Viktoria Kasser, Angelika Koller & Eva Mantler. Diversität und Inklusion im Studiengang Soziale Arbeit –
ein Auſtrag für die eigene Profession? soziales_kapital, Bd. 30 (2025). Rubrik: Junge Wissenschaſt. St. Pölten.
30. Ausgabe 2025
Hard-To-Reach or No Access?
Diversität und Inklusion im Studiengang Soziale Arbeit –
ein Auftrag für die eigene Profession?
Viktoria Kasser, Angelika Koller & Eva Mantler
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag stellt ausgewählte Ergebnisse zweier Masterarbeiten vor, die im Rahmen
des Forschungsprojekts Diversity – Parole oder Programm? Eine diversitätsorientierte Analyse
des Studiums Sozialer Arbeit entstanden sind. Ziel des Projekts war es, die Barrieren und
Hürden für Studierende im Studiengang Soziale Arbeit zu dokumentieren und darauf aufbauend
Handlungsempfehlungen zu formulieren. In diesem Beitrag liegt der Fokus auf Hörbehinderung,
Migrationsbiografie und studentischer Armut. Es wird aufgezeigt, wie ungleich Bildungschancen
verteilt sind, sowohl in Bezug auf den Hochschulzugang als auch den Verbleib im Studium.
Die Forschung basiert auf qualitativen Erhebungen, die auf die Erfassung von Exklusions- und
Inklusionserfahrungen von verschiedenen Studierendengruppen abzielten. Obwohl das Thema
nicht neu ist, zeigen die Ergebnisse, dass Studierende weiterhin Exklusion auf persönlicher, sozialer
und struktureller Ebene erleben und Veränderungen nötig sind, um Bildungsgerechtigkeit zu fördern
und Benachteiligungen abzubauen. Eine diversitätsorientierte Gestaltung des Studiengangs Soziale
Arbeit ist jedenfalls notwendig, um unterschiedliche Erfahrungswelten einbeziehen und dem
professionsethischen Anspruch gerecht werden zu können.
Schlagworte: Bildungssystem, soziale Ungleichheit, Soziale Arbeit, Bildungsgerechtigkeit,
Hörbehinderung, Gebärdensprachen, Migrationsbiografie, studentische Armut, Inklusion,
Hochschulzugang, Menschenrechtsprofession, professionsethische Prinzipien, Chancenungleich-
heit, Diversität, Bildungschancen, inklusives Studium
Abstract
The article presents selected results from two master’s theses produced as part of the research
project Diversity – Slogan or Program? A Diversity-Oriented Analysis of the Study of Social Work.
The objective of the project was to document the barriers and hurdles faced by students in the
Social Work program and to formulate recommendations for action based on this documentation.
This article focuses on three subjects: hearing impairment, migration biography, and student
poverty. It demonstrates the unequal distribution of educational opportunities, encompassing both
access to higher education and the persistence in academic studies. The research is based on
qualitative surveys designed to elicit the exclusion and inclusion experiences of different student
groups. Despite the prevalence of this phenomenon, the results indicate that students continue to
experienceexclusiononpersonal, social, andstructurallevels. Consequently, changesarenecessary
to promote educational justice and reduce disadvantages. A diversity-oriented design of the Social
Work program is, in any case, essential both to incorporate diverse experiential perspectives and to
meet the ethical demands of the profession.
Keywords: education system, social inequality, social work, educational justice, hearing disability,
sign languages, migration background, student poverty, inclusion, access to higher education,
human rights profession, professional ethical principles, unequal opportunities, diversity, educational
opportunities, inclusive education
1
Einleitung
Das Bildungssystem generiert soziale Ein- und Ausschlüsse und diese werden auch im
Fachhochschul-Studium Soziale Arbeit reproduziert (vgl. Moser/Tomic Hensel 2020). Dieser Befund
ist von besonderer Triftigkeit angesichts der professionsethischen Prinzipien der Sozialen Arbeit, zu
denen die Achtung von Vielfalt und die Förderung von sozialer Gerechtigkeit zählt (vgl. OBDS 2017:
2) – und die in starkem Kontrast stehen zur Selektivität des Bildungswesens. Diese Spannung nimmt
der vorliegende Beitrag zum Ausgangspunkt, um nach dem Umgang mit Diversität im Studium der
Sozialen Arbeit zu fragen.
Der Auftrag der Menschenrechtsprofession Soziale Arbeit ist es, strukturelle
Benachteiligungen entsprechend dem Tripelmandat (vgl. Staub-Bernasconi 2007) zu analysieren
und zu bewerten. Dieser Auftrag wird jedoch nicht erst in der Praxis schlagend, da bereits die
Ausbildung auf Selektionsmechanismen beruht, die in den Blick genommen werden müssen. Um
Bildungsgerechtigkeit zu fördern und damit die Ausbildung zur:m Sozialarbeiter:in für potenziell alle
Interessierten zu ermöglichen, muss die Soziale Arbeit diese Mechanismen kritisch hinterfragen.
