Angelika Felder, Julia Reiner & Fabian A. Rebitzer. Erlebnisse und Veränderungen im Zuge von
Partizipationsprojekten. Qualitative Befunde aus dem Projekt BePart und Impulse für die Soziale Arbeit.
30. Ausgabe 2025
Hard-To-Reach or No Access?
Erlebnisse und Veränderungen
im Zuge von Partizipationsprojekten
Qualitative Befunde aus dem Projekt BePart und
Impulse für die Soziale Arbeit
Angelika Felder, Julia Reiner & Fabian A. Rebitzer
Zusammenfassung
Das Wissenstransferprojekt BePart fragte danach, warum und mit welchen Erwartungen sich
MenschenanPartizipationsprojektenbeteiligenundwelcheAuswirkungendiesaufdieTeilnehmenden
selbst, ihre soziale Umgebung sowie ihr Verhältnis zu dieser hat. Die Ergebnisse zeigen, dass das
Partizipationserleben durch individuelle Motivatoren, Erwartungen und Erfahrungen bestimmt wird
und dass es die persönliche Weiterentwicklung, insbesondere das Selbstempowerment, sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert.
Schlagworte:Partizipation,gesellschaftlicherZusammenhalt,Partizipationserleben,Empowerment,
Dialog, Bürgerbeteiligung, freiwilliges Engagement
Abstract
The BePart research-transfer project examined the motivations and expectations of individuals’
engagement in participation projects, and the subsequent impact on the participants themselves,
their social environment, and their relationship to it. The findings indicate that the experience
of participation is influenced by individual motivators, expectations and prior experiences.
Furthermore, the results demonstrate that these initiatives foster personal development, particularly
self-empowerment, as well as social cohesion.
Keywords: participation, social cohesion, experience of participation, empowerment, dialogue,
civic participation, voluntary commitment
1
Ausgangslange
Partizipation, d. h. das Einbeziehen von „Einzelnen oder Gruppen in Entscheidungs- und
Willensbildungsprozesse“ (Schönhuth/Jerrentrup 2019: 1), gilt in Österreich als wesentlicher
Bestandteil für eine bürger_innennahe Politik und Verwaltungsführung. Beteiligung ist die Basis für
einen Dialog auf Augenhöhe, der es ermöglichen soll, aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen
gemeinsam zu meistern (vgl. BMWKMS 2024). Sie soll dazu beitragen, den gesellschaftlichen
Zusammenhalt zu stärken und Ambiguitätstoleranz in der Bevölkerung fördern. Auch abseits
politischer Mitbestimmungsprozesse gewinnen partizipative Ansätze derzeit an Bedeutung. Vor
allem im Sozial- und Gesundheitsbereich werden in Österreich aktuell viele Partizipationsprojekte
durchgeführt. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „Inklusive Caring Communities“ (vgl. querraum o.
J.), in welchem Forscher_innen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten, um die Forschungs-
und Praxisfelder Inklusion und „Caring Communities“ zusammenzubringen.
Im Sozial- und Gesundheitsbereich besteht ein wesentliches Ziel von partizipativen
Prozessen in der Förderung von Teilhabe und Empowerment (vgl. Rieger/Straßburger 2019: 43–
46; Kolip/Trojan 2020: 3–7). Empowerment spielt eine wesentliche Rolle für den Wechsel von der
defizit- hin zur ressourcenorientierten Perspektive (vgl. Brandes/Stark 2016: 63–64; Herriger 2020:
74–75). Generell zielt Empowerment darauf ab, Menschen darin zu fördern, „ihre soziale Lebenswelt
und ihr Leben selbst zu gestalten und sich nicht von außen gestalten zu lassen“ (Brandes/Stark
2016: 62). Dass Partizipation Einfluss auf die Selbstverantwortung von Menschen hat, da sie
Neues lernen und eigenständiges Handeln gefördert wird, zeigt auch eine Studie zu Erfolgsfaktoren
und Herausforderungen von Partizipationsprojekten (vgl. Devecchi et al. 2020: 137). Studien wie
diese untermauern die Relevanz von partizipativen Prozessen für die Förderung von (Selbst-)
Empowerment. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass für ein tiefergehendes Verständnis erfolgreicher
Partizipationsprojekte – und damit auch für die Förderung von Empowerment – die individuellen
Motive und Erfahrungen von Partizipierenden zu berücksichtigen sind, wobei diese Faktoren in der
Fachliteratur bislang vergleichsweise wenig Beachtung gefunden haben.
