Barbara Hönig. Sozialarbeitsforschung im Spiegel ihrer Fachzeitschriſten. Eine Analyse des Journals soziales_kapital (2008–2024).
31. Ausgabe, 2025
Geschlechtergerechtigkeit
SozialarbeitsforschungimSpiegelihrerFachzeitschriften
Eine Analyse des Journals soziales_kapital (2008–2024)
Barbara Hönig
Zusammenfassung
Fachzeitschriften dienen in der scientific community als Kommunikationsorgane ihrer Akteur:innen;
in der Sozialen Arbeit sind sie fur deren Anerkennung als Profession und Disziplin bedeutsam.
Der in Fachzeitschriften inkorporierte Wissensbestand reflektiert Professionalisierungsprozesse,
denen Soziale Arbeit unterworfen ist und die sie zugleich mitgestaltet. Anhand der Analyse von
knapp 500 Artikeln, die von 2008 bis 2024 im in Österreich verankerten Fachjournal soziales_kapital
publiziert wurden, untersucht der Beitrag, welche Themenschwerpunkte und welche empirischen
Methoden diesen Wissensbestand formieren. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Rekonstruktion
der Debatten zur (De-)Professionalisierung Sozialer Arbeit, insbesondere mit Blick auf transnationale
Gemeinsamkeiten und lꢀnderspeziꢁsche Unterschiede. Das Forschungsdesign verwendet
quantitativ-inhaltsanalytische Methoden der Sozialforschung und untersucht den Wissenskorpus
im Zeitraum von 2008 bis 2024. Die Ergebnisse erlauben Einsichten zu historischen, aktuellen und
lokalen Perspektiven auf Professionalisierungsprozesse und zur Rolle der Sozialarbeitsforschung in
der und fur die Soziale Arbeit.
Schlagworte: Sozialarbeitsforschung, Fachzeitschriften, soziales_kapital, Professionssoziologie,
Zeitschriftenanalyse
Abstract
Professional journals serve as communication channels for members of the scientific community; in
the ꢁeld of social work, they play a crucial role in its recognition as both a profession and an academic
discipline. The knowledge base incorporated in professional journals reflects the professionalization
processes to which social work is subject and which it also helps to shape. Based on an analysis
of nearly 500 articles published between 2008 and 2024 in the Austrian journal soziales_kapital
(Social Capital), this article examines which topics of social work, and which empirical methods of
social work research are included in this body of knowledge. A particular focus of the study is on
reconstructing debates on the (de)professionalization of social work in terms of their transnational
similarities and country-speciꢁc differences. The research design combines quantitative bibliometric
and content analysis methods of social research and examines the body of knowledge in the period
from 2008 to 2024. The results provide insights into historical, current, and local perspectives on
professionalization processes and the role of social work research in the knowledge base of social
work.
Keywords: social work research, academic journals, soziales_kapital, sociology of professions,
analysis of journals
1
Einleitung
Fachzeitschriften dienen in der scientific community als Kommunikationsorgane ihrer Akteur:innen;
in der Sozialen Arbeit sind sie fur deren Anerkennung als Profession und Disziplin bedeutsam. Der
in Fachzeitschriften inkorporierte Wissensbestand reflektiert Professionalisierungsprozesse, denen
Soziale Arbeit unterworfen ist und die sie zugleich mitgestaltet. In diesem Beitrag sollen anhand
der Untersuchung von drei führenden Fachzeitschriften Sozialer Arbeit im deutschsprachigen
Raum (soziales_kapital, Soziale Arbeit, Schweizerische Zeitschrift für Soziale Arbeit) die
Professionsgeschichten Sozialer Arbeit im Zeitraum von 2008 bis 2024 rekonstruiert werden.
Dabei geht der Beitrag insbesondere auf die Entwicklungen thematischer Schwerpunkte und die
Verwendung empirischer Methoden der Sozial(arbeits)forschung in der österreichischen Zeitschrift
soziales_kapital ein.
Im Einzelnen werden folgende Fragestellungen untersucht: Welche Problemstellungen zur
Professionalisierung und Akademisierung Sozialer Arbeit werden in Fachzeitschriften reflektiert?
Welche Professionsgeschichte(n) Sozialer Arbeit lassen sich aus einer professionssoziologischen
Perspektive daraus ableiten? Welche Gemeinsamkeiten und Besonderheiten Sozialer Arbeit liefert
eine historische wie auch ländervergleichende Analyse von Zeitschriften im deutschsprachigen
Raum von 2008 bis 2024?