Das bedeutet unter anderem, strukturelle Barrieren als Ausschlussfaktoren wahrzunehmen und
diese offenzulegen, damit Hochschulen diesen durch entsprechende Maßnahmen entgegenwirken
können (vgl. Mayrhofer o.A.: 3). Denn nach wie vor sind die Chancen, das Bildungssystem
erfolgreich zu durchlaufen – vor allem im Bereich der Hochschulbildung – ungleich verteilt. Es gibt
unterschiedliche Faktoren, die den Zugang erschweren, etwa persönliche Zuweisungsmerkmale
wie der sozioökonomische Status, Ethnizität oder Behinderung (vgl. Renner/Tomic Hensel 2019: 4).
Ein Blick auf soziologische Erhebungen verdeutlicht die Dringlichkeit, sich dem Thema anzunehmen:
Nur 12% der Studierenden in Österreich weisen eine Behinderung auf, 0,4% davon haben eine
Hörbehinderung (vgl. Zaussinger/Kulhanek/Terzieva/Unger 2020: 17). Derzeit studieren an
österreichischen Universitäten ungefähr 30 Personen (Hochrechnung), die sich selbst als gehörlos
definieren (vgl. ÖGLB 2024: 7). Ungleichheiten zeigen sich dabei nicht erst beim Zugang zur
Hochschule: 3% der rund 10.000 gehörlosen Menschen in Österreich haben einen Maturaabschluss,
nur 1% hat ein Hochschulstudium absolviert (vgl. ÖGLB 2017: 3). Laut unseren Forschungen gab es
an der FH St. Pölten zwar Studierende mit Gehörbeeinträchtigung bzw. mit einem Behinderungsgrad
hinsichtlich des Gehörs, jedoch noch nie gehörlose Studierende.
Auch hinsichtlich der Situation von Studierenden mit Migrationsbiografie zeigen
sich Ungleichheiten. In der Studierenden-Sozialerhebung wird anhand der „geschätzten
Hochschulzugangsquote“ (Unger et al. 2020: 83) herausgearbeitet, dass Personen mit
Migrationsbiografie etwa „halb so oft“ (ebd.) studieren wie Personen ohne Migrationsbiografie. Auch
die neueste Erhebung von 2023 zeigt, dass nur 10% aller Bildungsinländer:innen – Personen, die das
reguläre Schulsystem in Österreich abgeschlossen haben – einen Migrationshintergrund erster oder
zweiter Generation haben (vgl. Zucha et al. 2023: 39f.). In Vollzeit-Fachhochschulstudiengängen ist
der Anteil der Studierenden mit Migrationsbiografie besonders niedrig (vgl. ebd.).
Hinsichtlich ihrer finanziellen Situation hat die Erhebung von Unger et al. (2020) ergeben,
dass rund 22% der Studierenden in Österreich angeben, stark bzw. sehr stark von finanziellen
Schwierigkeiten betroffen zu sein. Das Alter steht dabei in einem engen Zusammenhang
mit studentischer Armut: Je älter die Studierenden, desto höher sind diese von finanziellen
Schwierigkeiten betroffen. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass das Bildungsniveau der Eltern
einen großen Einfluss darauf hat, ob Studierende finanziell belastet sind oder nicht. Im Durchschnitt
sind Studierende, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss als höchsten Bildungsgrad aufweisen,
doppelt so häufig mit sozioökonomischen Problemen konfrontiert, wie Studierende, deren Eltern
ein Doktorat haben (vgl. Unger et al. 2020).
Diese Faktenlage verdeutlicht, wie wichtig es ist, Ausschlussmechanismen im eigenen
Studium kritisch in den Blick zu nehmen. Dies haben wir im Rahmen des Forschungsprojekts
Diversity – Parole oder Programm. Eine diversitätsorientierte Analyse des Studiums Sozialer
Arbeit versucht. Im Rahmen der beiden qualitativen Untersuchungen Deafhood und Deaf Gain
– zum ersten Mal geHÖRT? Wenn sich hörende Selbstverständlichkeiten und Privilegien auf den
Hochschulzugang und Verbleib im Studium für Menschen mit Hörbehinderung auswirken (2022)
und Unterrepräsentierte Studierendengruppen im Studium Soziale Arbeit. Barrieren beim Zugang
und im Studium (2022) sollte untersucht werden, welche Rolle (bildungs)biografische Merkmale
im Studium spielen und wie durchlässig oder auch selektiv die institutionellen Strukturen sind.
Die Forschungsschwerpunkte wurden dabei breit gefächert, um ein möglichst umfassendes Bild
von Diversität zeichnen zu können. Im Fokus standen Hörbehinderung, Migrationsbiografien und
studentische Armut. Die Daten wurden unter anderem durch Interviews erhoben und mit der
Methode der Grounded Theory (vgl. Strauss/Corbin 1996) und der Qualitativen Inhaltsanalyse (vgl.
Kuckartz 2018) ausgewertet.
ImSinneeineshandlungsorientiertenundtransformativenForschungsansatzesgingesjedoch
nicht nur darum, Selektionsmechanismen aufzuzeigen. Es wurden auch Handlungsempfehlungen
formuliert, die Veränderungen anstoßen können und sollen, um Inklusion und Diversität im
Studiengang Soziale Arbeit zu fördern. Nicht zuletzt sollen die Forschungsergebnisse zur Reflexion
des Selbstverständnisses der eigenen Disziplin und in weiterer Folge zu einer Weiterentwicklung
der Ausbildung anregen.