An dieser Stelle knüpft das Projekt BePart – Partizipation (er-)leben – Haltung und
Begeisterung für Partizipationsprojekte weitergeben an, das von der Forschungsgruppe „Empirische
Sozialwissenschaften“ der Fachhochschule Vorarlberg in Kooperation mit dem „Zentrum für
Gemeinden der OST – Ostschweizer Fachhochschule“ zwischen 2023 und 2025 durchgeführt wurde.
Das durch den „Wissenschaftsverbund Vierländerregion Bodenseeregion“ geförderte Projekt fragt
danach, warum und mit welchen Erwartungen sich Menschen an Partizipationsprojekten beteiligen.
Fokussiert wurden dabei sowohl das subjektive Erleben der Teilnehmenden als auch die individuellen
und sozialen Auswirkungen der Teilnahme an Partizipationsprozessen. Im vorliegenden Artikel
werden die zentralen Projektergebnisse präsentiert und eingeordnet, insbesondere bezüglich der
Förderung von (Selbst-)Empowerment.
2
Projektdesign
Das Wissenstransferprojekt BePart – Partizipation (er-)leben – Haltung und Begeisterung für
Partizipationsprojekte weitergeben basierte auf einem zweiphasigen Design. Die erste Phase
umfasste die Datenerhebung und -aufbereitung von Erfahrungswissen aus zuvor definierten
Lernprojekten. In der zweiten Phase standen die Diskussion der gewonnenen Erkenntnisse mit
Expert_innen und der breiten Öffentlichkeit sowie der Wissenstransfer in andere, bereits laufende
oder noch anstehende Partizipationsprojekte im Vordergrund.
Die Auswahl der sogenannten Lernprojekte erfolgte primär auf Basis der Qualitätskriterien
für erfolgversprechende partizipative Prozesse, die im Projekt Resiliente Bodenseegemeinden (vgl.
Devecchi/Haßheider 2020) erarbeitet wurden. Die Projekte sollten in Vorarlberg, der Ostschweiz oder
Süddeutschland situiert und bereits abgeschlossen oder in der Verstetigung sein. Der Feldzugang
zu den Partizipationsprojekten erfolgte über entsprechende Netzwerke der wissenschaftlichen
Projektpartner_innen.
Insgesamt wurden acht Lernprojekte ausgewählt, davon zwei Projekte aus der Schweiz
und jeweils drei aus Deutschland und Österreich. Die inhaltliche Ausrichtung der Projekte war
äußerst heterogen: Thematisch befassten sie sich mit dem Klimawandel, der Wiederbelebung
von historischen Gebäuden, der Ortsgestaltung und Sport. Die Teilnehmer_innen, Initiator_innen
und Moderator_innen von sieben der acht Projekte wurden mittels Fokusgruppen (n = 44) und
episodischen Interviews (n = 7) zu ihrem Erleben von und Erfahrungswissen über partizipative
Prozessebefragt. ZusätzlicherfolgteeinestandardisierteOnline-BefragungvonfreiwilligEngagierten
bei einer großen Sportveranstaltung in Vorarlberg. Der vorliegende Artikel konzentriert sich auf die
Ergebnisse der qualitativen Erhebung. Die qualitative Datenauswertung erfolgte inhaltsanalytisch
nach Kuckartz und Rädiker (2024) und wurde computerunterstützt in MAXQDA durchgeführt. Für
eine Expert_innenvalidierung der Erhebungsinstrumente und Ergebnisse wurde das Projekt von
Beginn an von einem Projektbeirat aus regionalen Stakeholdern und Expert_innen aus der Praxis
unterstützt.
