Elternsein und Wohnungslosigkeit. Ein qualitatives Forschungsprojekt zu Männern, die nicht mit ihren Kindern untergebracht sind
Ausgabe 13 (2015)
HTML
PDF

Schlagworte

Wohnungslosigkeit
Eltern
Gender
Familie
Männerforschung
Männlichkeiten
Armut
Soziale Arbeit

Abstract

Der Zusammenhang von männlicher Wohnungslosigkeit und Elternsein wird im Fachdiskurs kaum thematisiert. In diesem Beitrag werden Teilergebnisse eines einjährigen, explorativen Forschungsprojekts, das aus Eigenmitteln der FH Campus Wien gefördert und in den Jahren 2013/14 durchgeführt wurde, präsentiert. Die qualitative Studie richtete sich an wohnungslose Männer, die nicht gemeinsam mit ihren Kindern untergebracht sind, da dies die übliche Lebensrealität von Männern mit Kindern in der österreichischen Wohnungslosenhilfe repräsentiert. Aus einer geschlechterkritischen Perspektive zielte das Projekt u. a. darauf ab, Elternsein von Männern in der Situation der Wohnungslosigkeit zu rekonstruieren. Dabei wurde der Blick insbesondere auf Geschlechter- und Männlichkeitsvorstellungen, elterliche Praxen und Eltern-Kind-Beziehungen gelegt. Der Verlust sozialer Anerkennung, das Wahrnehmen des eigenen sozialen Abstiegs und ein tiefes Gefühl des Scheiterns charakterisiert die Phase der Wohnungslosigkeit, die zugleich mit dem Einbüßen der familiären Position und etablierter elterlicher Funktionen einhergeht. Die Betroffenen können dann nicht mehr an ihre persönlichen sowie meist hegemonialen Bilder von Männlichkeiten bzw. Väterlichkeiten anschließen. Die destabilisierten Beziehungen zu ihren Kindern und zur Ex-Partnerin bzw. Mutter werden als tiefgehende Verunsicherung erlebt, die in ihrer vorherigen stützenden Bedeutung häufig betont werden. Die Figur der (Klein-) Familie tritt dabei besonders in den Vordergrund, repräsentiert sie doch häufig das zentrale soziale Bezugssystem der Männer. Der Kontakt zu den Kindern wird zunächst durch Therapieaufenthalte oder unterschiedliche Formen der Wohnungslosigkeit destabilisiert. Erst durch eine stabilere Wohnsituation ist es für einen Teil der Männer wieder möglich, Kontakt zu ihren Kindern aufzubauen. Zugleich bestehen vonseiten der Männer häufig Schamgefühle, die Kinder mit ihrer eigenen prekären Lebenssituation zu konfrontieren. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass in der Wohnungslosigkeit teilweise neue Konzepte von Elternsein entstehen, diese aber nicht unbedingt als solche reflektiert oder in eine künftige Elternpraxis bewusst integriert werden. Unter dem Druck der Wohnungslosigkeit und dem Erleben akuter Armut streben Männer danach, den eigenen sozialen Status wieder herzustellen und knüpfen dabei an etablierte Normalitätsvorstellungen an, z. B. schreiben sie sich dann selbst wieder stärker die „Ernährerrolle" und den Frauen die „sorgende" Seite der Familienarbeit zu. The relationship between homelessness and male parenting is rarely discussed in the professional discourse. There are a few international empirical studies which analyze the relationship between homeless men and their children. This paper is based on a one-year exploratory research project funded by the University for Applied Science Campus Wien. The study was carried out in the years 2013 and 2014. The qualitative study aimed to explore the situation of homeless non-resident fathers and tried, furthermore, to reconstruct their parenting from a gender critical viewpoint. The study paid particular attention to the parent-child relationship, parental practices and the construction of masculinity and gender by the participants. The results indicate that within the experience of homelessness the men develop new forms of fatherhood, which are not necessarily reflected upon as such, or are integrated into future ideas of parental practice. Under the enormous pressure of homelessness and the experienced acute poverty men strive to reproduce their own social status and draw on established notions of normality, such as the nuclear family and men being responsible for its financial wealth. Under this circumstances the establishment of different long term parental practices proves to be difficult. The temporarily unstable hegemonic notions of fatherhood and masculinity can therefore be seen as an opportunity and a challenge for the integration of different forms of parental practices. We thus suggest intensive psychosocial and gender-reflexive support measures for homeless fathers to dissolve bipolar gender arrangements, and facilitate a stronger compatibility of care work with market-mediated work within the men's ideas of fatherhood.
HTML
PDF