2
Studieren mit Hörbehinderung
Die Frage nach möglichen Ausschlüssen aufgrund einer Hörbehinderung wurde in der Masterarbeit
Deafhood und Deaf Gain – zum ersten Mal geHÖRT? (2022) diskutiert, die von Viktoria Kasser verfasst
wurde. Gebärdensprache wird seit 2005 in der österreichischen Verfassung als eigenständige
Sprache anerkannt (vgl. Krausneker/Schalber 2007: 11). Im Folgenden wird entsprechend
vorausgesetzt, dass Gebärdensprache der Lautsprache ebenbürtig ist (vgl. Breiter 2005: 21),
weshalb auch deren Verwendung im Bildungskontext eine Voraussetzung für einen vollwertigen und
barrierefreien Hochschulzugang darstellt. Die Überlegung basiert auf den Befunden von Baumann
und Murray (2014: 18), denen zufolge sich Gehörlose nicht durch ihr fehlendes Gehör, sondern durch
ihre sprachlichen, kulturellen und sensorischen Lebensweisen und Zugehörigkeiten definieren.
Gehörlosigkeit kann davon ausgehend nicht als Mangel, sondern als menschliche Diversität
betrachtet werden und dies ist es auch, was das Deaf-Gain-Konzept tut (vgl. ebd.). Es stellt die
kognitive, kreative und kulturelle Diversität in den Vordergrund und betont die Reichhaltigkeit des
menschlichen Daseins (vgl. ebd.: 26f.).
Ausgehend von dieser Perspektive auf Gehörlosigkeit und Gebärdensprache wurde in
Interviews nach den Barrieren und den Selektionsmechanismen beim Hochschulzugang sowie im
Studium gefragt. Das fehlende bzw. unreflektierte Wissen über Gehörlosenthemen erwies sich im
Zuge dessen als die größte und einflussreichste Hürde beim Hochschulzugang und im Fortgang des
Studiums. Mit Gehörlosenthemen sind alle mit Gehörlosigkeit und Gebärdensprachen verbundene
Belange gemeint, seien es die Bedürfnisse von Gehörlosen im Studium, wie zum Beispiel
Dolmetsch-Leistungen, die nötigen Rahmenbedingungen für einen barrierefreien Hochschulzugang
und Studienfortgang, die gesellschaftliche Sichtweise auf Gehörlosigkeit oder das Wissen und
Verständnis im Umgang mit Gehörlosen. Die Betonung der hohen Bedeutung des Nichtwissens
war sowohl in den Interviews mit Selbstvertreter:innen als auch mit den Expert:innen auffallend
dominant. Es wurde entsprechend als Hauptkategorie der Masterarbeit konzipiert und spielte auch
für den Entwurf aller weiteren Unterkategorien und Ergebnisse eine zentrale Rolle.
In allen Interviews ist herausgekommen, dass (aufgrund des fehlenden Wissens) an den
Hochschulen institutionalisierte Rahmenbedingungen und insbesondere Dolmetsch-Leistungen
fehlen. Dieser Umstand zwingt die betroffenen Personen zur selbstständigen Organisation und
Finanzierung des Dolmetschens. Insgesamt ist die Verantwortung für das erfolgreiche Durchlaufen
des Studiums somit stark individualisiert. So wurden von den Betroffenen selbst Eigeninitiative
und Eigenverantwortung als notwendige Merkmale beschrieben, um strukturelle Hürden im
Studium kompensieren zu können. Aufgrund der fehlenden Wissensbestände, der fehlenden
Rahmenbedingungen und Angebote müssen Gehörlose andere Personen eigenständig über den
Umgang mit Gehörlosen aufklären, sich Unterstützungen organisieren und diese finanzieren oder
auch den hörenden Studienkolleg:innen Gebärden beibringen, um kommunizieren zu können.
Laut den gehörlosen Interviewten liegt es in ihrer Verantwortung, auf die bestehenden Barrieren
aufmerksam zu machen. Zudem berichteten die Interviewpartner:innen davon, dass sie im Studium
von den Dozent:innen oder Studienkolleg:innen abhängig sind, z.B. wenn sie nach Kopien und
Mitschriften fragen müssen, weil sie das Gesprochene in der Vorlesung oder im Seminar nicht
hören. Die Interviews zeigen demnach auch, dass gehörlose Studierende einen Mehraufwand im
Studium betreiben müssen, wobei in diesem Zusammenhang häufig auf die Lautsprache als Zweit-
und Fremdsprache hingewiesen wurde. Eine gehörlose Interviewte berichtet, dass sie Texte vor
einer Abgabe schreiben und korrigieren lassen muss, weil Deutsch ihre Zweitsprache ist. Auch
Präsentationen müssen vorab an Dolmetscher:innen geschickt werden, damit diese sich in die
Thematik einlesen können. Da die unzureichenden Rahmenbedingungen Eigeninitiative sowie
Eigenverantwortung verlangen, wurde in der Forschungsarbeit die Kategorie der emotionalen
Mehrbelastung herausgearbeitet, die gehörlose Studierende stark verspüren.