3
Ergebnisse
3.1 Die Vorphase von Partizipationsprozessen
Wie die qualitativen Ergebnisse zeigen, wird das Partizipationserleben bereits im Vorfeld der
Projektteilnahme durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Hierzu gehören die unterschiedlichen
Wege zur Partizipation, die individuellen Motivatoren, Erwartungen und Grundhaltungen der
Teilnehmer_innen sowie verschiedene Voraussetzungen für die Teilnahme.
3.1.1 Wege zur Partizipation
Der am häufigsten unter den Befragten genannte Weg zu Partizipationsprojekten verläuft über
soziale Kontakte, insbesondere persönliche Netzwerke und Bekanntschaften. Erfahrungsberichte,
eine direkte Einladung oder Aufforderung durch Freund_innen, Bekannte oder Familienmitglieder
können einen entscheidenden Einfluss darauf haben, ob man an einem Projekt teilnimmt. Eine
andere Möglichkeit sind Einladungen durch öffentliche Institutionen oder Initiativen wie Bürger_
innenräte oder Bürger_innenpanels.1 Während die meisten Befragten durch Netzwerke und
öffentliche Initiativen zu ihrem Partizipationsprojekt gefunden haben, gab es auch einen kleinen
Anteil, der proaktiv nach Partizipationsmöglichkeiten gesucht hat; in manchen Fällen lag auch eine
Kombination der genannten Wege vor.
3.1.2 Motivatoren und Auslöser für eine Projektteilnahme
Die Teilnehmer_innen berichten von vielfältigen Motivatoren und/oder diesen vorausgegangenen
Auslösern für die Beteiligung an partizipativen Prozessen. Letztere können sowohl biografische
Umbrüche (z. B. Scheidung, Jobwechsel) als auch wahrgenommene Missstände und damit
verbundene Veränderungswünsche sein – in der unmittelbaren Umgebung (z. B. Dorfsterben) oder
auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Ein Teilnehmer berichtet beispielsweise von der Renovierung
eines heruntergekommenen Bikeparks, den er selbst gerne nutzt, wobei ihn die persönliche
Betroffenheit motiviert hat, Teil des Projekts zu werden: „Als wir gesehen haben, dass da was
passiert, ich glaub da war sogar die Planungsphase schon vorbei. […] Und da kamen wir dann
dazu, weil wir eben gesehen hatten, dass da was passiert und wir auch ein Teil davon sein wollten
und mithelfen wollten.“ (Lernprojekt aus Deutschland, Pos. 8)
Ein weiterer häufig genannter Motivator ist die Aussicht auf Gemeinschaft und damit die
Möglichkeit, mit anderen Menschen gemeinsam an etwas zu arbeiten, sowie der Austausch mit
Gleichgesinnten oder ebenfalls teilnehmenden Freund_innen. Auch Erfahrungsberichte von
Personen mit Partizipationserfahrung werden als Motivatoren für eine Projektteilnahme angeführt.
Dies gilt auch für den Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung oder Veränderung, den Erhalt
von Incentives für die Teilnahme oder ein generelles Interesse am Projekt selbst.