Im Folgenden wird zunächst der professionssoziologische theoretische Bezugsrahmen des
Beitrags vorgestellt (Kapitel 2), daraufhin wird das Forschungsdesign expliziert (Kapitel 3) und es
werdendievorlꢀufigenErgebnissederUntersuchungprꢀsentiert(Kapitel4). Ineinemabschließenden
Kapitel werden die Analyseresultate zusammengefasst und ein Fazit gezogen, das insbesondere
die länderspezifische Professionsgeschichte in den Blick nimmt.
2
Theoretischer Bezugsrahmen
Als theoretischer Bezugsrahmen dient die bekannte Professionssoziologie Andrew Abbotts, die er
in seiner Dissertation The System of Professions: An Essay on the Division of Expert Labour bereits
1988 vorgelegt hat. Laut Abbott entwickeln sich Professionen und Disziplinen in einem arbeitsteiligen
System, in dem sie in konflikthaftem Wettbewerb um sogenannte Zustꢀndigkeitsansprüche
(jurisdictions) zueinander stehen. Diese Zuständigkeitsanspruche beziehen sich auf die Fähigkeit
von Professionen und Disziplinen, gesellschaftliche Probleme lösen zu können. Dabei unterscheidet
Abbott zwischen Zuständigkeitsanspruchen der Diagnose (diagnosis), Behandlung (treatment)
und des Schlussfolgerns (inference). Die relative Position von Professionen und Disziplinen in
einem grundsätzlich hierarchisch strukturierten System hängt davon ab, wie erfolgreich sie ihre
Zuständigkeit fur Diagnose, Behandlung und Schlussfolgerung im Wettbewerb unter Beweis stellen
können. Ihr jeweiliger disziplinärer Status konstituiert sich vor allem dadurch, wie erfolgreich sie
akademisches Expert:innenwissen fur sich beanspruchen und damit Nischen besetzen können. An
den Beispielen der Informationswissenschaften und der Rechtswissenschaften zeigt Abbott, dass
akademische Disziplinen meist die Zuständigkeit fur die Erstellung von Diagnosen erfolgreich fur
sich beanspruchen. Professionen im Sozialbereich gelten hingegen meistens fur die Behandlung
sozialer Probleme als kompetent, wohingegen die interdisziplinären Sozialwissenschaften das
Schlussfolgern fur sich beanspruchen.
Abbotts einflussreiches professionssoziologisches Modell kann man dafur kritisieren, dass
es auf der Vorstellung von Professionen und Disziplinen als vorwiegend intellektuell definierten
Territorien basiert und deren institutionelle Dimension eher vernachlässigt (vgl. aber Abbott 1999).
Um dies auszugleichen, ist es nützlich, eine bereits klassische Definition wissenschaftlicher
Disziplinen durch Edward Shils (1970) ergänzend hinzuzuziehen. Shils argumentiert, dass der
Institutionalisierungsprozess und der jeweilige Status der historischen Entwicklung einer Disziplin
anhand dreier Indikatoren untersucht werden können: a) dem Ausmaß der Existenz ihrer Lehre
an Hochschulen, b) dem Vorhandensein öffentlicher Forschungsförderung in der Disziplin sowie
c) dem Bestehen fachspezifischer Kommunikationsorgane wie Fachzeitschriften, in denen
Wissenschaftler:innen, die sich als Mitglieder einer Disziplin identifizieren, miteinander in fachlichen
Austausch und in Diskussion treten.
Dieses letzte Kriterium fur den Status von Disziplinen – die Existenz von Fachzeitschriften
– soll folgend mit Blick auf die Soziale Arbeit als Disziplin und Profession einer Überprufung
unterzogen werden. Dazu werden folgende Hypo-/Thesen formuliert: Der Sozialen Arbeit obliegt
im professionellen Wettbewerb mit etablierten Bezugsdisziplinen (z.B. Soziologie, Psychologie,
Pꢀdagogik, Rechtswissenschaften etc.) und Institutionen wie Universitꢀten zumeist die Behandlung
sozialer Problemlagen. Allerdings trägt das Vorhandensein und die zunehmende Ausdifferenzierung
akademischen Wissens zum Selbstverständnis Sozialer Arbeit als Sozialwissenschaft bei, die fur
sich zusätzlich Kompetenzen in den Bereichen Diagnose und Schlussfolgern beansprucht. Eine
Inhaltsanalyse von Fachzeitschriften erlaubt es, die Debatten rund um die Professionalisierung
sowohl in ihrem kognitiven Gehalt als auch ihrer institutionellen Gestalt zu rekonstruieren. Wird
diese transnational und historisch vergleichend umgesetzt, können auch Gemeinsamkeiten und
länderspezifische Besonderheiten des Fachdiskurses der Sozialen Arbeit profiliert werden.