An der FH St. Pölten gibt es keine institutionalisierten Unterstützungsstrukturen und keine:n
Beauftragte:n für (Hör-)Behinderte und Gehörlose. Studierende mit Hörbehinderung müssen sich
selbst um die Organisation von Dolmetsch-Leistungen kümmern. Es gibt kein Wissen darüber,
wer die Kosten übernimmt, und es findet auch keine Wissensvermittlung über Gehörlosenthemen
und Gehörlosigkeit als Diversitätskategorie statt. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung (Dezember
2021) war die Homepage der Fachhochschule St. Pölten als wichtiges Zugangsmedium nur
partiell mit Untertiteln ausgestattet und es fehlten ÖGS-Videos. Dies stellte eine große sprachliche
Zugangsbarriere dar. Mittlerweile sind auf der Homepage zwar drei ÖGS-Videos zu finden (vgl. FH
St. Pölten 2023), allerdings werden weder Unterstützungsformen angeboten noch Gehörlosigkeit
und Gebärdensprache thematisiert. Eine Interviewte nannte dies als Grund, weshalb sie sich
vermutlich nicht an der FH St. Pölten um einen Studienplatz bewerben würde.
Auf Grundlage der zutage getretenen institutionellen Lücken und Leerstellen sowie der
Erfahrungsberichte der Betroffenen wurden inklusive Ansätze in Bezug auf den Zugang zum und
Verbleib im Studium herausgearbeitet. Diese richten sich zwar in erster Linie an die FH St. Pölten,
können aber auch darüber hinaus Perspektiven für den gesamten Hochschulbereich liefern, weil die
Unterrepräsentanz von Gehörlosen ein generelles Problem darstellt (vgl. Kapitel 1).
Sollen Studienbedingungen hergestellt werden, die tatsächlich inklusiv sind, müssen
Hochschulen die Dolmetsch-Leistungen und Kostenvorgaben bereitstellen und gut kalkulieren.
Wissen über den Umgang mit Gehörlosen und deren Bedürfnisse ist dabei von großer Bedeutung
– nicht nur für die Lehrenden, sondern für alle Hochschulangehörigen, auch administrative
Mitarbeiter:innenundStudierende.EinersterSchrittindieseRichtungkönntesein,dassHochschulen
sich mit Expert:innen vernetzen, die über fachlich fundiertes Wissen über Gehörlosenthemen
verfügen und über entsprechende Angebote und Umsetzungsstrategien informieren. Diesbezüglich
gilt es, gemeinsam zu überlegen, wie ein Studium für Gehörlose inklusiver gestaltet werden kann.
Um die Relevanz der Wissensvermittlung von Gehörlosenthemen in Rechnung zu stellen, könnte
ein Lehrfach im Studium installiert werden, welches Wissen über Gehörlosigkeit, Gehörlosenkultur,
Gebärdensprachen und die damit verbundenen Diskriminierungen und Exklusionsrisiken vermittelt.
3
Studieren mit Migrationsbiografie
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die Herausforderungen gegeben, mit denen
Studierende mit Migrationsbiografie während ihres Studiums konfrontiert sind, und es werden die
notwendigen Schritte beleuchtet, die Fachhochschulen für deren Verringerung wahrnehmen können.
Dabei sei betont, dass Studierende mit Migrationsbiografiei keine homogene Gruppe darstellen.
Nichtsdestoweniger beeinflussen Merkmale wie etwa das Sprachniveau Bildungschancen
maßgeblich. Die Darstellung basiert auf der Masterarbeit Unterrepräsentierte Studierendengruppen
im Studium Soziale Arbeit (2022), die von Angelika Koller, Barbara Krebelder, Eva Mantler und Nesrin
Yildirim verfasst wurde.
Herausforderungen, die von den befragten Studierenden geschildert wurden, sind vielfältig
und von ihnen ausgehend lassen sich mögliche Maßnahmen auf individueller wie auch struktureller
Ebene ableiten. Sprachbarrieren werden im Rahmen der Untersuchung als häufige Ursache für
Schwierigkeitengenannt.DieBefragtenberichtenetwavonzeitlichemMehraufwandfürPersonenmit
nicht-deutscherErstsprache, weildiesprachlichenHürdeneineintensive(re)Auseinandersetzungmit
Fachliteratur und professionsspezifischen Begriffen verlangen. Die Schilderungen lassen erkennen,
dass Dozent:innen in der Lehre selbst einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion von Barrieren
leisten können: Zum einen durch individuelle Unterstützung wie zusätzliche Erklärungen, konkrete
Literaturempfehlungen für die Förderung des Sprachverständnisses im jeweiligen Fachgebiet oder
das Vortragen in hochdeutscher Sprache; zum anderen und sofern die Form der Lehrveranstaltung
dies zulässt durch die didaktische Gestaltung, beispielsweise den Einsatz von Peer-Reviews, die
gegenseitiges Feedback und Unterstützung unter den Studierenden fördern.
Ein Vorschlag, der sich aus den erhobenen Daten ableiten lässt, sind Vorbereitungs- und
Vertiefungskurse.ii Da die Befragten dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch hohe Relevanz für
einen erfolgreichen Studienverlauf zuschreiben, besteht auch ein hoher Bedarf nach zusätzlichen
Kursen, in denen eine vertiefte Auseinandersetzung mit wissenschaftlicher Sprache und/oder
sozialarbeiterischen Fachbereichen gefördert wird.