3.1.3 Erwartungen und Grundhaltungen
Der Großteil der Befragten hatte mehr oder weniger klare Wünsche und Erwartungen an die
Teilnahme am Partizipationsprojekt. Im Vordergrund standen der Austausch mit anderen Menschen,
Mitgestaltungsmöglichkeitenundeinegute,tragfähigeProjektumsetzung.FürmancheTeilnehmende
spielten auch das Sammeln von Projekterfahrung, die zeitliche Begrenzung der Teilnahme und ein
einheitlicher Informationsstand aller Beteiligten eine Rolle. Aus den Erwartungen mancher Befragten
lassen sich Grundhaltungen und Werte ableiten, die für diese – unabhängig vom jeweiligen
Partizipationsprojekt – handlungsleitend sind, beispielsweise ein genereller Gestaltungswille oder
auch Offenheit und Neugierde: „Also ich glaube vor allem Neugier. […] Ich glaube, ich bin eher so
der Typ, ich will mir das vor Ort angucken und dann schauen, was es da so für Potenziale gibt.“
(Lernprojekt aus Deutschland, Pos. 35)
3.2 Die Nachphase von Partizipationsprozessen
Wie die qualitativen Befunde zeigen, bestimmt ein komplexes Zusammenspiel der oben
beschriebenen Faktoren, mit welcher Haltung Menschen in einen Partizipationsprozess eintreten. Im
folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse zu den subjektiven Erlebnissen sowie den Auswirkungen
partizipativer Prozesse auf die Teilnehmer_innen und ihre soziale Umwelt vorgestellt.
3.2.1 Erfüllende Erfahrungen
Im Vordergrund der berichteten Erfahrungen steht das starke Gemeinschaftsgefühl – sei es durch
das Erleben von Gemeinschaft oder die Zusammenarbeit mit anderen Menschen. In diesem
Zusammenhang spielt das Wohlfühlen in der Projektgemeinschaft eine wichtige Rolle: „Man könnte
vielleicht sagen, es ist so eine Art Safe Space, wo man sich darum gar nicht kümmern muss, wo
eigentlich jeder willkommen ist, wo es gar nicht darum geht, welches Geschlecht, welche politische
Einstellung oder irgendwas.“ (Lernprojekt aus Deutschland, Pos. 79)
Ein bedeutsamer Faktor, um sich in der Projektgemeinschaft wohlzufühlen, ist eine offene
Kommunikationskultur. Viele Befragte empfinden eine solche als bereichernd für eine produktive und
nachhaltige Zusammenarbeit. Diese kann den Erfahrungen mancher Teilnehmer_innen nach eine
offene Haltung befördern sowie den Willen, neue Perspektiven kennenzulernen und von anderen
zu lernen. Auch gegenseitige Anerkennung, Respekt und Wertschätzung werden als bedeutsam
erlebt, wenn es darum geht, tragfähige Entscheidungen und konstruktive Lösungen im Projekt zu
finden.
Viele Befragte haben durch die Teilnahme an ihrem Partizipationsprojekt das Gefühl, einen
gesellschaftlichenBeitragzuleisten,indemsieanLösungenfürkonkreteProblememitarbeiten.Neben
diesem gesellschaftlichen Mehrwert erleben die Teilnehmer_innen auch persönlich sinnstiftende
Momente. Voraussetzungen für eine bessere Zukunft zu schaffen oder den Zusammenhalt der
Gesellschaft zu fördern, wird auf persönlicher Ebene als bereichernd und motivierend empfunden.
Dies kann auch mit einer starken Identifikation mit dem jeweiligen Projekt einhergehen.
3.2.2 Herausfordernde Erfahrungen
Neben erfüllenden Erfahrungen berichten einige Befragte auch von Herausforderungen, mit denen
sie im Projekt konfrontiert waren. Hierbei handelt es sich beispielsweise um eine erlebte Diskrepanz
zwischen den eigenen Zielvorstellungen und Erwartungen und den Zielen bzw. realisierten
Fortschritten des Projekts. Dies kann mit negativen Gefühlen wie Frustration, Unzufriedenheit oder
dem Eindruck einhergehen, nicht gehört zu werden. Wie einige Teilnehmer_innen berichten, kann
dieses Spannungsfeld aufgelöst werden, indem die eigenen Erwartungen zugunsten der Projektziele
angepasst werden:
„Die Erwartungen waren natürlich total hoch erstmal, weil man sieht im Internet
teilweise auch private Parks, und das ist natürlich nochmal eine ganz andere Liga.