3
Forschungsdesign, Methoden und Sample
In das zweistuꢁge Forschungsdesign wurde zunꢀchst ein Sample von drei Fachzeitschriften Sozialer
Arbeit aufgenommen, die gleichsam als führende Reprꢀsentant:innen von drei lꢀnderspeziꢁschen
Diskursen Sozialer Arbeit gelten können: die deutsche Zeitschrift Soziale Arbeit, die Schweizerische
Zeitschrift für Soziale Arbeit und das österreichische soziales_kapital.
Die deutsche Zeitschrift Soziale Arbeit ist die am längsten existente der drei Fachzeitschriften,
sie erscheint bereits seit dem Jahr 1951. Rund elfmal im Jahr erscheint sowohl eine Online-
Ausgabe als auch eine Printversion der double-blind-peer-reviewten Zeitschrift, die auch als
Kooperationsorgan der Interessensvertretungen Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA)
und Österreichische Gesellschaft für Soziale Arbeit (OGSA) gelten kann. Laut der Selbstbeschreibung
ist das Ziel der Zeitschrift, „die professionelle Entwicklung in den sozialen Arbeitsfeldern zu fördern.
Neben fachspezifischen Praxisberichten werden Methoden und neue Konzepte vorgestellt.“ (Soziale
Arbeit 2025) Im Zeitraum von 2005 bis 2020 erschienen insgesamt 180 Hefte, die in die Analyse
einbezogen wurden.
Die Schweizerische Zeitschrift für Soziale Arbeit (SZSA) erscheint seit 2006 mehrsprachig
und zweimal jährlich in einer Online-Ausgabe und einer Printversion. Seit 2023 ist die peer-
reviewte Zeitschrift, die zugleich das Kommunikationsorgan des Berufsverbands Schweizerische
Gesellschaft für Soziale Arbeit (SGSA) ist, auch open access zugänglich. Die Zeitschrift „versteht
sich als Plattform fur den nationalen und internationalen Austausch in Wissenschaft, Forschung
und Praxis der Sozialen Arbeit. Die SZSA publiziert wissenschaftliche Beiträge, die fur Forschung,
Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, von Bedeutung sind.“ (SZSA 2025) In das Sample wurden
insgesamt 32 Hefte im Zeitraum von 2006 bis 2024 einbezogen.
Die österreichische Fachzeitschrift soziales_kapital erscheint seit 2008 ausschließlich online
und open access mit zwei Ausgaben jährlich. „Die Etablierung einer Sozialarbeitswissenschaft, die
theoretische Konzeptualisierung Sozialer Arbeit, die Förderung einer angewandten Forschung im
FeldderSozialenArbeitunddieReflexionsozialarbeiterischerPraxisstehenimFokusderZeitschrift.“
(soziales kapital 2025) Als Kommunikationsorgan der Fachhochschulen Sozialer Arbeit in Österreich
ist sie zwar bewusst nicht peer-reviewt, doch formulieren die zuständigen Redakteur:innen der
verschiedenen Standorte Empfehlungen an die Autor:innen. In das Sample wurden insgesamt 29
Hefte im Zeitraum von 2008 bis 2024 einbezogen.
Das Forschungsdesign kombiniert eine qualitative Inhaltsanalyse auf der Grundlage eine
Recherche von Schlusselbegriffen in den drei länderspezifischen Samples mit einer weiterfuhrenden
quantitativen Inhaltsanalyse sämtlicher Artikel, die im Zeitraum von 2008 bis 2024 in insgesamt 29
Ausgaben der Onlinezeitschrift soziales_kapital (n=479 Artikel) erschienen sind. Die exemplarischen
Schlusselbegriffe umfassen jene fur sozialen Wandel (beispielsweise Deprofessionalisierung,
Professionalisierung,Akademisierung,Internationalisierung),solche,diedasVerhältnisvonProfession
und Disziplin beschreiben (Berufsgesetz, Kerncurriculum, Promotionsrecht etc.) und schließlich
Begriffe mit Bezug auf die Wissenschaft (z.B. Sozialarbeitswissenschaft, Forschungsförderung,
Interdisziplinarität). Angelehnt an weiterfuhrende bibliometrische Analysen auf der Grundlage
von Datenbanken, wie sie fur Soziale Arbeit im anglophonen Raum vorliegen (vgl. z.B. Eckl 2022;
Hodge/Lacasse/Benson 2012), wurde anschließend eine Feinanalyse des Wissenskorpus in der
Fachzeitschrift soziales_kapital unternommen. Rezensionen und Veranstaltungsankundigungen
wurden nicht als Artikel gezählt und somit nicht ins Sample aufgenommen.
