbar ist (vgl. Knecht 2024:
15). Knecht (2024: 16f.) betont, dass mit der „Ökonomisierung des Wohlfahrtssektors“ und „der
Einführung marktförmiger oder marktähnlicher Steuerungsmechanismen in den Bereich der sozialen
Dienste“ auch kontrollierende, disziplinierende und sanktionierende Aspekte in der Sozialen Arbeit
zunehmen.
Im zweiten Kapitel erörtert Knecht seinen ressourcentheoretischen Ansatz (IMTM) und
skizziert auf rund 20 Seiten die Besonderheiten dieses Zugangs, mit dem die typische Fokussierung
auf psychosoziale bzw. immaterielle und materielle Ressourcen Sozialer Arbeit überschritten wird.
Mit Bezugnahmen u.a. auf Bourdieu, Giddens und Sen möchte Knecht die Ungleichverteilung von
Ressourcen auf individueller Ebene in ihrer Abhängigkeit von sozialpolitischen Strukturen fassen:
„Ungleichverteilung der Ressourcen bezieht sich einerseits auf jene Ressourcen, über die Individuen
direkt verfügen bzw. die sie selbst erzeugt haben (durch Ressourcenausstattung und individuelle
Transformation) und andererseits auf jene Ressourcen, die sie durch Gesellschaft oder durch andere
erhalten haben.“ (Knecht 2024: 25)
Die ungleiche Ausstattung mit Ressourcen (und Möglichkeiten) ist nach Knecht relational zu
betrachten, da diese immer auch das Resultat von Hierarchisierungen, ungleicher Machtverteilung
und Anerkennung sind (vgl. ebd.). Mit seinem ressourcentheoretischen Ansatz zielt der Autor
darauf ab, das Zusammenspiel von Ressourcenzuteilungen auf struktureller (Makro-)Ebene und
den Rahmenbedingungen auf institutioneller (Meso-)Ebene mit der Ko-Produktion Sozialer Arbeit
(Mikroebene) respektive den Interaktionen zwischen Fachkraft und Nutzer*in analytisch zu erfassen
(vgl. Knecht 2024: 28).
Das dritte Kapitel widmet sich dem diskursiven Wandel zur Beschäftigungsförderung von
Jugendlichen. Den öffentlichen Diskurs rund um die Ausbildungspflicht charakterisiert Knecht
(2024: 59) als pathologisierend, beispielsweise wenn die Rede von den „angeblich defizitären
Jugendlichen“ als Legitimation für die Einführung der Ausbildungspflicht herangezogen
wird. Die Individualisierung von Problemlagen zeigt sich auch daran, dass „materielle Armut,
Marginalisierung und Diskriminierung der Jugendlichen“ (ebd.: 58) kaum thematisiert wurden. Auch
wenn die Fachdiskurse differenzierter sind und hier „vordergründig ein verständnisvolleres Bild
der Jugendlichen“ (ebd. 59) erkennbar wird, ist dieses Knecht zufolge durch Paternalismus und
geringe emanzipatorische Unterstützung gekennzeichnet, zudem orientiert es sich an Bedarfen
des Arbeitsmarktes (vgl. ebd.). Laut Knecht reproduzieren Fachkräfte zum Teil die diskreditierende
Rede über ‚Sozialleistungsmissbrauch‘ oder ‚defizitäre Jugendliche und ihre Familien‘. Dies führe
zur „Legitimation und Anwendung von aktivierenden Maßnahmen“ (ebd.: 59) und begrenze die
Chancen der Jugendlichen in der professionellen Ko-Produktion Sozialer Arbeit.
Im vierten Kapitel skizziert Knecht den institutionellen Wandel der Beschäftigungsförderung
von Jugendlichen in Österreich entlang dreier Phasen, die mit unterschiedlichen Bundesregierungen
korrelieren. In der ersten Phase, unter Schwarz-Blau I (2000–2007), steht der Ausbau
unternehmensorientierter Lehrstellenförderung im Mittelpunkt, was laut Knecht als „Klientelpolitik“
zugunsten von Unternehmen verstanden werden kann (vgl. ebd.: 61–64). An der zweiten Phase
unter Rot-Schwarz (2007–2017), die mit der Einführung der Ausbildungsgarantie beginnt und mit
der Ausbildungspflicht für Jugendliche endet, hebt der Autor hervor, dass einerseits von einer
„gute[n] Versorgungslage“ gesprochen werden kann, die andererseits von einer zunehmenden
Verpflichtung (Ausbildung bis 18) der Jugendlichen gekennzeichnet ist. In der dritten Phase,
unter Schwarz-Blau II (2017–2019), intensiviert sich sowohl der Aktivierungsdruck gegenüber
österreichischen Jugendlichen als auch die Ausgrenzung von asylsuchenden Jugendlichen,
da letzteren der Zugang zum Arbeitsmarkt völlig verwehrt wird (vgl. ebd.: 69–74). Anhand der
dritten Transformation zeigt sich auch, dass konservative Wohlfahrtsstaaten wie Österreich nur
zum Teil einer neoliberalen, sozialinvestiven Strategie der Aktivierung von Humankapital folgen,
da diese von rechtspopulistischen/-extremen Ausgrenzungsstrategien mit ihrer „exkludierenden
Verhinderungspolitik“ konterkariert werden (vgl. ebd.: 82).