Und dann haben wir aber auch schnell auch eingesehen, so wird es wahrscheinlich nie
werden, so sollte es auch nicht werden, das soll ja auch für die Breite zugänglich
sein.“ (Lernprojekt Deutschland, Pos. 29)
Auch die Aushandlung unterschiedlicher Ansichten und Positionen unter den Teilnehmenden
kann eine Herausforderung für die Durchführung und Zielerreichung von Partizipationsprojekten
darstellen. Sowohl für das Erleben der Teilnehmenden als auch die Erreichung der Projektziele ist
es dabei wichtig, diese frühzeitig zu ermöglichen sowie zu moderieren und durch die Einbeziehung
professioneller Prozess- und Projektbegleitungen zu unterstützen.
Eine weitere Herausforderung besteht in der Aufwendung zeitlicher, organisatorischer
und finanzieller Ressourcen für das jeweilige Projekt. So zeigen die Ergebnisse, dass zeitliche
Einschränkungen in anderen Lebensbereichen (bspw. Familie) mit der Projekteinbindung
einhergehen können. Eine ungeklärte Projektfinanzierung kann wiederum Besorgnis über den
Projekterfolg auslösen. Auch das Sicherstellen der für den Projekterfolg notwendigen Fähigkeiten
und Kompetenzen wird als herausfordernd erlebt, insbesondere wenn diese mit Anforderungen
einhergehen, die die Möglichkeiten der Teilnehmenden übersteigen.
3.2.3 Persönliche Entwicklungen und Erkenntnisse der Teilnehmer_innen
Im Zuge der Beteiligung an einem Partizipationsprojekt wird vielfach eine persönliche
Weiterentwicklungerlebt.AuchnehmendieBetroffenenverschiedeneErkenntnisseüberPartizipation
und zwischenmenschliche Zusammenarbeit aus ihrer Projektteilnahme mit. Zur persönlichen
Weiterentwicklung zählt etwa der Erwerb neuer Fähigkeiten und Kompetenzen, wie beispielsweise
Präsentations- und Moderationsfähigkeiten sowie Führungskompetenzen. Auch eine subjektive
Steigerung der eigenen Resilienz, die Verbesserung von individuellen Copingstrategien im Umgang
mit Stress und Herausforderungen sowie ein offenerer Umgang mit anderen Menschen werden von
den Teilnehmer_innen angeführt. Darüber hinaus fördern die Erlebnisse in den Projekten aus Sicht
zahlreicher Befragter das Selbstbewusstsein, die Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit. Für
viele geht damit die Erfahrung einher, innerhalb oder außerhalb des Projekts mehr Verantwortung
übernehmen oder sich aktiver einbringen zu wollen. Die Teilnahme an einem Partizipationsprojekt
kann auch eine Selbstreflexion in Gang setzen, bei der das persönliche Verhalten, die Rollen in
der Gemeinschaft oder eigene Hemmungen hinterfragt werden. Dieser Reflexionsprozess kann
zu grundlegenden Veränderungen im eigenen Lebensentwurf führen, wie beispielsweise zu einer
beruflichen Neuorientierung.