Ein weiteres Instrument zum Abbau von Hürden ist der Peer-Austausch, und zwar auch über
die konkreten Lehrveranstaltungen hinaus. So wurden von den befragten Personen beispielsweise
virtuell oder analog organisierte Räume zur Vernetzung als mögliche Maßnahmen thematisiert. Einer
dieser Vorschläge basierte auf positiven Erfahrungen mit einer Gruppe, die aus Eigeninitiative ins
Leben gerufen wurde: ein Stammtisch für Schwarze Sozialpädagog:innen und Sozialarbeiter:innen.
Die Gruppe hatte sich gegründet, um sich über rassistische Erlebnisse und den Umgang mit
fehlendem Wissen über Rassismus und Antirassismus von Kolleg:innen im beruflichen Kontext
auszutauschen. Die befragte Studierende sah es als Aufgabe der Fachhochschulen an, ähnliche
Settings zu schaffen, um antirassistische Verständigung zu fördern. Diese Räume sollen ein
sicherer Ort zur psychosozialen Entlastung sein; von ihnen ausgehend können außerdem bereits
während des Studiums Beziehungen aufgebaut werden, auf die beim Eintritt ins Berufsleben
zurückgegriffen werden kann. Absolvent:innen könnten so mit Ressourcen ausgestattet werden, um
Herausforderungen gestärkt entgegentreten zu können, die durch die Homogenität in bestimmten
Berufsfeldern entstehen.
In den Interviews wurde zudem deutlich, dass der Diskurs über antirassistische
Grundhaltungen und Werte auch in der Lehre stattfinden muss. Antirassistische Soziale Arbeit
meint eine Praxisform der Profession, die das Ziel verfolgt, alle Formen von Rassismus durch
kollektiven Zusammenschluss und das Schaffen von Allianzen und Bündnissen zu bekämpfen (vgl.
Dominelli 2008: 33). Um die Auseinandersetzung mit Rassismus und Antirassismus zu fördern,
muss der Gegenstand für die Befragten curricular verankert werden (vgl. Koller et al. 2022: 101).iii
Weil rassistische Routinen auch in der Praxis Sozialer Arbeit auf institutioneller, struktureller
und diskursiver Ebene etabliert sind (vgl. Prasad 2020: 70), wird der Auseinandersetzung damit
besonders hohe Relevanz zugeschrieben. In den Interviews wurde betont, dass die Diskussion über
Chancengerechtigkeit in der Lehre nur dann möglich ist, wenn Antirassismus und die Reflexion der
eigenen Machtposition von Sozialarbeiter:innen darin Platz finden.
Insgesamt zeigen die Befunde, wie wichtig die Reflexion strukturell (re)produzierter Formen
von Rassismus und Diskriminierung innerhalb des Fachhochschulsystems ist. Um diese zu fördern,
ist es wichtig, Menschen mit Migrationserfahrung als Expert:innen in den Reflexionsprozess und
die Planung der genannten Maßnahmen einzubeziehen. So kann sichergestellt werden, dass
die Strukturen, auf denen das Studium der Sozialen Arbeit basiert, gerecht gestaltet werden.
Darüber hinaus sollen ein abweichendes Sprachverständnis, unterschiedliche Erstsprachen und
verschiedene Ausgangslagen nicht per se als negative Hürden begriffen werden. Viel eher sollen
Strukturen geschaffen werden, die 1.) Mehrsprachigkeit im Studium als Potenzial anerkennen und
fördern und 2.) Antirassismus als einen integralen Bestandteil des Studiums verankern. Dadurch
können Studierende nicht nur fachlich, sondern auch im verantwortungsvollen Umgang mit Diversität
gestärkt werden. Durch die gezielte Auseinandersetzung mit Antirassismus könnten Bewusstsein
und Kompetenzen gefördert werden, die es ermöglichen, in einer pluralistischen Gesellschaft und
in der sozialarbeiterischen Praxis sensibel und respektvoll zu agieren.
4
Armutsbetroffene Studierende
In diesem Kapitel wird ein Einblick in die Forschungsergebnisse des Forschungsschwerpunktes
„Armutsbetroffenheit von Studierenden im Studium Soziale Arbeit“ gegeben. Da die
Auseinandersetzung mit Armut oft von Stereotypen geprägt ist und Betroffene nicht selten Scham
empfinden (vgl. Schoneville 2017: 31), ist es essenziell, ihr subjektives Erleben sowie ihre Wünsche
nach Lösungen zu verstehen. Dieses Wissen trägt maßgeblich dazu bei, die vielschichtigen Facetten
von Armut besser zu erfassen.
Als herausfordernd nannten fast alle Befragten die Notwendigkeit zur Erwerbstätigkeit
während des Studiums, um dieses einerseits realisieren und andererseits die prekäre Lage
reduzieren zu können. Das Motiv für den Zuverdienst war bei allen Interviewten ausschließlich eine
finanzielle Not. Entweder wurde einer Erwerbsarbeit nachgegangen, um sich den Lebensunterhalt
zu finanzieren, oder, um die prekäre Situation etwa für das eigene Kind zu verbessern. Die
Kehrseite war die immer knapper werdende Zeit, die für das Studium blieb. Kamen dann noch
weitere Belastungen hinzu, wie etwa Betreuungspflichten, verstärkte sich der Druck, das erhöhte
Gesamtarbeitspensum zu bewältigen.