Im fünften Kapitel diskutiert Knecht seine Forschungsergebnisse zur Governance im
österreichischen Wohlfahrtsstaat vor dem Hintergrund seiner Ressourcentheorie. Dabei zeigt er auf,
wie sozialpolitische Zuteilungen und Blockaden zu ungleicher Ressourcenverteilung führen und so
„neue Spaltungen“ produzieren. Beispielsweise argumentiert Knecht, dass pädagogische Settings
durch den verpflichtenden Charakter beim Zugang zu Bildungsressourcen dauerhaft belastet
werden, da „Jugendlichen wenig Platz für ein an eigenen Interessen und Bedürfnissen orientiertes
Handeln“ (ebd.: 77) gelassen wird. Knechts Ausführungen zur „Quasi-Pädagogik des Marktes“
(vgl. ebd.: 92–94), zur „Diskriminierung und fehlenden Anerkennung“ (vgl. ebd.: 94–97) oder zu
den „mangelnden Partizipationsmöglichkeiten und [der] Idee einer politischen Berufsbildung“ (vgl.
ebd.: 98–101) in Kapitel sechs sind insofern hervorzuheben, als sie einen ressourcenreflektierten
Einblick in fachliche Transformationen Sozialer Arbeit geben. In seinem Ausblick plädiert Knecht
sodann für einen weiten Bildungsbegriff, der das „menschliche Entwicklungspotential gegenüber
der Beschäftigungsfähigkeit in den Vordergrund“ (ebd.: 107) rückt. Damit verschiebt er den
Bildungsbegriff – weg vom Arbeitsmarkt in Richtung Demokratiepolitik – und argumentiert für eine
politische Berufsbildung, die „Mitbestimmung und Mitwirkung in der Arbeitswelt“ (ebd. 107) stärkt
und über die gesellschaftliche Bedingtheit von Arbeit und Arbeitslosigkeit aufklärt.
Das Werk Mit Sozialpolitik regieren von Alban Knecht ist m.E.n. in mehrfacher Hinsicht zu
würdigen: Das präsentierte ressourcentheoretische Modell stellt für die einschlägige Debatte zum
RessourcenbegriffinderSozialenArbeit–seiesalsHaltung,TechnikoderMethode–einebedeutende
Erweiterung dar, weil es gesellschaftliche Verteilungspolitik und die sozialpolitische Zuteilung von
Ressourcen mit Praktiken der Sozialen Arbeit verschränkt. Aufgrund der komprimierten Darstellung
scheint mir für eine Vertiefung ein Blick in die theoretischen Grundlagen des Modells empfehlenswert,
die Knecht in früheren Beiträgen präsentiert hat (vgl. Knecht 2012; Knecht/Schubert 2020; Schubert/
Knecht 2012). Darüber hinaus bewährt sich das Ressourcenmodell für die Politikfeldanalyse, weil mit
ihm wohlfahrtsstaatliche Transformationen in Diskursen, Institutionen und Praxen nachgezeichnet
werden können. Dies hilft Sozialer Arbeit auch, ihre sozialstaatliche Involviertheit kritisch zu
reflektieren, weil deutlich wird, dass veränderte strukturelle und institutionelle Bedingungen eben
nicht an situativen Settings und Handlungsvollzügen Sozialer Arbeit ‚vorbeigehen‘, sondern sich in
diese einschreiben.
Knechts Analyse eines bildungs-/sozialpolitischen Feldes zeigt zudem, wie sich neoliberal
inspirierte Umstrukturierungen des konservativen Sozialstaatsmodells in Österreich über fast
zwei Jahrzehnte vollzogen haben und dabei durch rechtspopulistische/-extreme Strategien
maßgeblich beeinflusst wurden. Am Beispiel der Blockade asylsuchender Jugendlicher in
der Beschäftigungsförderung wird das Muster einer rassistisch-diskriminierenden Politik allzu
deutlich, die Nutzer*innen Sozialer Arbeit entlang von race oder Herkunft differenziert und ihnen
unterschiedliche (oder keine) Ressourcen sozialstaatlich zuteilt. Die Gefahr nationalistisch-
illiberaler Formen des Regierens wird hier in aller Deutlichkeit greifbar, denn durch sie soll die so
grundlegende Funktion des Sozialstaats – die kollektive Absicherung individueller Risiken – für Teile
der Bevölkerung aufgehoben werden.
155 Seiten, 47,50 EUR
(gratis im Open Access:
FH-Prof. Dr. Marc Diebäcker
Literaturverzeichnis
Knecht, Alban (2012): Ressourcenzuteilung im Wohlfahrtsstaat – Sozialpolitische Perspektiven.
In: Knecht, Alban/Schubert, Franz-Christian (Hg.): Ressourcen im Sozialstaat und in der Sozialen
Arbeit. Zuteilung – Förderung – Aktivierung. Stuttgart: Kohlhammer, S. 75–88.
Knecht, Alban/Schubert, Franz-Christian (2020): Konzeptualisierung einer transdisziplinären
Resourcentheorie. In: neue praxis, 4/2020, S. 310–320.
Schubert, Franz-Christian/Knecht, Alban (2012): Ressourcen – Einführung in Merkmale, Theorien
und Konzeptionen. In: Knecht, Alban/Schubert, Franz-Christian (Hg.): Ressourcen im Sozialstaat
und in der Sozialen Arbeit. Zuteilung – Förderung – Aktivierung. Stuttgart: Kohlhammer, S. 15–41.