Neben persönlichen Entwicklungen sind für viele Befragte die Erkenntnisse über partizipative
Prozesse und zwischenmenschliche Zusammenarbeit wichtig. Hierzu zählt unter anderem die
Einsicht, dassdasVerständnisunddieAnerkennungfürandereMenschenundvonunterschiedlichen
Sichtweisen eine wichtige Stärke der Gruppe bzw. Gemeinschaft darstellt und ermöglicht, Vertrauen
innerhalb dieser aufzubauen: „Ich würde sagen, wenn wir Menschen zusammenarbeiten, können
wir alles möglich machen, selbst wenn es Herausforderungen gibt oder Probleme. Zusammen
können wir es schaffen.“ (Lernprojekt Österreich, Pos. 178)
Das Teilen von gemeinsamen Erlebnissen im Projekt, seien es positive oder herausfordernde,
wird von einigen Befragten als motivierend erlebt. Gemeinsam an einem Thema zu arbeiten, ist den
Befragten zufolge eine wichtige Basis für die Zusammenarbeit und das Gemeinschaftsgefühl. Sich
selbst aktiv in ein Projekt einzubringen bzw. motiviert dabei zu sein, erachten viele Partizipierende
als ebenso wichtig und mitentscheidend für den Erfolg der Projekte. Dem ungeachtet wird auch
wiederholt die Bedeutung einer professionellen Begleitung betont. Indem eine Prozessbegleitung die
Verantwortung für die (organisationalen) Abläufe und die Schaffung einer integrativen Atmosphäre
übernimmt, ermöglicht sie den Teilnehmer_innen, sich auf die Lösungsfindung zu konzentrieren.
Offenheit, Zugänglichkeit und die Bereitschaft zum Austausch werden in diesem Zusammenhang
als wichtige Eigenschaften von Prozessbegleiter_innen genannt.
3.2.4 Auswirkungen auf das soziale Umfeld
Viele Teilnehmer_innen berichten von Veränderungen in ihrem sozialen Umfeld bzw. im Verhältnis
zu diesem infolge ihrer Projektteilnahme. So gibt eine Vielzahl der Befragten an, die im Projekt
gewonnenen Erkenntnisse und veränderten Perspektiven in ihren Alltag sowie in andere
Lebensbereiche und Initiativen integriert zu haben. Somit wurde ihr Wissen über das Projekt hinaus
transferiert: „Ich finde, es bewirkt schon auch, dass man das Gefühl hat, man bekommt wieder
mehr Gespür dafür, was im Dorf passiert, welche Akteure tätig sind, wie die denken.“ (Lernprojekt
Österreich, Pos. 71)
Im Rahmen der Projekte entstanden zudem nachhaltige soziale Netzwerke in Form neuer
Kontakte und Freundschaften. Manche Projekte führten zur Etablierung neuer Begegnungsorte
in der jeweiligen Region, wodurch diese wiederbelebt wurde oder neue Freizeitmöglichkeiten
entstanden.
„Also für mich ist noch das Schöne, wenn ich merke, dass die, zum Beispiel die alten
Frauen. Da gibt es keine Männer mehr, die sind alle Witwen. Die kommen in die
[Ortsnennung], um miteinander zu reden, denn daheim ist niemand mehr, mit dem
sie reden können. Und für die ist es ein Gewinn. Die kommen […] und fühlen sich
einen Nachmittag wohl.“ (Lernprojekt Deutschland, Pos. 102)
Die Teilnehmer_innen berichten häufig vom Zuspruch und den positiven Rückmeldungen aus ihrem
direkten Umfeld. Familie, Freund_innen und Bekannte erkennen und schätzen ihre Beteiligung,
wodurch sich die Teilnehmer_innen anerkannt und unterstützt fühlen. Besonders im Freundeskreis
wirddasEngagementhäufigalsinspirierendwahrgenommen.DadurchistesmanchenTeilnehmenden
gelungen, auch Freund_innen oder Familienmitglieder zum Mitmachen zu motivieren.
Die Beteiligung an Partizipationsprojekten wird jedoch nicht durchgehend positiv durch das
soziale Umfeld wahrgenommen. Besonders in Fällen, in denen frühere Erfahrungen mit ähnlichen
ProjektenzuEnttäuschungengeführthaben,reagiertedassozialeUmfeldskeptisch.Diesunterstreicht
die Bedeutung der Sicherstellung eines positiven Erlebens der Partizipationsgelegenheit, auch
unabhängig von deren tatsächlicher Zielerreichung.