4
Ergebnisse und Diskussion
FürdiequalitativeInhaltsanalysederdreiFachzeitschriftenwurde(n)zunꢀchstdielꢀnderspeziꢁsche(n)
Professionsgeschichte(n) der Sozialen Arbeit im deutschsprachigen Raum skizziert. In einem
zweiten Schritt wurden Fachartikel, die zwischen 2008 und 2024 in soziales_kapital erschienen
sind, auf verwendete Methoden der Sozialarbeitsforschung sowie thematische Schwerpunkte
untersucht (n=479 Artikel). Die Darstellung der absoluten und relativen Hꢀuꢁgkeit der Artikel folgt
einem Interesse an der Entwicklung der thematischen Schwerpunkte sowie der verwendeten
Methoden im Beobachtungszeitraum.
4.1 Deutschland: Strukturelle Ambivalenz Sozialer Arbeit als Profession und
Disziplin
Die seit 1951 und mithin am längsten existierende Fachzeitschrift des Samples, die deutsche
Soziale Arbeit, wurde zu einer Zeit gegrundet, als die Akademisierung Sozialer Arbeit noch in den
Kinderschuhen steckte. Erst mit dem Ausbau der Fachhochschulen Anfang der 1970er Jahre gelang
eine umfangreiche institutionelle Verankerung der Sozialen Arbeit, die fast ein Vierteljahrhundert
vor der Institutionalisierung Sozialer Arbeit an FHs in der Schweiz und in Österreich stattfand.
Vergleichsweise spät kam es zur Grundung des Berufsverbands DGSA 1989. Mitte der 1990er
Jahre wurde erstmals ein Forschungsfonds fur Fachhochschulen eingerichtet, der die Förderung
von Forschungsprojekten auch in der Sozialen Arbeit erlauben sollte, wenngleich dieser mit relativ
geringen ꢁnanziellen Mitteln ausgestattet war. Anfang der 2000er Jahre wurde die Soziale Arbeit
erstmals als Fachdisziplin anerkannt; bis heute ist sie sowohl an Hochschulen fur Angewandte
Wissenschaften (HAWs) als auch an Universitꢀten angesiedelt. Die Modularisierung von
Ausbildungscurricula auf Bachelor- und Masterniveau wurde an HAWs im Jahr 2005/2006 relativ
zeitgleich mit ähnlichen Entwicklungen in der Schweiz und in Österreich in Folge des Bologna-
Reform-Prozesses umgesetzt (vgl. Klüsche 2005; Wilꢁng 2005; Gredig/Truniger 2005). Die
Hochschulrektorenkonferenz setzte 2007 eine „Qualitꢀtsoffensive in der Lehre“ (Cornel/Geißler-Piltz/
Kirschning 2008: 403) um, die Lehraktivitäten insgesamt professionalisieren und aufwerten sollte
und damit auch die HAWs weiter stärkte. 2016 beschloss die DGSA erstmals ein Kerncurriculum
Soziale Arbeit, dessen Vorversionen bereits mehr als zehn Jahre zuvor formuliert worden waren.
Das DGSA Kerncurriculum war wegweisend fur ähnliche Entwicklungen in der Schweiz und in
Österreich. Speziꢁsch für die Situation der Sozialen Arbeit in Deutschland ist die 2017 erstmals
umgesetzte Einrichtung von Promotionszentren bzw. kooperativen Promotionen zwischen HAWs
und Universitꢀten (vgl. z.B. Seukwa 2017). Mittlerweile existiert das Promotionsrecht für HAWs
in der Hälfte der Bundesländer Deutschlands (vgl. Sauer/Steckelberg/Schmitt/Gahleitner 2019;
Hönig/Geppert/Pausits 2025).
DerFachdiskursderSozialenArbeitistindergleichnamigenbundesdeutschenFachzeitschrift
durch eine strukturelle Ambivalenz charakterisiert: Einerseits wird die Soziale Arbeit als Profession
aufgefasst, andererseits als Disziplin. Möglicherweise ist diese durchgehende Ambivalenz auch
der Tatsache geschuldet, dass die Ausbildung zur Sozialen Arbeit in Deutschland sowohl an HAWs
als auch an Universitꢀten stattfindet; beide Hochschultypen weisen ihrerseits unterschiedliche
Expertisen, Zuständigkeitsanspruche und Rechtfertigungen ihres professionellen Status auf.