Angesichts der hohen Anzahl erwerbstätiger Studierender stellt sich einerseits die Frage,
wieso das hohe Erwerbsausmaß trotz finanzieller Förderungsmöglichkeiten notwendig erscheint,
andererseitsunddamitzusammenhängendistzueruieren, welcheStudienbedingungenökonomisch
benachteiligten Menschen ein sorgloseres Studieren ermöglichen könnten. Werden diese Themen
nicht bearbeitet, besteht die Gefahr, dass Studierende mit einem niedrigen sozioökonomischen
Status der Belastung nicht standhalten und unter Umständen keinen Hochschulabschluss
erreichen. Diesbezüglich zeigt die Forschung, dass armutsgefährdete Menschen meist nicht
frei darüber entscheiden, ob sie neben dem Studium einen Zuverdienst zur Vergrößerung ihres
persönlichen Handlungsspielraums möchten. Vielmehr stellt dieser eine Notwendigkeit dar, um die
schwierige Lebenssituation zu mildern (vgl. Schenk 2015: 4; Zucha et al. 2023: 173). Außerdem
muss festgehalten werden, dass studentische Armut auf mehreren Ebenen stattfindet und nicht nur
über die Einkommens- oder Vermögensgrenzen erfasst werden kann. Nicht alle armutsbetroffenen
Studierenden sehen sich als einkommensarm, da studentische Armut nicht zwingend durch
Einkommensarmut gekennzeichnet ist. Ebenso spielt die sogenannte Studienarmut eine Rolle – ein
Mangel an verfügbarer Zeit für das Studium, der durch die Notwendigkeit einer Erwerbstätigkeit
entsteht. In Österreich können sich Studierende durch die Aufnahme einer in einem hohen Ausmaß
ausgeübten Erwerbstätigkeit häufig von Einkommensarmut befreien, erfahren dabei jedoch
Studienarmut.
Während manche der Befragten staatliche Fördermittel erhielten, wurden anderen
Interviewten die Hilfen gänzlich verwehrt. Beide Gruppen einte finanzielle Knappheit, weshalb das
Nachgehen einer Erwerbstätigkeit als essenziell beschrieben wurde. Die Bezieher:innen staatlicher
Unterstützungsleistungen betonten, dass die Gelder oft nicht ausreichen, um eine Studienzeit
ohne finanzielle Engpässe zu bieten. Darüber hinaus wurde einer Befragten, trotz ihrer prekären
ökonomischen Ausgangslage und bestehender Sorgeverpflichtungen, die „Studienbeihilfe nach
Selbsterhalt“ wegen bestehender Altersbegrenzungen verwehrt. Altersbegrenzungen bei der
Vergabe von Förderungen erscheinen besonders problematisch, wenn man berücksichtigt, dass
ein Studium für Alleinerziehende – die ohnehin und allzu häufig mit finanziellen Engpässen kämpfen
(vgl. Zartler et al. 2011: 15) – oft erst in einem späteren Lebensabschnitt möglich ist. Hinzu kommt,
dass mindestens vier Arbeitsjahre erforderlich sind, um dieses Stipendium zu erhalten (vgl. ooe.
arbeiterkammer.at). Trotz der Notwendigkeit zur Lohnarbeit und den damit einhergehenden
Herausforderungen, hielten die befragten Bezieher:innen von Studienhilfen fest, dass ein
Studium ohne diese Hilfen nicht umsetzbar gewesen wäre, was die hohe Bedeutung finanzieller
Unterstützungsleistungen für armutsbetroffene Menschen kenntlich macht.
WiesichdasStudiumfürdieBefragtengestaltet, hängtauchmaßgeblichvondenRegelungen
an den Fachhochschulen ab, beispielsweise davon, ob Abwesenheiten mit einem übermäßigen
Aufwand an Kompensationsarbeiten verbunden sind. Auch das Verschieben von Abgabefristen,
um der aufkommenden Zeitnot entgegenzuwirken, wird an manchen Fachhochschulen nicht
ermöglicht. Im Gegensatz dazu berichteten die Befragten, dass die Flexibilität von Dozent:innen
und die Rücksichtnahme auf die persönlichen Herausforderungen als sehr entlastend erlebt wurden.
Kritisiert wurden indes Lehrveranstaltungen, in denen die Armutsbetroffenheit von Studierenden
vorerst sichtbar gemacht wurde. So musste eine Befragte ihre Dozent:innen um eine Alternative für
die verpflichtende Studienreise bitten, da ihr die finanziellen Mittel fehlten. Eine Alternative wurde
ihr jedoch nicht ermöglicht, weshalb sie als Einzige unter ihren Mitstudierenden die günstigste
Reise auswählte, die ihr aber trotzdem hohe Kosten verursachte. Eine weitere Herausforderung, die
von den Fachhochschulen ausgeht, ist das hohe Stundenausmaß der Pflichtpraktika, da diese im
sozialarbeiterischen Bereich in der Regel unbezahlt sind. Während der Ausübung ihres Praktikums
fehlt den Studierenden somit die Zeit, die sie für ihre Erwerbsarbeit brauchen, was in weiterer Folge
finanzielle Not verstärken kann.