4
Diskussion und Conclusio
Das Wissenstransferprojekt BePart fragt danach, warum und mit welchen Erwartungen sich
MenschenanPartizipationsprojektenbeteiligenundwelcheindividuellenundsozialenAuswirkungen
die Teilnahme auf sie hat. Dafür wurden Beteiligte von sogenannten Lernprojekten im Rahmen von
Fokusgruppen und episodischen Interviews zu ihren Erfahrungen befragt.
Wie in den qualitativen Ergebnissen deutlich wird, stiegen die Befragten mit verschiedenen
Motivatoren, Erwartungen und Ressourcen in die Partizipationsprojekte ein. Diese Faktoren
nehmen im weiteren Verlauf Einfluss auf die Wahrnehmung der Beteiligung in den Projekten und
den Umgang mit Herausforderungen. Das konkrete Partizipationserleben wiederum beeinflusst
maßgeblich, welche Einstellungen Partizipierende zum Ende eines Projekts vertreten und wie
sie ihre Erfahrungen sowie die persönlichen und sozialen Auswirkungen bewerten. Ein positives
Partizipationserlebnis spielt dabei – neben dem Projektergebnis selbst – eine zentrale Rolle für den
Erfolg partizipativer Prozesse. Abseits der angestrebten Projektziele zeigt sich deren Mehrwert auf
mehreren Ebenen: So können positiv wahrgenommene Erlebnisse in Partizipationsprojekten auch
positive Auswirkungen haben auf die Beziehungen der Partizipierenden zu ihrem sozialen Umfeld
und der Gesellschaft sowie auf ihre individuelle Weiterentwicklung. Insbesondere das (Selbst-)
Empowerment der Partizipierenden kann etwa durch den Aufbau von verschiedenen Kompetenzen
und persönlichen Ressourcen (z. B. Selbstwertgefühl, Selbstwirksamkeitserleben, Resilienz usw.)
gestärkt werden.
Solche Befunde stützen nicht zuletzt das Empowerment-Schema nach Brandes und
Reker (2009), demzufolge Partizipation durch eine Kompetenz- und Ressourcenerweiterung
Empowerment ermöglicht und fördert, beispielsweise durch die Zunahme des Kohärenzgefühls,
der kritischen Reflexion und Selbstwirksamkeitserwartung sowie durch die Erweiterung
von Problemlösungsstrategien und schlussendlich die Steigerung der Bereitschaft zur
Verantwortungsübernahme und des Partizipationsbedürfnisses (vgl. Brandes/Reker 2009). Derlei
persönliche Kompetenzen und Ressourcen sind angesichts der fortschreitenden Individualisierung
und Pluralisierung von Lebenslagen, im Zuge derer Subjekte zu Hauptakteur_innen in der
Gestaltung ihrer eigenen Lebensentwürfe werden (vgl. Keupp et al. 1999), besonders relevant. Von
solchen Empowerment-Prozessen können die verschiedensten Zielgruppen profitieren, so auch die
Adressat_innen der Sozialen Arbeit.
Wie die Ergebnisse darüber hinaus zeigen, können Partizipation und die Förderung von
Empowerment nicht nur Veränderungen für die Beteiligten bewirken, sondern auch im sozialen
Umfeld. So wurde etwa in einem Partizipationsprojekt angeeignetes Wissen an andere Personen
weitergegeben und über das Projekt hinaus transferiert. Auch konnten durch die Begeisterung der
Teilnehmer_innen im Freundes- und Familienkreis weitere Partizipierende gewonnen werden. Ein
positives Partizipationserleben und die damit verbundenen Empowerment-Effekte werden so auch
in das Umfeld der Teilnehmer_innen weitergetragen. Daran zeigt sich nicht zuletzt die Bedeutung von
Partizipationsprojekten für die Stärkung des Sozialkapitals und gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Da es sich bei BePart um eine qualitative Erhebung handelt, haben die Ergebnisse keinen
Generalisierungsanspruch und lassen auch keine Aussagen zur Verteilung positiver und
negativer Erfahrungen zu. Um die Auswirkungen und den Einfluss des Partizipationserlebens
auf das Empowerment von Beteiligten zu untersuchen, sind zukünftig weitere, auch breiter
abgestützte quantitative Erhebungen nötig. Bei der Bewertung der Ergebnisreichweite ist zudem
zu berücksichtigen, dass ausschließlich Teilnehmer_innen von bereits länger laufenden bzw.