4.2 Schweiz: Durchsetzung des Professionsdispositivs
Seit 2006 existiert die mehrsprachig erscheinende Schweizerische Zeitschrift fur Soziale Arbeit
(SZSA), in der im zehnten Jahr ihres Bestehens der Status der Sozialen Arbeit in Form von
Debattenbeiträgen kontroversiell diskutiert wurde (2016/17). Entsprechend der Darstellung
verschiedener Autor:innen in dieser Ausgabe lässt sich in der Schweiz von der „Durchsetzung
des Professionsdispositivs“ sprechen (Epple/Kersten 2016; vgl. dazu auch Husi 2017). Dies
durfte ebenfalls mit der primären Institutionalisierung Sozialer Arbeit an Fachhochschulen zu tun
haben: Zwar wurden bereits 1970 Ausbildungscurricula Sozialer Arbeit an den Universitꢀten von
Fribourg (1971) und Zurich (1976) eingerichtet, die dem Prinzip eines kantonalen Förderalismus
unterlagen. Nach der Grundung von Fachhochschulen 1995 wurde die Soziale Arbeit seit Ende
der 1990er Jahre allerdings primär an den FHs verankert – ähnlich wie im Nachbarland Österreich
(vgl. Gredig/Truniger 2005). 2000 richtete der Schweizerische Nationalfonds (SNF), die wichtigste
Forschungsförderungsinstitution in der Schweiz, einen Forschungsfond fur Fachhochschulen
ein, der in den ersten vier Jahren seines Bestehens rund 220 Projekte förderte, von denen
wiederum etwa ein Drittel in Sozialer Arbeit umgesetzt wurde. 2005 wurde mit der Verabschiedung
des Berufsbildungsgesetzes der kantonale Förderalismus in der Sozialen Arbeit durch die
Kompetenzverschiebung von den Kantonen an den Bund begrenzt bzw. aufgelöst. Zeitgleich wurde
ein Rahmenkonzept fur die Masterstudiengänge Sozialer Arbeit entwickelt und es wurden Bachelor-
und Master-Curricula Sozialer Arbeit an FHs etabliert (vgl. Gredig/Truniger 2005). Gemeinsam mit
der Grundung der schweizerischen Fachzeitschrift konstituierte sich 2006 auch der Berufsverband
SGSA. 2011 wurde ein Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz verabschiedet. Einen
Meilenstein in der Anerkennung der Sozialen Arbeit markiert die Aufnahme der SGSA in die
Schweizer Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften 2013.
4.3 Österreich: Verspätete Professionalisierung
In der Fachzeitschrift soziales_kapital wird deutlich die „verspätete Professionalisierung“ der
Sozialen Arbeit in Österreich hervorgehoben (vgl. z.B. Fleischer/Trenkwalder-Egger 2023). Seit
1970 wurde Soziale Arbeit hier zunächst an Sozialakademien des Bundes gelehrt, die ursprunglich
als zweijährige und ab 1987 als dreijährige Ausbildungen konzipiert waren. Der Berufsverband
Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit (OBDS) grundete sich 1988 und formulierte
auch ein erstes Berufsbild. Auch wenn es bereits seit Mitte der 1990er Jahre in Österreich
Fachhochschulen gab, akademisierte sich Soziale Arbeit an diesen erst mit Beginn der 2000er
Jahre. Die Modularisierung von Bachelor- und Mastercurricula fand ab 2006 statt; diese Entwicklung
ist somit zeitlich vergleichbar mit jener in Deutschland und der Schweiz. 2012 erfolgte die Grundung
der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit (OGSA) (vgl. Hefel/Kohlfurst 2023), 2017 wurde
seitens des OBDS ein neues Berufsbild entwickelt. Obwohl der OBDS bereits Ende der 1990er
Jahre einen ersten Entwurf zu einem Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz vorgelegt hatte, wurde erst
im Februar 2024 ein bundesweit gultiges Gesetz beschlossen (vgl. Pollak 2023). Einen weiteren
Meilenstein in der Professionalisierung Sozialer Arbeit stellt das Kerncurriculum Sozialer Arbeit
dar, das 2024 beschlossen wurde; der Qualiꢁkationsrahmen Sozialer Arbeit wurde kurz daraufhin
formuliert und ist seit Juni 2025 verfugbar.
4.4 Themen und Methoden in soziales_kapital (2008 bis 2024)
Ein zweiter Teil der Untersuchung bestand in der Feinanalyse aller Artikel, die zwischen 2008
und 2024 in soziales_kapital erschienen sind (n=479 Artikel, ohne Buchrezensionen und
Tagungsankündigungen). Wie die folgenden Graꢁken auf der Grundlage von absoluten und relativen
Hꢀuꢁgkeitsdarstellungen illustrieren (vgl. Graꢁken 1 und 2), wurden in den fünf Anfangsjahren der
Zeitschrift noch durchschnittlich weniger als 20 Artikel pro Jahr publiziert. Seit dem Jahr 2013
und ab dem achten Band der Zeitschrift weist diese jedoch stabile Veröffentlichungszahlen von
durchschnittlich 30 Artikeln pro Jahr auf. Manche Bände, wie jener zur Partizipation (Band 14, 2015)
und ein Band zur Digitalisierung (Band 24, 2020), zogen besonders viele Beiträge an, wodurch in
diesen beiden Jahren jeweils knapp 50 Artikel veröffentlicht wurden.