Da der Zusammenhang zwischen Bildungsbenachteiligung und geringerer Lebensqualität
belegt ist (vgl. Stocké 2010: 74), ist die Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung des
Hochschulzugangs für marginalisierte Gruppen ein zentrales Thema der Sozialen Arbeit. Bei
der Bearbeitung von Diversitätsfragen kann zwischen der Mikro-, Meso-, und Makroebene
unterschieden werden. Die Mikroebene meint den Lehr- und Lernalltag im Hochschulbetrieb (vgl.
Aichinger/Linde/Auferkorte-Michaelis 2020: 10) und auf dieser lassen sich die Forderungen nach
mehr Rücksichtnahme der Dozent:innen hinsichtlich der Abgabefristen zuordnen. Die Mesoebene
bezieht sich auf die Gestaltung der Studiengänge oder Studienprogramme (vgl. ebd.); auf dieser
Ebene kann der Förderung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Studium zugearbeitet
werden. Ausschlaggebend hierfür sind berufsbegleitende Stundenpläne, die der Lebensrealität
von Arbeitenden entsprechen und eine gute Planbarkeit ermöglichen. Des Weiteren weisen die
Ergebnisse auf notwendige Erleichterungen bzw. Verbesserungen im Bereich der Pflichtpraktika
hin. Solange diese nicht entlohnt werden, braucht es eine unterstützende Vergütung von
Studierenden. Zur Förderung von Chancengleichheit ist ebenso die offene Kritik dieses Missstandes
durch Fachhochschulen sowie deren aktives Engagement zur Abschaffung ausbeuterischer
Praktika gefragt. Solange Praktika nicht bezahlt sind, bei gleichzeitiger Verpflichtung zu hohen
Praktikumsstunden, wird nicht nur die Chancenungleichheit im Bildungssystem verschärft,
sondern auch die Armutsgefährdung von sozioökonomisch benachteiligten Studierenden. Auf der
Makroebene sind gesamtgesellschaftliche und politische Strukturen angesiedelt (vgl. ebd.). Um
Armut unter Studierenden effektiv entgegenzutreten, braucht es politischen Willen und es muss
die Anpassung von staatlichen Fördermitteln vorangetrieben werden. Dies bedeutet einerseits, die
Studienhilfen bedarfsgerecht zu gestalten, und andererseits, die Altersbegrenzungen aufzuheben.
Solange Menschengruppen aufgrund ihrer sozioökonomischen Herkunft strukturell benachteiligt
werden und aufgrund dessen das Studium nur unter erschwerten Umständen absolvieren können,
ist eine Verantwortungsübernahme und das Streben nach Verbesserungen auf allen drei Ebenen
zentral.
5
Fazit: Bildungsgerechtigkeit als Aufgabe Sozialer Arbeit?
Anhand aller drei Forschungsschwerpunkte konnten die strukturellen Hürden im Studium
der Sozialen Arbeit verdeutlicht und unterstrichen werden, dass dringender Bedarf nach
inklusiveren Studienbedingungen besteht. Alle Arbeiten zeigen, dass fehlende institutionelle
Rahmenbedingungen zu Mehrfachbelastung und Mehraufwand für Studierende führen. Dieser
zusätzliche Aufwand besteht beispielsweise aufgrund sprachlicher Herausforderungen, wegen der
Notwendigkeit, Erwerbsarbeit und Studium zu vereinen, sowie aus einer erhöhten organisatorischen
Abhängigkeit von Dritten. Kreuzen sich diese Ungleichheitskategorien, ist zu befürchten, dass die
Belastung noch höher steigt. Daher muss erneut betont werden, dass Hochschulen inklusive und
strukturelle Unterstützungsformen und Studienbedingungen implementieren müssen, wenn sie der
Unterrepräsentation der genannten Studierendengruppen entgegenwirken wollen.
RelevanteFaktorensindindiesemZusammenhangauchdiefehlendenWissensbeständeund
der ausbleibende Diskurs über Diskriminierung der beleuchteten Personengruppen. Die Hochschule
als Wissensvermittlerin und -produzentin trägt die Verantwortung, kritisches Wissen weiterzugeben
und somit Reflexionsprozesse über bestehende Ungleichheiten anzustoßen. Dieser Verantwortung
kann sie allerdings nicht gerecht werden, wenn die Wissensvermittlung von und Sensibilisierung für
Ungleichheiten im eigenen Studium – bei Gehörlosenthemen, (Anti-)Rassismus und studentischer
Armut – nicht zureichend vorangetrieben werden. Die im Hochschulsystem vorhandenen blinden
Flecken fördern soziale Ausschlüsse, denen die Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession
entgegenwirken möchte. Daher ist es unerlässlich, bereits in der Ausbildung Vielfalt und Diversität
zu thematisieren und Strategien für soziale Gerechtigkeit zu entwickeln.
