soziales_kapital
wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit
Nr. 2 (2009) / Rubrik "Rezensionen" / Standortredaktion Vorarlberg
Printversion: http://www.soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/viewFile/90/123.pdf


Hermann Bayer: Coaching Kompetenz - Persönlichkeit und Führungspsychologie. Ernst Reinhardt Verlag. München 2000

166 Seiten / 24,90 EUR

Organisationsentwicklung wird von Hermann Bayer in Anlehnung an die Tradition Alfred Adlers individualpsychologisch gedeutet. Coachingkompetenz ist für den Autor vornehmlich zwischenmenschliche Interaktionsfähigkeit. Coachende Führungskräfte agieren aus diesem Fokus vor allem als Mensch zu anderen Menschen, weswegen von ihnen besondere Interaktionskompetenzen gefordert werden. Zwar hebt das Buch nicht ausschließlich auf kaum erreichbare Persönlichkeitseigenschaften quasi-heroischer Ideale ab. Der Duktus ist aber in weiten Teilen die bekannte Mischung aus Maximalanspruch an menschliches Verhalten, gepaart mit dem normativen Charme organisationsverbessernder Thesen.

Das soll nicht heißen, der vorliegende Ansatz wäre nicht betrieblich relevant. Das Gegenteil ist leider der Fall. Nur bietet das vorliegende Buch kaum Antworten auf die Frage, wie die Führungskraft - denn jene wird hier als Coach ihrer Mitarbeiter gesehen - den elaborierten Werte- und Bildungsstand erreicht, und in welchen Methoden sich ihr Feingefühl ausdrückt. Fast schon ärgerlich sind eingeschobene Allgemeinplätze aus der Beratungsecke wie: "Prozessgestaltung bedeutet, permanent - und zwar so früh wie möglich - aufgrund von Warnsignalen entsprechend einzugreifen, stets bereit zu sein und stets vorbeugend zu handeln. Ein Prozess ist eine nie endend wollende Kette von einzelnen angemessen Impulsen ... " und so fort. Besonders empirisch bewanderte Leser vermissen die Verknüpfung der theoretischen Ebene mit der Handlungsebene und der Ebene beobachtbaren und messbaren Verhaltens.

Hierzu ein Beispiel: Der Coach wird unter anderem als Klimagestalter identifiziert, nachdem die Bedeutung des Betriebsklimas und der Firmenkultur erarbeitet wurden. Als Mittel zur Klimagestaltung sieht der Autor - hier ist ihm absolut zuzustimmen - den angstfreien Interaktionsprozess an. Der Beitrag bleibt jedoch an dieser Stelle stehen, ohne tiefer gehende Aspekte der Thematik zu beleuchten, wie etwa die Frage, welche Ängste in Unternehmen aus welchen Gründen auftreten können, welche strukturellen Bedingungen sie bewirken, in welcher Form ein Coach angstfreie Gespräche inszeniert, welche Chancen er hat, in einer negativen Unternehmenskultur im Sinne des vorliegenden Ansatzes zu wirken, woran sich eine Verbesserung des Klimas festmacht u.s.w.. Man sucht also vergeblich nach beobachtbaren Merkmalen und messbaren Indikatoren von Coaching-Kompetenz. Dem hier vorgelegten konstruktiv-radikalen Ansatz zur Verbreitung von Soft-Skills in Unternehmen ist mit der dargebotenen Form in der betrieblichen Praxis leider wenig gedient.

Frederic Fredersdorf / fre@fhv.at