Graꢁk 1: Relative Hꢀuꢁgkeitsverteilung von Artikeln in der Zeitschrift soziales_kapital
nach Ausgaben, 2008 bis 2024 (n=479 Artikel)
Graꢁk 2: Absolute Hꢀuꢁgkeitsverteilung von Artikeln in der Zeitschrift soziales_kapital
nach Jahr und Rubrik, 2008 bis 2024, n=479 Artikel
Die Untersuchung der Verteilung von Artikeln nach Rubriken zeigt, dass eine starke themenbezogene
AuseinandersetzungmitdenjeweilsvorgegebenenSchwerpunktenderHeftestattꢁndet(31,1%bzw.
n=149 Artikel) (vgl. Graꢁk 2 sowie Tabelle 1). Zudem gibt es kontinuierlich viele Veröffentlichungen
in den Rubriken „Junge Wissenschaft“ (22,8% bzw. n=109 Artikel) sowie mittlerweile auch in der
Rubrik „Sozialarbeitswissenschaft“ (16,3% bzw. n=78 Artikel) und in der Rubrik „Werkstatt“ (12,3%
bzw. n=59 Artikel). 31 Artikel bzw. 6,5% aller Veröffentlichungen wurden in der Rubrik Editorial
geschrieben (Anmerkung: in den Bänden 11 und 15 gibt es jeweils zwei Editorials). Relativ gering ist
die Anzahl von Veröffentlichungen in den Rubriken „Einwürfe und Positionen“ (seit 2014 5,0% bzw.
n=24 Artikel), „Nachbarschaft“ (4,2% bzw. n=20 Artikel) sowie „Geschichte der Sozialarbeit“ (1,7%
bzw. n=8 Artikel); in der letztgenannten Rubrik wurden uberhaupt nur in den mittleren Jahren von
2012 bis 2017 Beiträge publiziert.
Tabelle 1: Absolute und relative Hꢀuꢁgkeiten von Artikeln in der Zeitschrift soziales_kapital
nach Rubriken, 2008 bis 2024 (n=479 Artikel)
Graꢁk 3: Absolute Hꢀuꢁgkeitsverteilung von Artikeln in der Zeitschrift soziales_kapital
nach thematischen Schwerpunkten und Jahr, 2008 bis 2024 (n=479 Artikel)
Alle Bände von soziales_kapital haben einen je anderen thematischen Schwerpunkt,
allerdings ist ein wesentlicher Teil der Beitrꢀge auch auf die thematisch offenen Rubriken, wie
Sozialarbeitswissenschaft und Junge Wissenschaft, verteilt. Ein beachtlicher Teil aller Artikel
widmete sich im Beobachtungszeitraum Themen der Profession, der Entwicklung professioneller
Identitꢀt sowie der Theoriebildung in der Sozialen Arbeit (16,7% bzw. n=96 Artikel). Wie Graꢁk
3 illustriert, ist diese starke Fokussierung auf die Profession und Disziplin selbst sowie auf die
Professionalisierung ein Charakteristikum der Zeitschrift, das über die Jahre ihres Erscheinens
hinweg stabil bleibt. Schwerpunkthefte, die dieser Themensetzung weitgehend zugeordnet werden
können, sind die ersten drei Bände zu den Themen Soziales Kapital, Qualität und Verantwortung in
der Sozialen Arbeit, die Bände 6 und 7 zu Theoriediskursen, Band 16 zu Menschenrechten, Ethik
und Profession sowie Band 27 zur Akademisierung Sozialer Arbeit.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei der Kinder- und Jugendhilfe, der Familienhilfe und der
Jugendarbeit, die im gesamten Beobachtungszeitraum kontinuierlich mit Artikeln vertreten sind
(16,0% bzw. n=92 Artikel). Auch der Band 18 der Zeitschrift widmet sich der Kinder- und Jugendhilfe.
Immerhin jeweils rund 7% aller Beitrꢀge oder in absoluten Zahlen jeweils 40 Artikel sind den drei
Schwerpunkten Migration, Gender und Gemeinwesenarbeit zuordenbar. Weitere Schwerpunkte,
zu denen unter anderem auch Themenhefte publiziert wurden, betreffen etwa Obdachlosigkeit und
Sozialpolitik, Digitalisierung und Sozialmanagement, Internationale Soziale Arbeit, Gesundheit/
Krankheit, Schulsozialarbeit und Suchthilfe sowie Gewaltschutz. Relativ wenige Beiträge mit
jeweils zehn Artikeln oder weniger umfassen die Schwerpunkte Geschichte der Sozialen Arbeit,
Straffꢀlligenhilfe, Krisenintervention sowie die Umweltsozialarbeit (vgl. Tabelle 2).