erfolgreich abgeschlossenen Projekten befragt wurden. Insofern liefert die Studie keine Einblicke
in das Partizipationserleben von Teilnehmer_innen von gescheiterten Projekten. Zwar zeigen die
Ergebnisse, wie sich Enttäuschungen und Diskrepanzen zwischen den eigenen Ansprüchen und
dem tatsächlichen Projektfortschritt auf das Erleben Partizipierender auswirken können; allerdings
sind prospektiv weitere Erhebungen notwendig, um solche Dynamiken vertieft zu explorieren,
insbesondere in Fällen, in denen partizipative Prozesse zu keinem erfolgreichen Abschluss kommen.
Eine weitere Limitation besteht darin, dass es sich bei den ausgewählten Lernprojekten
und deren Teilnehmer_innen größtenteils um homogene Gruppen handelte. Obgleich eine gewisse
Diversität bezüglich des Alters und Geschlechts der Teilnehmer_innen vorlag, schienen die meisten
einen höheren Bildungsstatus sowie ähnliche Interessen und soziale Hintergründe aufzuweisen.
Diese Homogenität der Befragungsteilnehmer_innen ist bei der Interpretation der Befunde zu
berücksichtigen. Bei den wenigen Projekten mit einer diverseren Zusammensetzung konnte
beobachtet werden, dass soziale Institutionen in die Rekrutierung von Teilnehmer_innen involviert
waren und so dazu beitragen konnten, Selbstselektionsprozesse abzumildern. Die Ergebnisse
des vorliegenden Projekts legen in diesem Zusammenhang nahe, dass gerade Einrichtungen
der Sozialen Arbeit als Multiplikator_innen fungieren können, um diverse Personengruppen
für Partizipationsprojekte zu gewinnen. Dieser Befund ist nicht nur in der Forschung zu
partizipativen Prozessen zu berücksichtigen, er ist vor allem für die praktische Durchführung
von Beteiligungsprojekten relevant. So könnte eine Zusammenarbeit von Institutionen, die
Partizipationsprojekte initiieren, mit Einrichtungen der Sozialen Arbeit zukünftig dazu beitragen,
dass insbesondere auch schwer erreichbare Personengruppen einbezogen werden können.
Verweise
i
Unter einem Bürger_innenrat (Österreich, Deutschland) bzw. Bürger_innenpanel (Schweiz) versteht man ein Beteiligungsverfahren, in
welchem Bürger_innen im Mittelpunkt stehen und gemeinsam an politischen Fragestellungen und Diskussionen aktiv mitwirken. Die
Einladung zu diesen Beteiligungsverfahren erfolgt häufig per Zufallsauslosung (vgl. Gemeinde Thalwil 2025; Land Vorarlberg o. J.).
Literaturverzeichnis
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Weiterführende Links
Über die Autor_innen
Angelika Felder, BSC MPH
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Forschungsgruppe Empirische Sozialwissenschaften der
Fachhochschule Vorarlberg.
Dr.in Julia Reiner, BA MA
Scientist, Forschungsgruppe Empirische Sozialwissenschaften und Fachbereich Soziales und
Gesundheit der Fachhochschule Vorarlberg.
Mag. Fabian A. Rebitzer
Forschungsgruppenleiter,ForschungsgruppeEmpirischeSozialwissenschaftenderFachhochschule
Vorarlberg.