Soziale Arbeit, die auf professionsethischen Grundsätzen beruht (vgl. OBDS 2017: 2),
trägt somit auch die Verantwortung, das Deaf-Gain-Konzept ernst zu nehmen sowie nach innen
und außen zu tragen. Aus Sicht einer befragten Person sollte die Soziale Arbeit ein Vorbild, die
Vermittlerin und Expertin für ein inklusives Verständnis von Gehörlosigkeit sein. Dies ist nicht
zuletzt auch für eine inklusive Praxis nach oder neben dem Studium von Bedeutung. Ebenso
muss sichergestellt werden, dass Absolvierende über ausreichendes Wissen in Hinblick auf die
Lebensrealität von Menschen mit Migrationserfahrung verfügen. Wie auch die Befragten betonen,
muss sich Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession mit antirassistischen Konzepten – etwa der
Anti-Racist Social Work nach Dominelli (2008) – auseinandersetzen. Diese Vertiefung trägt nicht nur
zu einer sensibleren sozialarbeiterischen Praxis bei, sie wirkt auch dem Missstand entgegen, dass
Studierende mit Migrationsbiografie (unbezahlte) Aufklärungsarbeit für ihre Kolleg:innen leisten
müssen. Um der Armutsbetroffenheit unter Studierenden entgegenzutreten, ist schlussendlich
eine Verantwortungsübernahme durch Lehrende, Hochschulen und Politik zentral. Akteur:innen
im Hochschulbereich, insbesondere jene, die der Sozialen Arbeit angehören, können zur
Enttabuisierung des Armutsbegriffs beitragen, indem sie studentische Armut als solche benennen
und sichtbar machen. Dies ist auch deshalb wichtig, damit politische Entscheidungsträger:innen die
Herausforderungen von armutsbetroffenen Studierenden erkennen, diesen gezielt entgegentreten
und somit auch der vorhandenen Vererbung von Bildungschancen in Österreich entgegenwirken
können.
Wenn wir ein grundsätzliches Fazit aus der Forschung ziehen, dann dieses: Hochschulen
müssen sich selbst als (Re-)Produzentinnen von Bildungsungleichheiten begreifen, um eine
Verbesserung zu erreichen (vgl. Aichinger et al. 2020: 360). Soziale Arbeit ist gemäß ihrem Auftrag
in besonderer Weise dazu verpflichtet.
Verweise
i DerBegriff„Migrationsbiografie“istderStudierenden-Sozialerhebung2019entlehnt(vgl.Ungeretal.2020:73).Ein„Migrationshintergrund
erster Generation“ liegt dieser zufolge vor, wenn weder die studierende Person noch die Eltern in Österreich geboren wurden; der Begriff
„Migrationshintergrund zweiter Generation“ verweist darauf, dass beide Elternteile im Ausland, die studierende Person selbst jedoch in
Österreich geboren wurde. Keine Migrationsbiografie liegt vor, wenn mindestens ein Elternteil in Österreich geboren wurde (vgl. ebd.: 85).
Diese Differenzierung war für die Forschungsarbeit von Bedeutung, weil Herausforderungen je nach Dauer des Aufenthalts in Österreich
als unterschiedlich belastend erlebt werden könn(t)en.
ii
Ähnliche Maßnahmen wurden beispielsweise an der FH Campus Wien gesetzt. In Kooperation mit dem Fonds Soziales Wien wurden
Asylwerbende über die Dauer von zwei Semestern in Deutsch- und Inklusionskursen begleitet und auf das reguläre Studium vorbereitet
(vgl. FH Campus Wien o.A.).
iii
Eine der befragten Personen berichtete von positiven Erfahrungen bei der Überarbeitung des Curriculums in ihrem Studiengang, bei
der auch Studierende miteinbezogen wurden und partizipieren konnten: „Unser Jahrgang wurde da [Anm.: in der Überarbeitung des
Curriculums] auch sehr viel befragt. […] Und das hat dann auch entwickelt, dass ein Schwerpunkt irgendwie auch auf Rassismus oder
antirassistische Arbeit dazukommt.“ (Koller et al. 2022: 101)
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Studierenden-Sozialerhebung 2023. Kernbericht. Wien: Institut für Höhere Studien.
Über die Autor_innen
Viktoria Kasser, BA MA
Abschluss des Bachelorstudiums Bildungswissenschaft an der Universität Wien 2020. Im Zuge
dessenAbsolvierungdeszweijährigenErweiterungscurriculums„ÖsterreichischeGebärdensprache“.
Abschluss des Masterstudiums Soziale Arbeit 2022. Zurzeit berufstätig als Sozialarbeiterin in der
Obdachlosenhilfe und in Ausbildung zur Psychotherapeutin.
Eva Katharina Mantler, BA MA
Abschluss des Bachelorstudiums Kultur- und Sozialanthropologie 2020 (Universität Wien)
sowie Abschluss des Masterstudiums Soziale Arbeit 2022 (FH St. Pölten). Derzeit tätig in der
soziotherapeutischen Begleitung von Menschen in schweren psychischen und psychotischen
Lebenskrisen, Verein Windhorse. In Ausbildung zur Psychotherapeutin.
Angelika Koller, MA
Abschluss des Bachelor-Studiengangs Soziale Arbeit 2020 sowie des Master-Studiengangs Soziale
Arbeit 2022 (beides FH St. Pölten). Derzeit tätig als Sozialarbeiterin bei der Volkshilfe Österreich im
Bereich Soziale Arbeit, Pflege, Forschung und Sozialpolitik und in der Lehre an der FH St. Pölten.