Tabelle 2: Absolute und relative Hꢀuꢁgkeiten von Artikeln in der Zeitschrift soziales_kapital
nach thematischen Schwerpunkten, 2008 bis 2024 (n=479 Artikel, mit Mehrfachnennungen)
Graꢁk 4: Absolute Hꢀuꢁgkeitsverteilung von Artikeln in der Zeitschrift soziales_kapital
nach Forschungsstrategien und Jahr, 2008 bis 2024 (n=479 Artikel)
Neben den thematischen Schwerpunkten sind die Herangehensweisen, Methodologien und
ForschungsstrategienveröffentlichterArtikeluntersuchtworden.WieGraꢁk4undTabelle3illustrieren,
sind qualitative Forschungsstrategien empirischer Sozialforschung uber die Jahre hinweg dominant
(34,2% bzw. n=164 Artikel), Mixed-Methods-Strategien (7,3% bzw. n=35 Artikel) sowie quantitative
Forschungsstrategien werden deutlich seltener angewendet (5,2% bzw. n=25 Artikel). Ein großer
Teil dieser empirischen Arbeiten wird in der Rubrik „Junge Wissenschaft“ veröffentlicht. In dieser
werden zumeist Beiträge auf der Grundlage von Bachelor- und Masterarbeiten von (akademisch)
jungen und noch wenig bekannten Autor:innen publiziert.
EinweiteresknappesDrittelentfälltaufdieGattungdesEssaysoderauchdesLiteraturberichts
(31,3% bzw. n=150 Artikel), wobei auffꢀllt, dass diese Form vor allem in der Rubrik „Thema“ von
etablierten und in der Zeitschrift häufiger vertretenen Autor:innen verwendet wird. Das verbleibende
Drittel der Beiträge setzt sich aus Darstellungen von Praxisprojekten, Editorials oder auch wenigen
historischen und international vergleichenden Analysen sowie Positionspapieren zusammen.
Tabelle 3: Absolute und relative Hꢀuꢁgkeiten von Artikeln in der Zeitschrift soziales_kapital
nach Forschungsstrategien, 2008 bis 2024 (n=479 Artikel)
Graꢁk 5: Absolute Hꢀuꢁgkeitsverteilung von Artikeln in der Zeitschrift soziales_kapital nach
Methoden der Datengewinnung und Jahr, 2008 bis 2024 (n=184 Artikel)
Bei rund 38% aller Artikel (n=184) ꢁnden wir nꢀhere Angaben zu den verwendeten Methoden
zur Gewinnung empirischer Daten. Mehr als die Hꢀlfte der Beitrꢀge mit dieser Charakterisierung
widmet sich qualitativen Befragungen durch verschiedene Formen von Interviews (leitfadengestutzt,
biographisch-narrativ, problemzentriert, Expert:inneninterviews etc.). Immerhin knapp 18% aller
Artikel mit Angaben zur Methodik der Datengewinnung wendeten unterschiedliche Varianten
standardisierter schriftlicher Befragung, etwa postalische oder Online-Umfragen, an. Der
Rest von etwas weniger als 10% der Beitrꢀge entfꢀllt auf andere Formen zumeist qualitativer
Datengewinnungsmethoden wie etwa eine Kombination qualitativer Interviews mit Beobachtungen
(8,7%) oder Gruppendiskussionen (5,4%). 4,3% aller Beitrꢀge wendeten eine Kombination aus
qualitativer und quantitativer Befragung an.
Tabelle 4: Absolute und relative Hꢀuꢁgkeiten von Artikeln in der Zeitschrift soziales_kapital
nach Methoden der Datengewinnung, 2008 bis 2024 (n=184 Artikel)
Graꢁk 6: Absolute Hꢀuꢁgkeitsverteilung von Artikeln in der Zeitschrift soziales_kapital nach
Methoden der Datenauswertung und Jahr, 2008 bis 2024 (n=126 Artikel)
Bei rund einem Viertel aller Artikel (n=126 bzw. 26,3%) sind Angaben zu den Methoden der Daten-
auswertung vorhanden. Wie die Graꢁk 6 und Tabelle 5 illustrieren, ist hier vor allem die qualitative
Inhaltsanalyse eine bevorzugte Auswertungsmethode, auf sie entfallen fast die Hälfte aller Beiträge
(42,9% bzw. n=54 Artikel). Allerdings wurde bei 17,5% bzw. n=22 Artikeln auch die Grounded Theo-
ry als Auswertungsmethode angewendet. Weitere genannte Methoden der Auswertung empirischer
Daten sind Dokumentenanalysen (7,9%), statistische und sekundꢀrstatistische Analysen (7,1%),
Themenanalysen (/,1%), Diskursanalysen (4,8%) und Situationsanalysen (2,4%).
Tabelle 5: Absolute und relative Hꢀuꢁgkeiten von Artikeln in der Zeitschrift soziales_kapital
nach Methoden der Datenauswertung, 2008 bis 2024 (n=126 Artikel)
5
Fazit
Aus Sicht der Professionssoziologie wie auch aus der Perspektive einer Geschichte der
Sozialwissenschaften gilt die Existenz von Fachzeitschriften als ein wichtiger Indikator fur den
institutionellen Status einer Fachdisziplin (vgl. Shils 1970; Abbott 1999). Ausgehend von Andrew
Abbotts (1988) Unterscheidung verschiedener Zustꢀndigkeitsansprüche zur Untersuchung des
Status einer Profession oder Disziplin wurde in diesem Beitrag die These untersucht, inwiefern die
Soziale Arbeit neben der beanspruchten Zuständigkeit fur die Behandlung sozialer Problemlagen
auch deren Diagnose und etwaige Schlussfolgerungen anpeilt. Indem sie selbst zunehmend
Wissensbestände und akademisches Wissen der Sozialarbeitswissenschaft generiert, emanzipiert
sie sich zumindest zum Teil von Bezugsdisziplinen wie Soziologie, Psychologie, Pädagogik oder
Rechtswissenschaften und beansprucht selbst den Status einer akademischen Disziplin.
DerskizzierteVergleichvonländerspezifischenProfessionsgeschichtenimdeutschsprachigen
Raum, der aus den Wissensbeständen von drei fuhrenden Fachzeitschriften Sozialer Arbeit
rekonstruiert wurde, zeigt, unter welchen differenten institutionellen Rahmenbedingungen
die nationalen und transnationalen Diskurse Sozialer Arbeit gefuhrt werden. Während etwa
in Deutschland die unterschiedliche Institutionalisierung Sozialer Arbeit an Universitꢀten und
Hochschulen Angewandter Wissenschaften die strukturellen Ambivalenzen in den Diskursen rund
um Profession und Disziplin Sozialer Arbeit mit bedingt und auch verstärkt, fehlt diese doppelte
InstitutionalisierunginderSchweizundinÖsterreich.IndenletztgenanntenLändernstehtstattdessen
eine Fokussierung der Diskurse als Durchsetzung des Professionsparadigmas (Schweiz) einerseits
oder auch als verspätete Professionalisierung (Österreich) andererseits zur Diskussion.
Anschließend wurden die Artikel in der österreichischen Fachzeitschrift soziales_kapital von
2008 bis 2024 (n=479 Artikel) auf die Häufigkeit thematischer Schwerpunkte und der Methoden
empirischer Sozial(arbeits)forschung in den Beiträgen sowie deren Verteilung auf die Rubriken der
Zeitschrift untersucht. Trotz der Dominanz bestimmter Themen (etwa Professionalisierung oder
Kinder- und Jugendhilfe) und bestimmter Methoden der Sozialarbeitswissenschaften (insbesondere
qualitative Forschungsstrategien wie Befragungen und Inhaltsanalysen) liefert die Analyse ein
beeindruckend breit gefächertes Spektrum angewandter Methoden und untersuchter Themen
der Sozialen Arbeit. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass es in der Fachgemeinschaft eine
lebendige Diskussion zu Themen und Methoden der Sozialarbeitswissenschaften gibt, die den
Anspruch Sozialer Arbeit auf den Status einer Wissenschaftsdisziplin uberzeugend geltend machen
kann.
Literatur
Abbott, Andrew (1988): The System of Professions. An Essay on the Division of Expert Labour. Chi-
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Abbott, Andrew (1999): Department & Discipline: Chicago Sociology at one Hundred. Chicago/
London: The University of Chicago Press.
Cornel, Heinz/Geißler-Piltz, Brigitte/Kirschnig, Antje (2008): Theorie, Praxis und Forschung unter
einem Dach. Das reformierte Studium der Sozialen Arbeit an der ASFH. In: Soziale Arbeit, Nr. 10–11,
S. 397–419.
Eckl, Markus (2022): Die disziplinäre Kommunikation der Sozialen Arbeit. Wiesbaden: Springer VS.
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Über die Autorin
Priv.-Doz. Mag. Dr. Barbara Hönig
Dozentin am Institut für Soziale Arbeit der FH JOANNEUM University of Applied Sciences.